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Bon Voyage!

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19.04.2008
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Bon Voyage!

Hilda schleift die gepackten Koffer aus dem Schlafzimmer in den Flur.
Schwer wie Blei sind sie geworden, aber Hilda hat alles, wirklich jedes Fitzelchen, das hineingehen musste, auch untergebracht.
Darauf ist sie stolz.
Bon Voyage!
Erschöpft aber zufrieden streicht sie sich eine lose Haarsträhne aus der Stirn und bemerkt die schon fast eigentümliche Stille in der Wohnung.
Gut, Klein - Lara hat Brüllpause. Sie liegt zufrieden in ihrem Körbchen, träumt satt und still vor sich hin. Was treiben die Zwillinge? Im Normalfall streiten sie sich doch, oder hecken verschwörerisch kichernd irgendeinen Blödsinn aus ...
Nein, Marie jedenfalls sitzt im Kinderzimmer, zaubert hochkonzentriert bunte Strichmännchen und dicke gelbe Sonnen aufs Papier.
Braves Mädchen!
Wo ist Stefan? Kurze Wege in einer kleinen Wohnung. Stefan ist auch beschäftigt. Er hat Vatis Rasierschaum entdeckt und setzt mit andächtiger Begeisterung kunstvolle kleine Sahnehäubchen ins Klo.
„Kinder, ihr werdet mal ein Fall für die „Documenta“, grinst Hilda in sich hinein. Nicht ganz ohne Grund. Schließlich ist es noch keine Stunde her, dass sie dem neuesten Gemeinschaftskunstwerk ihrer zwei Kreativen einen herben Schlag versetzen musste: Unter Protest der kleinen Aktionskünstler hatte Hilda drei Sonnenstrahlen entfernt, um sie einer zweckbestimmten Nutzung zuzuführen. Den Rest des mit Binden an die Kinderzimmerwand drapierten Gemäldes würde sie bei Bedarf wohl auch weiter schädigen müssen ...
Die Türglocke schiebt sich störend in Hildas Betrachtungen.
„Eva!“ Na, die hat jetzt gerade noch gefehlt!
Wimpernklimpernd und aufgezäumt wie ein Zirkuspferd wiedermal.
„Hi Hilda ich will nicht lange stören zehn Minuten dann bin ich wieder weg nur eine Kleinigkeit für den neuen Erdenbürger Willkommensgeschenk sozusagen“ Eva redet immer ohne Punkt und Komma, aber mit viel Körpereinsatz.
Die beiden, den recht tiefen Ausschnitt flankierenden Berge wogen wohlgeformt, aber angsteinflößend auf und nieder.
„Mächtig Holz vor der Hütte“, erinnert sich Hilda an Siegfrieds Bemerkung und registriert unzufrieden ihren eigenen Aufzug: Biolatschen und Schlabberhose. Auf dem T-Shirt prangen feuchtdunkle Flecken.
Ausgerechnet jetzt! Laras Mittagessen tropft trotz Baumwolleinlage schon wieder durch! Und bis zum Stillen dauert's noch ...
„Komm pack mal aus!“ Eva fuchtelt Hilda mit ihrem Geschenk unter der Nase herum. „Das fand ich ja sooo süß das musste ich ganz einfach kaufen und für die Großen hab ich zwei Überraschungseier. Mariie! Steefan!“
Die Zwillinge fassen artig dankend ihre Ostereier ab.
Eva stöckelt in Richtung Wohnzimmer. „Wollt ihr verreisen?“
Die Koffer im Flur hat sie also bemerkt.
„Nicht wir, Siegfried.“
„Aber das hat er mir doch überhaupt nicht ...“
Plappermäulchen merkt selbst, dass es sich verplappert hat. Leicht schimmert Röte durchs Make up.
„Wo ist denn Siegfried? Ich wollte ihn doch noch was fragen ...“
Die Couch steht zu Evas Verdruss leer und verwaist im Raum, nur geschmückt mit zwei zerknautschten Sofakissen, nicht mit Siegfried, dem Blondgelockten.
„Siegfried ist zum Arzt“, lächelt Hilda.
„Ist heut ' ganz aufgeregt aus der Dusche gesprungen. Mit seinem besten Stück wäre was nicht in Ordnung, er bräuchte dringend medizinische Hilfe. Mich wollte er ja nicht nachschauen lassen, aber es muss wohl was Ernstes sein.“ schildert sie die morgendlichen Ängste ihres Charmebolzens und genießt dabei Evas schreckgeweitete Augen.
„Was wolltest du Siegfried denn fragen, Eva?“
Hilda schiebt die Nachbarin sanft in Richtung Flur und überreicht ihr dort einen strassfunkelnden Ohrring.
„Du wolltest wohl wissen, ob ihm rein zufällig diese außerordentlich geschmackvolle Pretiose zugelaufen ist?
Gehört dir doch, oder?
Hab ich beim Bettenmachen entdeckt ...
Ach, und sei so gut, Eva! Nimm doch schon mal zwei von den Koffern mit. Für Siegfried sind die vielleicht etwas schwer, der hebt sich ja schon an normalen Müllbeuteln fast einen Bruch.“
Als Eva mit Siegfrieds Koffern wie geplättet vor der Wohnungstür steht, hat Hilda irgendwie doch noch etwas Mitleid übrig und sie kann sich nicht so recht erklären, warum eigentlich ...
„Eva?! Wegen seiner Krankheit ... mach dir deswegen erst mal keinen Kopf ...
Siegfried hat mich gestern im falschen Moment erwischt. Als er wiedermal besoffen über die Schwelle gekrochen kam, da war ich gerade mit dem Eierfärben fertig.
Ostern eben.
Rot, grün und blau hatte ich noch nicht entsorgt ... und ich hab mich hinreißen lassen ...
Die Färbung, jedenfalls die, die verliert sich wieder ...
Bon Voyage, Eva!“

