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Broken di Juno

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11.04.2001
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Broken di Juno

Ceres Station - die Perversion des Lebens schlechthin.
Ein Felsbrocken im All. Riesig im Vergleich mit den ihn umgebenden anderen Asteroiden des Gürtels. Klein im Vergleich mit den wahren Planeten des Systems. Gerade mal rd. 1.000 KM Durchmesser, von alten Bergwerksschächten durchhöhlt - mittlerweile nur noch aus taubem Gestein bestehend.
Man konnte sich nur schlecht vorstellen, daß auf diesem Felsbrocken in der Unendlichkeit des Weltenraumes eine Population von mehr als einer Million Individuen ihr Dasein fristete. Zumal das Universum mit lebensfreundlicheren Orten geradezu gespickt war.
In die alten Stollen waren nach und nach die Unterkünfte für die Bergarbeiter eingebaut worden. Diese Bauweise erwies sich als sehr viel billiger als die "oberirdische", da die Felswände als Außenwände dienen konnten. Eine Versiegelung um den Druck zu halten mußte lediglich am Ausgang der Tunnels an der Oberfläche angebracht werden. An vielen Stellen waren hier noch die altmodischen "physischen" Verriegelungen zu finden. Lediglich an den Hauptfrequentierungspunkten, wie dem Andockplatz für die Shuttles, waren die neuartigen Energiebarrieren zu finden.

Ceres war zwar nicht reich, aber es hatte den Strukturwandel in den letzten 20 Standardjahren geschafft. Aus der ehemaligen Bergarbeiterkolonie war ein modernes Dienstleistungszentrum für den ganzen Gürtel geworden. Pallas, Juno oder Vesta waren nicht so gut dran. Auch in ihrem unmittelbaren Umkreis waren sämtliche Asteroiden ausgebeutet. Der Bergbau zog weiter in die nicht mehr so unermeßlichen Weiten des Gürtels.

Auf Ceres hatte sich eine seltsame Gesellschaft herausgebildet. Viele Nichtmenschen hatten hier eine Zuflucht gefunden. Die Erde hatte nach dem verlorenen Krieg gegen die restliche Föderation einen enormen Fremdenhaß aufgebaut. Auch viele Menschen emigrierten in den Gürtel, da ihnen das Leben auf der Erde zur Qual geworden war. Sie tauschten ein autoritäres Regime gegen die vermeintliche Freiheit einer multikulturellen Gesellschaft von Terras Gnaden.


II

Marion DuQuesnes erster Eindruck von Ceres war eigentlich nicht der des großen Molochs, der Ceres wirklich war. Bedingt durch die unterirdische Anlage der Megapolis hier draußen im Weltraum sah man immer nur einen kleinen Ausschnitt das Ganzen. Maximal den Gang hinunter bis zur nächsten Biegung, wie es ein bekannter Kolumnist einmal ausgedrückt hatte.
Ihr Quartier hatte sie durch Vermittlung ihrer Dienststelle auf der Erde erhalten. Die Stelle war kurzfristig vakant geworden und Marion hatte zugegriffen. Sie erhoffte dadurch der erdrückenden Stimmung auf der Erde zu entgehen. Mit ihren 27 Standardjahren wollte sie sich hier einen neuen Anfang schaffen.
Die Stelle bedingte notgedrungen die Arbeit mit Nichtmenschen. Dies führte dazu, daß sich außer ihr niemand für diese Stelle beworben hatte. Nachdem ihre Bewerbung in der irdischen Dienststelle bekannt geworden war, war sie sozusagen geoutet worden. Ihre Kollegen hatten festgefügte Meinungen.

Mittlerweile war sie ungefähr eine Woche Standardzeit hier. Zeit genug um zu erkennen, daß auch hier nicht alles so war, wie sie es sich vorgestellt hatte.
Ihr Partner war ein Nichtmensch - dies war zwar auf den ersten Blick erstaunlich, zog man jedoch die näheren Umstände in Betracht so war diese Wahl geradezu ideal. Die Bevölkerung von Ceres bestand zu gut einem Viertel aus Nichtmenschen. Insofern war es nur logisch auch Vertreter dieser Gruppe in den Polizeidienst aufzunehmen - wenn man es ihnen auch nicht einfach machte, der Gürtel gehörte letztendlich doch noch zum Einflußbereich Terras.
Nichtmenschen konnten beispielsweise über eine gewisse Stufe hinaus nicht befördert werden, sie waren für die "niederen Arbeiten vorgesehen.

Insofern war sofort klar, daß Marion DuQuesne Vorgesetzte von Abn'dem, dem Sirianer wurde, obwohl dieser die größere Berufserfahrung hatte. Dem kleinen, rundlich aussehenden Mann mit der leicht violetten Hautfarbe schien dies jedoch nichts auszumachen. Er war es gewohnt sich Zeit seines Lebens unterzuordnen. Lange vor seiner Geburt war sein Heimatplanet von den irdischen Raumverbänden zu einem Schlackehaufen verbrannt worden. Angehörige seines Volkes gab es nicht mehr viele und diese wenigen vagabundierten ziellos durch die Galaxis.

Die letzte Woche war hart gewesen. Es hatte eine Ausschreitungswelle gegen die nichtmenschliche Bevölkerungsminderheit gegeben. Alle Abteilungen des Polizeidienstes von Ceres waren von ihren eigentlichen Aufgaben abgezogen und zur Aufruhrbekämpfung eingesetzt worden. Mittlerweile hatte sich die Lage etwas beruhigt, der Ausnahmezustand war jedoch noch nicht wieder aufgehoben worden.

Der Polizeiapparat konnte langsam wieder in ruhigere Bahnen gleiten. Man machte sich daran die während der letzten Tage liegengebliebenen Dinge aufzuarbeiten. Zu Marion DuQuesnes und Abn'dems Leidwesen bedeutete dies einen "Kurztrip" von rund vier Stunden zu einem Asteroiden in der Nähe von Ceres. - Ein "alter" Herrensitz eines industriellen Geldadelsgeschlechtes.

"Was weißt du über diese Familie Broken?" Marion versuchte die Flugzeit zu nutzen um sich ein wenig mit der Situation vertraut zu machen.

"...di Juno," war die knappe Entgegnung ihres Partners. Sie wußte, daß Sirianer versuchten Informationen möglichst knapp und präzise an den Gesprächspartner zu übermitteln. Diese Mitteilung war ihr allerdings zu knapp und präzis.

"Ich habe nicht ganz verstanden, was war das?" fragte sie während sie sich ihre langen, dunklen Haare aus dem Gesicht strich.

"Broken di Juno, das ist der vollständige Name. Er ist so sogar im Standesregister auf Ceres registriert." Abn'dem kam in einen für ihn absolut untypischen Redefluß. "Die Registrierung ist vor gut 200 Jahren erfolgt, es wird wohl eine Menge Geld im Spiel gewesen sein, ursprünglich hießen sie nur Broken. Sie kamen von Juno rüber in dieses Gebiet, aus diesem Grunde wählten sie wohl den Namenszusatz."

"Ah ja," Diese Information war zwar recht interessant, brachte sie aber in keiner Weise weiter. "Es ist also eine industriellen Familie, Erzabbau vermute ich?"

"Anfangs schon, sie haben damit einen Haufen Geld angesammelt, aber dann kam der Krieg und danach mehrere Generationenwechsel in der Führungsebene des Unternehmens. Die Kinder und Kindeskinder haben fast alles durchgebracht. Das einzige Vermögen, welches die Familie noch besitzt, besteht aus dem alten Herrensitz, dem Asteroiden...," er griff in seine Aktentasche und zog einen kleinen Taschencomputer hervor. "AZ 3789 VOW, das ist die korrekte Klassifizierungsnummer, inoffiziell heißt er aber Broken di Juno, nach dem Familiennamen. Dies scheint eine seltsame terranische Sitte zu sein..."
Falls er auf diese unausgesprochene Frage eine Antwort erwartete ließ er sich nichts anmerken, als Marion nichts erwiderte.
"Der jetzige Eigentümer des Asteroiden ist William Broken di Juno, 30 Jahre alt, weder verheiratet noch liiert, nach menschlichen Maßstäben sehr gutaussehend und sportlich durchtrainiert. Nach Auskunft unserer Meldedatei leben in seinem Haushalt noch fünf weitere Familienangehörige etwas entfernterer Linien, er ist gemäß dem Testament seiner Eltern verpflichtet für sie zu sorgen."

"Und auf diesen William Broken di Juno soll also ein Mordanschlag verübt worden sein..." Marion sinnierte vor sich hin. "Evtl. Erbstreitigkeiten?"

"Diese Möglichkeit habe ich bereits untersucht, außer einem Berg Schulden hat er nichts zu vererben. Der Asteroid ist komplett mit Hypotheken belastet, unter Umständen sogar über die übliche Beleihungsgrenze der Kreditinstitute hinaus. Außerdem verschlingt er täglich einen Haufen Geld durch den nicht gerade sparsamen Umgang mit Energie. - Der Asteroid ist mit einer kompletten Energiebarriere umgeben welche eine erdähnliche Atmosphäre ermöglicht. Darüber hinaus wird Erdschwerkraft künstlich erzeugt."

"Wer ist dieser Billy di Juno, der die Anzeige erstattete?"

"Ein Cousin ersten Grades, er hat ein lebenslanges Wohnrecht auf dem Asteroiden. Er meldete einen vorsätzlich beschädigten Luftfilter im Privatshuttle seines Cousins. William di Juno wäre fast erstickt."

III


Der Anflug auf Broken di Juno gestaltete sich wieder Erwarten spektakulär. Die künstlich gehaltene Biosphäre des Asteroiden funkelte vor dem Panorama der Sterne. Das Polizeishuttle dockte an der "Unterseite" des Felsbrockens an. Hier war nur der nackte Stein zu sehen. Die Biosphäre befand sich lediglich an der "Oberseite" des Planeten. Neben den sechs, offensichtlich der Familie gehörenden Shuttles, an ihnen war das Familienwappen, ein von einem Adler gehaltener Asteroid, angebracht, befanden sich dort noch etliche weitere Raumgleiter.

