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Claudia oder so ähnlich

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21.05.2006
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Claudia oder so ähnlich


Vielleicht war es kurz vor zehn, als wir uns auf den Weg gemacht hatten. Eine Stunde später, eine Stunde früher... ich weiß es nicht mehr, es spielt keine Rolle. Eigentlich spielt nur ein Name in diesem ganzen Wirrwarr eine Rolle. Claudia oder so ähnlich. Ich hatte ihn nicht einmal im Kopf. Das schwöre ich. Aber ich bin ein begnadeter Lügner und werde schon wieder rot, weil ich anfange zu lügen und mir eigentlich vorgenommen hatte, einmal mich zusammenzureißen, womöglich weinend einmal die Wahrheit niederzuschreiben. Ich blicke zurück. Da waren düstere Gassen voller Schatten, in die wir eintauchten und vorüber hallende halblaute Stimmen, deren Ursprung ich nicht ermitteln konnte, Autos, die über nasse Straßen rauschten. Geräusche, an sich gewöhnlich, verflochten sich zu einem unheimlichen Durcheinander. Ich suchte nach Methodik darin. Aber es stimmte einfach nicht; Türen wurden mit Wucht zugeschlagen oder sachter geschlossen, als die vorige oder sehr unerwartet sauste ein Mofa durch unser Blickfeld und röhrte; Lichtreflexe in Schaufenstern, aufspritzende Wasserfontänen, Pfützen. Langsam erinnere ich mich und versuche möglichst nah an der Wahrheit zu erzählen, möglichst detailliert. Wir gingen schneller; nicht wirklich aus Angst und wenn doch, bin ich nicht mutig genug, es einzugestehen. Es geschah einfach so, das sich die Beine wie von selbst bewegten und wir aus Augenwinkeln unsere Nachbarn beäugten, dann erst begriffen, wie schnell wir waren. Rudernde Arme. Joshuas weiches braunes Haar, das vor der Stirn hin und her pendelte, verdeckte seine Augen, jedoch konnte ich schnell einen Blick erhaschen. Sie waren türkisfarben; Felsen mit Muscheln übersäht, Salzwasserduft, Meeresblau, Erinnerungen an eine vergangene Klassenfahrt. Ein unvergesslicher Ausflug; nur wir drei, an Stränden Frottiertücher ausgebreitet, wir auf ihnen liegend, klares unbewölktes Blau, das sich über unsere Köpfe spannt und ein Witz, Grinsen, vorüberziehende Mädchen, begierige Blicke. Wer ist der dritte?
An dem Abend ging er am rechten Flügel. Er weinte. Womöglich wäre nichts weiter geschehen. Womöglich ein gewöhnlicher Abend mit lachenden Gesichtern, zwei Betrunkene dabei, denn ich konnte noch nie sehr viel trinken. Ich musste es verraten. Ich konnte nicht anders, als es hinauszuschreien, das es noch hinter den Wänden der zweiten Stockwerke zu hören wäre.
"Du hast geweint!"
Ruckartig blieb Nikolas stehen. Zwei, drei Schritte später, als hätten wir einen Befehl nachträglich zu erfüllen, standen auch wir, drehten uns um, warteten, schauten. Erst formt er eine Gebärde, als wäre Zeit für eine Pause, danach, als schnüre sich im die Kehle zu. Er glitt kraftlos zu Boden. Wie eine Marionette ohne Spieler.
"Weine ich wirklich?" Tastend suchte er sein Gesicht ab. Man hätte das Bild mit einer Kamera festhalten sollen und jedermann Mitleid wäre geweckt gewesen bei dem Anblick des Fotos von dem Jungen, der mit beiden Händen seinen Kopf umfasst, als könnte er zu einer Seite hin weg kippen; unterdessen überall Tränen und Tränen, die an den Wangen rinnen, aus einer schier nie versiegenden Quelle entspringen und dieser Ausdruck auf seinem Gesicht, der nicht mit einem Wort, kaum mit zwei festgehalten werden kann: Verzweiflung. Ergebenheit. Hoffnungslosigkeit und doch ein wenig Hoffnung. Beides ein bißchen.
"Wirklich, ich weine. Das kann nicht so weiter gehen. Bitte, Daniel, hör mir zu. Sonst zerbreche ich. Ich komme mir vor... als hätte ich mein Leben gelebt... und Claudia will dich, das hat sie mir gebeichtet und du glaubst nicht wie das ist, ein Mädchen anzuschauen, aber zu wissen: Die kannst du nicht haben. Der Platz in ihrem Herzen ist besetzt. In ihrem Herzen will man sich verewigen - Ich halte diese verfluchte Maskerade nicht mehr aus. Alles Maskerade, alles. Ich muss zuschauen, muss nebenhergehen. Abscheulich!"
Wimmernd, auf seinen Knien liegend. Sicherlich, ich hätte ihm nun die Hand reichen können, mit der anderen Hand eine großmütige Bewegung des Verzichtes andeuten können, die sagte: "Nicht weiter, ich regel das schon und du, leg dich nieder, schließ die Augen, schlafe vielleicht, weil du eine Pause brauchst." Vielleicht ein Kuss auf die Stirn oder etwas dergleichen. Aber ich konnte nicht. Ich fühlte mich wie ein Zuschauer im Kolosseum, des Kampfes Ende abwartend, nur darauf begierig sich zu der Bewegung des Daumens anzuschicken und die Qual des Hoffens in sein Herz zu bohren: Den Daumen nach unten oder hinauf? Ich bin ehrlich. Ich will nicht gemein sein. Das war nicht gemein. Er war armseelig. Das war er. Seine Reden wurden immer schlimmer, mit Pathos vollgepfropft.
"Und ich verstehe ... sie will deine Eifersucht wecken, nichts weiter... mich schmerzt das, aber ich kann es nachvollziehen. Verstehe es, weil ich in der selben Situation stecke. Ich hasse sie und verstehe es. Hassliebe. Tausend Jahre sind vergangen. Ihr nennt es tausend Tage. Irgendwann habe ich sie abgehakt und glaube, frei zu sein. Dann begegnet sie mir oder ich höre ihre Stimme am Telefon und bleibe gefangen. Ich kann die Augen schließen und mir vorstellen, da wären keine Gitterstäbe, aber sie sind da. Mir wird ganz komisch, wenn ich frage, wie lange. Lacht nur, weil ich gefangen sage, aber mein Leben ist nichts weiter mehr, als ein Käfig! Ich sag es dir. Nichts, nichts wünsche ich mir zu dieser Stunde mehr, als das sie glücklich ist. Ich habe Alles verloren und kann nur noch darauf hoffen, das wenigstens dieser schlechte Ausgang sein gutes Ende nimmt. Nimm sie, bitte. Sie will mich nur, um dich... aus der Reserve zu locken. Bitte... Mehr will sie gar nicht... Nimm sie und ihre Himmelsaugen..."
Ich sah mich um. Niemand in der Nähe. Bis auf den Mond, das regelmäßige Blinken eines Flugzeuges war der Himmel in düsteres Nachtblau getaucht. Windböen rüttelten an Fensterläden und Rouleaus, ließen unsere Hemden flattern. Irgendwo in mir drinnen wurde Mitleid geweckt...
Wer will mir das glauben?
...zuschauen, nebenhergehen, Illusionen schaffen, sich an sie klammern...

