Blind durch die Gegend
Blind durch die Gegend
Eine Sackgasse! Aber das war nichts Neues für uns, weil wir immer neue Gegenden durchstöberten. Dieses Mal entdeckten wir einen schmalen Kiesweg, den wir nun entlang gingen. Vorsichtig stampfte ich über die nassen und rutschigen Steinchen. Malaika war aber viel schneller als ich. Die ganze Zeit musste ich ihr nachrufen, dass sie auf mich warten soll, doch sie hat mich gar nicht beachtet. Vielleicht hat sie vergessen, dass ich mit ihr unterwegs war oder sie hat mich ganz einfach nicht gehört. Plötzlich rief sie hastig nach mir und sagte, ich solle mich beeilen. Dann verlor ich sie aus den Augen. Ich verstand nicht, warum sie so aufgebracht war, vermutlich hat sie wieder Mal etwas Spannendes entdeckt. Ich bin lieber vorsichtig, damit ich nicht hinfalle. Ich wusste, dass sie irgendwo auf mich warten wird.
Als ich zur nächsten Kreuzung kam, sah ich sie schon von weitem auf dem Boden liegen. Sofort beeilte ich mich, zu ihr zu kommen. Sie blutete am Kopf und hatte sich ein wenig das Bein aufgeschürft. Ich habe es gewusst, dass sie früher oder später hinfällt, bei dem Tempo, dass sie hatte. Ich fragte sie gleich, was passiert ist und sie hat nur gefragt, wo sie sei und was sie hier mache. Schnellstens machte ich mich auf den Weg zum nächsten Haus, das gerade am Ende des Kiesweges stand. Eine sehr grosse Garage stand neben dem Haus und vor der Garage sass ein Mann ganz starr und nur vor sich schauend in Richtung Malaika. Er hatte seine Augen genau auf sie gerichtet. Aber irgendwie schaute er wie in ein Loch, ich kann es gar nicht beschreiben. Doch ich hatte gar keine Zeit, mir über diesen Mann Gedanken zu machen. Ich sprang direkt auf ihn zu und fragte ihn, ob ich sein Telefon benutzen dürfte, weil es ein Notfall war und ich erklärte ihm kurz und verwirrt, was passiert ist. Auf einmal stand er ganz schnell auf und zog erschrocken sein Handy aus seiner Tasche und überreichte es mir.
„Um Gottes Willen, was ist denn passiert? Kann ich irgendwie helfen?“
Warum frage ich überhaupt, ob ich helfen könne. Wie soll ich das nur anstellen? Ich kann es sowieso nicht.
„Nein ist schon gut, ich erledige das selbst. Doch danke vielmals für Ihr nettes Angebot.“
„Gern Geschehen! Ist doch klar.“
Zum Glück muss ich nicht helfen gehen. Es wäre mit mir ohnehin nur noch schlimmer geworden. Wahrscheinlich hätten sie eher mir behilflich sein müssen. Immer fühle ich mich so unnützlich, obwohl ich auch gerne mal anderen Menschen helfen würde. Wenn doch dieser Blöde Unfall nicht gewesen wäre.
Ich rief gleich den Notarzt an, gab ihm sein Mobiltelefon wieder und bedankte mich nochmals herzlich bei ihm. Er nickte nur noch und schaute mich mit seinen ausdruckslosen Augen an. Dieser Mann war sehr eigenartig, als ob er mich gar nicht anschaute. Von einem Augenblick zum anderen hatte ich Angst vor ihm. Ich dachte, dass er uns ausschimpfen würde, weil wir sein Grundstück betretet haben. Weshalb sonst hatte er mich mit solch grossen Augen angeschaut. Aber eigentlich war er ja ganz höflich und überreichte mir sofort sein Telefon, als ich ihn darum bat. Doch warum erschrak er aus heiterem Himmel? Viele Gedanken strömten mir durch den Kopf, während der Fahrt ins Krankenhaus.
Im Krankenhaus sagte der Arzt, dass es nur eine leichte Gehirnerschütterung gewesen war, sodass sie ihr Gedächtnis nur für einen kleinen Moment verloren hatte. Als ich zu ihr ging um zu sehen, wie es ihr ging, habe ich sie auch gleich darauf angesprochen, dass sie das nächste Mal langsamer fahren sollte. Sie sagte mir daraufhin, dass sie sich von dem alten Mann am Ende des Kieswegs bedroht angeschaut fühlte und dass sie sich deshalb so beeilte. Sie dachte, er hätte etwas dagegen, dass wir durch seine Gegend liefen.
Sie hatte die genau gleichen Gedanken wie ich! Ich erzählte ihr natürlich auch sofort, dass er mir auch Angst machte und dass es mir auch erst später aufgefallen ist. Vor allem sein merkwürdiger Blick hat uns beide erzittern lassen. Wer weiss, was er von uns gedacht hatte. Er war sicher so ein einsamer veralteter Mann, der alle Kinder und Jugendliche verabscheute. Oder vielleicht auch ein Pädophiler. Man kann nie wissen. Aber warum hat er mir dann gleich sein Handy gegeben? Erst als ich ihm erzählte, was passiert war, war er erschrocken. Warum wohl? Er hatte es selbst mit eigenen Augen gesehen. Ich habe es nämlich genau gesehen, wie er mit seinem ungewöhnlichen Blick auf Malaika schaute. Im Prinzip war er ja ziemlich nett.
Seit diesem Vorfall fahren wir immer mit offenen Augen durch die Gegend. Dies sollte uns eine Lehre gewesen sein.