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Bleicher Mond

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15.06.2005
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Bleicher Mond

Bleicher Mond
Tobi und ich hatten es geschafft. Unter den knapp zwei Millionen Teilnehmern waren wir die Gewinner. Karibik, Südsee, Trauminsel, Traumstrand, Traummänner. Dass Tobi mitfuhr, war nur fair, schließlich war es seine Idee. Und ein Teil seines Geldes. Auch wenn Zeit mit mir zu verbringen, sicherlich nicht das Beste für ihn sein würde. Oder für mich. Er nervte mich ständig mit irgendwelchen Sachen und ich war im Gegenzug garstig und patzig, was ihn nicht im Geringsten zu stören schien.

Es sei denn, man blickte tief in seine Augen. Nach jedem Treffer meinerseits konnte man eine kurze Trübung seines Blickes, einen kurzen Schatten entdecken, der sekundenschnell vorüberzog. Ich hatte jedes Mal danach ein schlechtes Gewissen, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen, denn er reizte mich jedes Mal aufs Neue bis zum Äußersten.

Wir hatten uns am Flughafen getroffen, mit Gepäck für drei Wochen Paradies. Ich saß im Flugzeug zwar neben Tobi, doch schützte ich vor zu schlafen und Tobi schlief wirklich schnell ein, so dass wenigstens zu Anfang keine schlechte Stimmung aufkommen konnte. Ich beobachtete die Wolken, als ich sicher gehen konnte, dass Tobi schlief. Der blaue Himmel erstreckte sich so weit das Auge reichte. Ich aß und trank eine Kleinigkeit- First Class – und war bester Stimmung. Die Landschaft unter uns zog eilends vorbei. Nach knapp einer Stunde war nur noch Meer zu sehen.

Ich musste wohl eingenickt sein und erwachte, als mich jemand am Arm packte. Ich wollte schon einen genervten, morgenmuffeligen Kommentar machen, als ich seine angsterfüllten Augen sah. Sie waren nur ein Blitzen in der Dunkelheit. Im Flugzeug? Ich war schlagartig wach und schaute mich um. Regen plätscherte an die Scheiben, trommelte gegen das Flugzeug. Blitze durchzuckten den Himmel und grollender Donner folgte. Die dunkle Wolkenwand, nur ab und an zuckend erhellt, wirkte unwirklich und dennoch bedrohlich.

Tobi war kalkweiß. Angstschweiß tropfte von seiner Stirn. Plötzlich Stille. Das Rumpeln und Schütteln des Flugzeugs, das nur langsam in mein Bewusstsein gedrungen war, verebbte schlagartig. Ich brachte Tobi entgegen des guten Rats des Stewards Richtung Klo, in der irrigen Hoffnung, dass es überstanden sei. Das Kreischen von Metall, etwas Hartes schlägt gegen meinen Kopf – Schwärze.

Mir träumte. So schien es. Wasser und Kälte, Sturm und Wind, Wellen und Gischt. Der Meeresgott riss mich empor, nahm mich als Opfer nicht an.
Ich erbrach mich, hustete und spuckte. Der sonnenüberflutete Strand und der Geruch nach Algen und Erbrochenen kämpften sich in mein Bewusstsein. Ich versuche mich zu orientieren. Sand. Neben mir ein Rucksack. Hinter mir Meer. Meilenweit Meer und weißer, feiner Sand. Das Kreischen einer Möwe. In heftigem Verlangen durchsuche ich den fremden Rucksack und finde Wasser. Trinke es halb leer, spüle mir den versalzenen, sauren Mund aus.

Noch benommen mache ich mich samt Rucksack auf den Weg, schwankend. Meine sonnenverbrannte Hand, mit der ich mir über den Mund wische, scheint das einzige Zeichen zu sein, wie lange ich wohl hier schon lag. Als ich, noch nicht ahnend, was ich suche, eine Düne erklimme, sehe ich eine Gestalt im Sand liegen. Mein schmerzender Körper drängt vorwärts. Der Hoffnung entgegen. Hoffnung auf Tobi, der mich zwar nervt, aber den ich kenne. Ich nähere mich dem Mann, der nicht Tobi ist.

