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Cola-Cola
Fette eklige Wurstfinger tippen gnadenlos auf arme Buchstabentasten ein. Jeder Tastenschlag erschüttert den Schreibtisch an dem Frau Christiane sitzt. Ich muss das wissen, denn ich wohne unter ihr. Unter ihren veritablen Fettbergen. In ihrem Gedankenkot. Schmutzig. Mit so viel innerer Zerrissenheit schreibt sie ihre Texte. Ohne Milch und Zucker, aber mit Gedankenschwere. Blei. Ich war das Blei, ich bin es immer noch.
Es klingelt ich gehe an die Tür. Draußen im Flug steht Christianes Schweißgeruch und der Postbote. Ich nehme die überfällige Sendung entgegen und hoffe dass er die Flecken auf meiner Hose ignoriert. Aber seine stechenden Augen sehen alles. Sehen durch mich hindurch bis auf die gegenüberliegende Seite wo Frau Willbruch ein unseliges, ja fast schon pflichtbewusstes Dasein fristet. Ob er auch das Blut in ihren Töpfen sieht? Röntgenblick, Panik. Kleine tote Vogelaugen. Postboten wissen mehr als andere. Wieder drinnen. Die Klospülung rauscht. Vier fünf mal hintereinander. Was spült Christiane da herunter? Kein Mensch kann soviel fressen. Nicht einmal dieses Mittelgebirge aus dem deutschen Flachland. Ich reiße das Fenster auf. Draußen nur Leichengestank. Verbranntes Öl, verbrannte Tiere und Pflanzen. Die Straße ist ein Krematorium, das Leben eine Beerdigung. Wenn Christiane jetzt aus ihrem Fenster fallen würde, es gäbe keinen dumpfen Schlag. Ihre Masse würde nach und nach auf den Bürgersteig schweben. Unkraut vergeht nicht. Fettsucht auch nicht. Was für formidable runde Formen. Nicht weiblich, aber real. Ich bin das Blei. Blei in der Luft. Tote Tiere. Wir atmen unsere eigene Pisse. Jetzt Wichsen? Ich hab keine Lust. Aber wenigstens könnte ich Wichsen. Lust auf Fett. Fett, fett, fett. Fett, fett, fett. Rhythmisch rufe ich zu mir selbst. Diese dumme Fotze würde es eh nicht hören. Schlampe, Hure. Dreckshure. Das ist nicht nur Dein Blei. Ich schließe das Fenster wieder. Drei, viermal. Pommesfett. Frittierfett. Christiane. Ungläubig und wehmütig schaue ich durch den zu kleinen, aber leider doch praktikablen Türspion. Paralyse. Es steht vor der Tür. Fettgeruch mit Schweißnote. Schweinshaxen, Brathähnchen. „Hallo Frau Christiane“. Ich muss Scheißen. Sinngeschwängert sind ihre Blicke. Wo sie hinblickt hinterlässt sie kleine Fettflecken. Die auf meinen Kleidern waren schon vorher da. Schlachtfest. Dich sollte man schlachten, dann muss Niemand mehr Hunger leiden. Ich drücke ihr die Post in die Hand. Bevor sie zu lächeln versucht schlage ich die Tür wieder zu. Butterfotze. Jeder ist sein eigenes Blei. Durch die Tür heuchelt es „Dankeschön“. Kein Tier, das wäre zu einfach. Bleierner Gedankenkot. Herausgeschissen in die Welt. Die Cola war kühl, jetzt ist sie warm. Schiessgewehr. Cola-Getränk. Cola-Cola. Heute kein Kokain. Ich zwinge mich die braune Drecksbrühe herunterzuwürgen. Ein ganz normaler Tag.