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Copywrite Bodil

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07.09.2014
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Bodil

Abends überredete Stefan mich, zu dieser Party zu gehen, draußen auf dem Land, in einer umgebauten Scheune, die sie mit dem ausrangierten Boden der Sporthalle ausgelegt hatten. Wir tanzten zwischen schwarzen und weißen Linien, gruben unsere jahrzehntealten Discofoxkenntnisse wieder aus und als wir von weitem Mandanten sahen, flohen wir kichernd auf die andere Seite der Tanzfläche. Es wurde spät. Das Fahrerdisplay zeigte fast drei Uhr, als wir die Stadt erreichten. Stefan lachte leise neben mir.
„Was ist?“, fragte ich. „Ich dachte, du bist längst eingeschlafen.“
„Ich muss dir noch meinen Traum erzählen. Von gestern, oder vorgestern, weiß nicht mehr genau.“
„Was denn?“
Er lachte wieder und ich sah zu ihm rüber.
„Was Erotisches?“
„Kann man wohl sagen.“
„Was denn nun?“
„Ich hab dich gehabt.“
„Mich? Bist du sicher, dass ich das war?“
„Oh ja, das war eindeutig dein Hintern.“
„Und wie fand ich das?“
„Gut, sehr gut.“
Ich lächelte und er legte seine Hand auf meinen Oberschenkel und dann überfuhr ich Bodil.

Tagelang zuckte ich bei jedem lauten Geräusch zusammen, hörte den Aufprall des Fahrrades, sah den Körper des Mädchens über die Motorhaube rollen, wie in einem bescheuerten Actionfilm. Wenn ich im Krankenhaus anrief, sagten sie mir, Frau Kramer wolle keinen Besuch. Stefan fand, wir hätten genug getan. Das Mädel werde ordentlich entschädigt und wieder gesund. Ich aber kaufte Blumen und buk einen Kuchen.

Sie sah jünger aus als achtzehn, so klein, als müsse sie noch ein paar Jahre wachsen. Halb abgewandt hing sie über ihrem angewinkelten Bein und versuchte, ihre Fußnägel zu lackieren. Ihr Knie war bandagiert und so konnte sie den Fuß nicht ganz heranziehen. Wie eine Perlenkette zeichnete sich ihre gekrümmte Wirbelsäule unter dem T-Shirt ab. Erstaunlich, dass sie durch ihre Ponyfransen überhaupt etwas sah.
Die Frauen in den beiden anderen Betten hatten sich aufgerichtet.
„Zu wem wollen Sie denn?“, fragte die eine.
„Zu Bodil Kramer.“
Sie zeigte auf das Mädchen und verzog das Gesicht.
„Schubsen Sie sie mal an.“
Erst jetzt begriff ich, woher das scheppernde Geräusch im Raum kam.
Ich trat in ihr Blickfeld, winkte mit dem Blumenstrauß und lächelte. Bodil lächelte nicht.
„Ja?“, schrie sie.
„Sie sind Bodil Kramer? Ich bin Verena Kuntze.“
Sie stellte den Nagellack ab und riss sich die Stöpsel aus den Ohren.
„Ja?“
„Ich bin Verena Kuntze.“
„Und?“
„Ich bin … Ich hab Sie angefahren.“
Hinter mir wurde aufgeregt eingeatmet.
„Ich wollte Sie fragen, wie es Ihnen geht und ob ich irgendetwas für Sie tun kann.“
„Nee, können Sie nicht.“ Sie klang, als hätte sie Knötchen auf den Stimmbändern.
„Es tut mir so leid.“
„Ich hab gesagt, ich will keinen Besuch.“
„Kann ich Ihnen wenigstens ein paar Blumen hier lassen?“
„Nein.“
„Und Kuchen?“
„Ich vertrag keine Nüsse.“
„Ist ohne Nüsse.“
Ich nahm die Alufolie ab. Ein Duft von Zimt und Hefe stieg auf.
„Soll ich ihn auf Ihren Nachttisch stellen?“
Bodil antwortete nicht. Ihr Blick lag auf dem Kuchen, aber sie rührte sich nicht, saß merkwürdig verkrampft, die Füße angezogen, vielleicht wegen der halb angemalten Fußnägel.
„Oder auf den Tisch da drüben?“
„Nein. Nicht da.“
„Keine Angst, wir essen Ihnen schon nichts weg“, schnappte eine der Frauen.
Bodil sah nicht einmal in ihre Richtung, deutete schließlich auf die Aussparung unter ihrem Nachttisch.
„Dahin.“
„Hoffentlich schmeckt er Ihnen.“ Umständlich verstaute ich den Kuchen und überlegte, was ich noch sagen könnte. Beim Hochkommen deutete ich auf ihren Arm.
„Hübsch, der Schmetterling.“
Sie hob den Arm und ich sah jetzt erst richtig hin. Ein grinsender Totenschädel, gespalten durch den Schmetterlingskörper, die Augen zwei schwarze Löcher in den Flügeln. Zum ersten Mal lächelte sie. Ich holte Luft.
„Okay, du hast mich erwischt. Doch nicht hübsch.“
„Hast du wohl nicht richtig geguckt.“
„Nein. Und jetzt hab ich einfach 'du' gesagt, tut mir leid.“
Sie legte den Kopf schief.
„Macht doch nichts.“

Mein Mann lachte, als er die Sache mit dem Schmetterling hörte.
„Ziemlich morbide.“
„Sie wird am Montag entlassen und sie hat niemanden, der sie abholt. Ich fahr sie nach Hause.“
„Wie, sie hat niemanden? Was ist denn los mit der?“
„Ich weiß nicht, sie hat gesagt, sie hat niemanden. Sie will mit dem Bus fahren.“
„Aha.“
„Sie wirkt wie aus dem Nest gefallen.“
„Und? Wollen wir sie adoptieren?“
„Also einfach ist die nicht. Mit ihren Zimmergenossinnen hat sie sich's auch schon verscherzt. Ich bring sie noch nach Hause und dann ist gut.“

Wir hatten den Sonntag am Meer verbracht, bis nachmittags das Wetter umschlug und wir uns durch peitschenden Regen zu unserem Auto zurückkämpften. Noch beim Einschlafen hatte ich das Rauschen von Wind und Wasser in den Ohren. Als das Telefon klingelte, brauchte ich lange, um zu mir zu kommen.
„Hallo?“ Stille. „Hallo, wer ist da?“
Atmete da jemand? Der Wecker zeigte drei Uhr.
„Also ich lege jetzt auf.“
„Ist da Verena?“
„Bodil?“
„Ja.“
„Was ist los? Geht es dir nicht gut? Hast du Schmerzen?“
„Hab ich deinen Mann geweckt?“ Sie sprach wie gegen Widerstand.
„Nein. Der schläft nebenan.“
„Echt? Ihr schlaft getrennt?“
„Ja.“
Schweigen.
„Er schnarcht. Warum rufst du an?“
„Ich hab schlecht geträumt.“ Bodil, wie ihr Körper durch die Luft flog.
„Was hast du geträumt?“, flüsterte ich.
„Weiß nicht mehr. Mir geht’s schon besser. Kommst du morgen?“
„Ja.“
„Gut.“
Es klickte. Noch lange hielt ich den Hörer in der Hand.

Sie saß am Tisch, umarmte eine Sporttasche auf ihrem Schoß und starrte eine Krankenschwester an, die das Bett neu bezog.
„Eine blutige Entlassung ist das. Kennt man ja. Spart Geld.“
„Nö“, grinste die Schwester, “bei Ihnen ist nix mehr blutig. Sehen Sie mal zu, dass Sie wieder fit werden.“
Bodil stand auf und humpelte an mir vorbei zur Tür. Die Frau im anderen Bett beugte sich vor.
„Fit? Also doch kein Aids, was?“ Aber Bodil hatte den Raum schon verlassen, und ich lief ihr hinterher.
„Mann, bin ich froh, dass ich da raus bin“, sagte sie.

