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Blondinen
Wie bin ich eigentlich hier gelandet?
“… ich finde es auch gut, dass die Mandy jetzt raus ist. Ich meine, sie hat schon einen tollen Körper, aber das Zeug zum Top-Model, nie im Leben!”
Ich nicke natürlich mit dem Kopf und stimme ihr zu. Irgendwo stimmt’s ja auch… “Ja sie ist vielleicht ein bisschen zu schüchtern“, ergänze ich.
„Ja und blöd ist sie such!“, meint mein Gegenüber und zieht mit großen roten Lippen an ihrer Zigarette.
Wieder stimme ich ihr zu und erneut schießt mir die Frage durch den Kopf: Wie bin ich hier gelandet? Ich bin doch mit Kumpels hergekommen, oder nicht? Wir haben uns doch amüsiert, oder nicht? Ach so, stimmt ja, irgendwann, so nach dem vierten Bier, bin ich aufgestanden und bin, na ja, so richtig weiß ich das jetzt auch nicht mehr. Jedenfalls bin ich jetzt hier.
„Was glaubst du wer gewinnt?“, fragt sie.
„Ach… ich glaube... bestimmt die Hana.“
„Ja“, sagt sie, „die hat was! Sie wird gewinnen.“ Wieder zieht sie an ihrer Zigarette.
Und ich nehme einen Schluck von meinem Bier.
Dieses Mal sagt sie nichts.
Und ich auch nicht.
Und sie auch nicht.
Und ich auch nicht.
Scheiße Mann. Was ist bloß los ist mit dir? Willst du sie einschläfern, oder was? Sag doch was!
„Und was machst du so…? “, frage ich.
„Wie meinst du das jetzt, beruflich oder so zum Spaß?“
Hmmm... wie meine ich das jetzt bloß? „Beides eigentlich...“
„Also, ich arbeite in eine Werbeagentur. Ich gehe gern weg, shoppen“ – jetzt kichert sie halb-verlegen – „und ich tanze auch gern“.
Wieder zieht sie an ihrer Zigarette. Schöne Lippen hat sie, muss ich sagen.
„Und was machst du so?“, fragt sie.
Ich will ihr erzählen dass ich ein Serienkiller bin. Einfach so, um zu schauen wie sie reagiert. Okay... weg damit. Schlechte Idee.
„Ich bin Philosophiestudent.“
„Ach wirklich?“
Ich nicke mit dem Kopf.
„Ist ja interessant.“
„Ja, manchmal schon.“
„Und was ist deine Lebensphilosophie“, fragt sie und kichert wieder.
Interessiert sie sich für mich? Könnte doch sein, oder? Wieso nicht? Komm schon Junge, sag irgendwas Interessantes.
„Ich weiß nicht so richtig, ich bin noch auf der Suche danach. Aber ich finde, dass jeder Mensch am Ende dort hingelangt wo sein Schicksal ihn hinführt, aber nicht weil es etwa göttlich vorprogrammiert ist, sondern weil seine Seele ihn unbewusst dorthin bringt. Man kann das „Schicksal“ also durchaus steuern.“
Mein Gott, labere ich Scheiße...
„Das finde ich schön“, sagt sie und lacht mit aufblitzenden Augen.
Wie bin ich eigentlich hier gelandet?
Er schaut Germany’s Next Top Model und gibt’s auch noch zu! Was ist denn das für einer? Vielleicht tut er ja nur so…
“Ich glaube Hana wird gewinnen”, sagt er und nimmt wieder einen Schluck von seinem Bier.
Ach Gott, der muss ja wirklich zwischen jedem zweiten Satz die Flasche zum Mund führen. Vielleicht fühlt er sich so ja wohler…
“Ja, ganz klar, Hana wird gewinnen”, stimme ich ihm natürlich zu. Ich meine, wollen wir hier wirklich über Germany’s Next Top Model diskutieren? Er führt wieder die Flasche zu seinem Mund. Aber er sieht schon irgendwie niedlich aus, das muss man ihn lassen.
Er sagt nichts.
Und ich auch nicht.
Und wieder nimmt er einen Schluck Bier. Gesprächig ist er nicht gerade…
“Und was machst du so…?”, fragt er.
So als ob das ihn wirklich interessiert… Na, zumindest sagt er was.
„Ich arbeite für eine Werbeagentur,” erkläre ich ihm. „Ich gehe auch gern weg, feiern, was man halt so macht, shoppen… Und was machst du so?“
Er wippt in seinem Stuhl hin und her und überlegt kurz.
Ich bin Philosophiestudent, sagt er.
Philosophiestudent. Zukünftiger Taxifahrer also. Na ja… besser als Serienkiller.
“Und was ist deine Lebensphilosophie?”, frage ich. Er zögert einen Augenblick. Scheiße, hoffentlich klang das jetzt nicht irgendwie blöd.