Die zwei Polizisten stiegen aus der Luftschleuse ihres Shuttles in einen luxuriös eingerichteten Korridor. An den Wänden hingen Ölgemälde und schwere Teppiche, vorzugsweise terranischer Herkunft. Auch hier schien sich eine gewisse Geisteshaltung etabliert zu haben.

"Guten Tag, was kann ich für sie tun?" Die Stimme gehörte einem in eine Dienerlivree eines uralten Zeitalters gekleideten Bediensteten.

"Cerespolice, Officer DuQuesne, dies ist mein Adjutant Abn'dem." Sie wies mit dem Arm auf ihren Begleiter. "Wir werden erwartet, bitte melden sie uns Mister Broken di Juno."

"Mister Mike ist beschäftigt, er gibt heute einen Empfang, wäre es ihnen möglich morgen...?"

Abn'dem unterbrach den Diener schroff "Wir werden erwartet! Besorgen sie uns eine Audienz!"

Der Diener sah den Sirianer mit einem abschätzenden Blick an und bedeutete den beiden mit einer Handbewegung in einem der angrenzenden Räume zu warten während er die Neuankömmlinge meldete. Die Polizisten traten ein und fanden sich in einer reichlich mit echten Büchern bestückten Bibliothek wieder.

"Wer ist Mister Mike? Ich dachte der Hausherr heißt William?" Marion war verwirrt, das Achselzucken ihres Begleiters brachte sie kein Stück weiter.

Eine halbe Stunde später öffnete sich erneut die schwere Echtholztür. Standesgemäß quietschten sogar die Türangeln. "Mister Michael Broken di Juno," kündigte der Diener an. Ein jugendlich wirkender Mann trat in das Zimmer ein. Er war in einen weißen Anzug gekleidet. Eine auffällige mit dem Familienwappen verzierte rote Schärpe schmückte seine Brust.

"Di Juno, vergessen sie den Rest, was kann ich für sie tun?" Seine Stimme war ein angenehmer Altton.

"Mister William Broken di Juno?" vergewisserte sich Marion.

"Höchstselbst, und sie sind sicher die Polizeibeamten, die mein kleiner Cousin alarmiert hat? Ich versichere ihnen, das war nicht nötig. Hier ist alles unter Kontrolle..."

"Entschuldigen sie wenn ich sie unterbreche," Abn'dem schien es zu lieben den Redefluß anderer Leute zu stören. "Der Diener kündigte sie mit Michael Broken di Juno an. William - Michael?" Erließ die Frage unausgesprochen im Raume stehen.

"Ach so, das alte Spiel. Ja ja, für die Behörden bin ich William Broken di Juno, genau wie mein Vater und noch so mancher Angehöriger unserer großen Familie, der Name ist weit verbreitet. Allerdings wurde ich bereits seit frühester Kindheit diesen Namen ziemlich leid. Ich habe mich dazu entschieden einen anderen anzunehmen, sobald ich dazu komme werde ich dies auch amtlich bestätigen lassen..."

"Sie meinen, sobald genug Geld dafür in der Kasse..."

Marion unterbrach nunmehr ihren Begleiter. "Mister di Juno, bitte entschuldigen sie das taktlose Vorgehen meines Begleiters, er ist mit irdischen Sitten und Gebräuchen nicht hundertprozentig vertraut." Nach einer kurzen Unterbrechung fuhr sie fort. "Sie sagten hier sei alles unter Kontrolle, nach unseren Informationen ist ein Mordanschlag auf sie verübt worden."

"Mordanschlag, Mordanschlag. Wir leben hier im Weltraum. Auch wenn wir dies schon seit Jahrhunderten tun, hat er von seiner Feindseligkeit kein Stück verloren. Man muß damit rechnen, daß hier und da Verschleißteile ausfallen, mein Cousin übertreibt ein wenig."

"Der Luftfilter in ihrem Shuttle war also nicht defekt?" Abn'dem ließ es sich nicht nehmen eine Zwischenfrage einzuwerfen.

"Doch doch, er war defekt, und ich habe es nur meinem Cousin zu verdanken, daß ich dem Tod noch mal von der Schippe gesprungen bin. Er hat unter Einsatz seines eigenen Lebens sein Shuttle mit meinem draußen im Gürtel gekoppelt und mich da rausgeholt." di Juno schmunzelte. "Er ist allerdings auch ein erstklassiger Pilot, wenn die Rollen andersherum verteilt gewesen wären, ich hätte keine Chance gehabt ihm zu helfen."

"Haben sie etwas dagegen wenn wir uns das Shuttle einmal ansehen Mister di Juno?" Marion blickte ihn fragend an. "Ich möchte auch gerne mit ihrem Cousin über den Vorfall sprechen."

"Aber selbstverständlich habe ich nichts dagegen. Fühlen sie sich hier wie zu Hause. Ich gebe heute einen Empfang, wir feiern den Jahrestag der Entdeckung irgendeines großen Erzklumpens, die mein Urgroßvater irgendwann einmal gemacht hat. Feiern sie doch mit. Wir haben noch Zimmer frei. - Vielleicht gewähren sie mir später ja noch einen Tanz? - Sollten sie Probleme haben wenden sie sich nur an mich, Harry wird sie führen." Er winkte den Diener heran, der sich an der Tür diskret zur Verfügung gehalten hatte.

"Ich denke wir sollten zuerst mit dem Cousin reden, wo können wir ihn finden?"

"Bitte folgen sie mir, ich werde sie führen." Der Diener wandte sich zur Tür und ging schnellen Schrittes den Flur hinab, die Polizisten hatten Mühe ihm zu folgen.

IV


Der Asteroid war von innen total ausgehöhlt und ähnlich wie Ceres, allerdings im viel kleineren Maßstab, mit Zimmern ausgestattet worden. Das wirkliche Wunder befand sich allerdings an der "Oberfläche". Hier hatte einer der Vorfahren des jetzigen Eigentümers ein Landhaus alten englischen Stils errichten lassen, umgeben von einer Gartenlandschaft nebst Swimmingpool und Sportanlagen. Mister Billy Broken di Juno befand sich an der Bar in der Nähe der Terrasse. Der Garten war angefüllt mit einer erklecklichen Anzahl von Gästen deren Geld man bereits an ihrer Kleidung erkennen konnte. - Allerdings, so sinnierte Marion DuQuesne, mochte auch unter ihnen so mancher sein, der den Reichtum nur noch vorspiegelte, wie die di Junos.

Billy Broken di Juno unterhielt sich gerade mit anderen Gästen über das zur Zeit stattfindende Suchmanöver der Erzflotten nach einer verschollenen Privatyacht. Abn'dem bemerkte den verständnislosen Blick seiner Kollegin und klärte sie auf.

"Eine bedauerliche Geschichte, die Yacht wird seit 10 Tagen vermißt. Sie war von Pallas herüber zur Vesta unterwegs, eigentlich ein Hopser für dieses Ding. Sie gehört Samantha Djerib, der Chefin eines der wenigen noch florierenden Erzabbauunternehmen. Es besteht nur noch wenig Hoffnung, daß sie lebend gefunden wird. Vermutlich waren viele der Anwesenden mit ihr bekannt oder wünschten sich zumindest ihre Bekanntschaft."

Marion nickte und nahm sich im stillen vor in Zukunft die lokalen Presseartikel sorgfältiger zu studieren. Allerdings, so führte sie zu ihrer eigenen Entschuldigung an, hatte sie seit ihrer Ankunft auf Ceres keine Zeit gefunden sich mit irgendeiner Form von Presse auseinanderzusetzen.

"Mister Broken di Juno, hätten sie evtl. etwas Zeit für uns?" Abn'dem hatte sich durch die Menschentraube zu ihm durchgearbeitet. "Cerespolice." Er sah ihn vielsagend an, "vielleicht können wir an einen anderen Ort..."

"Aber sicher, es freut mich, daß sie gekommen sind." Billy Broken di Juno war in seiner Statur seinem Cousin nicht unähnlich, zumal auch er in einen weißen Anzug mit Familienschärpe gekleidet war. Seine ungefähr zwanzig Standardjahre verliehen ihm jedoch, im Gegensatz zu seinem Cousin, ein weitaus vitaleres Aussehen. "Bitte kommen sie doch hier entlang." Er geleitete sie zurück zum Haus in einen kleinen Kaminraum, dort ließen sich die drei in die luxuriös wirkenden aber äußerst unbequemen Sessel sinken.

"Ich will mich nicht mit langen Vorreden aufhalten Mister Broken di Juno, sie haben uns alarmiert, weil ein Mordanschlag auf ihren Cousin stattgefunden hat." Marion ergriff die Initiative bevor ihr Partner mit seiner direkten Art wieder ins Fettnäpfchen treten konnte.

"Richtig, ich hielt es für meine Pflicht, Mike sieht das zwar anders, aber es war ja nicht das erste Mal..."

Abn'dem war wieder an der Reihe in das Gespräch einzugreifen. "Wie meinen sie das, es war nicht das erste Mal. Gab es bereits mehrere Mordanschläge?"

"Meines Erachtens ja. Es begann alles nach Mikes schwerer Herzoperation vor zwei Monaten. Mike will davon zwar nichts wissen, aber ich weiß es besser. Vor zwei Wochen war sein Frühstücksspeck vergiftet, zum Glück hatte er nicht davon gegessen, sondern lediglich der Hund." Die Polizisten blickten ihn verständnislos an. "Michael hat die Angewohnheit dem Hund von seinem Essen zu geben, er ist der Meinung, was gut genug für ihn ist, ist auch gut genug für den Hund. - Nun ja, Blacky ist daran krepiert. Michael schob es auf einen normalen Vorgang, er meinte der Speck sei halt verdorben gewesen. Seltsamerweise war meiner jedoch in Ordnung, er stammte vom selben Stück!
Dann war da noch die Geschichte mit der gelösten Andockklammer seines Shuttles. Er wollte einen Kurztrip zu einem Nachbarn machen und war bereits in der Luftschleuse seines Shuttles als er den Luftzug bemerkte. Geistesgegenwärtig ist er zurückgesprungen und hat die Schleuse wieder versiegelt - gerade noch rechtzeitig, das Shuttle löste sich wie von selbst aus der Andockvorrichtung. Mike schob die defekte Andockklammer auf Materialermüdung und ich glaubte ihm. Im Rückblick scheint mir die Geschichte jedoch sehr seltsam. Und nun dies mit dem Luftfilter in seinem Shuttle."

