Mitglied
- Beitritt
- 09.08.2006
- Beiträge
- 472
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 15
Blutmond - Wer zerstückelte Neil Armstrong?
Eigentlich hatte ich vorgehabt, mit der Geschichte ganz groß rauszukommen. Und schließlich war die Geschichte auch groß, verflucht groß, vielleicht sogar die größte überhaupt. Doch am Ende sollte sie mir keinen Cent bringen – ich traute mich nicht, sie zu veröffentlichen. Nicht, dass ich Skrupel gehabt hätte - ich bin Journalist - oder etwa Angst. Na gut, ich hatte Angst, aber die hätte mich nicht aufgehalten.
Es war nur einfach so, dass die Geschichte zu fantastisch, zu aufregend war. Niemand hätte mir geglaubt, schließlich konnte ich nichts beweisen und meine Kollegen waren schon eifrig dabei, die offizielle Version breitzutreten. Man hätte mich für irre gehalten, meinen Job wäre ich los gewesen, bestenfalls in der Klapse hätten sie noch eine Stelle für mich frei gehabt.
Aber heute, wo das Ganze etliche Jahre zurück liegt und ich dank meines Alters über eine gewisse Narrenfreiheit verfüge, kann es wohl nicht schaden, die Sache mal aufzuschreiben.
Ich erwarte von niemandem, dass er mir glaubt, was ich hier schreibe – ich würde es wohl auch nicht tun. Aber vielleicht bringt diese eigentlich scheußliche Geschichte ja den einen oder anderen zum Schmunzeln.
Für mich begann das alles am 20. Juli 1984 – ein Datum, das ich nun jedes Jahr mit einer Mischung aus unangenehmem Erinnern und unterschwelliger Angst näher rücken sehe.
Für alle die vergessen haben, was an diesem Tag geschah, was mich, einen jungen erfolglosen Journalisten hoffen ließ, endlich auch mal ein großes Stück vom Kuchen abzubekommen: Es war der fünfzehnte Jahrestag der Mondlandung. Aber vor allem war es der Tag der Ermordung von Neil Armstrong.
Neil Armstrong ermordet. Mit einer Axt in Stücke gehackt, diese über sein Grundstück verteilt. Der Mörder war handwerklich sauber vorgegangen, hatte an keiner Stelle nachsetzen müssen. Außer Armstrong hatte kaum etwas im Haus einen Kratzer abbekommen, offenbar war er im Schlaf überrascht worden.
Keine Fingerabdrücke, keine Verdächtigen – das ist der Stoff aus dem Träume gemacht sind! Zumindest für einen jungen, chronisch bankrotten Journalisten, der keine Lust mehr hat, idiotische Artikel für ebenso idiotische Saftärsche zu schreiben, in denen es um „weltumspannende Verschwörungen“ geht.
Seit Wochen hatte ich nun nicht einmal mehr irgendeinen Artikel veröffentlichen können, doch als ich von Armstrongs Tod hörte, da wusste ich instinktiv, dass das meine Geschichte war.
Also vertiefte ich mich in die Sache, las alles, was ich kriegen konnte – über Armstrong, den Mord, die Mondlandung. Meine Absicht war es gar nicht, ernsthaft nachzuforschen. Ich wollte nur endlich einen Artikel schreiben, der mich von den anderen Verfassern von Verschwörungsschwachsinn abheben würde. Den Super-Verschwörungsschwachsinn, sozusagen.
Tagelang dachte ich fieberhaft nach: Wem sollte ich das in die Schuhe schieben? Den Kommunisten? Unserer eigenen Regierung? Den Japanern? Den Illuminati? Einer arabischen Geheimsekte, vielleicht den Assassinen? Einem unheiligen Bündnis aus Vietnamesen-Nazis und Cracker-Industrie?
Ich prüfte alle abwegigen Möglichkeiten, doch immer, wenn ich glaubte, ich hätte was gefunden, meldete sich eine Stimme in meinem Hinterkopf, die sagte: Das gab es alles schon! oder Das kannst du doch noch besser!
Zum Schluss war ich völlig verzweifelt, überlegte schon, ob ich aufgeben sollte, da griff ich nach einem letzten Strohhalm: Ein Interview mit Edwin Aldrin, diesem anderen Kerl, der damals über den Mond marschiert war.
Vielleicht würde mir das ja Inspiration bringen und schließlich war es immer gut, wenn man ein paar Zitate hatte, die man beliebig aus dem Zusammenhang reißen konnte.