Ein Wohnblock. Der Lärm der nahen Bundesstraße war bestimmt nur mit geschlossenem Fenster zu ertragen. Es stank nach Diesel. Beim Aussteigen presste Bodil die Lippen zusammen, machte sich mühsam gerade, die Sporttasche quer vor der Brust. Während der Fahrt hatte sie pausenlos über das Krankenhaus geschimpft. Nur einmal hatte sie mich gefragt, was ich beruflich mache, und das Gesicht verzogen, als ich sagte, mein Mann und ich seien Steuerberater.
„Soll ich dich noch begleiten?“, fragte ich. „Ich könnte deine Tasche nehmen.“
„Nein.“
„Du humpelst noch so.“
„Es gibt einen Aufzug.“ Einen Moment lang schien sie auf etwas zu warten, dann drehte sie sich um.
„Danke fürs Bringen.“
„Gerne. Gute Besserung. Und wenn mal was ist, ruf an.“ Sie reagierte nicht mehr. Da war etwas Kundenfreundliches in meinem Ton gewesen. Als ich wieder im Auto saß, fielen die ersten Regentropfen. Zwei Männer überquerten die Straße. Sie musterten meinen Wagen, und sahen mir durch die Windschutzscheibe ins Gesicht, bevor sie weiter schlenderten. Bodil lehnte ein paar Meter vor der Haustür an einem Container. Sie hatte die Tasche abgestellt und fingerte Tabak aus ihrer Jacke. Ich stellte den Motor wieder ab.
„Was ist los? Geht es dir nicht gut?“
„Es geht schon. Ich kann nur nicht so schnell.“
„Ich könnte dir helfen. Was einkaufen.“
„Nee, lass mal.“ Sie leckte an ihrem Blättchen und blinzelte mich unter ihrem Pony an. Ich sah mich nach dem Wagen um. Als ich mich wieder zu Bodil wandte, grinste sie.
„Keine Sorge, ich behalte dein Auto im Blick.“ Sie hielt mir ihren Tabak hin. „Willst du auch eine? Rauchst du überhaupt?“
Ich schüttelte den Kopf.
Sie nickte. „Klar.“
Der Regen nahm zu, und ich fröstelte.
„Hast du Lust, uns mal zu besuchen? Ich back uns einen Kuchen, und wir können bei uns im Garten sitzen, wenn das Wetter gut ist.“
Sie nahm einen tiefen Zug und stieß den Rauch aus.
„Darf ich zugucken, wie du backst?“

Stefan wollte wissen, warum ich Bodil nach zwei Monaten immer noch abholte. Er schüttelte den Kopf, als ich sagte, Bodil habe Angst vor dem Fahrradfahren und er meinte, sie müsse so schnell wie möglich wieder rauf auf den Gaul. Klar, er hatte recht. Was ich ihm nicht sagte, war, wie sehr ich mich jedes Mal auf den Moment freute, wenn ich in Bodils Straße einbog und sie dort warten sah, einen Fuß über den anderen gekreuzt, die Tasche auf dem Boden und immer pünktlich. Selbst als ich einmal zehn Minuten zu früh war, stand sie schon da. Ich fuhr sie gerne im Auto zu uns nach Hause, um für sie zu backen und ihr von meinem Leben zu erzählen, von der Arbeit, von unseren Reisen. Davon, dass meine Eltern kurz nacheinander gestorben waren, von meinen Wechseljahren und dass Stefan überall seine Socken herumliegen ließ.
„Wieso habt ihr keine Kinder?“
„Wir wollten keine.“
„Echt? Wieso das denn nicht? Kinder sind doch was Tolles. Ohne Kinder ist das Leben verpfuscht.“
„Du willst also Kinder?“
„Nein. Mein Leben ist sowieso schon verpfuscht. Wer wollte keine Kinder, du oder dein Mann?“
Ich zögerte, und als ich Bodils Blick sah, stieg mir das Blut in den Kopf.
„Wir haben das gemeinsam entschieden“, sagte ich lahm. „Wieso ist dein Leben verpfuscht?“
„Ich bin krank. Ich sterbe bald.“
„Das hast du schon ein paarmal gesagt. Was ist es denn nun?“
„Ich kann nicht darüber reden, sonst breche ich zusammen und der schöne Nachmittag ist kaputt. Hast du mal abgetrieben?“
„Wenn du nicht redest, muss ich auch nicht reden, oder?“
Ich zog den Kuchen aus dem Ofen und behielt Bodil dabei im Blick. Ihre Lippen öffneten sich und ihre Augen glänzten wie die eines Kindes unterm Weihnachtsbaum. Beim ersten Mal hatte sie angefangen zu schluchzen und ich hatte hilflos den Arm um sie gelegt, in der Erwartung zurückgestoßen zu werden. Aber sie hatte still gehalten und leise weiter geschluchzt. Wenn ich daran dachte, spürte ich immer noch ihre schmale, bebende Schulter in meiner Hand.

„Lass uns am Samstag mal wieder nach Sylt fahren“, sagte mein Mann.
„Samstag kommt Bodil.“
„Wird mir allmählich etwas viel. Das Mädel ist ja ständig bei uns.“
„Du profitierst doch auch von dem Kuchen.“
„Schmeckt nicht so gut, wenn man ihn unter so Mörder-Blicken essen muss.“ Er legte den Kopf schief, zog die Schultern hoch und presste die Lippen zusammen. Ich lachte, als er leise zu knurren begann.
„Hör auf, sie hat dich noch nie angeknurrt. Du bist selbst schuld, wenn du versuchst, mit ihr über Politik zu reden.“
„Oder wenn ich sie frage, was sie mal aus ihrem Leben machen will.“
„Genau.“
„Mir wird das zu viel“, sagte er. „Und was ist jetzt mit dem Fahrrad? Nimmt sie das überhaupt? Ich dachte, sie hätte sich so darüber gefreut.“ Sie hatte immerhin danke gesagt und es klingelnd in den Fahrradkeller gefahren. Da stand es seitdem und ich holte sie immer noch mit dem Wagen ab.
„Wir wollen demnächst mal trainieren“, sagte ich.