"In der Tat erscheinen diese Begebenheiten in einem seltsamen Licht. Ihr Cousin will davon allerdings nichts wahrhaben, warum ist er so sehr davon überzeugt, daß ihn niemand umbringen will?" Marion DuQuesne hatte mittlerweile ihren Taschencomputer herausgeholt und machte sich eifrig Notizen während sie den Ausführungen des jungen Mannes zuhörte.

"Er sagt immer da fehle das Motiv, und in diesem Punkt muß ich ihm recht geben. Mike hat keine Feinde, im Gegenteil er weiß sich überall Freunde zu machen. Aus diesem Grunde erscheint eine Mordabsicht aus dieser Richtung absurd.
Das klassische Motiv der Bereicherung durch Erbe ist hier auch nicht gegeben. Michael hat zwar ein Testament gemacht und bei unserem Familienanwalt hinterlegt, aber sein Besitz steht doch kurz vor dem Ruin. Er will es zwar nicht öffentlich zugeben, aber wenn die Bank den Hahn zudreht - und dies wird über kurz oder lang der Fall sein - dann läuft doch hier nichts mehr. Er kann dann froh sein, wenn er ein bürgerliches Dasein auf Ceres führen kann."

"Sie kennen sein Testament? Wer ist denn der Nutznießer? - Auch ein bürgerliches Dasein auf Ceres kann interessant sein!" Abn'dem konnte sich nicht zurückhalten.

Billy Broken di Juno schmunzelte über sein ganzes Gesicht. "Da bin ich dann wohl ihr Hauptverdächtiger. Mein Cousin hat mich zum Alleinerben eingesetzt, abgesehen von den Pflichtteilsansprüchen der übrigen Familienmitglieder. - Wollen sie mich gleich hier festnehmen?" Er hielt seine Hände scherzhaft zusammen nach vorne gestreckt den Polizisten hin.

"Bitte entschuldigen sie die etwas taktlose Frage meines Kollegen," es schien Marion inzwischen nicht mehr ungewöhnlich zu sein sich für ihren Partner zu entschuldigen. "Wir müssen natürlich alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Ich hoffe sie verstehen das?"

"Aber sicher, es war nur ein Scherz. Wie sie sehen besteht auch von dieser Seite aus kein Motiv. Die Pflichtteilsansprüche der anderen können sie übrigens vergessen. Sie bestehen im wesentlichen - wertmäßig - aus den Privatshuttles der Familienmitglieder. Mike wollte ihnen die Dinger bereits vor geraumer Zeit schenken, allerdings mit dem Hintergedanken, daß sie dann selber für den Sprit den sie verbrauchen aufkommen müssen - sie haben alle dankend abgelehnt." Billy blickte Abn'dem auffordernd an. "Ich wollte nur ihrer nächsten Frage vorbeugen. Aber ich glaube sie müssen mich jetzt entschuldigen, das Feuerwerk geht gleich los und ich will vorher noch einmal im Internet Neuigkeiten über den Verbleib der Yacht von Samantha Djerib abfragen." Ein Schatten glitt über seine Stimme.

"Sie kannten Samantha Djerib?" Abn'dem schoß diese Frage geradezu wie einen Pfeil ab.

"Ja, mein Cousin und ich erwarteten sie dringend am heutigen Abend hier. Wir wollten ursprünglich eine Verlautbarung abgeben - aber nun ... bitte entschuldigen sie mich." Er stand rasch auf und verließ schnellen Schrittes das Zimmer in Richtung des inneren Hauses.

"Mir scheint, daß du da mal wieder nicht sehr taktvoll vorgegangen bist Ab'," Marion verwandte die unter Sirianern übliche Kurzanrede.

Der kleine, rundliche Mann wandte sich verlegen. "Ich denke, wir müssen alles über die hiesigen Umstände wissen und ein Name wie Djerib läßt mich halt aufhorchen. Ich konnte ja nicht ahnen, daß sie eine enge Freundin des Hauses ist. - Um was für eine Verlautbarung mag es sich wohl handeln?"

"Ich glaube, das geht uns nichts an! Vielleicht sollten wir nach draußen gehen und uns dieses Feuerwerk mal aus der Nähe ansehen. Außerdem habe ich vom vielen reden langsam Durst bekommen, da war doch irgendwo eine Bar." Die beiden Polizisten schlenderten langsamen Schrittes auf die an das Zimmer grenzende Terrasse.

"Sie amüsieren sich gut? Ich darf sie doch daran erinnern, daß sie mir einen Tanz versprochen haben?" Die Stimme gehörte ganz offensichtlich Michael Broken di Juno, der sich durch die Menschenmenge zu ihnen vorarbeitete. "Haben sie schon etwas zu trinken? Nein? Dort hinten ist die Bar. Sehen sie den Mann in dem schwarzen Einteiler dort drüben? Das ist unser Familienanwalt, Gregor Marim. Eine verarmte Nebenlinie, er muß sein Geld mit ehrlicher Arbeit verdienen. Lassen sie sich von ihm einen seiner Spezialdrinks mischen, das kann keiner so gut wie er. Ich will nur noch kurz ins Haus, muß noch mal zum Internet, bis nachher." So plötzlich wie er aufgetaucht war er auch schon wieder verschwunden.

Bis zur Bar und zu einem "Spezialdrink" von Mister Marim schafften sie es nicht mehr. Die Lichter auf dem kompletten Anwesen, man hatte fast vergessen wo man sich wirklich aufhielt, wurden gelöscht. Die Sterne traten ans Firmament. Durch die Energiebarriere, die normalerweise das Sonnenlicht imitierte, glitzerten und funkelten ihre Strahlen so als ob sie den langen Weg durch die Erdatmosphäre hinter sich gebracht hätten. Marion DuQuesne fühlte sich an einen Ort in ihrer Kindheit zurückversetzt. Damals hatte sie mit ihren Eltern eine sternklare Nacht in den Bergen erlebt, es war fast so eindrucksvoll wie hier gewesen.
Das Feuerwerk begann, die kleinen Feuerwerkskörper wurden mit kleinen Projektilschleudern in die Luft über dem Park geschleudert. Während sie explodierten tauchten sie alles in ein gespenstisches Halblicht. Bizarre Schatten des Hauses und der verlassenen Bar konnten im Swimmingpool wahrgenommen werden.
Auch Abn'dem schien beeindruckt zu sein, Marion deutete zumindest den Gesichtsausdruck ihres violetthäutigen Kollegen so. In diesem Farbenmeer schien er faßt wie ein Mensch zu wirken.

In die vielen erstaunten Ausrufe mischte sich plötzlich ein gellender Schrei. Wie auf Kommando stellte sich sekundenlang totale Stille, nur durch die Explosionen der Feuerwerkskörper unterbrochen, ein. Kurz darauf redeten wieder alle Anwesenden durcheinander.

Marion und ihr Kollege brauchten sich nicht anzusehen. Beide hatten deutlich vernommen, daß der Schrei aus dem Haus gekommen war. Sie sprinteten zurück in das Kaminzimmer. Hier trafen sie auf einen Diener in Livree.

Marion herrschte ihn an. "Sorgen sie dafür, daß das Licht sofort wieder überall eingeschaltet wird." Der Mann lief los, zu sehr geschockt um zu widersprechen.

Die Polizisten tasteten sich fast blind in den Flur. Im gespenstischen von draußen hereinscheinenden Licht konnten sie eine reglos auf dem Boden liegende Person ausmachen. Abn'dem kniete sofort neben dem auf dem Bauch liegenden, mit einem weißen Anzug bekleideten Mann nieder. Eine halb verkohlte rote Schärpe lag neben ihm. Auch Marion hatte die leblose Gestalt mittlerweile erreicht. Zusammen drehten sie sie auf den Rücken. Eine scheußliche Verbrennungswunde bedeckte die ganze Brust. Man mußte kein Arzt sein um zu erkennen, daß jede Hilfe zu spät kam. Genauso offensichtlich war, daß es sich hier um keinen Unfall handeln konnte.
In der kurzen Zeit, die seit dem Auffinden des Toten verstrichen war, hatte sich eine Menschentraube im Flur versammelt. Alle starrten auf den Toten herab und versuchten genaueres zu erkennen.

"Laßt mich doch durch, so laßt mich doch durch. Was ist denn hier passiert." Diese Stimme riß Marion aus ihren Gedanken. Sie sah sich den Toten genauer an. Das verkohlte Gesicht war zwar kaum zu erkennen doch - es war nicht Michael Broken di Juno, dieser kämpfte sich durch die umstehenden Personen zum Tatort durch. Der Tote war sein Cousin Billy!

V


"Also noch einmal von vorne, Mister di Juno. Es ist doch ganz offensichtlich, daß auch dieser Anschlag ihnen gegolten hat. Der Mörder hat ihren Cousin im Halbdunkel mit ihnen verwechselt. Ähnliche Statur, ähnliche Kleidung - eigentlich kaum zu verwundern. Er hat diesen alten Erzabbaulaser aus der Vitrine im Flur genommen und abgedrückt, es ist übrigens sehr leichtsinnig solche Dinge funktionstüchtig auszustellen. Der Mörder muß gewußt haben, daß der Laser geladen ist, er muß sich hier gut auskennen. - Nur das Motiv, das scheint es nicht zu geben.
Nach seiner eigenen Aussage, die der Tote vor seiner Ermordung uns gegenüber gemacht hat, war er der einzige Nutznießer bei einem vorzeitigen Ableben ihrerseits." Abn'dem holte tief Atem bevor er fortfuhr. "Es stimmt doch, daß sie ihn testamentarisch zu ihrem Alleinerben bestimmt haben?"

