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Couch Potato
„Was machst du heute noch?”, fragte mich die kränkliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Wie üblich nichts. Und du?“
„Haha, sehr witzig. Du weißt doch, dass ich Fieber habe. Wieso bist du nur so ein verdammter Stubenhocker, Mr. Walker?“
„Vorsicht, nicht fluchen. In deinem Zustand kann das ganz übel ausgehen.“
Sie schwieg einige Sekunden lang und dachte wahrscheinlich darüber nach, ob sie es mir gleich sagen sollte, dass ich kein bisschen witzig bin oder ob sie schweigen und ein Kichern imitieren sollte, sodass mein Selbstbewusstsein wenigstens ein klein wenig in die Höhe schnellt.
Elli entschied sich dazu leicht zu Kichern, doch man hörte das vorgetäuschte Lachen schon beim ersten Atemzug.
„Bill, sei mir bitte nicht böse, aber ich muss Schluss machen. Das Baby meldet sich schon wieder.“
„Kein Problem. Zum Glück sind wir nicht zusammen. Wir sehen uns.“
„Auf jeden Fall. Tschüss“, kicherte sie. Doch diesmal war es echt.
„Ciao.“
Kurz und knapp, so war ich nun mal. Kein großer Redner.
Als ich den Hörer abgelegt hatte, meldete sich gleich darauf ein anderes nervtötendes Geräusch. Kein Telefonklingeln, auch nicht die Tür und Gott sei Dank auch kein Babygeschrei, welches zwar auch hin und wieder gefüttert werden musste, aber nicht ständig.
Vor genau drei Stunden hatte mein Magen die letzte Mahlzeit intus. Um exakt 14.30 Uhr. Nun war es 17.30 Uhr und er knurrte, als hätte er seit einer Woche nichts mehr bekommen.
Ich ging in die Küche, während das Geräusch immer lauter wurde. Ich wollte schon sagen: „Gleich kriegst du ja dein Futter“, dass kam mir aber dann trotzdem etwas komisch vor. Und auch zu Fragen, ob er lieber Pizza oder 5-Minuten-Terrine hätte, hörte sich ein wenig bizarr an. Ich entschied mich schließlich für die Schinken-Salami Pizza, das perfekte Essen für mich, einen molligen, durchschnittlich gutaussehenden Single Ende 20.
Während die Tiefkühlkost im bereits demolierten Ofen backte, entschloss ich mich in der New York Times nach Stellenangeboten zu suchen und nebenbei mein Horoskop zu lesen. Ich überflog kurzer Hand die Politik, Nachrichten aus der ganzen Welt und den Sport und fixierte mich auf die kleingedruckten Jobangebote in den hinteren Seiten. Ich las einige mehr oder weniger „interessante“ Anzeigen durch und unterringelte mir dann schließlich einen Job als Pizzabote und einen als Hundesitter. Mir war sofort klar das die Bezahlung bei beiden Jobs eher lau ausfallen würde, aber das war mir in diesem Moment eigentlich relativ egal. Ich brauchte einen Job. Unbedingt. Das Telefon lag direkt neben mir. Ich wollte schon danach greifen, doch plötzlich ertönte die blaufarbene Eieruhr auf dem Küchenregal über der Spüle. Ich rekonstruierte noch einmal die Stelle, an der ich die Pizza in den Ofen schob, konnte mich aber nicht daran erinnern, dass ich den kleinen Wecker gestellt hatte.
Komisch.
Ich war wahrscheinlich schon so an diesem Ablauf gewöhnt gewesen, dass ich ihn im Unterbewusstsein auf 15 Minuten einstellte.
„Heiß!“, schrie ich, als ich die flache Scheibe mit meiner bloßen Hand herausgriff. Wer war auch blöd genug zu glauben, dass eine Pizza, die zuvor in einem 200 Grad heißen Ofen war, sich innerhalb von fünf Sekunden abkühlt? Die Antwort: Bill Walker.
Während ich, die nun lau warme Pizza, letzten Endes aß, fiel mir ein, dass ich noch mein Horoskop lesen wollte. Ich saß also auf meiner knirschenden, hellbraunen Couch: In meiner rechten Hand hielt ich ein Stück, fetttriefender Pizza und in der linken Hand die Zeitschrift mit den Horoskopen und begann zu lesen. Ich war eigentlich überhaupt nicht so ein Mensch der an Zeug wie Kartenlegen, Pendeln, Wahrsagen oder irgendwelchen anderen Hokuspokus-Mist glaubte, aber manchmal interessierte es mich eben doch was die „Möchtegern Menschenkenner“ in den Redaktionen für die Leute, die sie überhaupt nicht kannten, prophezeiten.
Ich brach in schallendes Gelächter aus, als ich das heutige Horoskop für das Sternzeichen des Steinbocks laut vorlas:
„Erholen sie sich nach dieser schweren Zeit. Laden sie ihren Partner zum Essen ein, nehmen sie sich frei, lassen Sie ihre Seele baumeln, so ganz nach dem hawaiianischen Motto: „Hang loose.“
„Sehr zutreffend.“, meinte ich leise.
Von meinem Horoskop sichtlich „begeistert“, schlenderte ich, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, zu meiner Hängematte im Wohnzimmer und ließ meine Seele baumeln. Trotz der relaxten Lage konnte ich mich nicht wirklich entspannen. Dafür gab es genug Gründe:
1. Ich lag seit 3 Monaten durchgehend auf der faulen Haut und hatte hierbei genug Gelegenheiten ausgeschöpft, mich viel zu entspannen.
2. Mich plagte immer noch die Sorge keinen Job zu bekommen, was aber auch daran lag, dass ich mich in den letzten Monaten keineswegs bemüht hatte überhaupt eine Anstellung zu bekommen.
und
3. Ich war das perfekte Beispiel eines
typischen Versagers in New York City.