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Betriebsunfall

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12.12.2007
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Betriebsunfall

Betriebsunfall

Mit routinierten Bewegungen und mit Hilfe eines Messers verteilte der Mann die Butter auf dem Brot. Dann legte er es auf einen Teller, welcher auf einem Tablett stand. Daneben war ein Glas Orangensaft und eine Schale Müsli. Seufzend betrachtete er das Essen das er, James Longfield, 45, für seinen Vater, David Longfield, 85, hergerichtet hatte. Es war nicht so, dass er seinen Vater nicht liebte, alle liebten ihre Väter, aber irgendwie wuchs die Abneigung gegen ihn mit jedem Tag. Kurz wanderten seine Augen zu dem Spülmittel, das neben der Spüle stand. Dann schweiften sie zum Glas auf dem Tablett. Kopfschüttelnd verwarf er den Gedanken und hob das Essen vorsichtig auf, damit nichts runter fiel. Bedächtig drehte er sich um und nahm den Geruch nach altem Mensch war, der sich in der Küche festgefressen hatte. Überall war dieser Gestank. Es war ihm immer ein Rätsel gewesen, wie hier jemand etwas essen konnte.
Gedankenverloren verließ er die Küche und ging wie jeden Tag die Treppe hinauf um schließlich vor einem langen Flur zu stehen. An dessen Ende war eine schlichte Holztür. Weiß bestrichen, nichts Aufregendes. Die Wände waren mit ein paar kleinen Bildern bestückt, die verschieden Szenen darstellten. Ein Waldweg. Ein goldenes Kornfeld. Ein glitzernder Bergsee. Ein Marktplatz, mit schick gekleideten Menschen, die an orientalisch anmutenden Ständen die Waren begutachteten. Ein Blumenstrauß. Dotterblumen. Leberblümchen. Margariten. Das, was man eben so an die Wand zu hängen pflegte. James hatte die Hälfte der Strecke zur Tür zurückgelegt, als eine raue und kalte Stimme erklang. Sie kam eindeutig aus dem Raum hinter der Tür. Sie war schlimmer als das Geräusch, wenn jemand mit den Fingernägeln an einer Tafel entlangfuhr.
„Wo ist mein Essen!“
James setzte ein gekünsteltes Lächeln auf und öffnete die Tür. Im Raum waren die Vorhänge vorgezogen und Blümchentapeten zierten die Wände. Keine Bilder, keine Blumen, nur ein Nachtkästchen und ein Bett. Ein sauberer Überzug und eine warme Decke. Das war ein ganz normales, nüchternes Zimmer, würde nicht ein sterbenskranker Mann im Bett liegen.
„Hier ist dein Essen, Vater.“
Der alte Mann hatte Schläuche in der Nase, die zu einem Gerät neben dem Bett führten. Ein Beatmungsgerät, das sich anhörte als läge es selbst in den letzten Atemzügen, ohne das er in schnell, sehr schnell sterben würde. Der alte Mann richtete sich etwas auf und betrachtete das Tablett. Kurz herrschte Stille, dann spuckte der Alte sein “Nein!“ auf das Tablett.
Verdutzt schaute James seinen Vater an.
„Was ist nicht in Ordnung damit?“
Schnaubend betrachtete der Sterbende seinen Sohn.
„Ich wollte eine Suppe und nicht so was!“
„Vater, es ist Morgen und du hast keine Suppe im Haus, also habe ich dir das hier gemacht.“ „Das will ich aber nicht!“, polterte der Alte los und schaute mit erzürntem Gesicht James an. „Vater, bitte iss es.“
„NEIN! Man wird wohl einem sterbenskranken Mann noch eine Suppe beschaffen können.“
Jetzt wurde James zornig und konnte sich nicht mehr zurückhalten. Es war jeden Tag dasselbe. „Wenn du dieses Gottverdammte Frühstück jetzt nicht isst dann…“
„Dann?“
„…stirbst du sowieso früher als du denkst.“
Erschrocken betrachtete ihn sein Vater.
„Du wagst es? Mich, der dich groß gezogen hat, zu beleidigen? Oh, wenn deine Schwester hier wäre, hätte ich meine Suppe…“
James bebte.
„Sie ist aber tot, Vater, und du weißt genau wessen Schuld das ist.“
Teuflisch lächelnd starrte ihn sein Vater an.
„Nein, weiß ich nicht.“
Ungläubig betrachtete James den alten Mann, dann brüllte er los. „
Du warst es, du miese alte Kröte. Du hast sie fertig gemacht. Deinetwegen hat sie sich...“
Fast schon selbstzufrieden lächelte sein Vater weiter.
„Dann habe ich ja doch etwas richtig gemacht in meinem Leben.“
James Kopf wurde hochrot und er knallte seinem Vater das Tablett auf die Brust.
„Wieso hast du uns dann in diese Welt gesetzt?“
James presste diese Worte hervor und versuchte ruhig zu bleiben. Achselzuckend betrachtet ihn sein Vater. „Betriebsunfall.“ Es war, als würde er James einen Stich versetzten. Ein Betriebsunfall? Seit er sich um seinen Vater kümmerte hatten sie immer wieder Streitigkeiten aber so etwas hatte er noch nie gesagt. Er senkte den Kopf und drehte sich wortlos zum Beatmungsgerät. Kurz zitterte er, dann griffen seine Finger an den Schalter der das Aus bedeutete und versenkte ihn.
Der alte Mann röchelte, rang nach Atem. James wollte nichts dem Zufall überlassen. Griff nach einem Kissen. „Warum?“, presste sein Vater hervor. James schaute den Alten an, zuckte mit den Achseln, ehe er ihm antwortete:
„Betriebsunfall.“