Der Hausherr hatte sich gewaltig gegenüber seinem ersten Auftreten beim Eintreffen der Polizisten auf Broken di Juno verändert. Sein Gesicht erschien aschfahl, die Augen lagen tief in den Höhlen, er schien in der letzten Nacht kein Auge zu getan zu haben. Er stierte, ein mit einer alkoholischen Flüssigkeit gefülltes Glas in der Hand haltend, vor sich hin.

"Mister di Juno, ich habe ihnen eine Frage gestellt..." Abn'dem war unerbittlich.

"Ja ja, ich habe sie vernommen." Michael seufzte tief. "Ja ich habe meinen Cousin zum Alleinerben bestimmt. Das war vor ca. zwei Monaten, vor meiner Herzoperation. Die Ärzte hatten mir zwar versichert, daß es eine Routineoperation sei, aber ich hatte Angst. Nun ja, es klingt zwar sicher seltsam, aber ich wollte alles geregelt wissen. - Mein Cousin war einer der zwei Menschen, die mir alles im Leben bedeuteten. - Und jetzt sind sie mir beide genommen worden..."

"Zwei Menschen, Mister di Juno? Wir sprachen von Mister Billy..." Abn'dem war überrascht, auch Marion DuQuesne horchte auf. Bislang hatte sie Abn'dem die Befragungen alleine durchführen lassen. Nun hielt sie sich bereit einzugreifen.

"Ja, zwei. - Ursprünglich wollte ich es gestern abend bekanntgeben, aber selbst da war es wahrscheinlich schon zu spät." Er seufzte tief und nahm einen Schluck aus seinem Glas. "Samantha Djerib, ich nehme an, sie haben davon gehört." Er blickte die beiden Polizisten an, die zustimmend nickten. "Wir sind, waren, verheiratet!"

Im Raum hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Marion faßte sich als erste wieder. "Die Privatyacht, nach der die Erzflotten suchen? Ich erinnere mich, daß ihr Cousin zum Internet wollte um die neuesten Nachrichten abzufragen, auch sie erwähnten etwas derartiges. - Die Hochzeit war allgemein unbekannt?"

"Ja, wir haben heimlich auf Juno geheiratet. Samantha war ein wenig geknebelt durch das Testament ihrer Eltern. Obwohl sie rein rechtlich über ihr Vermögen verfügen durfte, gab es da eine Klausel, die ihr eine endgültige Bindung vor erreichen ihres fünfundzwanzigsten Lebensjahres verbot - sollte sie es doch vorher tun hätte sie zwar nicht ihr Vermögen jedoch den Einfluß auf die Geschäftsführung verloren. Ihre Eltern waren sehr konservativ, sie hielten eine frühe Bindung für schlecht für das Geschäft. Samantha sollte laut testamentarischer Empfehlung eine politische Heirat in Erwägung ziehen - so etwas tut man selten in jungen Jahren.
Aus diesem Grund haben wir kurz vor meiner Herzoperation auf Juno heimlich geheiratet. Die Behörden dort sind nicht so scharf an Details interessiert. Außerdem kann man dort eine Hochzeit schnell und diskret hinter sich bringen.
Samantha hätte heute ihren fünfundzwanzigsten Geburtstag vollendet, wir haben lange gesucht um einen Anlaß zu finden möglichst viele Mitglieder der High Society zusammenzubringen, Billy kam auf die Idee mit diesem alten Felsbrocken. Wir wollten es heute offiziell verkünden."

"Es tut mir leid, Hoffnung auf eine Rettung besteht wohl nicht mehr?" Marion blickte mitleidvoll den gebrochenen Mann an. "Ist die Suche abgebrochen worden?"

"Nein, nein. Die Suche wird noch weitergeführt - aber lebend kann sie nicht mehr geborgen werden, die Sauerstoffvorräte müssen mittlerweile erschöpft sein."

"Mister di Juno, ist ihnen klar was sie da sagen?" Abn'dem war richtiggehend außer Atem. "Da haben wir das Motiv! Ihr Vermögen beläuft sich gar nicht auf den Umfang, der bislang immer im Gespräch war. Als Samantha Djeribs rechtmäßiger Ehemann sind sie ihr Erbe! Mann, sie besitzen ein Vermögen, daß sich in Zahlen gar nicht ausdrücken läßt! - Wir müssen uns unbedingt die anderen durch das Testament begünstigten Personen vornehmen. Selbst ein Pflichtteilsanspruch hat nun eine recht große Dimension!"

"Mein Kollege hat recht, Mister di Juno, auch wenn es mir schwerfällt dies zu sagen. Wir müssen das Testament einsehen. Wo befindet es sich?"

"Es ist bei unserem Familienanwalt hinterlegt, Mister Marim, sie haben ihn gestern bei der Bar gesehen. Ich habe selbstverständlich nichts dagegen, wenn sie es einsehen, obwohl ich ihnen schon jetzt sagen kann, was darin steht." Michael blickte in die Runde und nahm einen weiteren Schluck aus dem Glas. "Billy ist als Alleinerbe vorgesehen, die entfernteren Verwandten erhalten alle nur ihren Pflichtteil. Wobei letzteres nicht gesetzlich zu verstehen ist. Wir di Junos sind gemäß diverser Familienerbverträge zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet. Je näher der Verwandtschaftsgrad, desto höher der prozentuale Anspruch an das Gesamtvermögen bzw. die Mindestfixsumme."

"Wer ist bedacht?" fragte Abn'dem nochmals nach.

"Außer Billy noch elf weitere Familienmitglieder. Es sind allerdings keine echten di Junos mehr darunter, obwohl sie sich noch gerne mit dem Familiennamen schmücken.
Sieben von ihnen sind so weitläufig verwandt, daß sie nicht einmal mehr das Recht haben hier zu wohnen - und dieses Recht wird gemäß Familienvertrag lange aufrecht erhalten." Michael stand auf um sein mittlerweile leeres Glas wieder zu füllen. "Gregor Marim gehört dazu, dann sind da noch Esther Sanchez, aber die war nicht hier als der Mord passierte..."

"In Ordnung beschränken wir uns vorerst auf die während des Festes hier Anwesenden, die anderen werden wir später vernehmen." Marion nickte zustimmend in Abn'dems Richtung.

"Anwesend waren Gregor Marim, Harry Broken di Juno, ein sehr entfernter Cousin, der gestern in die Rolle des Dieners geschlüpft ist und Cynthia Broken di Juno, eine entfernte Tante von mir. Alle anderen waren nicht zugegen.
Ich kann mir allerdings beim besten Willen keinen von ihnen als Mörder vorstellen."

"Das kann man sich bei den wenigsten Leuten vorstellen, Mister di Juno." Abn'dem lächelte grimmig, sofern man sein Mienenspiel mit dem eines Menschen gleichsetzen konnte. "Wir werden sie uns besonders vornehmen."

VI


Die Befragung der anderen Anwesenden verschlang eine immense Zeit. Das Ergebnis der Befragungen war äußerst unbefriedigend. Gut die Hälfte der Gäste hätte rein theoretisch die Möglichkeit gehabt kurz ins Haus zu eilen, den Mord zu begehen und unbemerkt wieder ins Freie zu gelangen. Auch die für die Polizei Hauptverdächtigen konnten keine Zeugen beibringen, daß sie während des Feuerwerks nicht das Haus betreten hatten. Die Aufmerksamkeit der Gäste war auf die Feuerwerkskörper gerichtet gewesen und nicht darauf wer sich gerade in ihrer Nähe aufhielt und wer nicht.
Insofern waren die Befragungen recht frustrierend verlaufen. Auch bei diesen Befragungen hatte Marion DuQuesne ihrem Kollegen Abn'dem den Vortritt gelassen. Trotz oder vielleicht gerade wegen seiner direkten Art hatte es sich erwiesen, daß er die richtigen Fragen zur richtigen Zeit stellte. Er brachte so manchen der Gäste ins schwitzen indem er versuchte nachzuweisen, daß sie durchaus die Möglichkeit gehabt hätten den Mord zu begehen.
Als Fazit kam allerdings nichts bei dieser Befragung heraus.

"So kommen wir nicht weiter, wir haben einen Haufen Leute, die eine Möglichkeit gehabt hätten, darunter auch drei mit einem möglichen Motiv, Harry und Cynthia Broken di Juno sowie dieser Gregor Marim. Aber wir haben keine Möglichkeit einem von ihnen etwas nachzuweisen. Ich weiß nicht mehr wie wir weiter vorgehen sollen." Abn'dem schritt in dem kleinen Zimmer, welches ihnen für die Befragungen zur Verfügung gestellt worden war, auf und ab.

"Uns bleibt nichts anderes übrig als die Leute nach Hause zu schicken," entgegnete Marion. "Ich werde Michael vorschlagen ihn unter Polizeischutz zu stellen. Der Mörder könnte es noch einmal versuchen. - Vielleicht sollten wir bei den früheren Attentatsversuchen weitermachen." Sie überlegte einen kurzen Augenblick bis sie fortfuhr. "Ich werde hier auf Broken di Juno bleiben, auf Michael aufpassen und dabei versuchen mehr über diese Zwischenfälle herauszubekommen. Du solltest sein Privatshuttle mit nach Ceres nehmen und dort eingehend untersuchen lassen. Vielleicht finden die Spezialisten ja einen Hinweis. Leider ist der Hund eingeäschert worden, da können wir keine Obduktion mehr vornehmen."