„Ich weiß nicht so richtig, ich bin noch auf der Suche danach. Aber ich finde, dass jeder Mensch am Ende dort hingelangt wo sein Schicksal ihn hinführt, aber nicht weil es etwa göttlich vorprogrammiert ist, sondern weil seine Seele ihn unbewusst dorthin bringt. Man kann das „Schicksal“ also durchaus steuern.“
Ich muss lachen. Ich kann nicht anders. Was für ein Gelaber! Der versucht ja alles!
„Das ist schön“, sage ich und er scheint zufrieden mit sich selbst zu sein. Ich will ja nicht sein Ego verletzen...
Ach je... wo bin ich hier gelandet?
Mein Gott, die beißt ja auf alles an. Warum frage ich sie nicht gleich ob sie mit mir ins Bett will? Nein, rede keinen Unsinn. Du weiß genau warum. Wenn du das machst, läuft sie dir davon und scheuert dir einen. So ist das nun mal. Dann hast du dich vor deinen Kumpels blamiert.
„Willst du was trinken?“, frage ich.
“Okay”, meint sie und wenig später bringt der Kellner zwei Cocktails vorbei.
“Danke schön”, sagt sie und lächelt mich an.
Immerhin, sie trinkt. Dann fährt sie wahrscheinlich nicht. Und wenn sie einen trinkt, dann warum nicht zwei, oder drei… obwohl, das wird dann glaube ich doch zu teuer.
“Und was machst du sonst so, außer philosophieren?”, fragt sie.
Ich nehme einen Schluck von meinem Cocktail.
Auch sie zieht lange an ihr Cocktail-Röhrchen. Währendessen schaut sie mit großen blauen Augen zu mir hinauf. Also wenn das nicht ans Blasen erinnert dann weiß ich auch nicht…
Ihr langes blondes Haar fällt gleich ins Cocktailglas wenn sie nicht aufpasst. Vielleicht ist sie ja blöd. Was soll’s?
Ach so, ich muss ja antworten. Konzentriere dich!
“Na ja, ich spiele gern Basketball, ich lese gern, weggehen, was man halt so macht.”
Sie zieht wieder an ihr Röhrchen und nickt.
Also ich hätte schon irgendwie Lust auf sie. Uns geht leider der Gesprächsstoff aus.
“Wusstest du, dass heute Mondfinsternis ist?”, frage ich.
“Wirklich, was ist denn das?”
Okay, sie ist mit Sicherheit blöd… “Eine Mondfinsternis ist, wenn sich die Erde genau vor der Sonne schiebt. Das kann man dann beobachten.”
“Passiert das jetzt im Augenblick oder wie?”
“Ja, ja, jetzt grad.”
“Dann gehen wir raus. Ich will’s sehen.”
“Okay, cool.”
Wir stehen beide auf und sie bückt sich kurz um irgendwas an ihrem Hosenbund zurechtzurücken.
Geiler Arsch!
Jetzt will er mir auch noch was zum Trinken kaufen. Warum fragt er mich nicht gleich ob er mit mir ins Bett will? Das wäre doch einfacher.
Weil du ihn dann wahrscheinlich einen scheuern würdest und er weiß das genau.
Stimmt ja. Hmmm… hoffentlich macht er das wirklich. Das wäre eine tolle Story. Meine Mädels würden sich freuen.
Aber gut, meinetwegen. Trinken wir was. Ich habe zwar schon zwei Cocktails gehabt, aber so lange er zahlt… Eigentlich finde ich es blöd, dass Jungs immer zahlen müssen, aber der dunkle Schönling darf ruhig zahlen. So viel Geld habe ich ja auch nicht.
„Was machst du sonst so?“, frage ich.
Er zieht an sein Röhrchen und schaut mit seinen braunen Augen zu mir hinauf. Schöne Augen.
Er zieht immer noch an sein Röhrchen.
Immer noch.
Jetzt legt er sein Glas auf den Tisch.
Muss ich die Frage ein zweites Mal stellen? Blöd. Mit Sicherheit blöd.
Aber schön ist er...
“Ich spiele Basketball, lese und gehe gern weg”, sagt er.
Jetzt nehme ich wieder einen Schluck. Er spielt also Basketball und liest.
Ist ja klar… Lesen tun sie ja alle. Ganz intellektuell. Das mit dem Basketball glaube ich ihm aber bei dem Body. Wahrscheinlich hat er voll den Sixpack!
„Wusstest du, dass heute Mondfinsternis ist?“, fragt er.
Romantiker ist er also auch. Irgendwas mit Mondfinsternis habe ich auch gehört. Ist das heute?
“Was ist eine Mondfinsternis?“, frage ich. Natürlich weiß ich das. Aber es freut ihn bestimmt, wenn er mir was erklären kann.
„Eine Mondfinsternis, ist wenn sich die Erde genau vor der Sonne schiebt. Das kann man dann beobachten.“
Ganz toll erklärt…
„Ist das jetzt?“, frage ich.
„Ja“, sagt er.
„Dann zeig’s mir.“
„Okay, cool.“
Wir stehen beide auf und ich folge ihm aus der Bar.
Netter Hintern…
“Scheiße. Der Vollmond sieht heute irgendwie voll aus.”
“Sogar ziemlich voll“, fügt sie hinzu.