Ihre Kondition war unglaublich schlecht. Obwohl ausnahmsweise wenig Wind war, kamen wir kaum voran. Die kleinste Steigung zwang sie zum Absteigen und Schieben. Ich achtete darauf, noch früher abzuspringen, noch langsamer zu werden. Sie war hochrot im Gesicht, sie schnaufte und sie ekelte sich vor der Sonnencreme, die ich ihr aufdrängte. Aber als wir auf einer Bank Pause machten, sang sie mir ein wirres Lied vor, das sie noch aus ihrer Jugendwohngruppe kannte. Kurz darauf entdeckten wir ein Café, und mir war klar, dass wir an diesem Tag nicht weiter kommen würden. Wir bestellten Eis und ich ging zur Toilette. Auf dem Rückweg sah ich einen Mann, der seine Hände auf den zweiten Stuhl an unserem Tisch gelegt hatte.
„Nö, den brauchen wir. Meine Mutter kommt noch.“ Bodils Stimme, klar und deutlich. Mit zwei Schritten stolperte ich zurück in den Gang und starrte eine ganze Weile auf die Flyer, die dort auslagen. Das Eis stand schon auf dem Tisch, als ich wiederkam und Bodil strahlte mich an.
„Hat ja lange gedauert.“
„Ja. Schmeckt das Eis?“ Ich lächelte zurück und hob den Schal auf, der von ihrer Stuhllehne gerutscht war.
„Lecker. Mal probieren?“
„Nee, lass mal, ich hab doch mein eigenes.“
Ihr Lächeln blieb für einen Moment wie festgeschraubt, bevor sie mit den Schultern zuckte und sich über ihr Eis beugte.
„Oder doch, lass mich mal Schokolade probieren“, sagte ich schnell.
„Zu spät!“ Sie grinste, schob mir aber mit einer großen Bewegung ihren Becher entgegen. Dann lehnte sie sich zurück und verfolgte mit verschränkten Armen meine Reaktion. Ich nahm einen Löffel und rollte mit den Augen.
„Mh! Willst du bei mir auch probieren?“
Sie rührte sich nicht, sah mich nur an, dieses Kuchen-Glänzen in den Augen.
„Willst du?“, fragte ich.
„Du siehst toll aus“, platzte sie heraus. „Gar nicht wie über fünfzig."
„Ach Bodil ...“
„Du siehst aus wie eine Filmschauspielerin.“
„Das ist der Fahrtwind. Der macht Farbe im Gesicht. Bei dir auch.“
„Fahren wir morgen noch mal? Nach deiner Arbeit?“
Ich hätte es ihr schon lange sagen müssen.
„Vielleicht wird mir das zu eng, ich muss noch packen. Ende der Woche fliegen wir in Urlaub.“
Ihr Blick irrte kurz an mir vorbei, bevor sie mich wieder ansah.
„Wie lange?“
„Drei Wochen.“
„Drei Wochen. Liebesurlaub mit Stefan.“ Sie zog eine Grimasse, und ich war erleichtert, dass sie nur spottete.
„Wanderurlaub. Ja und auch Liebesurlaub. Warum nicht?“

Auf dem Rückweg stürzte sie. Als ich hinter mir ihren Schrei hörte, dachte ich zuerst, sie wolle mich auf etwas aufmerksam machen. Aber dann lag sie im Gebüsch und kratzte sich Arme und Gesicht an den Dornen blutig. Ich sprang vom Rad und zog sie auf die Füße. Wie rasend trat sie nach ihrem Fahrrad, immer wieder. Leute fuhren kopfschüttelnd vorbei und irgendwann packte ich sie und hielt sie fest. Es dauerte lange, bis sie aufhörte zu weinen.

„Das kriegst du nicht mehr raus.“
Die Zahnbürste im Mund sah Stefan zu, wie ich versuchte, über der Badewanne die Blutflecken aus der Bluse zu waschen. „Wieso fällt die plötzlich vom Rad?“
„Keine Ahnung. Bis dahin war es so schön. Vielleicht ist sie wirklich krank. Sie hat überhaupt keine Ausdauer. Ich glaube, sie hat noch ein Trauma, von dem Unfall. Meinst du, das kann sein?“ Ich holte Luft. „Das ist total ungünstig, wenn wir jetzt in Urlaub fahren. Können wir das nicht verschieben? Oder verkürzen, etwas später losfahren?“
„Was?“
„Bodil ist total durch den Wind.“
„Das ist sie hinterher auch noch.“
„Das finde ich überhaupt nicht witzig.“
„Aha, das findest du nicht witzig. Dann sag ich dir mal, was ich nicht witzig finde. Ich lasse mir von dem Mädel nicht bestimmen, wann ich in Urlaub fahre.“
Ich schmiss die Bluse in die Wanne, dass es spritzte.
„'Von dem Mädel'“, äffte ich ihn nach, „sag nicht immer 'Mädel'! Sie heißt Bodil. Außerdem kannst du in Urlaub fahren, wann du willst. Du wolltest doch immer mal alleine los. Dann mach das doch endlich mal. Du bist doch so frei, du brauchst auf niemanden Rücksicht nehmen, so wolltest du das doch immer. Deine Freiheit.“
„Verena ...“
„Ich lass sie jetzt nicht im Stich.“

Als ich ihr am Telefon anbot, sie am Nachmittag abzuholen, fragte sie, ob ich nicht packen müsse. Ich sagte, es sei noch nicht so sicher, ob wir wirklich reisen würden. Stefan und ich hatten kaum ein Wort gewechselt. Er war morgens gleich ins Büro gefahren.
Sie humpelte wieder stärker und zu ihrer Blässe kamen noch die roten Kratzer im Gesicht und an den Armen. Wir redeten kaum. Sie saß auf der Bank am Tisch, sah zu, wie ich den Teig rührte, und schnitt die Äpfel klein, die ich ihr hinstellte. Im Radio lief Musik. Während der Kuchen im Ofen war, räumte ich die Küche auf, und als ich fertig war, setzte ich mich zu ihr auf die Bank. Zum ersten Mal fiel mir nichts ein, was ich ihr erzählen könnte. Ich hatte Angst, sie könne nach dem Urlaub fragen und nach Stefan. Aber das tat sie nicht.
„Darf ich auf deinen Schoß?“, fragte sie.
Wie erwartet, war sie leicht, jedenfalls anfangs. Ihre Stirn lag an meiner Schläfe. Sie schnaufte ein wenig beim Atmen und sank gegen mich, während ich meine Finger um ihre Taille verschränkt hatte. Die ganze Zeit starrte ich auf den Kuchen, der sich im Ofen langsam wölbte. Im Radio spielten sie Madonna. Dann senkte sich die Türklinke und Stefan stand in der Tür. Er prallte zurück, als sei er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Als ich seinen Blick sah, ließ ich sofort die Hand sinken, die ich schon abwehrend gehoben hatte. Er holte Luft, trat ein und schloss die Tür hinter sich. Bodil versteifte sich auf meinem Schoß. Ihre Hand krallte sich in meinen Rücken. Mit ein paar Schritten war Stefan am Fenster und öffnete es. Erst jetzt fiel mir auf, wie sehr ich schwitzte. Er riss den Kühlschrank auf, nahm Butter und Aufschnitt heraus und stellte sie neben den Herd auf die Anrichte.
„Schick ihn weg.“ Bodils Stimme ganz leise an meinem Ohr.
Er nahm Brot aus dem Kasten und begann, Scheiben davon abzuschneiden. Ich fragte mich, warum er so viele Scheiben abschnitt, und ich sah seinen Rücken, seine hochgezogene Schulter, seine bedächtigen Bewegungen. Wie sehr ich mich nachts nach ihm gesehnt hatte.
„Er soll weggehen“, flehte sie. Ihre Finger gruben sich schmerzhaft in mein Fleisch. Ich wand mich vorsichtig, löste meine Hände voneinander, und sie wurde schlaff wie eine Puppe, rutschte mir fast aus dem Arm.
Stefan stellte Brot, Schinken, Käse und Butter auf den Tisch. Erst jetzt sah er mir in die Augen. Ich versuchte zu lächeln. Er nickte, wandte sich um und öffnete einen Schrank.
„Isst du mit, Bodil?“, fragte er, nahm drei Teller heraus und stellte sie dazu. Dann zog er die Besteckschublade auf. Bodil regte sich, drehte sich zögernd um. Ich ließ sie los und sie rutschte auf die Bank.
„Brot mit Schinken?“, fragte ich. “Unser Kuchen dauert bestimmt noch eine halbe Stunde.“
„Mein Licht war kaputt“, sagte sie.
„Was?“
„Bei dem Unfall. Du konntest mich gar nicht sehen. Ich habe euch alle angelogen. Die Kohle kassiert. Peng.“
Sie saß mit hochgezogenen Schultern und wartete.