VII


Es wurden einige erholsame Tage auf Broken di Juno. Langsam ging alles wieder seinen gewohnten Gang. Die Gäste waren alle abgereist, dafür waren einige der Familienmitglieder mit Wohnrecht mal wieder vorbeigekommen um zu "tanken".
Die Presse überschlug sich in ihren Kommentaren. Mittlerweile war die Leiche von Samantha Djerib geborgen worden. Ihr Raumschiff hatte einen Antriebsdefekt gehabt und war mit einem kleinen Asteroiden kollidiert. Nach Aussage der Techniker war dies bereits kurz nach ihrem Abflug von Pallas geschehen. Die Anwälte des Djerib Konzerns sichteten die privaten Papiere der Toten - und zu ihrer Verblüffung fanden sie eine offizielle Heiratsurkunde der Verwaltungsbehörde von Juno in der bescheinigt wurde, daß Mister William Broken di Juno der rechtmäßig angetraute Ehemann von Samantha Djerib war. Die Urkunde an sich hätte zwar nicht den Anfordernissen der Ceres-Verwaltung entsprochen, nichtsdestotrotz wurde sie akzeptiert. William Broken di Juno stand als Erbe eines unermeßlichen Vermögens in allen Gazetten auf der Titelseite.

"Haben sie nicht Lust ein wenig mit zum Pool zu kommen, ich bin es leid ständig nur im Haus herumzulungern." Michael Broken di Juno saß hinter seinem schweren Eichenschreibtisch in der Bibliothek und sortierte Papiere von einem Stapel auf einen anderen.

Marion blickte auf, sie hatte sich in diverse Bücher der umfangreichen Sammlung der di Junos vertieft. "Ich weiß nicht ob das so klug wäre, die Energiebarriere ist sicherlich leichter zu manipulieren als die physischen Barrieren des Hauses. Ich finde wir sollten lieber im Haus bleiben."

"Oh, das ist eine recht altmodische Einstellung. Wände halten besser als reine Energie, das könnte meine Urgroßmutter gesagt haben. Meine liebe, es ist genau andersherum, glauben sie mir.
Außerdem, ich bin dieses ewige sie leid, wir kennen uns doch nun schon recht lange. Zudem lassen sie mich kaum aus den Augen. Ich biete das du, mein Name ist Mike..."

"Und ich dachte du hießest William, ich konnte zumindest bislang kein offizielles Papier entdecken, welches den Namen Mike trug." Marion grinste ihn an. "Ich heiße Marion."

"Touche, du hast mich erwischt. Wie ist es dir lieber, manche Leute nennen mich auch William, ich bin da nicht so fixiert wie es evtl. aussehen mag. Ich kann mir auch andere Namen vorstellen, beispielsweise Bill, Will oder Billy - alles Kurznamen für William. Die Familie war da sehr erfindungsreich, der Name William war zeitweise sehr weit verbreitet bei uns." Mike war aufgestanden und hinter die Couch getreten auf der Marion saß. Er begann damit ihren Nacken zu massieren. "Sollten wir nicht vielleicht doch ein wenig zum Pool gehen? Ich könnte ein wenig Erfrischung gebrauchen."

Paß auf, das hier ist ein Job, nichts anderes, dachte Marion bei sich. Andererseits konnte sie ihm ja kaum verbieten seinen Swimmingpool zu benutzen. "Bleiben wir bei Mike, William erinnert mich zu sehr an deinen Cousin Billy." Mit diesen Worten stand sie auf und ging in Richtung Terrasse. "Ich habe keinen Badeanzug," sagte sie verschmitzt in seine Richtung.

"Oh, am Pool ist eine kleine Umkleidekabine mit Dusche, dort sind immer Badesachen für Gäste, die ihre vergessen haben, du wirst sicher etwas passendes finden."


VIII


Eine, was den Mordfall anging, ereignislose Woche war vergangen. Abn'dem war wieder eingetroffen und brachte die Untersuchungsergebnisse bezüglich des Shuttles mit.

"Ich freue mich dich wiederzusehen, Kollegin," eröffnete er das Gespräch bevor er noch aus der Luftschleuse seines Shuttles herausgeklettert war. Marion und Michael hatten ihn im Flur erwartet. "Ich habe die Untersuchungsergebnisse hier." Er deutete auf seine kleine Aktentasche, welche er unter seinem rechten Arm eingeklemmt hatte.

"Ich denke, ich lasse euch ein wenig allein, ich habe noch einiges mit Gregor Marim zu besprechen. Als vermögender Mensch muß ich mich wohl daran gewöhnen meine Zeit oft mit so langweiligen Menschen wie Rechtsanwälten und Steuerberatern zu verbringen." Michael drehte sich um und ging zur Tür. "Marion, du weißt ja wo die Zimmer sind. Ich denke ein freies für deinen Kollegen wird sich sicher finden."

"Ich werde heute abend wieder auf Ceres erwartet," erwiderte Abn'dem, Michael war jedoch bereits aus dem Raum heraus. "Die Konventionen scheinen nicht mehr so steif zu sein," bemerkte der Sirianer in Marions Richtung. "Oder irre ich mich?"

"Ich denke, das ist meine Privatangelegenheit, Ab´. Verstanden?" erwiderte sie scharf.

Der Sirianer sah sie lange forschend an bevor er antwortete. "Ich hoffe, du weißt was du tust, Marion," nach einer kurzen Pause bemerkte er, "dieser Marim ist hier?"

"Ja, er treibt sich jetzt oft hier herum, seit offiziell die Hochzeit bekannt geworden ist. Mike benötigt in vielen Dingen Rechtsbeistand. - Auch die anderen Verdächtigen sind alle anwesend, wenn deine Frage darauf abgezielt hat. Ich habe den Fall trotz allem - oder vielleicht gerade deswegen - nicht vergessen. Ich bin für Mikes Sicherheit verantwortlich."

"Nun gut dann laß' uns in medias res gehen, wie man bei euch Menschen so schön sagt. Nehmen wir die Bibliothek? Hier ist es so ungemütlich." Auf dem Weg durch die Flure bis zur Bibliothek sagte keiner von beiden ein Wort, erst als die schwere Eichentür ins Schloß gefallen war fuhr Abn'dem fort. "Die Untersuchung des Shuttles hat nichts aufsehenerregendes ergeben. Fingerabdrücke, Haut- und Fettreste, die im Shuttle sichergestellt wurden stammen ausschließlich von William und Billy di Juno, sowie einem Mechaniker einer Reparaturwerkstatt auf Ceres. Es hat den Anschein, als ob seit sehr langer Zeit keine andere Person im Shuttle gewesen ist - oder sie ist in einem kompletten Körperschutzanzug dort gewesen, was nicht völlig auszuschließen ist."

"Das heißt also wir stehen wieder da wo wir angefangen haben, schade ich hatte mir mehr davon versprochen. - Zumindest habe ich herausgefunden, daß zu den Zeitpunkten als die Anschläge verübt wurden die komplette Familie und damit auch unsere Verdächtigen anwesend waren. Es hätte jeder von ihnen sein können. - Was mich nur verwirrt ist, wie der Täter an die Information bezüglich der Hochzeit gelangt ist, das ganze ist doch so gut abgeschottet gewesen. Lediglich Billy hat noch davon gewußt. Mike hatte keine Geheimnisse vor ihm."

"Vielleicht hat er ja unabsichtlich etwas verraten - oder die Liebesbriefe waren zu schlecht versteckt," entgegnete Abn'dem.

"Liebesbriefe?"

"Ja, Samantha Djerib hat einige geschrieben. Sie sind in Mister Michaels persönlichem Terminal abgelegt, ich habe mich dort mal eingeklinkt..."

"Du hast was? Das sind so ziemlich die persönlichsten Dinge der Privatsphäre eines Menschen, auch wir müssen gewisse Dinge als tabu betrachten." Marion war entsetzt.

"Es geht hier um Mord, Marion. Da darf nichts tabu sein, was auch nur den geringsten Hinweis bieten könnte..."

"Was sollen die Briefe seiner Frau schon für einen Hinweis bieten? Sie war nie hier auf Broken di Juno, die Familie kannte sie nicht, mit Ausnahme von Billy. Sie haben sich bei so einem Shuttlerennen in der Nähe von Vesta kennengelernt."

"Eben das wollte ich überprüfen, leider hast du recht, es existieren keine Hinweise," er griff in seine Aktentasche und holte einen Speicherblock heraus. "Hier hast du eine Kopie der Briefe."

"Du hast sie kopiert?"

"Ich konnte ja schlecht das komplette Terminal mitnehmen. Marion, ich glaube du hast deine Objektivität verloren!" Abn'dem versuchte in ihrem entsetzten Gesicht etwas zu ergründen. "Vielleicht entdeckst du ja einen Hinweis, he, in einem Mordfall ist das Anzapfen privater Terminals vollkommen legal - die neuen Erdreglements, du müßtest sie eigentlich kennen," bemerkte er mit dem Hinweis auf ihre Vergangenheit als Mitglied des terranischen Polizeiapparates.

"Das war mit ein Grund dafür mich von der Erde zu verabschieden, Ab´. So fängt es an, wie es endet haben wir im föderalen Krieg miterlebt, du solltest das wissen."

Der Sirianer wiegte leicht seinen Kopf. "Es kommt immer darauf an wie die Mittel, die einem gegeben werden eingesetzt werden. Sicherlich hast du recht, daß hier eine große Gefahr erwächst, aber ich glaube daran, daß genug Menschen so denken wie du - sonst wäre ich schon lange nicht mehr hier."

"Du darfst Ceres nicht mit Terra verwechseln, Ab´. Auf Terra ist es um einiges schlimmer und ich glaube Ceres bleibt auch nicht mehr lange davon verschont. Das hat die Ausschreitungswelle gegen die Nichtmenschen doch gezeigt. Wach auf Ab, ich glaube wirklich, daß es für dich besser sein wird dein Glück woanders zu suchen. - Ich weiß, daß auch ich es nicht mehr lange im Polizeidienst aushalten kann. - Dieser Fall noch und dann - mal sehen, vielleicht ergibt sich ja eine andere Möglichkeit..."

"Mit Namen Michael? Du brauchst nichts zu sagen, ich weiß, Privatangelegenheit. - Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen, ich verspreche es dir." Der Sirianer wirkte von einer Sekunde auf die andere etwas bedrückt.