Ich halte einen Typ auf der Straße an. „Hey Mann, warum ist der Vollmond so voll?“
“Der Mondfinsternis ist erst morgen”, erklärt er mir und läuft weiter.
Scheiße, jetzt habe ich mich blamiert. Ich drehe mich zu ihr um und lache.
„Ich hab’s mitgekriegt“, meint sie.
“Gut…” Jetzt gehen mir die Worte aus. Was machen wir jetzt?
“Gehen wir wieder rein?”, fragt sie und zündet sich erneut eine Zigarette an.
Ich zucke mit den Achseln. “Ich finde es schön hier draußen. Gehen wir doch ein Stück spazieren.“
Wenn sie ja sagt will sie mich…
Sie schaut auf die Uhr. „Es ist schon spät“, sagt sie dann. „Ich sollte nach Hause.“
Aber gerade eben wollte sie doch noch rein. Scheiße, ich hab’s verbockt.
“Muss du morgen früh aufstehen?”, frage ich.
“Eigentlich nicht…”
“Arbeiten?”
“Nein.”
Es ist kurz still.
Sie schaut mich an.
Ich schaue sie an.
“Wie kommst du heim?”
“Ich laufe”, sagt sie und zeigt in eine Richtung. “Meine Wohnung ist nicht weit.”
“Ich kann dich begleiten.”
Sie zieht wieder an ihrer Zigarette, und schaut mich wieder an.
“Okay.”
Wir laufen los und reden wenig.
Was mache ich eigentlich? Ich finde wir haben nichts gemeinsam. Sie ist voll blöd, schaut wahrscheinlich den ganzen Tag nur Fernsehen und „Top Model“ und so einen Scheiß, und jetzt hat sie mich abgeschleppt. Wahrscheinlich nimmt sie jedes Wochenende einen anderen nach Hause. Aber irgendwie süß ist sie ja trotzdem. Und sowieso, dumm fickt gut.
Wir stehen vor ihrer Wohnung.
“Wir sind da”, sagt sie.
Ich atme tief durch. Die Luft ist frisch. Jetzt muss ich angreifen.
“Es war schön mit dir”, sagt sie.
“Ich hatte ebenfalls Spaß”, sage ich.
Es ist wieder still.
Immer noch still.
Zu lange still.
“So spät ist es ja nicht…”, sage ich mit einer Unsicherheit in der Stimme, die ich zu unterdrücken versuche, “vielleicht könnten wir beide ja noch zusammen einen Film anschauen, oder so…”
Ich grinse über beide Ohren. Ich kann nicht anders.
Heute ist keine Mondfinsternis! Ich wusste es.
Er lacht verlegen.
Ja, ja, du hast dich blamiert, Casa Nova, ist schon okay.
Ich brauche wieder eine Kippe. So lange ich sie anmache, kann er sich ja überlegen was wir jetzt machen…
Aber von ihm kommt ja natürlich nichts.
“Komm, gehen wir wieder rein,” schlage ich vor.
“Warum gehen wir nicht ein Stück spazieren?”, meint er dann.
Ich zögere. Er will mich also auf jeden Fall.
Will ich das auch?
“Es ist schon spät“, sage ich und blicke auf meine Uhr, „ich finde, ich sollte nach Hause”.
Ich will nicht wirklich unbedingt heim, aber ich will schauen wie er reagiert.
Das gefällt ihm nicht.
“Muss du morgen früh aufstehen?”, fragt er.
“Nein.”
“Arbeiten?”
“Nein.”
“Wie kommst du heim?”
Ich zeige ihm wo meine Wohnung liegt. “Ich laufe. Es ist nicht weit.”
Jetzt fragt er mich bestimmt ob er mich nach Hause begleiten kann.
“Kann ich dich begleiten?”
Bingo. Ich ziehe wieder an meiner Zigarette. Er schaut mich gespannt an. Er ist schon süß…
“Okay”, sage ich.
Auf dem Weg nach Hause bekommt er kaum den Mund auf. Mensch Mädel, was machst du denn? Er hat gefragt ob, er mich nach Hause bringen darf… Aber du hast das Ganze inszeniert! Hab’ ich das? Ja das hast du! Nein hab’ ich nicht. Doch das hast du!
Er ist auch noch richtig einfältig! Wahrscheinlich ist er jedes Wochenende mit einer anderen unterwegs. Er hat ja nicht einmal das mit der Mondfinsternis richtig auf die Reihe gekriegt. Ja, aber du weiß was man über Dummheit sagt…
So, nun sind wir da.
“Danke schön”, sage ich, „ich habe heute Spaß gehabt.“
“Ich auch”, sagt er.
Drehe dich um. Auf geht’s, drehe dich einfach um…
Aber schau ihn dir an!
“Vielleicht könnten wir beide ja noch zusammen einen Film anschauen, oder so…”, meint er und grinst wie ein Wolf.
Ich ziehe wieder an meiner Zigarette.
Bin ich ein Unschuldslamm?
Am nächsten Morgen pocht mein Kopf. Ich mache die Augen auf.
Wie bin eigentlich hier gelandet?