 

Guten Abend Chutney,

ich bin einer der vielen, meist stillen, Leser hier im Forum und wollte dir für deinen Text danken. Für mich war er von Beginn bis Ende sehr spannend und unterhaltsam und ich habe schon lange nicht mehr einen so gelungenen Text gelesen. Die einzige Stelle über die ich stolperte, ist diese hier:

„Ich hab dich gehabt.“
„Mich? Bist du sicher, dass ich das war?“

Mich stört hier das Wort gehabt, was natürlich auch etwas über Stefan aussagt, wenn er sich so ausdrückt. Sonst kein Wort zu viel oder zu wenig im Text, tolle Prosa und viel Platz zwischen den Zeilen. Die Charaktere fühlen sich alle sehr echt an und die Dialoge sind spitze geschrieben. Ein absolutes Highlight!

Edit: Den Titel finde ich persönlich klasse, da ich etwas total anderes erwartet habe, es dann aber doch sehr zu der Geschichte passt.

 

Hey :)

Chutney schrieb:
Der Titel bezieht sozusagen die Entstehungsgeschichte mit ein, das Copywrite-Spiel. Somit ist es eigentlich ein Insider für Wortkrieger, die beide Geschichten lesen. "Geheimrezept Liebe" ist für mich das zentrale Wort aus dem Absatz in Marias Geschichte, der, um im Bild zu bleiben, die Hefe für meine Geschichte war. Bodil hält sich nicht für liebenswert, weil sie kaum Liebe bekommen hat. Sie giert danach, aber sie wird sich auf Dauer immer so verhalten, dass man sie wegstößt. Die Protagonistin in Marias Geschichte lebt mit einem schrecklichen Mangel und dem Wissen, dass ihre Mutter bei ihrer Geburt gestorben ist. Meine Interpretation war, dass sie sich für böse hält und sich dementsprechend verhält. Ich dachte an Menschen, die als Kinder so schwer verletzt worden sind, dass das Zusammensein mit ihnen kein Zuckerschlecken ist, eben keine rosarote Liebe, sondern harte Arbeit. Die auch zerstörerisch sind.

Was auch Du Dir immer zu diesem Titel denkst, wenn ich ihn lese, denke ich an rosa Liebesschnulzen mit vorhersehbarer Handlung, Happy End, schnell runtergeschrieben, die irgendwann in der Grabbelkiste der Bahnhofsbuchhandlung landen ;). Also genau an das, was die Geschichte nicht ist.

 

Hallo MerlinsTee,

das ist ja nett, da bin ich Tee trinken gegangen und wer schreibt mir? ;)

ich bin einer der vielen, meist stillen, Leser hier im Forum und wollte dir für deinen Text danken.

Es ist mir eine Ehre, dass ich dich zu einem Kommentar verlocken konnte.

Für mich war er von Beginn bis Ende sehr spannend und unterhaltsam und ich habe schon lange nicht mehr einen so gelungenen Text gelesen.

Wow, das ist ja ein Lob, vielen Dank!

Die einzige Stelle über die ich stolperte, ist diese hier:

Zitat Zitat von Chutney Beitrag anzeigen
„Ich hab dich gehabt.“
„Mich? Bist du sicher, dass ich das war?“
Mich stört hier das Wort gehabt, was natürlich auch etwas über Stefan aussagt, wenn er sich so ausdrückt.


Auch hell war davon nicht begeistert. Wenn, dann müsste ich das nochmal ganz anders aufziehen, denn mir fällt kein Verb ein, was ich für die beiden passender fände. Und ich will es nicht zu groß machen. Das ist halt so eine zarte Pflanze, die gleich mit plattgefahren wird. Aber ich gehe nochmal in mich, wenn ich etwas Abstand habe.

Sonst kein Wort zu viel oder zu wenig im Text, tolle Prosa und viel Platz zwischen den Zeilen. Die Charaktere fühlen sich alle sehr echt an und die Dialoge sind spitze geschrieben. Ein absolutes Highlight!

:D

Edit: Den Titel finde ich persönlich klasse, da ich etwas total anderes erwartet habe, es dann aber doch sehr zu der Geschichte passt.

Ja, so war es eigentlich gedacht, aber damit mache ich ja offensichtlich nicht alle glücklich. :hmm:

Vielen herzlichen Dank, Merlins Tee, für mich war es sehr schön, dass du aus der Deckung gekommen bist.

Einen schönen Abend wünscht Chutney


Hach Fliege,

da habe ich nun so viele Worte gemacht und es hat nix genützt. :bla: Bei meinem letzten Titel wurde auch moniert, dass er Leser abschrecken könnte. Vielleicht sollte ich mir mal Gedanken machen, ob ich gelesen werden will. Fakt ist, dass mir im Moment nichts Besseres einfällt. Ob ironisch aufgefasst, oder tief ernst, für mich trifft er das Thema. Aber auch hier will ich mit ein bisschen Abstand nochmal drauf gucken.

Herzlichen Dank, Fliege und dir auch einen schönen Abend.

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Chutney,

Wir tanzten zwischen schwarzen und weißen Linien, gruben unsere jahrzehntealten Discofoxkenntnisse wieder aus und als wir von weitem Mandanten sahen, flohen wir kichernd auf die andere Seite der Tanzfläche.

Das ist mal eine Einführung, wie ich sie liebe. Da wird en passant soviel von dem Paar erzählt, ohne, dass es auffällt.

Es wurde spät. Die Uhr beim Tacho zeigte fast drei, als wir die Stadt erreichten. Stefan lachte leise neben mir.
Das liest sich für mich komisch. Die Uhr neben dem Tacho wäre noch verständlicher, ich würde eher sowas wie: Das Fahrerdisplay zeigte fast drei Uhr, als ...


Ich lächelte und er legte seine Hand auf meinen Oberschenkel und dann überfuhr ich Bodil.

Das, Chutney, ist für mich ein toller Satz, weil ich NIE und nimmer nach dieser Einführung auf so etwas gefasst war. Ich habe den Satz zweimal lesen müssen, um zu verstehen, dass es abrupt so einen Wechsel der Situation gab.
Aber mit dem Namen bin ich überhaupt nicht warm geworden. Ich finde ihn als Namen furchtbar (okay, das hat hier keine Wertung), aber er ist auch so sperrig und unisex, da machst du es uns Leser noch schwerer, als es sowieso wird.


„Ich bin … Ich hab Sie angefahren.“
Ganz komisch. Die ist 18, sieht jünger aus und die Prota siezt die? Das würde mir in dem Moment nie einfallen.

„Oder auf den Tisch da drüben?“
„Nein. Nicht da.“
Sehr schön gezeigt, wie sich Bodil öffnet.

„Eine blutige Entlassung ist das. Kennt man ja. Spart Geld.“
„Nö“, grinste die Schwester, “bei Ihnen ist nix mehr blutig. Sehen Sie mal zu, dass Sie wieder fit werden.“
Weil ich nur auf die subjetiven Aussagen von Bodil und der Erzählerin zurückgreifen kann, kommt mir eine Einschätzung von außen gelegen. Die Schwester behauptet, Bodil würde flachsen.
Was ich ihm nicht sagte, war, wie sehr ich mich jedes Mal auf den Moment freute, wenn ich in Bodils Straße einbog und sie dort warten sah, einen Fuß über den anderen gekreuzt, die Tasche auf dem Boden und immer pünktlich.
Da kommt so ein wenig durch, als wäre Bodil eine Art Tochterersatz im weitesten Sinne für sie.
„Ich bin krank. Ich sterbe bald.“
„Das hast du schon ein paarmal gesagt. Was ist es denn nun?“
„Ich kann nicht darüber reden, sonst breche ich zusammen und der schöne Nachmittag ist kaputt. Hast du mal abgetrieben?“
Da präsentierst du mir das Mädchen als ausgefuchste Schwindlerin. Und eine Klette dazu. Ich kann mir schon richtig vorstellen, wie sie die Protagonistin nun in ihre Zange nehmen wird.
„Nö, den brauchen wir. Meine Mutter kommt noch.“
Hier wird es noch deutlicher, auch durch das Erwähnen der Wohngruppe. Klar ist, dass Bodil kein intaktes Familienleben hatte und sich nun eine Mutter herzaubern möchte, auch mit etwas Druck.