"Ich denke, wir sollten mal nach ihm sehen. Mir ist nicht wohl dabei, wenn ich ihn so lange aus den Augen lasse."

IX


Sie fanden Michael Broken di Juno in einem seiner "Arbeitszimmer" im Erdgeschoß des Hauses. Die Unterredung mit dem Anwalt schien beendet zu sein. Die beiden saßen noch ein wenig zusammen und unterhielten sich über Gott und die Welt. Als die Polizisten eintraten erhob sich der Anwalt ruckartig.

“Bleiben sie ruhig sitzen, wir wollten nicht stören,” Abn´dems Höflichkeit verblüffte seine Kollegin geradezu.

“Ich wollte sowieso gehen, ich habe einiges auszuarbeiten,” er deutete auf seinen Taschencomputer. “Mike will die Papiere schließlich schnell zurück haben.” Gregor Marim packte seine Utensilien zusammen. “Anfang nächster Woche bin ich wieder da, dann ist die Angelegenheit erledigt,” wandte er sich an Michael.

“In Ordnung, Gregor. Ich freue mich auf weitere Stunden Papierarbeit. Ich bringe dich noch zur Tür.” Er erhob sich und geleitete seinen entfernten Cousin hinaus.

“Er ist ein bedeutender Mann geworden,” sagte Abn´dem mit einem Kopfnicken in Richtung des durch die Tür verschwundenen Michael Broken di Juno. “Die Boulevardpresse auf Ceres berichtet täglich über ihn - und auch über den Mordanschlag. Es wird viel spekuliert. Der Polizeichef hat mir zu verstehen gegeben, daß wir bald mit Ergebnissen aufzuwarten hätten...,” er unterbrach sich als der Gastgeber wieder den Raum betrat.

“Wie ich sehe ist meine Polizeieskorte wieder vollständig. Hat sich bei den Untersuchungen etwas neues ergeben?” Michael Broken di Juno ließ sich lässig in den monströsen Ledersessel hinter seinem Schreibtisch fallen und griff nach einer Schale Konfekt, welche auf einem kleinen Beistelltisch stand. “Ich halte es hier auf Broken in der Isolation nämlich nicht mehr lange aus,” eine Praline nach der anderen verschwand in seinem Mund. “Ich meine, ich möchte mal wieder raus hier, nach Ceres vielleicht, einen Einkaufsbumel machen oder so, sie verstehen?”

Abn´dem versuchte nicht die Lage zu beschönigen. “Leider stehen wir wieder am Anfang, Mister di Juno,” ließ sich seine Stimme vernehmen. “Die Untersuchungen an ihrem Shuttle... Mister di Juno?”

“Michael...!” Marion schrie auf. Michael Broken di Juno verdrehte langsam die Augen und kippte vornüber auf seinen Schreibtisch. Weißgelber Schaum trat aus seinen Mundwinkeln hervor während seine Arme unkontrolliert zuckten.
Marion war als erste bei ihm und versuchte seinen Mund zu öffnen. “Das hat wenig Sinn, verehrte Kollegin.” Abn´dems Stimme kam wie durch einen dicken Vorhang gedämpft bei ihr an. “Wir haben keine medizinische Vorbildung um hier helfen zu können. Die einzige Chance die er hat ist die medizinische Sektion auf Ceres. Schnell, hilf mir ihn aufs Shuttle zu bringen.”


X


Broken di Juno sah schon aus dem Weltraum betrachtet irgendwie anders aus. Hatte der Asteroid beim ersten Mal als sie ihn sah noch einen starken Eindruck hinterlassen so wirkte er jetzt kalt und verlassen, obwohl sich am eigentlichen Panorama nichts geändert hatte.

Auch die Korridore im Innern des Felsbrockens wirkten kühl und leer. Das Leben auf Broken di Juno schien eingeschlafen zu sein - oder vielleicht tot, jetzt wo Michael nicht mehr hier war. - Ihr gingen seltsame Gedanken durch den Kopf. Ein Schüttelfrost durchzuckte den ganzen Körper der Polizistin. Sie versuchte sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Sie hatte heute einiges zu erledigen.

Die Familie hatte sich bereits im kleinen Konferenzzimmer versammelt als sie eintrat, auch Abn´dem und zwei weitere, ihr namentlich unbekannte Polizisten waren vertreten. Sie nickte kurz dem Rechtsanwalt zu, welcher sich nach dieser Aufforderung von seinem Stuhl am Kopfende des Tisches erhob und die vor ihm auf dem Tisch liegenden Papiere ergriff.
“Nun da wir vollzählig sind, können wir ja beginnen,” er blickte in die Runde. “Wie ihr alle wißt ist Michael vor drei Tagen an den Folgen eines Mordanschlages mittels einer vergifteten Praline gestorben. Die Polizei hat noch immer keine genaueren Erkenntnisse über den oder die Täter,” er unterbrach sich kurz um Marion DuQuesne anzublicken, welche allerdings nicht den Mut fand seinem Blick zu begegnen. “Wie ihr wißt,” fuhr er fort, “war ich Michaels Rechtsbeistand in allen Dingen. Er hatte keine Geheimnisse vor mir. Er hat mich beauftragt im Falle seines Todes als Testamentsvollstrecker zu fungieren. Ich...”

“Gregor, wir haben nicht vor hier den ganzen Tag zu verbringen, komm endlich zur Sache.” Cynthia Broken di Juno, eine Frau die erfolglos versuchte ihr fortgeschrittenes Alter durch den Einsatz von übermäßig vielen Kosmetika zu verschleiern, blickte nach Unterstützung heischend in die Runde der 11 anwesenden potentiellen Erben. Hier und da konnte sie zustimmende Bemerkungen für sich verbuchen.

Gregor Marim sah etwas pikiert drein, kam aber der Aufforderung nach. “Wie gewünscht werde ich den allgemeinen Text des Testamentes übergehen, ihr erhaltet später alle eine Kopie - wenn ihr wollt könnt ihr dann dort das von mir jetzt ausgelassene nachlesen...”

“Gregor, drück dich nicht so geschwollen aus und komm zur Sache.” Cynthia Broken di Juno schien keine Geduld mehr zu haben.

“Also gut, ihr hört Mikes letzten Willen.” Es war völlig still im Zimmer geworden, man konnte selbst das Atmen der Anwesenden für kurze Zeit nicht mehr vernehmen. “Ich vermache mein ganzes Vermögen - mit Ausnahme der nachstehend erwähnten Pflichtteilsansprüche, meinem einzigen Freund und engen Berater Gregor Marim...,” weiter kam der Rechtsanwalt nicht, im Zimmer brach ein Tumult los. Alle Anwesenden schrien fast gleichzeitig ihre Enttäuschung und Empörung über diesen letzten Willen heraus. Es dauerte einige Zeit bis wieder einigermaßen Ruhe eintrat.

Cynthia Broken di Juno schien als so etwas wie der Sprecher für die restlichen Erben zu fungieren. “Gregor, dir ist klar, daß wir das Testament anfechten werden. Mike hat dieses Testament sicher vor dieser Hochzeit mit der Djerib Erbin gemacht, es spiegelt wohl auf keinen Fall seinen wirklich letzten Willen wieder. Er hätte uns allen wohl doch in Anbetracht seines jetzigen Vermögens mehr als nur den Pflichtteilsanspruch vermacht.” Sie sah wieder nach Unterstützung heischend in die Runde. “Bist du bereit auch ohne Anfechtung unsererseits das Testament etwas anders auszulegen?”

Gregor Marim hub bereits zu einer Entgegnung an als Marion DuQuesne sich einschaltete. “Miss Broken di Juno, liebe Anwesende, wie sich sicherlich herumgesprochen hat sind Mike und ich uns in den letzten Tagen hier auf Broken di Juno näher gekommen,” in der Runde waren vereinzelt spöttische Bemerkungen zu hören, Marion ging darüber hinweg. “Ich habe zusammen mit meinem Partner,” sie deutete auf Abn´dem, “Mike nach dem Mordanschlag im Polizeishuttle nach Ceres gebracht - leider war alles zu spät,” fügte sie mit Bedauern hinzu. “Nun, das ist Vergangenheit. Uns allen bleibt aber die Erinnerung.” Die Anwesenden starrten sie geradewegs an, niemand wußte worauf sie hinaus wollte. “Wie sie vielleicht wissen stammt mein Kollege hier von einem heute nicht mehr existierenden Planeten des Sirius. Sein Volk ist ebenfalls so gut wie nicht mehr existent, insofern ist es auch nicht verwunderlich, daß die speziellen Fähigkeiten dieses Volkes in Vergessenheit geraten sind. - Mein Kollege hier ist einer Geistverschmelzung fähig und darüber hinaus kann er bei günstigen Voraussetzungen den mit ihm verschmolzenen Geist als Holoprojektion wieder zum Leben erwachen lassen. Ich schlage vor, daß wir versuchen Mike wiederzuerwecken und nach seinem wirklichen letzten Willen zu befragen. - Abn´dem hat kurz vor Eintreffen unseres Shuttles auf Ceres eine Geistverschmelzung mit Mike durchgeführt.”

Es war als ob eine Bombe geplatzt wäre. Alles redete durcheinander und starrte den kleinen Sirianer an. Abn´dem fühlte sich sichtlich wohl in seiner Haut. Er trat an den Tisch heran und ließ sich auf einem der noch freien Plätze nieder. “Meine Damen und Herren,” begann er untypisch höflich. “Es ist wesentlich, daß sie sich ruhig verhalten, an den Händen fassen und sich konzentrieren...”

“Eine Seance, er will eine Seance mit uns machen. Halten sie das nicht für ein bißchen kindisch?” Cynthias Stimme überschlug sich fast. Da sich jedoch alle anderen anschickten den Aufforderungen des Nichtmenschen nachzukommen fügte auch sie sich.

