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Besuch beim Zahnarzt
Ich hasse es grundsätzlich mich schutz- und hilflos auszuliefern. Deshalb hasse ich es erst recht zum Zahnarzt zu gehen.
Als ich gestern ein Loch in meinem rechten Backenzahn entdeckte blieb mir aufgrund dessen fast das Herz stehen.
Vierzehn Uhr – Zeit los zu gehen. Mein Termin wartet.
Am Enttrance werde ich äußerst freundlich von der viel zu käsig angezogenen Sprechstundenhilfe begrüßt und erst einmal im Wartezimmer geparkt.
Hier hüpfen sogleich ein paar schokoladenverschmierte und verzogene Gören um mich herum um mir mein Kleid voll zu sauen.
Fünfzehn Uhr – Die Gören hängen immer noch an meinem Rockzipfel, während ich in einem ebenfalls mit Schokolade verklebten Modemagazin blättere.
Sechzehn Uhr – Allmählich beginne ich unruhig zu werden. Schließlich war ich eigentlich schon für halb drei Uhr angemeldet.
Siebzehn Uhr – Die Gören sind an der Reihe. Mit einem diabolischen Grinsen verfolge ich, wie sie heulend an der Hand ihrer Mutter ins Behandlungszimmer geführt werden.
Viertel nach fünf – Lachend stürmen diese kleinen verzogenen Biester aus dem Arztzimmer zum Empfang. „Lutscher, Lutscher!“, grölen die zwei im Chor und selbstverständlich schenkt ihnen die Sprechstundenhilfe ihren Lutscher! „Da. Weil ihr den Onkel Doktor sooo brav nachschauen habt lassen!“
Na super! Vielleicht haben sie ihm auch nur dieses Mal keinen Finger abgebissen. Ärgerlich rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her. Termin um halb drei. Jetzt ist es aber schon halb sechs und ich sitze immer noch hier!
Fünf Minuten nach halb sechs – Endlich! Drei Stunden zu spät ruft die käsige Sprechstundenhilfe meinen Namen aus und bittet mich ins Zimmer zwei.
„Guten Tag, Doktor Kapfinger!“
„Hallo, Frau Pongratz! Na, um was geht es denn? Nachsehen oder haben wir etwa ein Loch im Zahn entdeckt?“
Wenn der nicht sofort damit aufhört mich so in freudiger Erwartung an zu grinsen, hau ich ihm gleich ein Loch in den Zahn!
„Ein Loch im Zahn... Leider!“
„Dann setzen Sie sich bitte hier auf die Liege.“
Während ich auf der Liege ausharre während diese langsam nach unten gefahren wird, bildet sich allmählich Angstschweiß auf meiner Stirn.
Neongrell scheint mir die grausame Zahnarztlampe in die Augen.
„So dann machen wir doch einmal den Mund gaaanz weit auf!“
Ich will schreien doch ich kann nicht mehr. Der Zahnarzt hat mir nach kurzem Untersuchen bereits Watte in den Mund gestopft um meine Stimmbänder außer Gefecht zu setzten.
Hilfe! Jetzt holt er auch noch seine ebenfalls käsige Assistentin!
Ohne große Vorwarnung werden mir die Wattebatzen wieder aus dem Mund gerissen und die Zahnarzthelferin schiebt mir anstatt dessen einen sogenannten „Absaugschlauch“ in den Mund.
Seltsam gurgelnde Geräusche kommen aus meinem Rachenraum. Hat sie etwa schon den Magen erreicht?
Wieder bereits der Mund mit zwei Instrumenten auseinander gespreizt. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen an dem ich heulen könnte. Aber große Mädchen weinen nicht!
„Bsssss-bssss...bsssss..sssss“
NEIIIN!! Der Bohrer!
„Wenn es weh tut, dann sagen sie es mir, ja?“
„Ager.. ich...sji hagen ichre chang in neineng Nung!“
(Übersetzt: Aber ich… Sie haben ihre Hand in meinem Mund!“
(Was wirklich damit gemeint war: Hilfe, lasst mich hier raus!)
„Oh, dass ist aber tief. Ich glaube, da werden wir eine Spritze brauchen.“
Mein gegurgeltes NEIN! NEIN! überhörte er dabei gänzlich.
Da war sie. Diese spitze, lange, metallisch glänzende Nadel schwebte direkt über meiner Nase.
Ich schloss die Augen. Am Liebsten hätte ich geweint, als dieses Monstrum sich in meinem Zahnfleisch versenkte.
Gut, jetzt war wenigstens alles taub. Ich ließ alles mit mir, bzw. mit meinem Zahn geschehen.
„So Frau Pongratz, das hätten wir!“
Ich öffnete meine Augen. Ein helles Licht schwebte über meinem Gesicht. Ein wunderschönes blaues, warmes Licht.
Später stellte sich heraus, dass es nur die Aushärtungslampe für meine neue Zahnfüllung gewesen war.
Ich trat hinaus aus dem Behandlungszimmer, schritt hocherhobenen Hauptes an der käsigen Sprechstundenhilfe vorbei und würdigte sie keines Blickes.
Ich öffnete die Eingangstür, wandte mich kurz um, um mir noch einen Lutscher zu mopsen und ging dann nach Hause, um meinem Freund zu erzählen, dass alles nur halb so schlimm gewesen sei.