„Nee, lass mal, ich hab doch mein eigenes.“
Ihr Lächeln blieb für einen Moment wie festgeschraubt, bevor sie mit den Schultern zuckte und sich über ihr Eis beugte.
„Oder doch, lass mich mal Schokolade probieren“, sagte ich schnell.
Man fragt sich schon, wieso sie sich so von der Göre an der Nase herumführen läßt.

„Drei Wochen. Liebesurlaub mit Stefan.“ Sie zog eine Grimasse, und ich war erleichtert, dass sie nur spottete.
Mich regt das schon auf, wie sich die Erzählerin einlullen läßt und schon froh ist, wenn sie nicht noch mehr negative Reaktion zeigt.


Auf dem Rückweg stürzte sie. Als ich hinter mir ihren Schrei hörte, dachte ich zuerst, sie wolle mich auf etwas aufmerksam machen. Aber dann lag sie im Gebüsch und kratzte sich Arme und Gesicht an den Dornen blutig. Ich sprang vom Rad und zog sie auf die Füße. Wie rasend trat sie nach ihrem Fahrrad, immer wieder. Leute fuhren kopfschüttelnd vorbei und irgendwann packte ich sie und hielt sie fest. Es dauerte lange, bis sie aufhörte zu weinen.
Alles Theater.

„Das ist total ungünstig, wenn wir jetzt in Urlaub fahren. Können wir das nicht verschieben? Oder verkürzen, etwas später losfahren?“
Mannmann, wie ist die denn drauf ...

„Was?“
„Bodil ist total durch den Wind.“
„Das ist sie hinterher auch noch.“
„Das finde ich überhaupt nicht witzig.“
„Aha, das findest du nicht witzig. Dann sag ich dir mal, was ich nicht witzig finde. Ich lasse mir von dem Mädel nicht bestimmen, wann ich in Urlaub fahre.“
Gut, dass der Ehemann so klar ist.
„Schick ihn weg.“ Bodils Stimme ganz leise an meinem Ohr.
So eine Hexe.


„Bei dem Unfall. Du konntest mich gar nicht sehen. Ich habe euch alle angelogen. Die Kohle kassiert. Peng.“
Sie saß mit hochgezogenen Schultern und wartete.

Bodil ist im Grunde schon eine bemitleidenswerte Figur. Wenn man soviel Scheiß mitgemacht hat, sucht man sich natürlich Strategien, wie man an etwas Liebe und Geborgenheit rankommt.
Mich hat das richtig genervt, wie die Protagonistin auf diese emotionale Erpressertour eingestiegen ist, natürlich auch genährt durch ihre eigene Kinderlosigkeit, hinter der sie wohl nicht 100% steht.
Also hast du alles richtig gemacht, Chutney, denn sobald man sich über Figuren aufregt, berühren sie.:thumbsup:

Das Ende ist genial. Ich hätte gerne eine Fortsetzung, wie die zwei darauf reagieren :shy:

Liebe Grüße
bernadette

 

Liebe bernadette,

herzlichen Dank für deinen Kommentar.

Wir tanzten zwischen schwarzen und weißen Linien, gruben unsere jahrzehntealten Discofoxkenntnisse wieder aus und als wir von weitem Mandanten sahen, flohen wir kichernd auf die andere Seite der Tanzfläche.
Das ist mal eine Einführung, wie ich sie liebe. Da wird en passant soviel von dem Paar erzählt, ohne, dass es auffällt.

Freut mich, habe ich eine Weile dran gebastelt an dem Satz.

Es wurde spät. Die Uhr beim Tacho zeigte fast drei, als wir die Stadt erreichten. Stefan lachte leise neben mir.
Das liest sich für mich komisch. Die Uhr neben dem Tacho wäre noch verständlicher, ich würde eher sowas wie: Das Fahrerdisplay zeigte fast drei Uhr, als ...

Ja, das wurde schon mal kritisiert. Deinen Vorschlag mit dem Fahrerdisplay finde ich gut, habe ich übernommen, danke schön.

Ich lächelte und er legte seine Hand auf meinen Oberschenkel und dann überfuhr ich Bodil.
Das, Chutney, ist für mich ein toller Satz, weil ich NIE und nimmer nach dieser Einführung auf so etwas gefasst war.

Danke schön, dafür habe ich schon viel Lob bekommen, wobei ein Teil des Lobes hier Maria gebührt, die auch so einen abrupten Übergang hatte, als der Hund plötzlich vor ihrer Protagonistin stand. Aber ich finde auch, ich habe gut "geklaut".;)

„Ich bin … Ich hab Sie angefahren.“
Ganz komisch. Die ist 18, sieht jünger aus und die Prota siezt die? Das würde mir in dem Moment nie einfallen.

Naja, ich behaupte das mal. Sie ist Steuerberaterin, sie ist unsicher und das Verhältnis ist ja auch kompliziert. Aber stimmt schon, das ist ungewöhnlich, gerade für den Norden.

„Eine blutige Entlassung ist das. Kennt man ja. Spart Geld.“
„Nö“, grinste die Schwester, “bei Ihnen ist nix mehr blutig. Sehen Sie mal zu, dass Sie wieder fit werden.“
Weil ich nur auf die subjetiven Aussagen von Bodil und der Erzählerin zurückgreifen kann, kommt mir eine Einschätzung von außen gelegen. Die Schwester behauptet, Bodil würde flachsen.

Ich würde sogar sagen, die Schwester weist Bodil in die Schranken. Und hier, wie auch später, am Ende, reagiert sie pampig darauf.

Was ich ihm nicht sagte, war, wie sehr ich mich jedes Mal auf den Moment freute, wenn ich in Bodils Straße einbog und sie dort warten sah, einen Fuß über den anderen gekreuzt, die Tasche auf dem Boden und immer pünktlich.
Da kommt so ein wenig durch, als wäre Bodil eine Art Tochterersatz im weitesten Sinne für sie.

Ja, auf jeden Fall.

„Ich bin krank. Ich sterbe bald.“
„Das hast du schon ein paarmal gesagt. Was ist es denn nun?“
„Ich kann nicht darüber reden, sonst breche ich zusammen und der schöne Nachmittag ist kaputt. Hast du mal abgetrieben?“
Da präsentierst du mir das Mädchen als ausgefuchste Schwindlerin. Und eine Klette dazu. Ich kann mir schon richtig vorstellen, wie sie die Protagonistin nun in ihre Zange nehmen wird.

Möglicherweise hat sie irgendeine chronische Krankheit. Ob sie die dramatisiert oder sogar durch ihre schnoddrige Art herunterspielt, das wollte ich offen lassen. Man kann es aber auch wirklich so lesen, dass sie hier komplett schwindelt.

„Nö, den brauchen wir. Meine Mutter kommt noch.“
Hier wird es noch deutlicher, auch durch das Erwähnen der Wohngruppe. Klar ist, dass Bodil kein intaktes Familienleben hatte und sich nun eine Mutter herzaubern möchte, auch mit etwas Druck.

Ja, genau.

