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Curricula vitae eines Abends

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23.10.2006
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Curricula vitae eines Abends

Björn Rekow

Curricula vitae eines Abends

Ich hatte gerade einen angenehmen Abend hinter mich gebracht, ein paar Bier getrunken und mit alten Schulbekannten über unsere gemeinsame Epoche der Schülerschaft geplauscht, gescherzt und gelacht. Somit begab ich mich also wieder in meine kleine Parzelle der Einsamkeit, Besinnung und der Eskalation. Den abendlichen Verlauf zu reflektieren schien mir gut dünken, worauf ich mich auch direkt vor meinem Computer wieder fand, die restlichen Spuren vernichtend und mit einem heiteren Gemüt sinnend; es war wirklich nett gewesen…
Aus meinen Audioboxen summte leise und beruhigend die Musik Viktor Jaras, als plötzlich und völlig unverhofft ein fremder Schuh auf meinem Balkon landete.
Ich begab mich selbstredend sofort auf eben diesen, um der Ursachenquelle Herr zu werden und dieses ungewohnte und überraschende Eingreifen in meinen Abendausklang einordnen zu können. Doch ich sah nichts. Auch hörte ich nichts. Außer der Musik meiner Stereoanlage und dem regelmäßigem, apathischen und gleichmäßigen Tropfen des Wasserhahns meiner bescheidenen Küchenzeile, die lediglich aus zwei Herdplatten, einem Regal mit zwei Einlagen und dem blechernen Spülbecken bestand. Darunter befanden sich ein vergilbter Kühlschrank, wie immer leer, und ein wenig Abstellraum für Putzeimer, Reinigungsmittel u.s.w. mit denselben Maßen, alles in allem höchstens 1,20 m breit. Da dieses allerdings nichts zur Sache tut, werde ich hiermit auch schließen und den gnädigen Leser bitten, zukünftige Ausrutscher ähnlicher Art zu verzeihen und als simple Detailverliebtheit auf die Elysischen Felder zu schicken. Nun denn, weiter also! (Pferdegaloppieren)
Irgendwo musste dieser verdammte Schuh doch hergekommen sein! Irgendjemand musste ihn unweigerlich auf meinen Balkon geworfen haben um sich überaus dreist einen kindischen Spaß mit mir zu erlauben. Ich nahm meinen Knüppel, meine Gaspistole und eine lange Zirkuspeitsche an mich, ein Geschenk meiner Frau Mama, und begab mich unverzüglich und voller innerer Unschlüssigkeit an den Tatort.
Doch auch über den Balkon lehnend war es mir unmöglich eine Sillouhette, geschweige denn Schrittgeräusche auszumachen und mein Spielkram hatte somit sofort seine Bedeutung verloren. Zwar stellte ich mir äußerst amüsiert vor, den Übeltäter noch durch irgendeinen dummen Zufall zu erhaschen, ihn an seinem dümmlichen Gegluckse identifizieren zu können und ihm die Peitschenspitze direkt und frontal, von meinem Balkon aus, an die Nase zu klatschen, worauf er mit Sicherheit die Flucht ergreifen würde.
Ich würde allerdings, geistesgegenwärtig und unter Spannung wie ein Luchs im Schnee, daraufhin mit der Selbstkontrolle eines Geräteturners meinen Knüppel nehmen, anjustieren und ihm das Ding direkt zwischen die Beine schleudern, ihn somit zu Fall bringen, mich mit der Peitsche von meinem Balkon abseilen, ihm den Hoden zertreten und mein gesamtes Magazin der Gaspistole, Marke Walther P99 , in seinem schmerzverzerrten und angsterfüllten Gesicht entleeren. Doch die Freude währte nur kurz, denn eine schattige, schrecklich anmutende Beklemmung sollte meinen, nun in Wallung geratenen Verstand in einer eisigen, metallenen Umarmung abkühlen: Der vermeintliche Täter war weg; entkommen! Auch ein Besuch des Parkplatzes würde mir wenig Aufschluss geben, obzwar ich durchaus das Verlangen nach Satisfaktion verspürte aber nicht einfach willkürlich die Bewohner der Anlage auf dem Weg zur Tür oder ihrem Vehikel ansprechen und auspeitschen konnte.