Nun einmal ehrlich sein. Einmal. Ich erinnere mich. Draußen der Mond, keine Sterne. Drinnen wir, trinkend. Geflochtene Tücher, auf die leere Aschenbecher gestellt wurden. Zwei Kerle mit schwarzen Hosen und engen Shirts spielten Billiard. Zwischendurch sahen sie zu uns hinüber. Ich weiß nicht, ob sie meine Blicke bemerkten.
Ich steckte mir eine Zigarette an und beobachtete, wie monoton die Queues bewegt wurden.
"Hast du eine Zigarette?"
Ich zog eine Schachtel hervor, öffnete sie und klopfte auf die Unterseite, bis sich eine hervor schob. Joshua nahm sie.
"Danke!"
Joshua erzählte von den kräftigen lebensgefährlichen Böen, 150 Meter über dem Grund in schwindelerregender Höhe, die an Stahlgerüsten ringsum den Turm des Kölner Doms rütteln und ihn mit Angst erfüllten, wenn er dort wieder hantieren musste, den Hinweis bekommen hatte, nicht hinab zu sehen und doch immerzu hinab sah. Er machte eine Ausbildung als Maler und Lackierer, war auf eine befremdende Art hellauf begeistert, weil er zum ersten Mal eine Sache hatte, die wir nicht kannten und von der nur er erzählen konnte. Wenn er sprach, hörte ich nicht zu; nicht wirklich. Immerzu Claudias Abbild, das in andere Gedanken hinein rammte, sie umwarf. Ich zog an meiner Zigarrette. Joshua erzählte und Nikolas lauschte, während er den Mund leicht in der O-Form offen stehen ließ, nicht übertrieben, sondern gerade noch glaubwürdig. Wieder Claudias Abbild, das sich über Joshuas Gesicht schob und zappelte, als wäre das Band von der Filmrolle ins Schlingern geraten.
"... und neben mir bewegt sich sein Chef in dieser Höhe, als würde er dort wohnen. Sie schauen auch immer runter und haben gar kein Problem damit!"
Wahrscheinlich erwartete er irgendeinen Kommentar entflammter Begeisterung. Ich schwieg, zwischendurch wieder Claudia und ich sah unwillkürlich Nikolas an; zuerst sehr objektiv, zu betäubt, um einen vernünftigen oder unvernünftigen Gedanken fassen zu können, dann von aufkeimender Leidenschaft begleitet, entschied ich mich für das zweite und wollte ihm den Kiefer brechen. Womöglich hätte ich es getan. Womöglich hätte ich im Rausch noch viel mehr angestellt, um meiner seelischen Befreiung willen. Aber Joshua schaute plötzlich, von einem Gedanken anderer Natur gequält, in Nikolas Augen hinein, zuerst suchend und dann um seine Aufmerksamkeit ringend; sodass man nicht anders reagieren konnte, als selbst sehr gespannt auf das Weitere zu warten. Erst nichts. Stille. Noch suchte Joshua in den Augen nach einer Antwort. Claudia spielte vorerst keine Rolle mehr.
"Darf ich dich etwas fragen?"
Nikolas kratzte sich nickend am Kopf.
"Liebst du Claudia?"
"Hundertprozentig!" So sagt man das nicht. Man sagt: Ich liebe sie aus jedem Winkel meiner Seele und all mein Inneres gerät in Wallung, wenn sie den Raum betritt. Dafür muss auch heute noch Zeit sein. Das ist meine ehrliche Meinung. Ich bin ehrlich.
"Nichts geht über diese Liebe?"
"Selbst meine Mutter nicht!"
Kurzes Schweigen; Joshua nuckelte nachdenklich an seiner Zigarette.
"Erinnerst du dich niemals an früher? Wie es war, als wir noch echte Freunde waren?"
"Ich... Ihr seid mir wichtiger als Liebe. Das hier sind Freundschaften, die keine Schranken kennen."
"Liebe kennt Schranken!"
"Ja, Liebe kennt Schranken! Ihr seid mir wichtiger..."
Es klang nicht sehr sicher. Er hatte keine Wahl.
Joshua warf mir einen Blick zu, erhaschte kurz meine Zustimmung.
"Wenn wir von dir verlangen würden, dieses Liebesgeplänkel, dieses flatterhafte Spiel sausen zu lassen? Wenn wir uns wünschten, das es wieder ganz und gar so wie früher wird, als wir täglich zusammen abgehangen haben und uns wie Brüder behandelt haben, was würdest du machen?"
