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Bombenstimmung
Tick, Tack, Tick, ...
Langsam wurde ihm das monotone Ticken der rustikalen Nussbaumstanduhr zuwider.
Kurz nach der Ankunft fand er das von Hand angefertigte Uhrwerk und das klobig-bleierne Pendel darunter noch faszinierend. Nun, nach der nunmehr halben Stunde die er sich schon in dem Raum aufhielt, empfand er jeden Schwung des Gewichts nur noch als unerbittliches Schussfeuer aus einer antiken Kanone.
Dumpf und nervtötend.
Er spürte förmlich schon, wie sich sein Kopf morgen anfühlen würde. Insgeheim jedoch konnte er nur säuerlich über diese Tatsache lächeln.
Bald war er von diesem unnützen Dekorationsstück befreit.
Er war allein - Zumindest in diesem Raum. In allen anderen Räumlichkeiten seines durchdesignten Elternsitzes wimmelte es nur so von oberflächlichen Snobs der Großstadt.
Er war keiner von diesen geldgeilen Schnöseln, deren einziger Lebensinhalt darin bestand, sich möglichst viele Strandvillen zu kaufen. Er war im Grunde völlig "normal" - Ein Grund von vielen, warum er von seinen Eltern verstoßen wurde.
Diese waren schon immer überzeugt konservativ eingestellt und ein rebellischer Sohnemann, der des Öfteren mal über Nacht fort blieb, passte wohl nicht so ganz ins Bilde einer "Perfekten Familie".
Er solle doch in den USA studieren, wurde er von seinem jähzornigen Vater angeherrscht.
Irgendwann wurde es ihm zu viel und er tauchte unter. Zumindest bis heute.
Grinsend betrachtete er nochmals ausgiebig die im viktorianischen Stil gehaltene Standuhr, die unwissend ihren Sekundentakt fortsetzte.
Tack, Tick, ...
Es war kurz zum Schlag zur vollen Stunde.
Zeit zu gehen.
Mit wohlbedacht schleppenden Schritten ließ er noch einmal die wertvollen Kunstobjekte und Antiquitäten seiner reichen Eltern auf sich wirken.
Die Party war an ihrem Höhepunkt angelangt. Einige Gäste unterhielten sich angeregt über Dinge, die wahrscheinlich nur Geldautomaten interessieren würde, während die anderen sich zu Mozarts Klängen leiten ließen.
Unbedacht dessen, schlenderte er weiterhin gemächlich durch die Menschenmassen, um sein Ziel, den Ausgang, endlich passieren zu können.
Tack, Tick, Tack, ...
Vorfreudig erregt von dem ihm schon ins Gedächtnis gebrannte Ticken der Uhr, ging sein Lächeln in ein verzerrtes Grinsen über. Die in den elterlichen Gemäuern stattfindende Betriebsfeier seines Vaters war wirklich wie geschaffen dafür.
Nur noch einen letzten Blick warf er zurück. Doch seine Eltern waren nicht da, beziehungsweise zwischen den in seinen Augen verachtungswürdigen Geschöpfen der egoistisch-egozentrisch veranlagten Reichengeneration nicht zu finden.
So drehte er auf dem Absatz kehrt und ließ den Lärm hinter sich.
Tick.
Es war noch besser als er sich hätte träumen lassen: Auf die Sekunde genau zerriss eine ohrenbetäubende Explosion die friedliche Idylle ringsum der protzigen Landvilla. Von seiner eigenen Genialität beeindruckt, ließ er alles noch mal Revue passieren.
Die Beschaffung des Sprengsatzes bei einem drogensüchtigen Sprengstoff-Freak. Die anschließende unauffällige Installation in die Standuhr und ... BANG!!!
Es war kinderleicht.
Niemand schöpfte auch nur ansatzweise Verdacht.
Was er bloß alles mit dem ihm zustehenden Erbe machen würde? Er würde es auf jeden Fall nicht so verprassen wie die unzähligen anderen Multimillionäre. Ihm würde auch schon eine Villa in Miami genügen.
Schließlich war er ja nicht so geldgierig wie die – er war etwas "Besonderes"…