 
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hallo,

Willkommen bei uns.
Wenn ich ehrlich bin hat mir die Geschichte wirklich nicht sehr gut gefallen. Dabei würde ich jedoch nicht mal sagen, dass sie wirklich schlecht ist, aber das Ende ... damit kann ich einfach nichts anfangen.

Den größten Schnitzer habe ich hier zu bemängeln:

Verdutzt schaute James seinen Vater an.
„Was ist nicht in Ordnung damit?“
Schnaubend betrachtete der Sterbende seinen Sohn.
„Ich wollte eine Suppe und nicht so was!“
„Vater, es ist Morgen und du hast keine Suppe im Haus, also habe ich dir das hier gemacht.“ „Das will ich aber nicht!“, polterte der Alte los und schaute mit erzürntem Gesicht James an. „Vater, bitte iss es.“
„NEIN! Man wird wohl einem sterbenskranken Mann noch eine Suppe beschaffen können.“
Jetzt wurde James zornig und konnte sich nicht mehr zurückhalten. Es war jeden Tag dasselbe
warum ist er eigentlich verdutzt, wenn es jeden Tag dasselbe ist?

viel mehr kann ich zu deinem Text eigentlich nicht sagen. Das Ende ist ungeheuer zynisch und unmenschlich. Wenn jetzt jemand damit kommt und sagt, so unrealistisch ist das nicht, sowas passiert jeden Tag, dann verneine ich das vehement. Ich sehe ein, darüber kann man streiten, aber ich glaube sowas einfach nicht. der fünfundvierzigjährige wird sich nicht um den alten Mann kümmern, wenn da nicht eine Verbindung ist, etwas, das von menschlicher Wärme herrührt. Er könnte ihn dann genauso gut ins heim stecken, hätte nichts mehr mit ihm zu tun, wäre vielleicht bis zu einem gewissen Grade dazu gezwungen, finanziell etwas beizusteuern, aber dann hätte er seine Ruhe. Wie oben angemerkt, scheint das ablehnende Verhalten des Vaters etwas völlig alltägliches zu sein. Stelle dir vor, das macht man vielleicht 10 Jahre mit. das härtet ab. Nach einer Weile ist dir dann das Gezeter egal, aber du erträgt es, weil dich etwas mit ihm verbindet. Da ist etwas, dem du dich nicht entziehen kannst. Einen solchen Menschen bringst du nicht um. Es ist außerdem der kürzeste Weg, der einfachste. Keine Herausforderung mehr, nichts, woran man wachsen könnte.

am Anfang näherst du dich dem Thema ganz interessant, am Ende geht dir aber die Luft aus. Das

Georg

 

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