Der Sirianer schloß seine Augen und begann plötzlich mit einer hohen Stimme Worte in einer den Anwesenden unbekannten Sprache zu singen. Marion DuQuesne hatte mittlerweile das Licht gelöscht. Eine auf dem Tisch aufgestellte kleine Kerze zauberte Licht und Schatten auf die Wände des Raumes. Die Beschwörung dauerte ungefähr eine halbe Minute. Einige der Erben schienen das Interesse und die Lust an der Sache verloren zu haben als sich plötzlich die schwere Eichenholztür zum Korridor öffnete. Eine Gestalt trat aus dem dunklen Korridor in den Lichtschein der Kerze. Es war ganz offensichtlich Michael Broken di Juno der jetzt langsam an den Tisch trat. Gregor Marim riß sich von seinem Sitznachbarn los und sprang zum Lichtschalter.

“Sie stören die Beschwörung...,” ließ sich Abn´dems Stimme vernehmen. Der Rechtsanwalt schaltete trotzdem das Licht wieder ein. Aufgrund der plötzlichen Lichtflut wurden alle Anwesenden geblendet. Marim erholte sich als erster.

“Ein Trick, das ist ein ganz übler Polizeitrick. Ein Schauspieler, ja das muß es sein. Das ist ein Schauspieler!” Er deutete mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf den Mann, der nunmehr direkt am Konferenztisch stand.

“Nein, ich bin es selbst, Gregor.” Die Stimme war unverkennbar die echte. “Ich danke dir übrigens für das Verlesen meines letzten Willens, obwohl es ja, wie du weißt, nicht mein Testament gewesen ist was du da verlesen hast.” Michael Broken di Juno wandte sich an seine übrigen Verwandten. “Mein Testament ist zu Gunsten von Billy abgefaßt, ich hatte bislang noch keine Zeit gehabt es zu ändern. Gregor hatte mich zwar vor kurzem auf die Notwendigkeit eines neuen Testamentes hingewiesen - aber dabei ist es geblieben.” Er deutete auf die auf dem Tisch liegenden Blätter. “Meine Unterschrift hast du ja gut gefälscht, Gregor. Leider hast du nicht bedacht, daß ich den Anschlag überlebt haben könnte.”

“Mister Marim, ich verhafte sie im Namen der Bevölkerung von Ceres,” Marions Stimme verriet ihren innerlichen Triumph. “Alles was sie von jetzt an sagen...”

“Ich habe ihn nicht umgebracht,” schrie der Anwalt panikerfüllt.

“Offensichtlich,” bemerkte Abn´dem, “da er sich lediglich auf Anraten meiner werten Kollegin hat für tot erklären lassen. Den Mordversuch werden wir ihnen aber nachweisen - und natürlich den Mord an Billy,” fügte er nachdenklich hinzu. “Das macht sicher an die 30 Jahre Haft verbunden mit Zwangsarbeit in den Erzminen...”

“Ich war es nicht, ich gebe ja zu, das Testament habe ich zu meinen Gunsten gefälscht. Es war so verführerisch einfach - aber mit den Anschlägen da habe ich nichts zu tun!”

“Das wird sich vor Gericht erweisen, Mister Marim. Ich denke jedoch, daß die Beweislast für eine Verurteilung ausreicht. Sie waren der letzte, der Zugang zu dem Konfekt auf Mikes Beistelltisch hatte, erinnern sie sich?” Marion näherte sich langsam dem Rechtsanwalt.

Marim sah sich wie ein gehetztes Tier um, ihm war wohl die Ausweglosigkeit seiner Lage klar geworden. Mit einer schnellen Handbewegung riß er Abn´dem zu sich heran und entwand dem Sirianer dessen Waffe. “Keine Bewegung ihr alle,” schrie er, “rüber an die Wand, los macht schon.” Er fuchtelte mit der Waffe in Richtung der Wand während er den Sirianer als lebenden Schild gegen die übrigen Polizisten verwendete. “Ich habe Billy nicht umgebracht, aber ich werde nicht zögern ihn hier zu töten,” meinte er in einem abfälligen Tonfall. “Ein Nichtmensch will mich verhaften? Das ich nicht lache... bleiben sie da stehen,” schrie er Marion an, die sich wieder ein Stück näher an ihn herangeschoben hatte. “Ich mache ernst!”

“Bleiben sie ruhig, Mister Marim. Sie werden einen fairen Prozeß erhalten, das verspreche ich ihnen,” Marion versuchte den Anwalt von ihren beiden Kollegen abzulenken, die von hinten versuchten an ihn heranzukommen. Kurz bevor die beiden zugreifen konnten bemerkte er sie dann doch. In einer Kurzschlußreaktion hob er die Energiewaffe und drückte ab. Einer der Polizisten stürzte schwer an der Brust getroffen vornüber auf den Fußboden.

Die kurze Unachtsamkeit Marims reichte für Marion aus ihre Waffe zu ziehen. “Werfen sie die Waffe weg, Marim,” rief sie ihm zu.

Der Anwalt geriet angesichts der auf ihn gerichteten Waffe völlig in Panik und drückte erneut ab. Der Energiestrahl verfehlte Marion DuQuesne nur um Haaresbreite und hinterließ eine Brandspur im Teppich.
Marions Waffe und die ihres Kollegen entluden sich gleichzeitig. Gregor Marim lockerte seinen Griff um den Oberkörper des Sirianers, die Energiestrahlen hatten ihm die linke Schulter zerfetzt, er sank zu Boden.

XI


“Du hast es dir wirklich endgültig überlegt?” fragte Abn´dem die vor ihm stehende Marion DuQuesne. “Du willst wirklich den Polizeidienst quittieren und hier auf Broken di Juno bleiben?”

“Ja du hast es erfaßt!” Sie blickte ihm offen in die Augen. “Ich bleibe hier.” Der zweifelnde Gesichtsausdruck verblieb auf dem Antlitz des Sirianers. “Du verstehst das nicht, Ab,” fuhr sie fort. “Ich kann einfach nicht mehr für Cerespolice arbeiten. - Ich bin Schuld am Tod zweier Menschen. Gregor Marim und Damon Grant, unser Kollege, hätten nicht sterben müssen wenn ich meine Ermittlungen etwas intelligenter geführt hätte. Die Lösung war so offensichtlich...”

“Dich trifft keine Schuld am Tod der beiden. Mit einer solchen Reaktion von Marim konnte niemand rechnen. Da hätte ich größere Schuldgefühle zu entwickeln, es war schließlich meine Waffe die er sich geschnappt hat.”

“Ich hatte die Verantwortung, Ab´. Außerdem ist das nicht der einzige Grund bei der Polizei aufzuhören wie du weißt. Ich habe hier eine neue Heimat gefunden, Mike und ich werden zuerst eine kleine Reise machen und uns dann eingehender mit dem Djerib Konzern beschäftigen. Ich denke das kann auch eine reizvolle Aufgabe sein.”

“Ja, da magst du recht haben, obwohl es nicht meine Sache wäre als eine Art Buchhalter zu arbeiten,” Abn´dem schwieg einen Augenblick bevor er fortfuhr. “Marion, hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, daß Marim wirklich nicht der Täter gewesen sein könnte? Ich meine, was hatte er zu verlieren? Er hätte die Tat zugeben können, aber er hat es nicht getan. Im Gegenteil, die Fälschung des Testaments hat er zugegeben, allein dieses Delikt hätte ihn, bei der restriktiven Rechtsprechung von Ceres, in die Minen geschickt. Was hatte er zu verlieren?” fragte Abn´dem nochmals.

“Warum ist er dann durchgedreht? fragte Marion zurück.

“Vielleicht ist er wirklich nur in Panik geraten, wer weiß schon wie jemand wirklich unter Extremsituationen reagiert? Die polizeipsychologische Schulung ist da jedenfalls recht dürftig. - Na ja, vielleicht war er es ja doch, schließlich haben die Anschläge auf das Leben von Michael Broken di Juno ja auch aufgehört..” Er zuckte mit den Achseln. “Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute - und falls du es dir doch anders überlegen solltest, dann schick´ mir eine Nachricht nach Tau Ceti VIII. Ich habe es mir überlegt, ich werde den Einflußbereich Terras verlassen solange es mir noch möglich ist. Die politische Situation eskaliert immer mehr. Auf Terra werden bereits Internierungslager für Nichtmenschen eingerichtet - die Geschichte wiederholt sich wieder einmal.”

“Ich werd´s mir überlegen, Ab´. Vielleicht kann ich über den Djerib Konzern hier draußen ein wenig gegensteuern,” antwortete sie. “Mach´s gut und viel Glück!”

Der Sirianer betrat das Shuttle, das ihn zurück nach Ceres bringen würde. Marion DuQuesne schritt den Korridor ihres neuen Heims hinunter.