„Nee, lass mal, ich hab doch mein eigenes.“
Ihr Lächeln blieb für einen Moment wie festgeschraubt, bevor sie mit den Schultern zuckte und sich über ihr Eis beugte.
„Oder doch, lass mich mal Schokolade probieren“, sagte ich schnell.
Man fragt sich schon, wieso sie sich so von der Göre an der Nase herumführen läßt.

„Drei Wochen. Liebesurlaub mit Stefan.“ Sie zog eine Grimasse, und ich war erleichtert, dass sie nur spottete.
Mich regt das schon auf, wie sich die Erzählerin einlullen läßt und schon froh ist, wenn sie nicht noch mehr negative Reaktion zeigt.


Ja, sie geht ihr da wirklich auf den Leim.

Auf dem Rückweg stürzte sie. Als ich hinter mir ihren Schrei hörte, dachte ich zuerst, sie wolle mich auf etwas aufmerksam machen. Aber dann lag sie im Gebüsch und kratzte sich Arme und Gesicht an den Dornen blutig. Ich sprang vom Rad und zog sie auf die Füße. Wie rasend trat sie nach ihrem Fahrrad, immer wieder. Leute fuhren kopfschüttelnd vorbei und irgendwann packte ich sie und hielt sie fest. Es dauerte lange, bis sie aufhörte zu weinen.
Alles Theater.

Ja, ziemlich nah dran, nachdem sie vom Urlaub erfahren hat. :Pfeif:


Bodil ist im Grunde schon eine bemitleidenswerte Figur. Wenn man soviel Scheiß mitgemacht hat, sucht man sich natürlich Strategien, wie man an etwas Liebe und Geborgenheit rankommt.
Mich hat das richtig genervt, wie die Protagonistin auf diese emotionale Erpressertour eingestiegen ist, natürlich auch genährt durch ihre eigene Kinderlosigkeit, hinter der sie wohl nicht 100% steht.

Mich hat es auch genervt und es hat mir auch Spaß gemacht, das auf die Spitze zu treiben. Solche Muster gibt es ja durchaus, meistens subtiler. Verenas Kinderlosigkeit ist, wie du schreibst, auch
ein Grund dafür, dass sie so unabgegrenzt ist, aber da ist sicher noch mehr, was mit ihrem Charakter zu tun hat.

Also hast du alles richtig gemacht, Chutney, denn sobald man sich über Figuren aufregt, berühren sie.

Das Ende ist genial. Ich hätte gerne eine Fortsetzung, wie die zwei darauf reagieren


Ich danke dir sehr, bernadette, dass du dich hast berühren und aufregen lassen. Das ist ein tolles Lob. Ich verlasse meine Protagonisten an diesem Punkt und hoffe, dass sie zumindest ihren Urlaub angetreten haben.

Einen schönen Sonntag noch wünscht Chutney

 

Hallo Bas,

ja, ich finde auch, die Copywrite-Geschichten zu kommentieren, das ist eine besondere Herausforderung und ich finde das toll, wie du das gemacht hast, das du den Text von Maria immer wieder zugrunde gelegt hast.

Eine tolle Geschichte mit einer wahnsinnig spannenden Protagonistin hast du dir da ausgesucht, finde ich. Ich bin gespannt, wie du sie gesehen hast, was du mit ihr machst.

Ja, die Geschichte hat mich auch sofort gepackt.

Aber auch im weiteren Verlauf hat Marias Geschichte mich schockiert. Da liegt dieses junge Mädchen im Krankenhaus und mein Herz sagt mir: Hab Mitleid. Mein Verstand sagt mir: Was für eine Kackkuh.

Ich ahne dein Bestreben und hoffe, dass du es schaffst. Du willst sie verwandeln, oder? Von der Kackkuh zu ... zum Schmetterling.

Sagen wir mal, mein Bestreben war durchaus die Ambivalenz beizubehalten. Aber es war mir eben auch wichtig, dass man den Schmetterling in ihr wahrnimmt.

Ich weiß nicht, ob das auch Marias Bestreben war, im allerletzten Satz ihrer Geschichte blitzte bei mir ganz deutlich der Wille auf, sie mit anderen Augen zu sehen, ihr eine Chance zu geben, sie als das weinende, verlassene Kind zu sehen, das sie eigentlich ist - aber trotzdem überwog das Bild der ... du weißt schon. Und das gefiel mir nicht, das machte mir zu schaffen, das ließ mich an mir selbst zweifeln.

Das weinende, verzweifelte Kind in ihr kann halt viel in anderen mobilisieren, die dafür empfänglich sind und möglicherweise sogar zur Bedrohung werden. Sowohl in Marias Geschichte, so wie ich das sehe, als auch in meiner Geschichte.

Also doch kein Aids was?
Komma nach Aids?

Oh ja, danke!

Nur einmal hatte sie mich gefragt, was ich beruflich mache, und das Gesicht verzogen, als ich sagte, wir seien Steuerberater, mein Mann und ich.
Hack, hack, hack, vielleicht könntest du das Komma nach "mache" einsparen, vielleicht könntest du auf "als ich sagte, mein Mann und ich seien Steuerberater" umstellen - der Abgehacktheit wegen.

Habe ich gerne übernommen. Ist viel besser.

Sie nahm einen tiefen Zug und stieß den Rauch aus.
„Darf ich zugucken, wie du backst?“
Dein Bestreben fruchtet, glaube ich ...

Du bist irgendwie rührend in deinem Bemühen, Sympathien für dieses Biest zu entwickeln. :D

Klar, hatte er recht.
Hm ... Vielleicht eher "Klar, er hatte recht" oder "Klar, da hatte er recht"?

Habe ich auch übernommen, das erste, vielen Dank!

ihre Augen glänzten, wie die eines Kindes unterm Weihnachtsbaum
Geht auch mit Komma, ich persönlich würde es streichen

Ist gestrichen und gefällt mir viel besser.

ich hatte hilflos den Arm um sie gelegt in der Erwartung, zurückgestoßen zu werden
Komma nach gelegt?

Ich achtete darauf, noch vorher abzuspringen, noch langsamer zu werden.
Vielleicht eher "noch früher abzuspringen" oder "noch vor ihr abzuspringen"?

platzte sie heraus.“Gar nicht wie über fünfzig.“
Da ging was mit dem Anführungszeichen schief


Jetzt habe ich mal zusammengefasst, denn ich habe alle deine Anregungen aufgegriffen. Du hast ein feines Gespür für Sprachfluss, das merkt man auch deinen Geschichten an. Danke, dass ich davon profitieren durfte, Bas.

Ich habe deine Geschichte sehr gerne gelesen, was einerseits an deiner angenehmen Sprache liegt, andererseits an der psychologischen Komponente, die hier mit reinspielte. Besonders gefallen hat mir auch der Stefan, weil er quasi den Kackkuh-Blickwinkel auf Bodil verkörpert, nicht sieht, was in ihr steckt und zuletzt - genau wie ich - seine Sichtweise verändert. Danke dafür, Chutney.

Es ehrt dich, dass du dich so sehr bemühst die verletzte, bedürftige Seite in ihr zu sehen, die ja zweifellos da ist. Was Stefan betrifft, so glaube ich, dass er vor allem in diesem Moment versucht seine Ehe zu retten.

- schrieb ich, bevor ich den letzten Satz gelesen habe. Mein Gott, was soll das denn?

Es gibt solche Menschen, die selbst den besten Willen auf eine harte Probe stellen, manchmal bis sie endgültig ihre Chance vertan haben.

Ich verzeihe ihr. Glaube ich. Aber wird Verena das tun? Und Stefan? Mensch, Chutney.