Anfang zwanzig schätze ich den Liegenden. Ich drehe ihn um, suche nach Lebenszeichen. Spreche ihn an. Er lebt noch, stelle ich fest. Ich flöße ihm etwas zu trinken ein. Fast den ganzen Rest. Aber alleine sein? Er schlägt seine Augen auf. Sieht mich dankbar an. Abwarten. Er braucht einen Moment, bis er völlig bei Bewusstsein ist. Er stellt Fragen. Fragen, auf die ich keine Antworten weiß. Ich bin eine Großstadttucke kein Naturfreak. Ich sage ihm, was ich weiß. Ein Strand, karibisches Wetter. Sein Name ist Paul.

Er beschließt, dass wir weitergehen sollten, uns umsehen. Wir finden einen weiteren Rucksack. Ein gelber Rucksack. Tobis gelber Rucksack. Von ihm selbst keine Spur. Ich habe nie geglaubt, ihn jemals wiedersehen zu wollen, doch jetzt wollte ich nichts Anderes. Wir suchen weiter, doch keine Spur von ihm. Sand geht in dunkelgrauen Felsen über. Zwischen den Felsen ein Rinnsal von Nass. Süßwasser, wie wir erleichtert feststellen. Ich fülle die Flasche aus dem ersten Rucksack. Wir trinken, soviel wir nur können.

Als es langsam dämmert, sucht uns Paul ein Lager. Aus Treibholz entfacht er ein Feuer. Ich danke Tobi im Stillen, dass er Raucher ist und ein immer ein Zippo einstecken hat. Eine Träne stiehlt sich in mein Auge. Wo ist Tobi nur? Wir legen uns hin. Die einzigen Worte zwischen Paul und mir, waren die, als ich ihn fand. Erschöpft schlief ich ein. In Gedanken immer noch bei Tobi.

Am morgen stellten wir fest, dass wir auf einer Insel waren. Ein paar Kilometer weitergegangen, fanden wir Möwen, die sich an meinem gestrigen Auswurf zu schaffen machten. Paul war gesprächig wie ein Backstein. Wir ließen uns nieder und beratschlagten. Paul mit seiner einsilbigen Art und ich, der verzweifelte, oft gehörte Vorschläge machte: Feuer, Wasser, Essen, Rettung. Bis wir gerettet werden, müssen wir wohl hier leben.

Mich durchzuckten Gedanken an all die Klischees im Bezug auf verlassene Trauminseln: Einen Bart wachsen lassen, mit Volleybällen reden oder Freitag treffen. Nun ja, ich hatte wenigstens Paul. Vielleicht wäre ein Volleyball unterhaltsamer. Dieser Gedanke machte mich lachen und ich fing mir einen unergründlichen Blick von Paul ein, der mich verstummen ließ.

Wir gingen in den nahegelegenen Dschungel oder wie immer man diese Ansammlungen von Gewächsen nennen mag und sammelten Früchte ein. Ich brachte so was wie Pfirsiche mit und Paul Kokosnüsse. Wir aßen an Ort und Stelle und machten uns wieder auf Richtung Trinkwasser. Ein paar hundert Meter entfernt, noch auf dem Sand, errichteten wir ein Lager, füllten die Flasche und die Kokosnusshälften mit Wasser. Zwei Handtücher waren unser Lager. Da es auch nachts nicht kalt war, musste das wohl reichen. Ich wusch mich im Meer und Paul suchte Feuerholz, obwohl ich der Meinung war, auch er könnte ein Bad vertragen.