Irgendwie hatte ich aber auch das Gefühl, wer weiß warum, diesen Schuh nicht von Menschenhand auf meinen Balkon befördert bekommen zu haben. Mein Gehör war ausgesprochen gut, der Innenhof, bzw. Parkplatz ungemein hellhörig und schallanfällig, wodurch man selbst, mit einiger Übung freilich, das Schleichen einer Katze, auf den Pflasterstein klatschenden Vogelkot und diverse Gasausstülpungen der Nachbarin ohne weitreichende Anstrengungen vernehmen konnte.
Dieses wunderliche, vermaledeite Ding konnte doch nicht so einfach vom Himmel gefallen sein! Ich stand also vor einem weiteren, großen Rätsel in meinem Leben, denn weder jetzt, noch vor dem schicksalhaften Ereignis war es mir möglich gewesen, irgendwelche Geräusche wahrzunehmen, die den Ursachenherd klar überführt hätten. Mit gesenktem Haupt und dem Gefühl tiefster Hoffnungslosigkeit und innerer Leere begab mich zurück in mein kleines Kastenappartement, um meine Arbeitsutensilien enttäuscht und verlassen an ihren rechtmäßigen Ort, unter meinen Bett auf der Höhe meines Kopfkissens zu legen. Den Schuh nahm ich ebenfalls mit, das Täubchen.
Das Objekt der Verwunderung bestach durch seine durch und durch billige Produktion, Ordinärität und Geschmacklosigkeit; es konnte höchstens im Paar 10 Euro gekostet haben und sah völlig unbenutzt aus, war aus einfachem Leinenstoff mit einer simplen Gummisohle und schlichtweg hässlich. Das typische Produkt einer medial geschädigten Überflussgesellschaft, die auf Oberflächlichkeiten und primitivste optische Erkennungsmerkmale der sozialen und subkulturellen Herkunft besteht, diese durchgehend selbst produziert, wieder auflöst, sich auf ein Neues selbst erfindet, hierbei allerdings das selbe alte, lästige Programm der Vergangenheit erneut aufzieht, dieses dann jedoch bei fantastischen 30 Grad mit Weichspüler einmal kurz durchwäscht, um es als frische, unbenutzte und äußerst originelle Kleidung an den Mann, die Frau und den Hund bringen zu können. Für so etwas hatte ich noch nie etwas übrig gehabt und musste an Nietzsches Theorie der ewigen Wiederholung denken, die sich durch die momentane Produktions- und Konsumgesellschaft wohl am besten verstanden wähnen durfte.
Dennoch fand ich keine Ruhe, versuchte mich zwar wieder auf meinen Text zu konzentrieren, musste allerdings feststellen, dass meine Gedanken unentwegt um den merkwürdigen Vorfall und dieses hässliche Ding kreisten und ich diesem einfach keine Erklärung abringen konnte.
Natürlich war es durchaus möglich den Täter einfach nicht bemerkt zu haben. Zwar war die Musik extrem leise gestellt und die Balkontür weit geöffnet, vielleicht war der Moment des feindlichen Übergriffs durch irgendeine Nebensächlichkeit simpel aus meiner Wahrnehmung verdrängt worden und hatte die Tat nur knapp aber bestimmend überdeckt, jedoch auch diese Gedanken beruhigten mich nicht im Geringsten, war doch mein Gehör jahrelang geschult und auf jedwede Situation vorbereitet. (Katzengeschnurre)
Ich begab mich also erneut an den Tatort, schnappte ein bisschen frische Luft, betrachtete diesen Wink, den Schuh, einfachste und äußerst entartete Bekleidung des menschlichen Fußes und stieß spontan auf.
Nichts, verdammt noch mal, da war einfach gar nichts auszumachen. Ich warf das hässliche Ding wieder auf den Parkplatz zurück und begab mich in mein Zimmer, zog mich bis auf die Unterwäsche aus und setzte mich zurück an die Arbeit. Es war zwar schon spät in der Nacht aber dennoch ausgesprochen warm und es schien kein Lüftchen zu wehen.
