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Casting a Shadow (Schatten-Casting)
Casting a Shadow
Ein leises, vorsichtiges Klopfen.
Stille.
Und wieder das gleiche, leise, vorsichtige Klopfen, diesmal ein wenig lauter.
"Eure Lordschaft?" Eine unsicher klingende, leise Stimme versucht möglichst unaufdringlich gehört zu werden.
"Ah, Montagne komm herein. Was gibt es denn?"
"Eure Lordschaft" Montagne, seinerseits Diener am Hofe seiner Lordschaft, betritt sich verbeugend das Zimmer.
"Eure Lordschaft, sie sind eingetroffen"
"Wer ist eingetroffen?"
"Die Schatten. Sie wissen schon." Dem Blick seiner Lorschaft nach zu Urteilen wusste er nicht.
"Sie hatten mich doch angewiesen..."
"Ach ja natürlich. Ich erinnere mich, als wenn es gestern gewesen wäre"
"Äh es war heute Morgen."
"Wie dem auch sei: führt sie mir vor"
"Selbstverständlich"
Mit einer noch tieferen Verbeugung als er gekommen war (noch tiefer und er würde mit seiner Nasenspitze seine Schuhe berühren) verließ Montagne das Zimmer seiner Lordschaft. Seine Lordschaft verlangte absolutes Gehorsam und Untergebenheit. Auch wenn er teilweise vergaß, dass er es verlangte, konnte es nie schaden sich daran zu halten. Wenn er sich dann wieder erinnerte konnte man sonst noch enden wie Pèrs Katze, die es einmal unterlassen hatte sich vor seiner Lordschaft zu verbeugen. Ungeachtet der Tatsache, dass sich Katzen normal nicht verbeugen können, wurde sie für dieses Vergehen mit dem Tragen eines extrem lächerlichen Hutes bestraft. Montagne schüttelte es schon bei dem Gedanken.
Seine Lordschaft hatte für Heute ein Schatten-Casting einberufen. Sein alter Schatten war leider vor kurzem verstorben. Seine Lordschaft hatte sich aus versehen auf ihn gesetzt. Eine sehr traurige Geschichte. Die Schatten standen mit ihren Besitzern in einer langen Reihe. Jeder Besitzer trug ein Schild mit dem Namen und weiteren wichtigen Informationen wie, Größe, Augenfarbe, Stammbaum und Lieblingsspeise seines Schattens.
Seine Lordschaft saß auf seinem Thron und ließ sich einen Schatten nach dem andren vorführen.
"Nein, der versteckt sich ja förmlich hinter seinem Besitzer"
"Dieser kriecht ja nur über den Boden wie ein ..ein ..äh"
"Schatten?"
"Ja genau!"
Es folgte ein kurzes Schweigen, dem seine Existenz schon fast selbst peinlich war.
"Wie dem auch sei. Der nächste ist schon nicht übel, aber doch ein wenig zu dick, würde ich sagen"
"Äh eure Lordschaft, also wie soll ich sagen, nun ja er sollte ja auch zu ihnen passen."
Auf den bösen (und sehr nach einem lächerlichen Hut aussehenden) Blick seiner Lordschaft hin beeilte sich Montagne hinzuzufügen: "äh ich meine für eine so große und stattliche Person wie sie, muss doch auch der Schatten etwas her machen" Seine Lordschaft schien beruhigt.
Montagne wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Er spürte, dass er gerade nur sehr knapp einem rot weiß gestreiften Zylinder entgangen war.
"Was haltet ihr von diesem hier eure Lordschaft?"
Ein kleiner Junge präsentierte gerade stolz seinen ausgesprochen gut gewachsenen und muskulös aussehenden Schatten.
"Wie kommst du den an einen solchen Schatten mein lieber?" fragte Montagne
"Ich habe ihn in einer Höhle gefunden. Er gehörte mal einem großen Helden, glaube Ich."
"Oh" Seine Lordschaft war sichtlich beeindruckt. Der Schatten eines Helden schien ihm genau das richtige zu sein.
"Ich denke, ich habe mich entschieden, Montagne"
"Eine gute Wahl eure Lordschaft, dies ist wirklich ein sehr imposanter Schatten. Du hast Seine Lordschaft gehört? Die Wahl ist auf deinen Schatten gefallen."
"Und was kriege ich dafür?" Das diese armen Bauern Jungen immer ans Geld denken mussten. Montagne konnte es nicht verstehen.
"Du meinst außer der Ehre deinen Schatten seiner Lordschaft schenken zu dürfen?"
"Äh Ja"
"Und außer dem Privileg keinen lächerlichen Hut tragen zu müssen?"
Die Drohung wirkte. Schon war der kleine Junge nicht mehr so vorlaut.
Er verabschiedete sich von seinem Schatten, der sich sichtlich sträubte den Besitzer zu wechseln (Schatten wussten bemerkenswert gut über die Schicksale ihrer Artgenossen bescheid, auch wenn keiner so genau verstand woher.)
Aber ein Wikinger Hut mit geringelten Hörnern war auch für einen Schatten ein unschlagbares Argument.
Versöhnlich wandte sich Montagne an den kleinen schattenlosen Jungen:
"Ach ja, du darfst dir einen der Kriegsgefangenen-Schatten aussuchen, damit du nicht ganz leer ausgehst." Montagne hielt das für eine großzügige Geste. Er verstand nicht viel von Großzügigkeit.
"Er steht euch ausgesprochen gut eure Lordschaft" schmeichelte er seinem Herrn und an die anderen gewandt schloss er mit der Bemerkung:
"So, wir haben jetzt einen Schatten gecastet. Tut mir leid, dass es nicht ihrer war. Als Aufwandsentschädigung gibt es jetzt noch für jeden Würstchen und Kartoffelsalat. Ich wünsche noch einen schönen Tag."