Nikolas scharrte hilflos seinen Blick hinab gesenkt über das Linoleum und da schienen Tränen zu fließen. Kindheit, in die Schule gehen, im Sandkasten, gemeinsam schaukeln und pubertieren, reden, auf einer Wellenlänge treiben im Strom, gegen den man sich nicht stemmen kann, in den Spiegel blicken, alleine mit sich selbst und doch wissen, das man nicht alleine ist. Und jene beruhigende Vorstellung wird zerstört; anscheinend seine Freunde verlieren, alleine sein, dabei hatte er uns eigentlich nichts angetan. Wir trieben ihn auf die Planke und warteten auf eine Entscheidung. Wir waren gierig nach irgendeiner Zusammengehörigkeit. Nein! Ich bin ehrlich. Ich war gierig danach, das Claudia frei wird. Er weinte nicht, aber ich hätte mich gefreut. Ich hätte meine Freunde für Claudia hingegeben, ohne mit der Wimper zu zucken. Das gebe ich zu. Ich hasste ihn, weil er so verdammt und exemplarisch großmütig war. Das gebe ich zu. Ich wollte ihn verletzten. Das gebe ich zu.
"Was habt ihr davon?"
Wir kamen nicht mehr zu der Antwort und ich kannte auch keine Antwort, die ihm und mir Befriedigung verschafft hätte. Großstadtstille: Motoren, Stimmen durch das geöffnete Fenster, ein klirrendes Glas. Keine Billiardkugel rollte mehr. Die Kerle hatten auf gehört zu spielen. Der Stämmige saß gemütlich Bier schlürfend auf einem Hocker und sein kleingewachsener breitschultriger Kollege mit dem kaputten Auge, das ich jetzt erst bermerkte und welches scheinbar energisch nach einem Gegenstande suchend aus dem Augenwinkel nach links blickte, zog sich gerade einen Stuhl an unserem Tisch zurecht, setzte sich mit verschränkten Armen vor uns hin und ließ das funktionierende Auge durch die Runde schauen. Erwartungsvolles Schweigen; Blicke, mit denen er Dominanz andeuten wollte, in dem sicheren Wissen, das an der Theke noch sein Freund bereit saß. Zwischendurch Versuche, die Finger knacken zu lassen, was nicht immer gelang. Schließlich richtete sich das braune Auge mit stechendem Blick, ohne je einen Lidschlag zu zeitigen, auf Joshua.
"Dein Gesicht gefällt mir nicht."
"Was gefällt dir nicht?"
"Dein Gesicht!"
Noch war Joshua ruhig. Man sah, das er innerlich arbeitete.
"So wurde ich geboren."
"Wie hat deine Mutter dich genannt?"
"Ich habe zwei Namen. Leon und Laurenz. Laurenz von meiner Mutter."
"Laurenz!"
"Nehmen Sie Leon!"
Der Kerl suggerierte spielend. Joshua wurde nervös, ließ sich einstweilen nichts anmerken.
"Willst du dich prügeln, Laurenz?"
"Einfach so?"
"Einfach so!"
Das Auge fraß sich gnadenlos in Joshua hinein und er versteckte beide Hände unter dem Tisch, da sie zu zittern anfingen.
"Jetzt?"
"Ja, wir gehen vor die Tür und schlagen uns."
"Ich weiß nicht."
Unterdessen schien das Auge, das sich in eine andere Richtung sehnend, nach links richtete, kurz aufzuflammen; ein Ausbruch von Leidenschaft, der in nur einer Pupille verweilte und schließlich verschwand. Joshua kam nicht mehr zu einer Antwort, denn schon hatte der Einäugige, wie ich ihn nannte, wieder das Wort ergriffen:
"Weißt du. Es gibt eine Sache auf der Welt, die ich hasse. Das sind verfluchte Kanaken, die überall sind. In unserer Stadt kriechen sie und in allen Gassen lauern sie, als würden die Gassen ihnen gehören. Du magst sie?"
"Nein!"
"Hasst du sie?"
"Ich hasse sie!"