Wahrscheinlich waren die Journalisten die letzten Tage bei ihm ein und aus gegangen, höchstwahrscheinlich würde er mit so einem wie mir gar nicht sprechen wollen. Aber auf einen Versuch konnte man es ja ankommen lassen.
Und was soll ich sagen: Ich hatte Glück! Zumindest erschien es mir damals als Glück, als er sich bereit erklärte, sich interviewen zu lassen.
Dieser Kerl also, dieser Edwin Aldrin, erstaunte mich von Anfang an. Irgendwie hatte ich geglaubt, jemand wie er, so ein berühmter und bedeutender Mann, würde in einer angesagten Ecke einer angesagten Metropole leben und sich in seinem Ruhm und seinem Geld aalen. (Sie wissen schon: Drogen, Frauen, das ganze Programm eben!)
Aber nichts da. Stattdessen fand ich ihn hier draußen, irgendwo in einem gottverlassenen Winkel von Maine, wo er wie ein Einsiedler lebte.
Sein Haus war ein ziemlich unförmiger, morscher Kasten. Das Grundstück nach zwei Seiten von einem Wald- und Sumpfgebiet begrenzt, über dem die Sonne bereits zu sinken begann.
Schon fragte ich mich, was ich eigentlich hier wollte: Der Anfahrtsweg und somit auch mein Benzinverbrauch waren nicht unerheblich gewesen und ich wusste nicht einmal genau, was ich Aldrin fragen sollte.
Schließlich bemerkte ich auch, dass sein Zustand nicht wesentlich besser war als der seines Hauses. Sein Gesicht wirkte aufgequollen und blass, der Blick war glasig und irgendwie abwesend, die gesamte Erscheinung ungepflegt. Bei der Begrüßung kam es mir vor, als würde ich einem Wischmopp die Hand drücken.
„Dann kommen Sie mal rein“, war alles, was er an der Tür nuschelnd hervor brachte und so folgte ich ihm mit einem unbestimmten Gefühl der Beklemmung durch den langen Flur ins Wohnzimmer. Eigentlich hielt ich mich für ziemlich abgebrüht, doch der allgegenwärtige Verfall drückte mir aufs Gemüt. Die Tapete blätterte an mehr als einer Stelle ab, die Möbel wirkten schadhaft und wahllos zusammen gestellt. Es war, als würde Aldrin sagen wollen: „Es ist mir scheißegal, wie ich lebe.“
Natürlich hatte ich von seinem Alkoholproblem gehört, von seinem Ausmaß war ich dann aber doch überrascht.
Im Wohnzimmer angelangt wies mir Aldrin einen Platz auf einer fleckigen Couch zu, während er sich in einen Sessel mir gegenüber setzte. Auf dem kleinen Holztisch vor ihm stand ein halbleeres – ich betone: halbleeres – Glas mit Rotwein darin, die Flasche entdeckte ich auf dem Boden.
Er seufzte und fuhr sich mit einer Hand durchs schüttere Haar, dann fragte er mit undeutlicher Stimme: „Kann ich Ihnen was anbieten?“
Ich verneinte vorsichtig. Die Situation missfiel mir mit jeder Sekunde mehr.
Ohne große Umschweife begann ich mein plan- und lustloses Interview. Ich stellte Aldrin diese und jene uninteressante Frage und wurde die ganze Zeit über kein bisschen schlauer. Mit Aldrin zu reden war wie gegen Windmühlen zu kämpfen. Ich wollte nach Hause und hatte ganz entschieden das Gefühl, dass auch er wollte, dass ich nach Hause ging.
Doch etwas ließ mich hier verharren, ließ mich glauben, dass ich meine Zeit nicht verschwendete, wenn ich hier auf dieser entsetzlich unbequemen Couch hin und her rutschte.
Und dann erkannte ich, was dieses etwas war: Aldrins Passivität rührte nicht daher, dass er mich los werden wollte, nein. In Wirklichkeit dachte er nach, er wand sich, während er die Worte suchte, um mir etwas ganz Bestimmtes zu sagen. Deshalb hatte er das Interview auch bei sich zu Hause geben wollen – was auch immer er mir sagen wollte, war von erheblicher Wichtigkeit für ihn und er hatte es noch keinem sonst erzählt.
Doch woher sollte ich wissen, ob das, was da kommen würde, mich auch weiter brächte? Vielleicht wollte dieser abgehalfterte Mondmensch mich ja auch nur als Gratis-Therapeuten missbrauchen!
