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Blondes Haar
Wir radelten durch den Wald. Die Sonne schien und es war ein schöner Tag, nur war ich heute nicht alleine mit Papa unterwegs. Vor mir sah ich den breiten Hintern einer fülligen Blonden die Papa ständig anlächelte, als hätte er ihr gerade etwas in den Kuchen getan. Und diesmal schien Papa es ernst zu meinen - er hatte mir nicht nur Andrea, seine Neue mit der großen Oberweite vorgestellt, sondern auch Imke, ihre Tochter. Jetzt sind wir eine richtige Familie, hatte er gesagt.
Ich sah auf Imkes lange blonde Haare: Sie glänzten, wenn die Sonne darauf fiel. „Du hast schöne Haare.“
„Danke.“ sagte Imke. „Du auch.“ Sie sah auf meine Haare und wurde rot: Meine Haare waren farblos und strähnig; ich bürstete sie jeden Tag, dennoch ähnelte ich einer räudigen Katze.
„Halt das ‘mal bitte.“ Ich reichte ihr einen Stock.
„Gerne.“ Sie erwiderte mein Lächeln.
Wir beide fuhren ganz hinten auf unseren Klapprädern und die Reifen holperten über den Pfad. „Aua!“ schrie ich plötzlich empört.
Papa drehte sich um: „Was ist denn los?“
„Ach nichts.“ rief ich, verzog das Gesicht und rieb hektisch über meinen Ellenbogen.
Papa sah den Stock. „Wirf bitte den Stock weg, Imke.“
„Aber ich habe doch gar nichts gemacht . . .“
„Imke!“ rief Andrea ärgerlich. Ich glaube, Andrea mochte Papa sehr.
„Gib her!“ Ich riss Imke den Stock aus der Hand, unsere Räder kamen sich sehr nahe und fast wären wir gestürzt.
„Warum?“
„Es war meine Schuld – eine Mücke hat mich gestochen, gleich sage ich es Papa. Und deshalb werfe ich den Stock für dich weg.“
„Danke, dass ist nett von dir.“ Imke sah mich etwas erstaunt an. Eigentlich ist sie ganz nett, dachte ich.
Der Weg führte bergab und mein Rad rollte immer schneller, kam Papa so nahe, bis unsere Reifen sich fast berührten – in diesem Moment schleuderte ich den Stock mit aller Kraft nach vorne. Er flog sehr tief, landete in Papas Speichen, das Hinterrad blockierte, rutschte über den Weg, Papa schrie auf, stürzte und rollte über den Kies. Als er aufstand, blutete er an der Stirn und sein Boss-Hemd war zerrissen.
„Jörg! Was ist passiert?“ rief Andrea, aber Papa sah sie nur ratlos an.
Ich stieg ab und ging zu Papas Fahrrad. Der Stock hing noch in den Speichen. Imke stand neben mir – sie verriet mich nicht und das muss man ihr anrechnen. Ich zog den Stock heraus. Papas Augen wurden groß.
„Es war nicht ihre Schuld.“ Ich wies mit dem Stock auf Imke. „Du hast gesagt, sie soll den Stock wegwerfen . . .“
„Aber . . .“ rief Imke. Papas Handfläche klatschte in ihr Gesicht.
[Beitrag editiert von: Quasimodo666 am 12.04.2002 um 13:20]