Das Auge kreiste in der Höhle; suchte in allen Richtungen, reihum, sah mich, sah Nikolas an, richtete sich letztendlich indes immer wieder nach Joshua aus wie eine Magnetnadel, die kurz erschüttert wurde. Joshua sah dem Einäugigen in das eine Auge, fest entschlossen und einen affektierten Zorn in seiner Miene tragend. Wie wenig Mut er besaß, dachte ich, wie kläglich armselig er sagt, das er sie hasst. Er log, weil er gefallen wollte. Ich bin ehrlich. Sehr ehrlich. Das hätte ich anders geregelt. Da hätte ich mir lieber ins Maul schlagen lassen.
"Ich hasse diese verfluchten Kanaken. An jeder Ecke warten sie, sitzen; ein falscher Blick und es gibt Theater!"
"Du bist erleuchtet!"
"Frag mich nach den Arbeitslosenzahlen, nach der steigenden Rate der Kriminalität..."
"Was ist mit der steigenden Rate der Kriminalität?"
"Von überall her kommen Völker nach Deutschland, die den Namen Volk nicht verdienen. Gesindel im Zentrum Europas, das sich als Keim in uns festgesetzt hat und uns von innen zerschlagen will. Das multikulturelle Deutschland sagen sie."
Ich zog an meiner Zigarrette. Der Einäugige schien noch immer nicht überzeugt und ich war glücklich darüber, das er wieder argwöhnisch sein Auge kreisen ließ, Nikolas taxierte, mich ansah; wahrscheinlich sich der Kraft seines Auges bewußt, versuchend, in uns hineinzuschauen, um von uns die Bestätigung über Joshuas Glaubwürdigkeit zu erlangen. Angst war längst aus mir gewichen. Im Gegenteil, ich wollte nur noch krampfhaft über mein Auge vermitteln, das Joshua ein Heuchler sei, versuchte ein Kopschütteln anzudeuten, ohne den Kopf zu schütteln, ließ mir das Blut nach oben hin laufen, als solle das rot angelaufene Haupt ein Stoppzeichen symbolisieren; "Er lügt dich an! Schau doch!", dachte ich, ohne es zu sagen; aber zwecklos, der Einäugige holte sich von mir das Vertrauen, das ich selbst verloren hatte, die Magnetnadel richtete sich wieder zu Joshua aus, ein "Du bist klüger, als du ausschaust!", daraufhin ruft er seinen großen Kumpel, der sich dazu gesellt, dessen Schulter mit schwarzen Linien verziert war, die sich ineinander verwickelten, in eine Richtung schlängelten, unerwartet eine andere einschlugen und so weiter und so fort, den rechten Arm hinab bis zum Ellebogen hin. Erst dachte ich, sie würden ihn mögen. Das dachte ich wirklich, als der Kleine Joshua kurz auf die Schulter klopfte. Was dann geschah, soll unerklärlich bleiben. Dieser Koloss mit der Schulterverzierung wurde grimmig, wütend, verwandelte sich; sein Kopf glich plötzlich einem Pferdekopf, schnaubend die Nüstern bewegend, den roten Kopf uns entgegen gereckt und wir konnten alle Adern an seinem Hals pulsieren sehen. Mit dem Fuß über den Boden scharrend packte er Joshua am Schopf und zog ihn vor die Tür. Wir kamen nicht sofort nach; so schnell, wie Alles geschah; waren aber auch nicht sehr überzeugt, dem Heuchler unsere Hilfe anzubieten. Als wir dann hinaus kamen, sahen wir seinen Kopf auf den Asphalt knallen; von dem Koloss, der ihn wie einen Hammer auf den Amboss schlug: Knack, Knack, Knack. Sehr regelmäßige Intervalle voll wunderbarer Stille, Musik in meinen Ohren. Er besaß ein ausgepräges Taktgefühl und nutzte die Stille dazwischen hervorragend aus, wieder Autos, welche vorüber rauschten, entfernte Stimmen. In dem warmen Blut, das floß, lagen Joshuas Zähne, die ich aufsammelte, die vielleicht noch gebraucht wurden. Das war wieder das Mitleid, welches mich in Bewegung versetzte. Wenn ich nicht so großmütig wäre... Nun erst mal inne halten und über das Geschriebene nachdenken. Wer will mir das glauben...
Illusionen schaffen und sich an sie klammern... sich eingestehen, das sie gelogen sind, sich der Wahrheit entgegen kämpfen.