So einen Strand hätte ich mir gewünscht. Ein netter Page, der einen jeden Wunsch von den Augen abliest und vor allem für gefüllte Gläser sorgt. Und Tobi. Stattdessen bekam ich Wasser und Obst, einen griesgrämigen, verschwiegenen Paul, der nur das Nötigste sagte.
Als wir beide im Lager waren, redete ich über die Probleme, Gefahren etc. und fragte nach Pauls Meinung. Der drehte sich um und ließ mich mit meinen Fragen und Sorgen allein. Würde man uns suchen. Würde man uns finden? Wie lange müssen wir es wohl hier aushalten? Wenigstens war Paul ein Medizinstudent und kannte sich in der Natur aus, so dass ich mir keine Gedanken darüber machen brauchte. Ihm das aus der Nase zu ziehen, hatte Stunden gedauert und nicht mal ein Drittel meiner Fragen wurden beantwortet. War er überhaupt im Flugzeug? Wie kam er auf die Insel?

Sein schlafender Körper hob und senkte sich im Takt seines Herzens. Ich gestattete mir den Luxus, ihn mir genauer anzusehen. Sein goldgebräunter Teint, auf dem sich die letzten Strahlen der Sonne fingen. Sein lockiges, leicht ausgebleicht wirkendes, blondes lockiges Haar. Im Gegensatz zu mir, der sich mit Sonnencreme aus dem Rucksack bis obenhin zukleistern musste und dessen Sonnebrand gerade mal ansatzweise verheilt war, musste er sich darum keine Sorgen machen. Er war schön anzusehen. Passte hierher ins Paradies. Bis auf seine stille Art, die mich irritierte.

Ich schlummerte ein und träumte. Ich sehe eine Insel im bleichen Licht des vollen Mondes. Ich hatte die Insel nie von oben gesehen, doch erkannte ich sie sofort als unsere Insel. Auf einer Lichtung im Dschungel brennt ein Feuer. Ich rieche Rauch und Schweiß. Das Trommeln nackter Füße auf lehmigen Boden ist zu hören. Die hohen, schrillen Stimmen von Flöten sind zu hören. Die schwarzen, tanzenden Männer sind mit Zeichen übersät, die ich nicht kenne. Doch ihre Bedeutung ist irgendwie fast greifbar, entzieht sich mir jedoch. In der Mitte tanzt ein weiterer Mann, umringt von den schwarzen Tänzern. Er ist ebenfalls nackt, sein Gesicht jedoch als Einziges unter einer Maske verborgen. Er ist kalkweiß, mit einem roten, glänzenden Zeichen bemalt. Ein Zeichen, das auf jedem Teil seines Körpers gemalt wurde.
Außerhalb des Kreises stehen Musikanten, blasen in das Holz vor ihren Lippen. Ich trete in den Kreis ein. Der Maskierte bleibt stehen und sofort kehrt Stille ein. Kein Trommeln, kein Flöten. Ein Messer blitzt. Blut ergießt sich auf den Maskierten. Mein Blut.

Paul schüttelte mich wie wild. Schweißgebadet, Panik in den Augen erblickte ich sein Gesicht. Und hinter ihm den bleichen zunehmenden Mond . Paul nahm mich spontan in die Arme. Sprach tröstende Worte. Nur ein Traum, murmelte ich beschwörend. Spürte die Wärme seines Körpers und versuchte, das Wissen, welches mir zuteil wurde, zu leugnen. Ich erkannte den Körper, der mich hielt. In meinem Traum war es der Körper des Maskierten.

Ich schüttelte mich, löste mich von Paul, ging spazieren. Ich murmelte etwas von Haien und Wasser und Ertrinken. Es stellte ihn zufrieden, hoffte ich. Wir arbeiteten den ganzen Tag. Mit Messern aus der Schweiz hergestellten Steinwerkzeugen, einigen Ästen aus dem Dschungel und viel Schweiß, errichteten wir eine kleine Hütte. Ich verdrängte das schaurige Gefühl des Traumes, bekämpfte das Gefühl, er könne wahr sein. Harte Arbeit und Schweigen half dabei sehr.