Um das heraus zu finden, beschloss ich, ihn noch einmal ganz direkt zu fragen:
„Mister Aldrin, wie stark betrifft Sie der Tod Neil Armstrongs eigentlich persönlich?“
Er hatte etwas Interessantes für mich. Das sah ich an der Art wie er zusammenzuckte, die fahrige Geste, mit der er sich erneut durchs Haar fuhr, verriet es mir.
Zum ersten Mal, seit ich hier angekommen war, völlig entspannt, lehnte ich mich zurück. Dabei lauerte ich im Geiste wie ein Straßenköter auf die Abfälle aus der Schlachterei.
Und letztlich – nach ein wenig weiterem, sinnlosen Geplänkel – packte er aus. Sein Bericht wurde immer wieder unterbrochen, wenn sein Blick in die Ferne glitt oder ihm schlicht die Worte fehlten. Oft musste ich ihm dann helfen, den Faden der Handlung wieder aufzunehmen. Von solchen Unterbrechungen habe ich die Erzählung bereinigt, die Sie hier finden:
Erinnern Sie sich noch an diese Sache, damals, vor fünfzehn Jahren? Diese Mondlandungssache? Wahrscheinlich tun Sie es, war ja ein ganz großes Ding in den Medien.
Dass der Neil zerhackt wurde, daran ist nur diese Mondlandung schuld. Sie ist schuld daran, dass er zerlegt wurde, wie ein Truthahn an Thanksgiving und daran, dass ich nicht mehr schlafen kann, wenn Vollmond ist und auch sonst nur nach einer Flasche Whiskey. Und daran, dass sie auch mich bald in Stückchen hier finden werden.
Aber der Reihe nach. Wir waren da also auf dem Mond und – wie, wie das war? Verflucht, darüber gibt es doch nun wirklich genug Bücher und Filme und all den Mist. Was wollen Sie von mir hören? Wie klein die Erde aussah, wie eine blaue Murmel? Dass ich die Chinesische Mauer gesehen habe? Das spielt doch alles keine Rolle!
In erster Linie war es scheiß-einsam da draußen und das ganze Schwarz um einen hat schon was Bedrückendes.
Jedenfalls machten wir unsere Fotos und sammelten ein paar Steine ein. Alles wie geplant, alles wie es in den Büchern steht.
Doch dann geschah das, was eben nicht in den Büchern steht. Gerade als ich mich frage, wie lang ich noch in diesem Anzug stecken muss, sagt Neil über Funk ganz aufgeregt zu mir: „Hey, Mann, siehst du das da hinten auch?“ Und dabei deutet er auf so einen Hügel ein paar hundert Meter entfernt. Ich starre angestrengt auf den Hügel und sehe nichts Bemerkenswertes, sehe weiter hin und will ihn gerade fragen, was er meint, da entdecke ich es: Hinter dem Hügel, da ist irgendetwas. Genauer kann ich es noch nicht erkennen, aber es scheint so gar nicht hier her zu passen.
Also beginnen wir beide in unseren Raumanzügen darauf zuzustapfen, wie zwei besoffene Gespenster. Und je näher wir kommen, desto deutlicher sehe ich es und umso weniger glaube ich es: Da ist eine verdammte Hütte hinter dem Hügel!
Können Sie sich das vorstellen? Mir wird ganz benommen wie ich das sehe, fast glaube ich schon, die Sauerstoffzufuhr hat sich verabschiedet. Wir kommen immer näher, aber die Hütte verschwindet nicht, ist keine Fata Morgana, keine Illusion – sie ist einfach da.
Dann stehen wir davor und legen unsere Hände auf das Ding, auf diese kosmische Blockhütte. Wir betatschen sie mit unseren Handschuhen wie die Bekloppten, muss so ähnlich ausgesehen haben, wie in dem Film 2001: Odyssee im Weltraum, als die Astronauten da dieses schwarze Steinteil finden – na, ist ja auch egal, wie es aussah.
Irgendwann beginnen wir jedenfalls um das Ding herumzugehen und finden sogar die Tür, vor der zwei Paar Schuhe stehen, ein großes und ein kleines, wie für ein Kind, daneben eine Riesenmenge gehacktes Holz.
Wir gehen weiter herum, zur nächsten Seite, wo eine Art Fenster ist und versuchen gerade hineinzugucken, da fasst mich was an der Schulter. Ich fahre also herum wie von der Tarantel gestochen, Neil glotzt mich blöd an, dreht sich auch um und dann sehen wir ihn – einen grobschlächtigen Kerl in Bauernkleidung, der hier ohne Ausrüstung vor uns auf dem Mond steht. Alt sieht er aus oder besser: vergammelt, sein Gesicht ist zerfurcht und zerfressen, nur noch ein paar graue Haare hat er auf dem Kopf.