Ich suchte schon lange nach Ehrlichkeit. Leider muss ich in jede Geschichte einen Teil Lügen hineinspinnen und kann so niemals alle Verwirrungen aufklären, welche in mir lauern. Ich versuche, ehrlich zu sein. Der Koloss hatte sich dazu gesetzt; Joshua wurde in ein Gespräch verwickelt, in das Nikolas und ich nicht eingebunden wurden. Er kroch und kroch. Irgendwann bezahlten und verschwanden wir einfach, ohne, das Joshua es merkte. Draußen blieben wir unter einer Laterne stehen und sahen uns Sekunden oder Minuten an, als müssten unsere Blicke uns gegenseitig überzeugen, das sich die Geschehnisse tatsächlich so ereignet hatten, wie sie auch in unseren Köpfen herum geisterten. Nikolas Wangen färbten sich in der Kälte rosig und sein Kehlkopf fuhr wie ein Fahrstuhl auf und ab. Er schluckte seine Galle hinab, sobald sich im Mund welche gebildet hatte. Kondensstreifen, das Blinken eines Flugzeuges zog durch die sternenlose Nacht. Der Mond leuchtete so gräßlich hell, das ich ständig dachte, er würde explodieren. Wir atmeten, ließen kaum Abstand zwischen uns, sahen den Hauch in der Luft, wie er zu dem Anderen hin schwebte, wie der fremdartige Geruch aufgenommen wurde. Er klopfte mir auf die Schulter und wollte zuerst, etwas sagen, dann doch nicht und dann... "Wir sehen uns irgendwann..."
Irgendwann hieß Niemals. Er klopfte noch weiter auf meine Schulter, als würde er es gar nicht merken und zog schließlich in die Dunkelheit hinein; mit langsamen tippelnden Schritten, hielt inne, sah zurück, als postwendend Joshua aus der Kneipe hinaus stolperte, zwei Schritte nach rechts, taumelnd, sich besinnend nach Kontrolle sehnend, zwei Schritte nach links und letztlich sein Fall, der für uns abzusehen war. Da lag er und kroch, wie er auch eben schon gekrochen war, knapp über den Pflastersteinen. In Urin und Zigarettenstümmeln. Nikolas sah mich an; ich würde Joshua nicht anrühren, nicht ihn, er sollte sehen, wie er vorwärts kommt: Heuchler, sagte mein Blick... Verfluchter Heuchler. Wollen wir ehrlich sein? Ohne ihn wäre die Geschichte anders verlaufen. Nein... nein...
Und ich beobachtete, wie Nikolas Joshua auf die Beine half, ihn stütze, mit ihm taumelte, und Gleichgewicht suchend davon zog, in ihn verhakt, ihn in sein Bett bringen wollte. Am Ende sein letzter Blick. Letzter hieß in diesem Fall engültig. Wir würden uns nie wiedersehen; weder zu dritt noch zu zweit. Da zog er davon. So verflucht exemplarisch großmütig... eindeutig... verflucht, ohne ihn wäre ich glücklich, ja, das ist wahr. Das ist die Wahrheit! Als ihre Konturen langsam in der Dunkelheit verschwanden, stütze ich mich an den Laternenpfahl; er ersetzte für mich den Freund, den ich gebraucht hätte. Ich näherte mich ihm, spürte das kalte Metall auf meiner Haut. Umarmung. Dann suchte ich die nächste Parkbank, setzte mich und weinte; den Kopf in meine Hände gestützt. Aus dieser nie versiegenden Quelle rannen Tränen und Tränen an Wangen hinab; bis in alle Ewigkeit wollte ich weinen.