Am Abend gab es wieder Früchte und Wasser. Wir hatten ein Bassin für Wasser angelegt, aus Blättern und Harz, einen Kochtopf aus Kokosnuss und Stein improvisiert und einen erklecklichen Vorrat an Feuerholz für unser ständiges Rettungsfeuer angelegt.

Am Abend fragte ich Paul nach dem Flugzeug, was er gegessen hatte, wie er rausgekommen war. Er küsste mich unvermittelt, flüsterte ein Danke und legte sich schlafen. Ich war verdutzt. Und viel zu müde. Ich schlief ein, obwohl ich es nicht vorhatte. Traumloser Schlaf.

Als ich erwachte, war Paul weg. Ich stand eiligst auf, schaute mich angestrengt um: Nichts. Nicht mal Fußspuren im Sand. Mein Misstrauen wuchs. Keine Antworten, sein Verschwinden, der Traum. Als ich fast schon der Panik nahe war, kam er aus dem Dschungel gelaufen. Er trug Früchte bei sich und einen Strauß der schönsten Blumen, die ich je gesehen habe. Ich freute mich so über die Blumen, dass ich meine Gedanken vergaß- vorerst.

Wir sammelten Holz und überlegten uns, wie wir unser Nahrungsangebot aufstocken konnten. Die Tatsache, dass Paul seit dem Morgen eine blaue Speedo trug, lenkte mich in meinen Gedanken etwas ab, Ich schaute immer wieder verstohlen auf seinen prall gefüllten Schritt und musste Gedanken verdrängen, die in dieser Situation völlig unwillkommen waren. Paul baute eine Angel aus Holz, Draht und Schnur. Der Rucksack war zwar nicht mehr zu gebrauchen, aber das war nicht so tragisch. Wieder einmal bewunderte ich sein Geschick. Ich kochte Wasser ab und füllte es zum Kühlen in die Kokosnüsse und die Flasche. Er ging Angeln und ich bewachte das Feuer.

Allein mit meinen Gedanken. Erschreckenden und Gedanken über eine blaue, gut gefüllte Speedo. Ich ging schwimmen, um die Gedanken im salzigen Nass zu ertränken. Ich hatte zwar keine Badehose, aber dafür eine Taucherbrille gefunden. Ich gab mich völlig leichtsinnig dem Vergnügen hin. Das herrliche, warme klare Nass. Die kleinen Tierchen im Wasser. Beim Tauchen entdeckte ich plötzlich etwas Glitzerndes. Ich tauchte auf, holte neu Luft und schwamm hinab zu dem Glitzern.

Stolz wie Oskar zog ich einen blanken Metallhelm aus dem Wasser. Er war nicht angegriffen von Rost. Ein Topf, dachte ich mir und ließ die Frage, wie ein solcher Helm hierher kam, links liegen. Ich klaubte das Futteral aus dem Helm und konnte Paul, der vom Fischen zurückkam, einen blanken Topf präsentieren. Mit einem dümmlichen Grinsen, hielt ich ihn ihm entgegen. Doch irgendwie schaute er den Topf nicht an, den ich auf Brusthöhe hielt. Er schaute tiefer und seine Speedo beulte sich aus. Ich flüchtete in die Hütte und zog mir etwas an. Wir verloren kein Wort darüber. Ich aus Scham und er, weil er Paul war.

Wir brieten die Fische am Stock und schwiegen uns an. Paul hatte sogar noch Wurzeln mitgebracht, aus dem nahen Dschungel. Ich versuchte mein Glück aufs Neue und fing an über das Flugzeug zu sprechen. Doch die Zweifel wurden weggeblasen. Kaum dass das Wort Flugzeug meinen Mund verließ, stürzte er sich auf mich und küsste mich, wie ein Ertrinkender. Ich spürte die Ausmaße seiner Erektion auf meinem Oberschenkel. Ich war nur noch Körper und genoss sichtlich das sinnliche Treiben, das er mir bescherte. Zufrieden glucksend schlief ich nach dem Essen und einer weiteren Runde Zärtlichkeiten ein.