Jesus, wir müssen Augen gemacht haben, so groß wie der Mond, aber da trifft uns schon der nächste Schlag: Wir können den Kerl reden hören! Auf dem Mond! Im gottverdammten Scheiß-Vakuum! Wieder wie im Film, als rede der Kerl mitten in unseren Köpfen, mit so einer komisch hallenden Stimme.
Aber natürlich hören wir nicht so richtig zu, so verdattert wie wir sind, schließlich haben wir eine Höllenangst.
Er fängt also an irgendetwas völlig Schwachsinniges zu brabbeln, wie: Gott zum Gruße! Seit vielen Jahrhunderten bin ich nun schon hier, auf dem Mond…
Ich sage zu Neil: „Zum Teufel, Neil, wer oder was ist das?“
…und muss hier Holz hacken…
Und Neil sagt: „Keine Ahnung – bah, guck nur mal sein Gesicht, ist ja widerlich!“ Ich höre die Panik in seiner Stimme.
…weil ich am Tage Gottes gearbeitet und Holz gehackt habe.
Wieder Neil: „Oh nein, jetzt ahn ich es: Das ist ein gottverdammter Russe!“
„Meinst du?“
Aber nun, da Menschen es geschafft haben, hierher zu reisen…
„Na klar! Die Scheiß-Kommunisten waren wieder schneller!“ So wütend habe ich ihn noch nie gehört.
…ist der Bann gebrochen…
„Das darf doch nicht wahr sein“, rufe ich verzweifelt in mein Funkgerät.
…und ich kann meinen Frieden finden.
„Was sollen wir denn jetzt machen?“, frage ich Neil, aber der ist schneller. Mit einer ungeheuren Wucht reißt er unsere Flagge hoch und treibt sie dem mutmaßlichen Scheiß-Kommunisten durch den Körper. Der hat kaum einen Moment, um uns überrascht anzusehen, da ist er schon tot.
Einzelne Tropfen, eigentlich mehr Schlieren, roten Blutes ziehen durch die Schwärze und was soll ich Ihnen sagen: Es war gar nicht so leicht die davon treibende Leiche wieder einzuholen. Das mussten wir, schließlich steckte unsere Flagge da drin.
Wir hissen also noch schnell unser Star-and-Blood-Sprangled Banner und machen, dass wir vom Mond runter kommen.
Über die Sache haben wir danach nie wieder gesprochen. Ich erinnere mich bloß, wie Neil, schon auf dem Rückflug zur Erde, zu mir sagte: „Scheiße, Edwin – wir haben den Mann im Mond ermordet!“
Als Aldrin mit seiner wirren Erzählung zuende war, war die Sonne gerade hinter dem Horizont verschwunden, das Zimmer wurde nur noch durch das schwache Licht einer kleinen Stehlampe erhellt. Und durch das Mondlicht, das Boden und Möbel mit seinem silbrigen Glanz überzog.
Aldrins Gesicht konnte ich im Gegenlicht kaum erkennen, sodass ich hoffte, er sei vielleicht über sein Gefasel eingeschlafen. Ich stand gerade so leise wie möglich auf, da beugte er sich vor und raunte mir zu: „Aber er wird mich nicht kriegen. Der Bastard wird mich nicht kriegen.“
Mich in Richtung Ausgang wendend stimmte ich ihm zu, versuchte ihn zu beruhigen, mit so einer Stimme, mit der die Leute im Fernsehen auch immer mit Verrückten reden: „Aber sicher, Mr. Aldrin. Niemand wird Sie kriegen. Ach ja, und danke für das Interview, ich werde dann mal…“
„Er wird mich nicht kriegen!“
Mein Instinkt sagte mir, dass es nun das Beste wäre, einfach zu rennen: Der Kerl war nicht nur besoffen, er war tatsächlich völlig irre!
Doch meine Beine wollten sich nicht bewegen, wie angewurzelt blieb ich stehen. Es war wie in einem dieser scheußlichen Träume, wo einen etwas verfolgt, man aber nicht von der Stelle kommt.
Mein Blut gefror mir förmlich in den Adern, als ich sah, dass Aldrin hinter der mir abgewandten Seite des Sessels etwas hervorholte. Etwas Großes. Etwas Schweres. Etwas mit einem langen Schaft und einer blitzenden Schneide.
Verflucht, dieser Irre hielt plötzlich eine Holzfälleraxt in der Hand!
