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Born Bread - wie alles begann
Frei übersetzt aus einem neuzeitlichen Testament, vom Nachttisch eines schwedischen Bahnhofshotels.
(in welchem kurze Zeit später eine grausig entstellte Leiche gefunden werden wird)
Irmgard Bölgard erwacht nass geschwitzt aus einem unruhigen Schlaf. Das Bett neben ihr ist aufgewühlt und leer. Sie ist es gewohnt, dass ihr Mann August Bölgard spät heim kommt und früh das Haus verlässt. Sie weiß, dass das was er tut, wichtig für die Zukunft der menschlichen Rasse ist. Das hilft ihr aber nur bedingt über ihre Einsamkeit hinweg. Gestern noch hatte er vom erfolgreichen Fund der Bundeslade erzählt, deren Inhalt, die Manna-Maschine einen enormen Schritt in seinen Forschungen bedeuten könnte. Er selber hatte die Sucharbeiten in der Wüste Sinai über Monate geleitet, Monate, in denen Irmgard das Anwesen der Bölgards bewachte und pflegte. Seit einer Woche nun ist er wieder zu Hause in Schweden.
Irmgard schält sich aus den Decken um einen weiteren Tag in Einsamkeit zu beginnen.
Sie legt den Tonarm des antiken Grammophons auf die Schellackplatte und zieht die Vorhänge zur Seite …
Ein Kreischen wie aus tausend geifernden Mäulern begleitet die Gardinen. Was Irmgard zu sehen bekommt, zieht ihr das Blut aus dem Schädel. Zwischen den Doppelglasscheiben steckt ihr Mann, platt wie eine Oblate. Als wäre er an ein unsichtbares Kreuz genagelt, ragen seine Arme zur Seite, sein leerer Blick ist nach unten gerichtet. Die Vormittagssonne steht direkt hinter Augusts Kopf und lässt einen verzerrten Schatten auf Irmgard fallen.
Als sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt haben, sieht sie es, blutig ausgefranste Lettern, eingeritzt in die Stirnhaut ihres Gatten.
BORN BREAD
Das Dunkel der Ohnmacht fällt über sie herein, aus dem bronzenen Rohr des Plattenspielers ertönt staubig Obsons Oboensomfinate.
„Woran hat Bölgard gearbeitet?“, fragt der herbeigerufene Kommissar Björnskelbler den FHG Kolb. Sie stehen vor dem großen Fenster des Anwesens, in dessen Scheibe der Professor wirkt, wie eine zwischen Buchseiten getrocknete Wiesenblume.
„Manna, sie sagte er habe an ... sagte er habe ... Manna.“ Verwundert schaut Björnskelbler seinen jungen Kollegen an.
„Was ist los mit ihnen, Kolb?“ Der FHG sinkt auf die Knie, die Hände wie zum Gebet gefaltet.
„Mama ...!“ Blut läuft aus seinen Ohren und seiner Nase. Aus der Brusttasche seines Trenchcoats dringt ein pulsierendes Leuchten.
Geistesgegenwärtig reißt ihn der Kommissar zu Boden und macht sich an seiner Tasche zu schaffen. Kolbs Augen schwellen an, als würden sie jeden Moment überlaufen, seine Gehirnzellen platzen wie Popkorn.
Nach erbittertem Kampf reißt Björnskelbler ein kleines Paket aus der Tasche seines Kollegen, die Hitze die es ausstrahlt, brennt sich in Sekundenschnelle in seine Fingerkuppen. Erschrocken schleudert er es in die hinterste Ecke des großen Raumes. Ein Kreischen, wie von einem riesigen Ballon, aus abertausenden Mägen irdischer Sünder gefertigt, aus dem die Schwefeldämpfe des Hades entweichen, durchschneidet den Raum.
Langsam erlischt das Leuchten des Päckchens. Vorsichtig nähert sich der Kommissar der Ecke des Raumes, wo er das teuflische Ding hingefeuert hatte. Ein Stöhnen kommt aus dem ausgezehrten Körper des FHGs.