XII

Die Kreuzfahrt zwischen den Sternen hatte zwei Monate in Anspruch genommen. Zwischenfälle hatte es keine gegeben. Michael und Marion hatten die Zeit genossen, auch wenn vielerorts die Ressentiments gegenüber den Menschen offen zu Tage traten. - Eine normale Reaktion angesichts der politischen Entwicklung auf Terra.
Broken di Juno erschien nunmehr wie ein Zufluchtsort der Stille am Ortungshorizont der Interstellaryacht. Eine Ruhe nach der sich beide sehnten, nach den Wochen und Monaten der Anspannung in der sie gelebt hatten.
Auf Broken di Juno hatte der Frühling Einzug gehalten, die künstliche Biosphäre war entsprechend programmiert worden.
Marion und Mike hatten während der letzten Monate ein enges Verhältnis zueinander entwickelt. Sie waren kaum voneinander gewichen. Zurück auf Broken di Juno stellte sich das nun etwas anders dar, der Alltag hatte sie eingeholt. Michael saß viele Stunden mit seinen Rechtsanwälten und sonstigen Beratern zusammen um wichtige Fragen des Djerib Konzerns zu klären.
Marion hatte bislang nur einen kleinen Einblick in die Struktur des Konzerns nehmen können. Dieser Eindruck genügte jedoch um ihr klar werden zu lassen, daß sowohl sie als auch Michael nichts in der Führungsetage zu suchen hatten. In ihr war vielmehr der Entschluß gereift eines der kleineren Unternehmen des Konzerns zu leiten. Auf der Suche nach einer passenden Firma durchstöberte sie diverse Speicherblöcke auf denen sich Kurzdarstellungen der entsprechenden Unternehmen befanden. Mehr durch Zufall kam ihr dabei wieder der Speicherblock in die Finger, welcher ihr von Abn´dem vor langer Zeit überreicht worden war. - Der Speicherblock mit Samantha Djeribs Liebesbriefen an Michael!
Einen kurzen Moment zögerte sie noch, dann schob sie ihn in das Terminal und begann zu lesen. Kurze Zeit später schreckte sie auf. Was war das? Sie las den Brief noch einmal. Nein, sie hatte sich nicht verlesen. Sie schob das Terminal von sich weg und starrte in die sie umgebende Luft. Ein ungeheuerlicher Verdacht kam in ihr auf. - Könnte es wirklich so gewesen sein? Sie ging nochmals sämtliche Vorfälle in Gedanken durch, die frühen Anschläge, der Mord an Billy und schließlich das vergiftete Konfekt und die mißglückte Festnahme von Gregor Marim. Schon damals hatte Abn´dem Zweifel an der Schuld von Marim geäußert. - Nun lag alles sonnenklar vor ihr.
Sie sprang heftig auf und rannte so schnell aus dem Zimmer und den Korridor hinunter, daß ihre langen Haare wie von einem Windstoß zerzaust hinter ihr her wedelten.
Schwer atmend erreichte sie Michaels Arbeitszimmer und riß ohne vorher anzuklopfen die Tür auf. Er war allein. Irritiert blickte er von den auf seinem Schreibtisch liegenden Papieren auf, als er jedoch Marion als den unerwünschten Störenfried identifizierte glitt ein Lächeln über sein Gesicht.

“Marion,...,”begann er und wurde abrupt von ihr unterbrochen.

“Du warst es,” schrie sie ihm halbschluchzend entgegen. “Du hast alles inszeniert! Die Anschläge auf dich in deinem Shuttle, kein Problem für dich, du hattest die Zeiten so geplant, daß du sicher sein konntest gerettet zu werden. Dein Hund, ein zu verschmerzendes Opfer. Billy war von Anfang an dein Ziel und du hast es erreicht. Und um den Verdacht von dir abzulenken hast du das Konfekt vergiftet - wohlweislich hast du mit dem Verzehr desselben gewartet, bis ich in der Nähe war. Du konntest dir sicher sein gerettet zu werden, so stark war das Gift nicht. - Und du hast Samantha Djerib auf dem Gewissen!” Heftig atmend hielt sie inne und starrte ihn an.

“Marion, was hast du? Gregor wollte mich umbringen, du hast ihn selbst verhaftet,” Michael sah sie forschend an.

“Leider konnte ich ihn nicht verhaften, er wurde erschossen, wie du sicher weißt. Das kam die sehr zu paß. Vor allem auch die Tatsache, daß er dein Testament gefälscht hat. Ich weiß nicht ob du von Anfang an damit spekuliert hattest oder ob das Schicksal es dir lediglich in den Schoß gespielt hat, aber das war ein Glücksfall für dich - du hattest einen Täter und warst aus dem Schneider.”

“Aber Marion, was für ein Motiv sollte ich denn gehabt haben, wenn wir mal davon ausgehen, daß du mit deinen Behauptungen richtig liegen solltest?” Michaels Stimme klang angespannt während er mit einem Brieföffner spielte.

“Die Erbschaft natürlich, den Djerib Konzern!”

“Das ist doch lächerlich und das weißt du ganz genau. Samantha und ich waren schon lange verheiratet! Ich hätte über ihr Geld verfügen können so als ob es meins gewesen wäre.” Das Spiel seiner Hände mit dem Brieföffner wurde immer verkrampfter, ansonsten war seiner innerlichen Unruhe allerdings nichts anzumerken.

“Tut mir leid, Mike. Ich weiß es. Nicht du hast Samantha Djerib geheiratet, sondern William Broken di Juno!”

“Ich bin William Broken di Juno, wie du weißt.” Seine Entgegnung kam scharf wie aus der Pistole geschossen.

“Nur offiziell, für deine Freunde bist du Mike. Nein, nein, Billy war es. Dein Cousin heißt ebenfalls William. Er hat Samantha auf Juno geheiratet. Wie du selbst vor langer Zeit gesagt hast, nehmen es die Behörden dort nicht so genau. Sie haben lediglich die Namen auf der Heiratsurkunde vermerkt und sonst nichts. Nicht einmal ein Geburtsdatum, so war es ein leichtes für dich dich als ihren Ehemann auszugeben nachdem beide tot waren,” sie unterbrach sich kurz. “Oh Michael, ich war so blind. Du hast mich nur benutzt und mir meine Objektivität geraubt. Ich hätte viel früher auf Abn´dem hören sollen.”

“Wie hast du es herausgefunden?” Seine Stimme war leise, sein Blick auf die Tischkante gesenkt.

Marion starrte ihn angesichts des Geständnisses lange Zeit an. Sie hatte innerlich noch immer gehofft, er könne ihr einen Fehler in ihrer Argumentationkette nachweisen. Schließlich konnte sie wieder zu Wort finden. “Die Briefe waren alle an William Broken di Juno adressiert, auf manchen stand sogar Billy als Kurzform. Du heißt für deine Freunde aber Mike. Das allein machte mich bereits mißtrauisch, aber dann gelangte ich zu einem Brief, der kurz vor deiner Herzoperation geschrieben worden war. - Sie erwähnte die bevorstehende Operation mit keinem Wort, absolut untypisch für ihren sonstigen Schreibstil. In anderen Briefen erkundigte sie sich oft nach diversen Erkältungen!”

“Darauf baust du deine Argumentation auf? Das wird vor Gericht nicht ausreichen. Marion wach auf, der Mörder ist tot. - Ich war das eigentliche Opfer. - So ist die amtliche Fassung und so wird es bleiben, das weißt du so gut wie ich,” er unterbrach sich und sah sie wieder forschend an.” Marion ich habe dich nicht benutzt. Ich liebe dich wirklich. Komm zu mir, wir haben für den Rest unseres Lebens ausgesorgt, wir könnten Kinder haben...”

“Und alles aufgebaut auf Mord? Nein Mike, das kann ich nicht. Ich kann nicht mein Leben auf so etwas aufbauen.”

“Alles hat seinen Preis, du auch!” erwiderte er. “Marion, gib dir einen Ruck, es könnte schön sein.”

“Nein Mike, leider hast du recht. Ich habe keine ordentlichen Beweise. Einen Prozeß kann ich damit nicht gewinnen. Du bist zu geschickt vorgegangen. - Hier kann ich nicht bleiben Mike. Ich könnte dir nicht täglich in die Augen sehen ohne daran zu denken, daß du Menschenleben auf dem Gewissen hast.”

“Was wirst du tun?” fragte er kalt.

“Vielleicht gehe ich nach Tau Ceti VIII, Abn´dem wollte dorthin,” fügte sie wie in Gedanken hinzu.

“Zu dem kleinen fetten Sirianer? Ich bitte dich, Marion. Ich kann dir hier viel mehr bieten. Was hast du denn da draußen? Lauter Nichtmenschen die treudumm ihrem Schicksal entgegensehen. Du kennst doch die Stimmung auf Terra. Es wird nicht mehr lange dauern und dann fegt wieder eine Welle der Vernichtung durch die Galaxie, aber diesmal werden wir es richtig machen!” Michael Broken di Juno lehnte sich überheblich in seinem Ledersessel zurück. “Du wirst dort sehr ungesund leben.”

“Das sind also deine Ansichten? Ein Grund mehr Broken di Juno den Rücken zu kehren.” Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ das Zimmer. Stunden später war sie bereits auf Ceres und buchte eine Passage in das Tau Ceti System.

 

Um ehrlich zu sein hat mich die Geschichte nicht ganz überzeugt. Ich will aber noch dazu sagen, daß ich kein wirklicher Krimi-Fan bin und vielleicht höchstens zweimal Miss Marple gesehen habe, von daher fällt die Kritik auch subjektiver aus.

Positiv fand ich die vielen interessanten Wendungen der Handlungen bis zum Schluß. Der ganze Hintergrund mit den Di Junos, dem Anwesen, den Nichtmenschen und anderen Details bereichert die Geschichte.

Was mich hingegen stört ist, daß mir die beiden Polizisten eher wie hilflose Freizeitdetektive vorkommen. Die meiste Zeit müßen sie ohnmächtig die Handlung verfolgen, und man meint aus eigener Schuld, weil sie nicht mal in der Lage sind selbst in der Zukunft einfache Fingerabdrücke an der Tatwaffe zu entnehmen. Das ganze Verhalten der Polizisten kommt mir irgendwie nicht richtig vor. Da fällt eine Identifizierung mit den Hauptcharakteren schwer. Deshalb dachte ich am Schluß auch: "die Tante ist einfach zu blöd, vor lauter Schlampigkeit hat sie die Briefe nicht gelesen, typisch!" und nicht: "das ist der fehlende Schlüssel zum Rätsel den sie übersehen hat."

Alles in allem konnte man die Geschichte gut lesen, hinterläßt aber bei mir ein unbefriedigendes Gefühl.

 

Ja, irgenwie hast Du da Recht. Es war mein erster Versuch eines Krimis im SF-Gewand. Allerdings muß ich anmerken, daß die Story in der Zeit entstanden ist, als sich in Deutschland die Ausschreitungen gegenüber Ausländern häuften und ich vor allem das Anliegen hatte diesen Hintergrund in einem SF-Gewand zu verarbeiten. Irgendwie ist die Krimihandlung dabei ein wenig abhanden gekommen, tut mir leid.
Vor einem ähnlichen Hintergrund spielen die Stories Das Geheimnis von Arcole, Mandril und der nächste Stern aus meiner Storysammlung Iteration.

 

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