Langsam stand er auf, ich konnte mich noch immer nicht rühren: „Wenn er kommt, werde ich ihm von seiner eigenen Medizin zu kosten geben…“
Endlich gelang es mir, einen kleinen Schritt rückwärts zu machen.
„Das hat er sich dann selbst zuzuschreiben. Ich wollte ihm nichts Böses… aber er…“
„Gut, Mr. Aldrin. Und ich will Ihnen nichts Böses, ich will bloß…“
Mit einem großen Schritt stand er plötzlich direkt vor mir: „Sie glauben ich habe Neil umgebracht, was? Weil ich nicht damit fertig geworden bin, dass er damals der Erste war, nicht wahr? Weil er den ganzen Ruhm eingeheimst hat! Aber das stimmt nicht!“
Stotternd versuchte ich mich rauszureden: „Mr. Aldrin, es ist mir egal, dass Sie, ähm, ich meine, wer Armstrong getötet hat. Ich will einfach nach Hause und…“
Mit seiner freien Hand packte er mich am Kragen und riss mich mit einer Kraft hoch, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte. Dann schrie er mich an wie der Wahnsinnige, der er war, wobei sich sein Gesicht tiefrot färbte und mir sein Speichel um die Ohren flog : „Ich habe nichts getan! Verstehen Sie doch! Es war alles der… der…“
Mit einem mal begann er am ganzen Körper zu zittern und verfiel in ein erbärmliches Schluchzen. Völlig erschlafft ließ er sich in seinen Sessel fallen.
Meine Chance abschätzend zum Ausgang zu sprinten, betrachtete ich die Jammergestalt. Der war hinüber.
Eine eiskalte, hallende Stimme ließ mich zusammenfahren: „Er sagt die Wahrheit.“
Verwirrt spähte ich durch das Zwielicht, doch konnte ich niemanden sehen. Aldrin unterdessen schrumpfte in seinem Sessel immer weiter zusammen.
Ich verstand die Welt nicht mehr. Doch dann, ganz langsam, schälte sich eine Gestalt aus dem Dunkel des Flures. Eine ungeschlachte, in Lumpen gehüllte Gestalt. Eine hünenhafte mit einer Axt bewaffnete Gestalt, die bedächtig ins Zimmer trat.
Im kühlen Mondlicht und von Panik ergriffen erkannte ich alle Einzelheiten des Gesichts des Fremden: Es war zerklüftet und kraterüberzogen wie eine Mondlandschaft, in den Augen brannte ein außerirdischer Hass.
Die Fleischwerdung seiner Wahnvorstellung gab Aldrin endgültig den Rest. Sein Gesicht verzog sich zu einer Maske des Schreckens, ganze Bäche an Tränen rannen ihm über die Wangen. Scheppernd fiel seine Axt zu Boden, er erstarrte völlig.
Ich war überzeugt, nun ebenfalls den Verstand verloren zu haben. „Aber, Aldrin, Sie haben gesagt, Armstrong hätte ihn erledigt… mit der Fahne und…“
Unerbittlich wie das Schicksal selbst hatte sich die Missgestalt bis direkt an Aldrin herangeschoben. Der wimmerte nur noch.
Mit einem unglaublich schnellen Hieb ging die Axt auf ihn nieder, sein heller Schrei zerriss die Nacht, Blut spritzte bis zur Decke. Noch ein Schlag, das widerliche Geräusch splitternder Knochen, ein abartig schmatzendes Geräusch, als der Stahl sauber durch weiches Fleisch fuhr. Blut an den Wänden.
Jesus, Maria und der Heilige Sankt Nikolaus – ich rannte.
Zur Tür, riss sie auf, hinaus.
Ich kotzte auf die Rückbank meines Autos. Als der Zündschlüssel nach mehreren Versuchen endlich sein Ziel fand, dröhnte aus dem Haus ein abstoßendes hallendes Lachen bis zu mir. Ein Lachen, wie von einem Weihnachtsmann auf Speed.
Und dann diese Worte, die mir seit dem im Kopf rumgehen: „Das ist für meinen Vater, du Dreckskerl!“
Ich trat drauf, ließ das Grundstück weit hinter mir. Ein Wunder, dass ich es heil bis nach Hause schaffte.
Das nun also ist die wahre Geschichte vom Tod der zwei ersten Menschen auf dem Mond, so und nicht anders ist es passiert. Keine verrückten Manson-Hippies haben die beiden abgeschlachtet, sondern dieser galaktische Waisenjunge. Oder Halbwaise.
Wer weiß.