Der nächste Tag verlief rasant. Wir liebten uns, Paul jagte einen Hasen, wie liebten uns, ich holte Holz, wir liebten uns, gingen schwimmen. Ich lag mit dem Rücken auf dem Handtuch und hielt die Augen geschlossen. Paul erhob sich und ging Austreten. Ich schaute in die Sterne, sah den vollen, bleichen Mond. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Eine Vorahnung. Plötzlich sah ich ein Blitzen von Weiß. Ich stand auf und sah vor mir einen schwarzhäutigen Mann mit einem Speer. Ich wollte losrennen, als mich von hinten ein weiterer in die Mangel nahm. Innerhalb kürzester Zeit war ich überwältigt.

Gefesselt zwangen sie mich, ihnen zu folgen. Mir wurde schlecht und ich machte mir irrigerweise Sorgen um Paul. Fragte nach ihm. Keine Antwort, nur ein weiterer grobe Stoß, der mich weitergehen ließ. Ich wurde auf eine lehmige Lichtung geführt. Sie trichterten mir eine übelriechende Flüssigkeit ein.

Die Musik beginnt. Der volle Mond hüllt die Insel in bleiches Licht. Licht, das so fahl ist wie der Knochenmann. Blut spritzt auf seinen Körper. „Das letzte Mal“, hört man ihn schwören, „das letzte Mal.“

 

Hallo nochmal Adeptus

tut mir leid, aber diese Kg ist mMn ziemlich langweilig. Alles so vollkommen narrativ runterzureihen, wirft nicht gerade Spannung auf. Hinzukommend geschieht auch noch sehr wenig in dieser Kg. Und was passiert beschreibst du ziemlich monoton. Ganz abgesehen von den Clichés... Das Ende liest sich dann so, als hättest du nicht mehr weiter gewusst.

Als wir beide im Lager waren, redete ich über die Probleme, Gefahren etc. und fragte nach Pauls Meinung.
warum zeigst du uns diese Gespräche nicht?

Fazit: show- don´t tell!

grüßlichst
weltenläufer

ps: nicht übel nehmen, aus einem verriss lernt man häufig das Meiste!

 

