Mitglied
- Beitritt
- 16.08.2010
- Beiträge
- 7
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 3
Betrogen
Sie traf ihn vor zwei Tagen im Korkut, einer kleinen Bar bei ihr an der Ecke. Er saß an der Theke und nippte langsam an einem Drink. Der Hocker, auf dem er saß, war überall zerkratzt und die Naht von dem Lederbezug war an manchen Stellen aufgeplatzt. So quoll das Füllmaterial hervor und immer, wenn der Mann sein Gewicht verlagerte, viel ein bisschen von diesen versifften Schaumstoffkrümeln zu Boden. Ein ekliger Anblick, aber es interessierte keinen in dieser Bar, viel zu beschäftigt mit größeren Problemen. Diese in Alkohol zu ertränken, dass war der Sinn dieser Bar und genau aus diesem Grund schien auch jener Mann dort zu sitzen.
Er war vielleicht Anfang Vierzig, die ersten grauen Haare störten den Anblick seiner kräftigen, schwarzen Haarpracht. Die Stirn runzelnd starrte er ziellos in das fast leere Glas. Die Augen, leicht wässrig, von dunklen Augenringen umhüllt.
Sie sprach ihn an. Er –zuerst ein bisschen verunsichert- freute sich, einen Gesprächspartner gefunden zu haben. Sie unterhielten sich ganz nett über Nebensächlichkeiten, das Wetter und so ein Zeug, worüber man sich halt in heruntergekommenen Bars mit Fremden unterhält. Er erzählte ihr von seiner Frau, aber sie hatte den Ring schon lange bemerkt. Als es spät wurde, schlug er vor, sich am nächsten Tag nochmal zu treffen. Irgendwo, wo einem nicht ein Duftgemisch aus billigem Parfüm und Zigarettenrauch Tränen in die Augen treibt. Sie willigte ein, küsste ihn zum Abschied auf die Wange und ging. Als sie die Bar verließ, lächelte sie, aber es war nicht das Lächeln, mit dem sie Männerherzen verzauberte.
Am nächsten Abend waren sie in einem spanischen Restaurant. Es war kein Nobelrestaurant, aber es war eine angenehme Atmosphäre. Sie saßen draußen, auf dem Boden war Sand ausgestreut. Es gab auch die Möglichkeit, sich in Strandkörbe zu setzen, aber sie setzten sich an einen Tisch. Über ihnen waren rötliche Lampions, die den Effekt der langsam untergehenden Sonne verstärkten. Das Licht verlieh ihren schulterlangen, blonden Haaren und dem beigen Kleid einen seltsamen Glanz. Sie muss gut ausgesehen haben, er schaute sie den ganzen Abend an.
Sie war eher auf das Essen konzentriert. Die Tapas waren köstlich, die Tortillas schmeckten auch gut, es machte aber mehr Spaß, wenn man sie selbst belegte. Nur der Wein war nicht ihr Geschmack, und der Champagner-Cocktail danach noch weniger.
Sie redeten diesmal weniger. Er erzählte ihr nur immer wieder, wie schön sie sei und sie spürte, wie er sie die ganze Zeit mit seinen Blicken auszuziehen versuchte.
Er gab der Kellnerin 25% Trinkgeld. Er mache das immer, so seine Worte. Kurz bevor sie sich trennten, ergriff er noch ihre Hand. Sein Ehering fehlte. Er sah so aus, als wolle er irgendetwas sagen, verwarf es aber scheinbar und blickte ihr stattdessen tief in die Augen.
Sie tauschten Nummern aus, sie gab ihm flüchtig einen Kuss und sie gingen in unterschiedliche Richtungen.
Noch am gleichen Tag rief er sie an, kurz bevor sie zu Bett gehen wollte. Er habe den Abend sehr genossen. Sie willigte zum Picknicken ein.
Und jetzt sitzt sie hier auf seiner hässlichen, in verschiedenen Grüntönen karierten Decke.
Das dritte Date innerhalb von drei Tagen. Sie liegt da, den Arm um ihn geschlungen und blickt nach oben. Über ihr kreisen Schattenvögel vor dem Himmel, rot wie Blut. Sie flimmern leicht und hinterlassen einen leichten schwarzen Schleier hinter sich, den Kondensstreifen bei Flugzeugen ähnlich, bloß zarter.
Sie atmet tief den Duft der Gräser ein und drückt ihn fest an sich. Sie genießt solche Momente. Jedes Mal nimmt sie sie noch intensiver wahr. Alles wirkt so irreal perfekt. Dieser Moment ist es, den sie schon lange herbeigesehnt hat. Ein Moment des Friedens, der inneren Stille. Die Ruhe vor dem Sturm. Noch einmal atmet sie tief ein, probiert, den Moment vollkommen auszukosten. Ein Lächeln umspielt ihre Lippen. Ein von Grund auf ehrliches Lächeln. Bis sie es zu einer Fratze verzieht. Blut ist auf ihr Kleid getropft. Sie flucht leise. Es macht eigentlich nichts aus, das Kleid ist rot. Aber der Moment ist vorbei.
Sie steht auf und geht, überlässt ihn den Vögeln.
Das Messer entsorgt sie auf dem Weg nach hause in der Spree.
Bevor sie aus dem Wagen steigt, greift sie noch in das Handfach und streift sich ihren Ring wieder über. Ein Blick auf die Uhr, ihr Mann wird erst um Eins daheim sein. Er wird dann völlig übermüdet sein und sie wird sich Sprüche anhören müssen, wie anstrengend seine Arbeit doch gewesen sei, und dass er jetzt einfach nur schlafen wolle.
Bleibt noch Zeit für einen Besuch im Korkut. Vorher noch schnell umziehen, sie weiß bloß noch nicht, was sie anziehen soll.