Da habe ich mich spontan drüber gefreut, dass du ihr (vielleicht) verzeihen könntest, komisch nicht? Obwohl ich auch finde, dass sie ein Miststück ist und die beiden sich (vielleicht) lieber vor ihr retten sollten. :D

Herzlichen Dank, Bas, dafür wie du "drauf los stürmst ohne Plan und Ordnung" und dabei noch so tolle, präzise Tips geben kannst. Das hat mir sehr geholfen.

Liebe Grüße von Chutney

 

So, nun wenden wir uns endlich deiner Geschichte zu, Chutney

gruben unsere jahrzehntealten Discofoxkenntnisse
Ich mag solchen Humor.

„Was denn nun?“
Das nun würde ich streichen. Hört sich meiner Meinung nach zu gehoben an.

und dann überfuhr ich Bodil.
Warte, was??

„Ja?“, schrie sie.
Warum schreit sie denn jetzt?
Sie stellte den Nagellack ab und riss sich die Stöpsel aus den Ohren.
Achso, das hat sich jetzt geklärt. Das, wo sie aber schreit, hat mich aber trotzdem vom Text raus gehauen.

Sie klang, als hätte sie Knötchen auf den Stimmbändern.
Schön.

„Wie, sie hat niemanden, was ist denn los mit der?“
Das kommt mir nicht wie ein Satz vor. Ich habe das Gefühl "Wie? Sie hat niemanden? Was ist denn los mit der?" hört sich richtiger an.

Sie sprach wie gegen Widerstand.
Das hört sich, finde ich, eigenartig an. Ich aber nicht genau, warum.

„Ich hab schlecht geträumt.“ Bodil, wie ihr Körper durch die Luft flog.
Das ist schön.

um für sie zu backen und ihr von meinem Leben zu erzählen, von der Arbeit, von unseren Reisen. Davon, dass meine Eltern kurz nacheinander gestorben waren, von meinen Wechseljahren und dass Stefan überall seine Socken herumliegen ließ.
Gut wie du beschreibst, wie sie vom allgemeinen immer mehr ins intime geht.

„'Von dem Mädel'“, äffte ich ihn nach, „sag nicht immer 'Mädel'!
Coole Idee.

Im Radio spielten sie Madonna.
Dieses Muttersymbol ist sehr geschickt eingefügt.

„Mein Licht war kaputt“, sagte sie.
„Was?“
„Bei dem Unfall. Du konntest mich gar nicht sehen. Ich habe euch alle angelogen. Die Kohle kassiert. Peng.“
Sie saß mit hochgezogenen Schultern und wartete.
Das ist eine echt coole Wendung.

Naja, was lässt sich noch sagen? Die Geschichte hat mir gefallen. Die Figuren wirkten größtenteils natürlich und die Handlung war schön schlicht.

Liebe Grüße,
alexei

 

Hallo alexei,

schön, dass du bei meiner Geschichte reingeschaut hast und toll, dass sie dir gefällt.

„Was denn nun?“
Das nun würde ich streichen. Hört sich meiner Meinung nach zu gehoben an.

Wirklich zu gehoben? Mir kommt das eigentlich ganz normal vor. :hmm:

Sie stellte den Nagellack ab und riss sich die Stöpsel aus den Ohren.
Achso, das hat sich jetzt geklärt. Das, wo sie aber schreit, hat mich aber trotzdem vom Text raus gehauen.

Obwohl es auch vorher schon einen Hinweis gab, durch die Mitpatientin und das Geschepper im Raum. Ich glaube, wenn es immerhin an dieser Stelle klar wird, lasse ich es so. Es kann einem ja auch in der Realität so gehen. Du sprichst jemanden an und merkst gar nicht, dass der Stöpsel im Ohr hat. Außerdem finde ich es gar nicht schlecht, wenn Bodil von Anfang an irritierend ist.

Sie klang, als hätte sie Knötchen auf den Stimmbändern.
Schön.

Danke!

„Wie, sie hat niemanden, was ist denn los mit der?“
Das kommt mir nicht wie ein Satz vor. Ich habe das Gefühl "Wie? Sie hat niemanden? Was ist denn los mit der?" hört sich richtiger an.

Irgendwie wollte ich zeigen, dass er das so runternuschelt. Aber ich habe jetzt immerhin ein Fragezeichen mehr eingesetzt(Wie, sie hat niemanden? Was ist denn los mit der?) und es gefällt mir doch besser. Danke!

Sie sprach wie gegen Widerstand.
Das hört sich, finde ich, eigenartig an. Ich aber nicht genau, warum.

Ja, trotzdem mag ich den Satz, auch die Irritation darin. Aber da bist du nicht der Erste. Hm.

Und ich bedanke mich für die Stellen, die du noch positiv hervorgehoben hast. Hat mich sehr gefreut, alexei!

Liebe Grüße von Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Chutney,

das ist wirklich eine sehr sehr gute Geschichte. Ich weiß nicht, wie viel du davon von Maria übernommen hast, aber es wirkt wirklich sehr stimmig und echt. Anfangs dachte ich noch, nee, ich werde mich nie an die Geschichte von Maria erinnern können, und auch was die Handlung angeht, kann ich mich nicht mehr erinnern (ist schon ein gutes Stück her, dass ich sie damals von ihr gelesen habe) - aber es war wirklich dieses Mädchen, das ich einfach nach ein paar Zeilen sofort wiedererkannte. Richtig gruselig - ihre Art einfach, ich konnte mich an sie erinnern, als hätte ich irgendwann mal einen Tag mit ihr verbracht. Richtig gut ist dir das gelungen, wie gesagt, ich weiß nicht, wie viel du vom Original einfach übernommen hast, das ist natürlich auch ein Lob an Maria, aber dir ist das hier jedenfalls sehr sehr gut gelungen. Hat mir wirklich sehr gefallen. Sowohl von der Sprache, dem Sound und Fluss, als auch von der Figurenzeichnung. Man kann wirklich nachvollziehen, wieso die Erzählerin hier von dem Mädchen so besessen ist - ja, ich hab mich sogar gefragt, ob da was Sexuelles im Raum steht, ob sie in das Mädchen verliebt ist, oder ob das bloß - küchenpsychologisch erklärt - mit der Kinderlosigkeit des Ehepaars zu tun hat. Auf jeden Fall fühlt sich das ganze Szenario sehr echt und originell an, und es passt sehr gut, dass das jetzt nicht ganz klar ist, ob sexuell oder nicht - ich glaube fast, die Erzählerin weiß das selbst vielleicht nicht.

Sie reagierte nicht mehr. Da war etwas Kundenfreundliches in meinem Ton gewesen.
Das ist eine gute Beschreibung! :D

„Mein Licht war kaputt“, sagte sie.
„Was?“
„Bei dem Unfall. Du konntest mich gar nicht sehen. Ich habe euch alle angelogen. Die Kohle kassiert. Peng.“
Sie saß mit hochgezogenen Schultern und wartete.
Super Ende. Man folgt dem Mädchen als Leser einfach sehr gerne, da sie die Story in ständig neue, unerwartete und spannende Wendungen führt, und das Ehepaar immer wieder aufs Neue herausfordert und neue Facetten von ihnen zeigt.

Wirkliche Kritik habe ich diesmal keine, nur Lob, wenn auch es sich um ein Cover handelt, siehst du mal.
Bleib am Ball.
Nachtrag: Doch, habe ich. :D Und zwar der Titel, der gefällt mir nicht besonders - einfach, weil "Liebe" ein Begriff ist, der - ich sage es mal gelinde ausgedrückt - uns tagtäglich um die Ohren gehauen wird, und einfach nichts Besonderes, Anziehendes mehr auslöst, irgendwie plakativ wirkt und vielleicht sogar Leser eher abstößt, sage ich mal. Er wirkt auch wie eine nachgeschobene Erklärung, im Text ist ja nie von "Liebe" die rede, und gerade das fand ich sehr schön. "Bodil" oder "Nach dem Unfall" oder sowas fände ich viel schöner, origineller. Aber wie du willst.