Hallo Adeptus,

Robinsonaden haben natürlich immer ihren Reiz und irgendwann hatte ich das Gefühl, die Geschichte läuft auf eine Art "Blaue Lagune" für Schwule hinaus. Auch das hätte mich gereizt.
Ich hatte beim Lesen aber das Gefühl, du warst nicht ganz entschlossen, was du erzählen wolltest.
Schon der Einstieg ist etwas verwirrend. Du widmest der Beziehung deines Prot zu Tobi viel Aufmerksamkeit (Ist es Zufall, dass der Antagonist in "Dazugehören" auch Tobias heißt?), beschreibst, wie sehr er den Icherzähler nervt, leider aber nicht, womit. Du beziehst dich auf ein Preisausschreiben, von dem der Leser keine Ahnung hat und irgendwie komme ich auch nicht dahinter, wieso der Prot mit Tobi zusammen teilgenommen hat, wo er ihn doch so nervt. Es wäre da sicherlich angebracht, irgendetwas Gutes an Tobi zu finden, warum er sich trotz allem mit ihm abgibt, sei es nur, dass er besonders attraktiv ist.
Andererseits spielt Tobi aber in der Geschichte später kaum noch eine Rolle. Nur sein Rucksack wird gefunden und auf einmal vermisst dein Prot ihn, aber wieder nur, weil er ihn kennt, ein Stück Vertrautheit. Eigenschaften oder so vermisst er nicht.
Dafür, dass er keine Rolle mehr spielt, bist du zu Beginn schon fast wieder zu viel auf ihn eingegangen.
Welche Geschichte möchtest du hier also erzählen? Die von deinem Prot und Paul, die von deinem Prot und Tobi oder die von deinem Prot und beiden?
Im letzten Fall wäre es ratsam, die Beziehung zu Tobi so zu gestalten, dass sie in die von Paul hineinwirkt.
Nächster Punkt: warmes Meer, weiter Strand, viel nackte Haut und alle anwesenden Männer sind automatisch schwul oder bi. Welcher schwule Mann wünscht sich das nicht?
Bei meinen eigenen Geschichten ziehe ich es auch meistens vor, dass die schwulen Protagonisten es so selbstverständlich sind, dass nicht viel Aufhebens darum gemacht wird. Bei dir gewinnt aber diese schwule Fantasie über die Oberhand über die Gegebenheiten auf der Insel. Zwar räumst der Prot selbst irgendwann ein, dass der Blick auf die prall gefüllte Speedo der Situation eher unangemessen ist, das macht es für mein Gefühl aber nicht glaubwürdiger.
Auf so einer Insel versucht man einerseits, sich so gut wie es geht vor der Sonne zu schützen, andererseits wird die Kleidung natürlich schon aufgrund der unnatürlichen Belastung recht schnell verschlissen. Hier störte mich der Sinn für´s ästhetische Markenbewusstsein. Er riss aus der Geschichte. Die Fantasien deines Prot wären meines Erachtens viel glaubwürdiger, wenn sie eben nicht auf die Speedo, sondern erstmal auf die Jeans gerichtet wären, auf den Oberkörper oder auch auf das das nackte Genital. Er könnte sich zum Beispiel daran stören, dass er sich zwar immer ganz auszieht, wenn er ins Wasser geht, Paul aber nicht. Er könnte sich einreden, es albern zu finden, da sie als junge Männer doch dort unter sich wären, während er eigentlich nur scharf darauf ist, etwas zu sehen, was Paul ihm vorenthält. Nur, um die Erektion von Paul sichtbar zu machen, braucht es die Speedo nun wirklich nicht.
Auch ist hier unklar, warum sich dein Prot schämt und nicht Paul. Der hatte doch die Erektion. Okay, den Prot kann auch eine gehabt haben. Das würde auch erklären, warum sich sich plötzlich so sicher über die gegenseitige sexuelle Orientierung sind.
Die Erotik zwischen den beiden bahnt sich mir zu schnell an. Dass der wortkarge und verschlossene Paul den Prot nach einem Albtraum in den Arm nimmt, leitet sich für mich aus der Geschichte nicht her. Für mich wirkt es unmotiviert.
Dann versuchst du die Geschichte zu einem mystischen Ende zu bringen. Auch das hat in einer Robinsonade Platz, kein Zweifel. Der Teil kommt mir aber in seinem Gesamtverhältnis zu kurz. Wer ist Paul? Der Beutejäger für die Eingeborenen der Insel? Ist es seine Aufgabe, schwule Jungen zu verführen, um sie dann von den Eingeborenen schlachten zu lassen? Und müssen das schwule sein oder fängt er beim nächsten ein Mädchen (oder die Male davor?)?
Stürzen so viele Flugzeuge dort ab, dass die Kannibalen davon satt werden?
Oder ist es ein Ritus, sie brauchen ihn nicht zum Essen, sondern zum Missbrauchen. Warum töten sie ihn dann? Selbst, wenn ich als Leser nicht alles erzählt bekommen möchte, bleibt mir hier zu vieles nicht erzählt.
Irgendwie ist es von allem ein bisschen, sodass ich mir eben die eingangs erwähnte Frage stellte. Was möchtest du erzählen?
Stilistisch ging es mir wie weltenläufer. Es ist zwar flott erzählt, schafft aber durch die narrative Erzählweise und auch durch einige der Situation unangemessenen Wertungen wie "Ich gestatte mir den Luxus" immer wieder Abstand zu deinem Protagonisten. Dadurch kommt nicht so recht Spannung auf und man kann auch nicht mit ihm mitfühlen, zum Beispiel ob er Paul nun bekommt oder nicht.

Liest sich jetzt nach bösem Verriss, das tut mir Leid.
Dabei ist mir der Grundgedanke einer schwulen Robinsonade doch grundlegend so sympathisch.


Lieben Gruß, sim

 

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