 

Hallo Otto (Hallo ... Echo),

eine Stunde früher... ich weiß es nicht

eine Stunde früher ... ich weiß es nicht

einmal mich zusammenzureißen

mich einmal zusammenzureißen

Die kannst du nicht haben. Der Platz in ihrem Herzen ist besetzt. In ihrem Herzen will man sich verewigen - Ich halte diese verfluchte Maskerade nicht mehr aus. Alles Maskerade, alles. Ich muss zuschauen, muss nebenhergehen. Abscheulich!

Er sollte sich keine allzu großen Sorgen machen, denn wer so redet, wird wahrscheinlich eh’ irgendwann feststellen, dass er sich gar nicht für Frauen interessiert ;) .

des Kampfes Ende abwartend,

das Ende des Kampfes abwartend

Wenn wir von dir verlangen würden, dieses Liebesgeplänkel, dieses flatterhafte Spiel sausen zu lassen? Wenn wir uns wünschten, das es wieder ganz und gar so wie früher wird, als wir täglich zusammen abgehangen haben und uns wie Brüder behandelt haben, was würdest du machen?"

Lass dieses flatterhafte Spiel sausen und häng wieder mit uns ab ... Irgendwas passt da nicht.

Großstadtstille: Motoren, Stimmen durch das geöffnete Fenster, ein klirrendes Glas.

:D

Einäugige schien noch immer nicht überzeugt und ich war glücklich darüber, das er wieder

Einäugige schien noch immer nicht überzeugt und ich war glücklich darüber, dass er wieder


Da sind ein paar echt schöne Sätze drin, aber die Absätze wollen sich in meinen Augen nicht so recht zu einem Ganzen zusammen fügen.

Oder anders: Worum geht es dieser Geschichte? Am Anfang dachte ich noch, alles klar, ich hab’s, zwei Typen, eine Frau, das alte Lied. Dann kommt die Frau nach dem ersten Drittel überhaupt nicht mehr vor, stattdessen gibt’s eine Prügelei (schöne Beschreibung mit dem Auge) und jede Menge Geflenne. Aber wer flennt da über was?

Darüber hinaus wird hier der schwülstige Stil nicht konsequent durchgezogen. Wenn du schon dieses „So sei es, feiner Herr“ –Ding, das das meine überhaupt nicht ist, haben willst, solltest du auch darauf achten, dass die Geschichte von Anfang bis Ende so geschrieben ist. Ich habe dir ein oder zwei Beispiele dafür gegeben, wo sich Avantgarde und Alltagssprache meiner Meinung nach beißen.

Wie gesagt, ich fand’s schön, auch wenn ich nicht alles nachvollziehen konnte und als Inhaltsangabe vermutlich nur „Es geht um einen Typen, der Joshua heißt“ hinkriegen würde ;) .


Grüße,

Jan-Christoph

 

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