Gruß
zigga

 

Hallo Zigga,

herzlichen Dank für deine Gedanken zu meiner Geschichte. Wie schön, dass du sie gelungen findest!

Ich weiß nicht, wie viel du davon von Maria übernommen hast, aber es wirkt wirklich sehr stimmig und echt.

Richtig gruselig - ihre Art einfach, ich konnte mich an sie erinnern, als hätte ich irgendwann mal einen Tag mit ihr verbracht.

Wow! Ja, ich habe versucht, mich in Marias Protagonistin hinein zu versetzen, mir überlegt, wie es wäre, wenn es am Anfang kein Mann mit Hund gewesen wäre, sondern eine Frau bzw. ein Paar mit Auto, dass ihren Krankenhausaufenthalt verursacht. Und ich habe so einige Themen aus Marias Geschichte aufgegriffen und mich von dem Maria-Feuer anstecken lassen. Auch der Titel stammt aus dem „Schmetterlingsmoment“ und man versteht ihn eigentlich nur, wenn man den kennt, insofern ein ziemlicher Insider. Aber du bist wahrlich nicht der Erste, dem der Titel missfällt (obwohl es auch andere Stimmen gab) und wieder habe ich angefangen zu grübeln. „Bodil“ oder „Nach dem Unfall“ finde ich aber auch nicht so originell. „Kuchen“, (Oh Gott, da denke ich gleich an „Mutterkuchen“) Irgendwelche supergeeigneten Sätze aus der Geschichte habe ich auch nicht gefunden. Vielleicht sollte ich sie wirklich „Bodil“ nennen, ich finde Namen zwar nicht so toll als Titel, aber der ist wenigstens ungewöhnlich.

Man kann wirklich nachvollziehen, wieso die Erzählerin hier von dem Mädchen so besessen ist - ja, ich hab mich sogar gefragt, ob da was Sexuelles im Raum steht, ob sie in das Mädchen verliebt ist, oder ob das bloß - küchenpsychologisch erklärt - mit der Kinderlosigkeit des Ehepaars zu tun hat. Auf jeden Fall fühlt sich das ganze Szenario sehr echt und originell an, und es passt sehr gut, dass das jetzt nicht ganz klar ist, ob sexuell oder nicht - ich glaube fast, die Erzählerin weiß das selbst vielleicht nicht.

Interessant, ich habe mich gefragt, ob auch die Autorin da vielleicht selbst etwas nicht weiß. Ich sehe die Beiden nicht im Bett, aber Verena ist fasziniert von Bodil und hat auf jeden Fall auch zärtliche Gefühle, die ich eher als brachliegende Muttergefühle gesehen habe. Und bei Bodil habe ich diesen Hunger genommen, der sich aus Marias Geschichte speist und da gibt es diese schwärmerische Seite. Verliebtheit, tja, wäre schon sehr weit gefasst. Aber das ist echt nochmal ein neuer Aspekt.

Super Ende. Man folgt dem Mädchen als Leser einfach sehr gerne, da sie die Story in ständig neue, unerwartete und spannende Wendungen führt, und das Ehepaar immer wieder aufs Neue herausfordert und neue Facetten von ihnen zeigt.

Freut mich sehr, dass du es so empfunden hast!

Und ich bleibe bestimmt am Ball. Hoffe auch bald mal wieder was von dir zu lesen, zigga.;)

Liebe Grüße von Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Chutney!

Das ist wirklich eine gute Geschichte, keine Frage. Sie ist plausibel, gut aufgebaut, flüssig lesbar, durchaus auch spannend, da passt eins zum anderen. Aber ich finde, dass sie etwas zu nahe am Original ist, also bei der Idee, dass sich da jemand in das Leben und in die Gefühlswelt von jemandem drängt, aufdringlich Zuneigung einfordert. Klar, du wechselst die Perspektive, das junge Mädchen bei dir will keine erotische Liebe, sondern Mutterliebe oder die Geborgenheit einer Familie.

Was das Original auszeichnet, ist diese negative Energie, die die weibliche Hauptfigur hat, diese Wut. Die Geschichte von Maria ist gar nicht so perfekt wie deine, aber sie wirkt ehrlicher, wühlt mich mehr auf, deine wirkt dagegen sehr gesetzt.

Am besten finde ich deine letzte Szene. Als Bodil sich auf den Schoß der Erzählerin setzen will und ihr dann ins Ohr haucht, dass sie den Mann wegschicken soll, da kommt die Beziehung zwischen den beiden etwas Unwägbares und Schräges, das man irgendwie falsch findet. Und das geht nicht nur von Bodil aus, sondern die Ich-Erzählerin hat auch ihren Anteil daran, sie hat ja offensichtlich ein Problem damit, dass sie keine Kinder hat. Ich glaube nicht, dass Bodil so ein durchgeknalltes Horrormädchen ist, wie ein Kommentator gemeint hat, vor dem man Angst haben muss. Ich glaube, am Ende fasst sie auch Vertrauen zu Stefan, weil der sie auch einbeziehen will, sie kann sich öffnen und die Wahrheit sagen.

Ich hab´s auf jeden Fall gerne gelesen!

Gruß
Andrea

 

Hallo Andrea H.,

ja, das war mein erstes Copywrite-Abenteuer, die Geschichte, um deren Titel ich mir immer noch Gedanken mache. Schön, dass sie dir im Großen und Ganzen gefällt. Du findest sie etwas zu nah am Original. Hm, diesbezüglich war ich selber ganz zufrieden, hatte mich aber tatsächlich klar an der Struktur von Marias Geschichte orientiert und die Bodil ist natürlich von Marias Protagonistin inspiriert. Aber das ist durchaus meine Vorstellung von "Copywrite".


Was das Original auszeichnet, ist diese negative Energie, die die weibliche Hauptfigur hat, diese Wut. Die Geschichte von Maria ist gar nicht so perfekt wie deine, aber sie wirkt ehrlicher, wühlt mich mehr auf, deine wirkt dagegen sehr gesetzt.

Ein Unterschied ist, dass Maria das Mädchen sprechen läßt, was ihr eine krasse, lebendige und irgendwie gebrochene Erzählstimme gibt. "Ehrlich" schreibst du, ja, genau. Das ist der Stil von maria.meerhaba. Das hätte ich niemals versucht zu kopieren, da kenne ich meine Grenzen. Nicht ohne Grund habe ich mir die Sichtweise der Steuerberaterin ausgesucht und in der dritten Person geschrieben. Wiederum fand ich das auch gerade im Kontrast als Copywrite reizvoll.

Die letzte Szene wird ja verschieden interpretiert und das gefällt mir ganz gut. Deine Sichtweise kommt vielleicht am Ehesten der von barnhelm nahe, die geschrieben hat:

Bodil gibt mMn mit diesen Worten ihre Deckung, ihre Tricks, ihre Manipulation auf. Sie liefert sich den beiden aus, stellt es ihnen anheim, was sie nun von ihr halten. Sie liefert Verena und auch Stefan damit einerseits die Möglichkeit, sie zu verachten, sich von ihr zu distanzieren, auf der anderen Seite eröffnet sich ihnen nun aber auch die Chance, auf einer neuen, einer ehrlicheren Basis miteinander fortzufahren.

Und, ja, ich finde Verena auch nicht ohne, die spielt auch ihr Spiel.

Vielen Dank, Andrea, für deine Gedanken und deinen Eindruck zu dieser Geschichte.

Liebe Grüße von Chutney

 

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