Croissant mit Schokolade
Nicht drüber nachdenken. Gar nicht drüber nachdenken. Ich ging einfach an ihr vorbei. Es störte mich kein bisschen. Es störte mich kein bisschen? So ein Quatsch, klar störte es mich. Und wie. Croissant – mit Schokolade. Meine Ex-Leibspeise. Ich verharrte starr, unfähig, die Situation zu ändern. Was hinderte mich daran, es ihr gleich zu tun? Mir etwas zu gönnen? Mir etwas zu gönnen. Sogleich schalt ich mich für den Gedanken. Was sollten da die Kinder in Afrika sagen? Hatten die etwa Croissant mit Schokoladenfüllung aus leichtem Blätterteig, mit braunem Zucker bestreut und verziert mit dünnen Spritzern aus halbbitterer Kuvertüre ...?
„Tobi, hör mal, bloß weil du eine an der Angel hast, musst du nicht durch die Welt laufen, als hättest du Tomaten auf den Augen!“ Wenn Nina das gehört hätte. 'Genau das meine ich', hätte sie gesagt. 'Merkst du nicht, wie er über mich herzieht – Tomaten! Tomaten! Damit meint er mich ...' Sie macht alles kaputt damit. Ich halt es nicht mehr lange aus. Etwas muss sich ändern. „Sie gefällt mir nicht.“, sagte ich gedankenversunken. Nico stichelte weiter: „Das Fleisch ist schwach – du bist auch nur ein Mann!“ „Halt endlich die Klappe“, entgegnete ich. Und ich wusste, was ich zutun hatte. Ich durfte sie nicht länger in der Luft hängen lassen. Ich musste ihr meine Gefühle offenbaren.
„Was hast du für ein Problem? Du siehst toll aus!“ Als hätte sie irgendeine Ahnung. Wie es sich anfühlt. Wie ich leide. Wie wir leiden. Amy wollte ansetzen, noch etwas zu sagen. Ich warf ihr einen Blick zu, der sie verstummen ließ. Diese Ausgeburt der Schönheit war zum Glück schon hinter der nächsten Ecke verschwunden. Schnell ließ ich mein Schoko-Croissant in der Bäckertüte verschwinden. Wie hatte ich das tun können? Dreihundertundsechzig Kilokalorien in vier Minuten – eine Glanzleistung. Schon fast ein neuer persönlicher Rekord. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter.
„Ich mache mir solche Sorgen. Wie soll das nur weitergehen?“ „Schatz, was hast du für ein Problem? Es ist doch alles okay.“ Es war so typisch. Er verstand mal wieder gar nichts. „Merkst du nicht, dass sie sich immer mehr zurückzieht? Wie weit sie doch weg ist – sie scheint mir gar nicht mehr wie unsere ...“ Er unterbrach mich. „Das ist normal, sie nabelt sich ab. Sie kann doch nicht ewig dein kleines Baby bleiben!“ Ich schüttelte den Kopf. „Darum geht es gar nicht. Sie ist in Gefahr. Und du verschließt deine Augen davor.“ Als er mich ansah, sah ich die Verzweiflung in seinen Augen. Fluchtartig verließ ich den Raum. Mir war nicht bewusst, wie bewusst es ihm war.
„Jetzt ist Schluss.“ Er sah mir in die Augen. „Ich ertrag das nicht länger. Du bemitleidest dich nur selbst.“ Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen schossen. Hatte ich doch recht! Die ganze Zeit hatte ich es schon geahnt, jetzt war es so weit – ich würde wieder allein dastehen. „Du musst endlich damit aufhören.“ Ich verstand nicht. Ich konnte nicht zu ihm gucken. Ich fixierte eine Socke, die auf dem Boden lag. „Womit?“, brachte ich unter Wimmern hervor. Er zwang mich, ihn anzusehen. „Bitte red nicht mehr davon. Bitte frag nicht mehr. Nina, ich liebe dich genau so, wie du bist. Und ich liebe nur dich, du bist die Frau, die ich für mich gewählt habe. Ich will nie eine andere.“ In dem Moment wurde mir bewusst: er meinte das ernst.
„Jetzt ist Schluss.“ Er sah mir in die Augen. „Ich ertrag das nicht länger. Ich habe dir was mitgebracht.“ Ich brauchte gar nicht zu gucken. Ich hatte den Duft schon wahrgenommen, als er das Zimmer betreten hatte. Croissant mit Schokolade. Ich dachte, er hatte es für sich gekauft. Dabei wusste ich doch, dass er Süßes nicht mochte. Nur zum Frühstück. Früher hatten wir jeden Sonntagmorgen zusammen ... In meinem Hals bildete sich ein Kloß. Angst. Zweifel. Peinigung. Selbstzerstörung. Nein! „Du kannst den Kreislauf durchbrechen.“ Er sagte es genau im richtigen Moment. Die Gedanken fuhren in meinem Kopf Karussell und er hielt sie an. Ich griff mir die Tüte. Er nahm mich in den Arm. Und weinte.