„Einen Moment Geduld noch Kolb, wir müssen erstmal sehen, was das ist.“ Er dreht das Paket auf die andere Seite und zieht das Papier vorsichtig ab. Ein Moment Stille.
„Hat Ihre Mutter Ihnen wieder eine ihrer Margarinestullen mitgegeben, Kolb?“
Alfonse Obson erwachte aus der Narkose, sein Gaumen klebte an seiner Zunge, wie Läuse am Haarschaft. Ein Blick sagte ihm, dass sie ihn auf ein anderes Zimmer verlegt haben mussten.
Er war nun im Frauentrakt des Klinikums. Also war die kritische Operation erfolgreich verlaufen.
Vorsichtig, um die Schläuche, die in seinen Armen steckten, nicht zu verschieben, hob er die Decke, um sich das Ergebnis der Operation anzuschauen, doch ein Wust von Pflastern und Verbänden verdeckte das Objekt der Neugierde.
„Na ja, das kann auch warten, ich habe so lange ...“
In freudiger Erwartung, zog der Musiker seine Tasche zu sich ins Bett und holte den frisch eingetroffenen Reisepass heraus.
Für das Foto hatte er sich extra zurecht gemacht.
Tränen der Freude stiegen ihm in die geschwollenen Augen.
„Endlich, ich muss Adam anrufen.“ Das Handyverbot kam ihm in den Sinn.
Er legte seinen Kopf zurück ins Kissen und weinte, seine Hand umklammerte das Dokument.
Ein Pfleger betrat den Raum, um nach dem prominenten Patienten zu sehen.
Er zog die Decke zurecht.
„Möchten sie vielleicht etwas trinken, Frau Ampfer?“
Adam Haupt sitzt in einem Kreis aus Menschenwachskerzen, die Beine verschränkt wie ein tibetanischer Mönch. Lange hat er auf diesen Augenblick hingearbeitet. Die Runen, die schon seine Mutter ihn lehrte, hat er in ovaler Anordnung in den Boden der alten Scheune geritzt, in der es nun endlich zu dem Ritual kommen sollte, das auszuführen Adams einziger Lebensgrund ist.
„Maligne panem, Moritur et ridet ...!“ Zischt er durch sein fehlerhaftes Gebiss.
Einen Monat länger als geplant hat dieser verfluchte Professor gebraucht um die Lade zu finden. Zeit die ihm nun fehlt, sein Verfall ist bereits stark fortgeschritten.
Er öffnet den Deckel des lang verschollenen Relikts, das nun endlich das Ende dieser parasitären Rasse auf der Erde einläuten wird. Scheinbar friedlich liegt er auf dem Grunde der Kiste, leicht pulsierend wie ein frischgeborenes Baby.
„Er ist wiedergeboren, euer Ende ist nah!“, schreit Haupt.
Nach langer Zeit des Verzehrs ist es nun eingetreten. Der Mutterkuchen ist erwacht, erweckt um zu lenken, was den Menschen vernichten wird. Und es wird fallen vom Himmel ...
Ole Eringson, Bölgards langjähriger Assistent verlässt seine Wohnung nur ungern in seiner Freizeit. Gerade noch hat er sich köstlich mit seiner Frau amüsiert, die er während seiner Arbeiten in der Wüste so lange nicht zu spüren bekommen hatte. Dann, vor einer Viertelstunde dieser Anruf von Irmgard.
„Ole, es hat begonnen! Wir können es nicht mehr aufhalten! Du musst herkommen!“
Eringson entriegelt seinen Wagen schon aus zehn Metern Entfernung. Ein dicker Junge spielt alleine auf der anderen Straßenseite, irgendwo bläst eine Klarinette.
Ein Rascheln lässt ihn aufschrecken.
„Ole...!“
„Was ... Wer ist da?“
„Ole, jetzt hol erst mal tief Luft, dann reden wir weiter!“
Die Brote umstellen den Wissenschaftler.
„Das könnt ihr nicht machen, ihr seid Brote!“, ächzt Eringson.
„Ihr seid doch bloß Brote ...“