 

Liebe Butterblume,
ich bin neu hier und das ist meine erste Reszension, also nicht böse sein:
Mir hat die Geschichte gut gefallen, vor allem der überraschende Ausgang. Die Pointe mit den Eierfarben hat mich sehr erheitert. Nur ein paar Kleinigkeiten, die ich auf Anhieb nicht verstanden habe:
Dass Ostern ist, bringst Du erst spät, obwohl die Info denke ich schon am Anfang erwähnt werden sollte, zumindest in einem Nebensatz, dann läuft der Plot sanfter.
Wer Eva genau ist, kommt auch recht spät, zumindest, dass sie eine Nachbarin und nicht die Freundin/Tante/Oma der Prota könnte man erwähnen.
Der Titel Bon Voyage finde ich nicht so ganz passend, ich fände, irgendwas mit "Eierfärben" oder "Osterhäschen" vielleicht passender.
Aber ansonsten super!
Lg
catlucy

 

Hm, hallo Butterblume,

eine süffisante Geschichte ist dir da gelungen. Muss zugeben, ich hab sie erst nach dem zweieinhalbten Mal wirklich verstanden. Aber dass ich einen Text auf KG.de mehrmals lese, ehe ich einen Verriss drunterschreibe, kommt eher selten vor, deshalb spricht das unter dem Strich nur für deine Geschichte.

Detailanmerkungen:

Gut, Klein - Lara hat Brüllpause.
  • Zusammengeschrieben >> Klein-Lara. Könntest das "Klein-" sowieso wegnehmen, wird auch ohne klar.
  • Da das Baby wahrscheinlich keine Brüllpause zugeteilt bekommen hat, sondern von sich aus eine macht, würde ich das auch so schreiben >> Lara macht eine Brüllpause

Unter Protest der kleinen Aktionskünstler hatte Hilda drei Sonnenstrahlen entfernt, um sie einer zweckbestimmten Nutzung zuzuführen.
  • Den Nebensatz finde ich arg gestelzt, so als wolltest du ihm krampfhaft etwas witziges entlocken.

„Aber das hat er mir doch überhaupt nicht ...“
  • Dies ist die einzige Stelle in der ganzen Geschichte, wo der Dreipunkt gerechtfertigt ist, da er eine Auslassung signalisiert. Die anderen Dreipunkte kannst du ruhig durch Kommas bzw. Satzpunkte ersetzen, denn sie behindern den Lesefluss.

schildert sie die morgendlichen Ängste ihres Charmebolzens und genießt dabei Evas schreckgeweitete Augen.
  • Zeichensetzung: Kein Punkt, dafür Komma hinter dem Anführungszeichen >> sein", schiltert
  • überhaupt ist "schildert sie ..." eindeutig auktoriale Perspektive, obwohl du bisher in der personalen Perspektive geschrieben hast. Würde ich alles einfach durch "sagt sie" ersetzen, so bist du auch die hölzernen Ängste los.

Herzlich willkommen auf KG.de,
und noch einen schönen Pfingstmontag,

-- floritiv.

 

Hallo butterblume!

Mir gefällt, wie die eigentliche Pointe sich Stück für Stück offenbart und nicht so knallhart daherkommt, wie es sonst so der Fall ist bei Pointengeschichten. Allerdings wirkt sie auch ein bisschen lose und unbestimmt, da sind ein paar Bilder, die sind irgendwie zusammengeflickt, aber doch recht locker, und insgesamt wirkt die Geschichte dann ein bissen dünn. Ich würde an deiner Stelle versuchen das Ganze zu verdichten.

Formales: Du setzt ziemlich oft Zeilenumbrüche, die ich nicht verstehe, besonders im ersten und im letzten Absatz. In der wörtlichen Rede haben die nix verloren. Und du scheinst "…" sehr gern zu haben, aber ich hasse diese drei Punkte und würde dir auch raten, ein bisschen sparsamer damit umzugehen, sonst wirkt eine Geschichte schnell recht billig.

„Kinder, ihr werdet mal ein Fall für die „Documenta“, grinst Hilda in sich hinein.
Das stimmt so nicht. Vielleicht wärs so besser: "Kinder, ihr werdet mal ein Fall für die Documenta", grinst Hilda in sich hinein.
„Nicht wir, Siegfried.“
Statt des Kommas würde ich hier nen Punkt setzen, sonst klingt es, als würde sie mit Siegfried sprechen und nicht Siegfried meinen.

Also, fand ich zwar unterhaltsam, aber doch ein bisschen dünn.

Liebe Grüße,
apfelstrudel

 

Hi, catlucy, floritiv und apfelstrudel!
Danke Euch fürs Lesen und die konstruktiven Kritiken!
@catlucy: böse sein? Worüber? Du zeigst mir doch nur, wo es für Dich gehakt hat. Den Titel würde ich allerdings gerne behalten, da es ja auf den Raussmiss hinausgeht. Deine anderen Anmerkungen sind nicht von der Hand zu weisen und ich werde sie für die Überarbeitung im Auge behalten.
@floritiv: Wusste nicht, dass ich sooo kryptisch bin (zweieinhalb mal Lesen) , aber ich werde auf jeden Fall die Zeichensetzug durchgehen(danke), meine geliebten Pünktchen eindampfen und mir über die Stelzereien Gedanken machen. (Sowas will ich selbstverfreilich nicht!)
@apfelstrudel: freut mich, wenn Dir die Pointe, wenn auch etwas derb, gefällt. Zur Dünne: Nuja, vielleicht schaff ich das noch, dass meine Figuren etwas lebendiger in die Welt grinsen. Aber eigentlich nicht vielleicht. Dat wird schon noch. Um Zeichensetzung und Zeilenumbrüche kümmer ich mich bei der Überarbeitung.
nochmal @floritiv. Die "auktoriale Perspektive" musste ich jetzt erst mal googeln, schäm.

Und noch ne dumme Frage: Darf ich eine gepostete Überarbeitung durch Kommentar noch mal nach oben holen?

Danke Euch!

LG Ingrid

 

Hey butterblume!

Mir hats gefallen. Ich mag Geschichten, bei denen man seine eigene Fantasie nutzen muss. Habs gern gelesen und gegrinst.

Sonnige Grüße, Mona May

 

Hi, Mona May,
danke für' s Grinsen! Wenn mein etwas abstruser Humorbegriff nachvollzogen werden kann, freu ich mich ganz doll!
Und dein Grinsen geht mir runter wie Öl.
Thanks!
Jetzt habe ich immer noch nicht überarbeitet, mea culpa, catlucy, floritiv und apfelstrudel! Mach ich aber noch, versprochen.

LG Ingrid

 

Hallo Butterblume,

schöne, kleine Geschichte, an der ich richtig Spaß hatte. Kinderchaos und bunte Ostereier verleihen ihr Farbe. Dagegen bleibt das "schwarze Schaf" grau und wird kurzer Hand entsorgt.

Kleinmängelkritik gab es ja schon, muss ich nicht noch mal ;).

Danke für die Kurzweil
Fliege

 

hi butterblume!

mir hat die geschichte auch sehr gut gefallen. vor allem die binden-sonne und der schluss haben bei mir jeweils ein breites grinsen aufs gesicht gelockt

dass du bei hildas dialog mit eva im flur so viele zeilenumbrüche verwendest stört mich eigentlich nicht (obwohl es im ersten moment fremdartig aussieht), da ja jede zeile quasi eine eigene "punchline" darstellt.

ich hab mich allerdings gefragt, ob in der dusche die eierfarbe nicht abgewaschen wird sobald sie mit wasser in kontakt kommt?

freue mich auf jeden fall darauf, mehr von dir zu lesen. weiter so.

gruß, hasu

 

hi, Fliege, Sabine und hasu!
Mensch, ich hab Eure Antworten total übersehen gehabt, entschuldigt, war nicht bös gemeint.
Jo, wenn die kleine Geschichte ein Grinsen vorgezaubert hat, dann hat sie das gemacht, was sie sollte.:D Irgendwie hatte ich die Geschichte schon nicht mehr auf dem Schirm und freu mich jetzt ganz doll, dass sie noch mal bemerkt wurde.:)
Ist Ansporn für mich, Formatierung und Wortwahl noch mal zu überdenken. Mach ich auch, nicht gleich, aber sicherlich.;)

ch hab mich allerdings gefragt, ob in der dusche die eierfarbe nicht abgewaschen wird sobald sie mit wasser in kontakt kommt?
Prinzipiell, hasu, total berechtigter Einwand. ;) Heut ist das mit den Eierfarben wunderbar, man kann zum Färben alle Behältnisse verwenden und kriegt sie auch ohne Probleme wieder sauber.
Als ich Kind war, hatten wir für die Osterfärberei spezielle Weckgläser im Keller stehen. Die Farbe war wirklich so hartnäckig, dass keine haushaltsüblichen Schüsseln verwendet werden konnten. Das setzte sich tagelang auch auf den Fingern derer fort, die unvorsichtig hantiert hatten.:D
Ist also eine Geschichte, die bei heutigen professionellen Eierfärbern zum Stirnrunzeln und Durchfall en gut ist.:Pfeif:
Dankeschön,
LG Ingrid

 

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