Mir war es gerade gelungen meine Konzentration erneut zu finden als es plötzlich einmal kräftig „Wuschhhh“ und „Pöng“ machte und im selben Moment irgendetwas auf meine Scheibe einschlug! Ich begann natürlich sofort zu fluchen wie es meinem Naturell entsprach: „So eine Scheiße! Verfluchter Hund! Wenn ich dich in die Finger kriege!“, packte meine 5m-Zirkuspeitsche und hastete auf den Balkon zurück. Doch wieder, es war einfach nichts auszumachen. Der vermeintliche Flugkörper war natürlich, wie sollte es auch anders sein, dieser selbe hässliche Schuh und ließ mich genauso ratlos dastehen wie schon beim ersten Mal. Es war schlichtweg wie verhext. Ich spuckte einmal kräftig aus, packte das verdammte Ding und warf es so weit und hoch in die Schwärze der sternenklaren Nacht wie es meine Muskeln nur zustande brachten und beobachtete zufrieden seine Flugbahn. Der Weinrote Schuh stieg auf und alles sah soweit gut aus, er stieg und stieg, wurde kleiner und kleiner und ich begann mich in anbetracht dieser Meisterleistung an Wurf schon wieder ein wenig zu entspannen. Egal wer den geworfen hatte, nun war er endgültig weg, da konnte ich beruhigt sein. Aber nein, „zack“ und schon bekam ich das Ding wie aus dem Nichts an meinen Hinterschädel gepfeffert. Wutentbrannt und brüllend drehte ich mich ruckartig um und was mussten meine erstaunten Augen da sehen? Ein verdammter Affe flog vor meinem Fenster herum, lachte, schnatterte vor bösartiger Freude und spielte sich dabei genüsslich an den Genitalien rum. Ich traute meinen Augen nicht. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Das Scheißvieh trug eine lächerliche Lederhaube auf seinem widerlichen Affenschädel, an der oben ca. 4m breite Flügel eines Gleitdrachens befestigt waren. An seinen Füßen hatte er rosarote Rollschuhe mit kleinen Düsen, die nahezu lautlos einen kleinen Strahl Feuer in das Dunkel der Welt aussandten und ihm scheinbar ermöglichten direkt vor meinem Balkon in der Luft zu stehen und mich blöde und lüstern anzuglotzen, als gäbe es nichts böses in der Welt. Ich holte einmal kräftig aus und schickte nach ihm mit meiner Peitsche, doch der Affe, ein Mandrill, lachte nur blöde, streckte mir seine Zunge raus, zeigte seinen hässlichen, blauroten Hintern und flog einen Looping um dem Schlag gekonnt und mühelos auszuweichen. Immer wieder versuchte ich mein bestes, schlug mit einem Schwung von oben, von der Seite, versuchte ihn im Flug zu erwischen aber nichts wollte gelingen. Das Ding verkaufte mich für blöd. Hier hatte ich meinen Meister gefunden… In meiner Verzweiflung versuchte ich sogar ihn mit meiner Gaspistole zu erwischen, was natürlich fehlschlug, da so eine Waffe gar nicht die Möglichkeiten hat, auf mittlerer Distanz wirklichen Schaden anzurichten. Doch einen Effekt hatte es scheinbar: Durch das laute Knallen und die Gase in der Luft wurde der Affe wilder und wilder, vollzog tollkühne Flugkunststückchen, schrie völlig außer sich rum, gestikulierte umher, wutentbrannte Barbarei, Urwille und Welterlösung, um schließlich, zu meinem Entsetzen eine Doppelläufige zu ziehen (Nur Gott weiß, wo er die her hatte) und unter lautem Geschnatter und Geschrei wahllos in die Luft zu ballern. Jetzt saß ich wirklich in der Scheiße. Sofort warf ich meinen, vom Peitschen ermüdeten Körper auf den Boden und versteckte den verwirrten und inzwischen ängstlichen Kopf unter den Armen. Doch zu meinem Glück sprechen wir hier von einem gemeinen, trunkenen Affen, einem gemeinen Mandrill, Zugehöriger der Gattung der Meerkatzen und keinem Mitglied der NRA: Wie sollte es anders kommen, er schoss sich also nach einer Weile in einen seiner Flügel und verlor die Kontrolle. Das war meine Chance! Ich wuchtete mich auf, schaute nach ihm aus und zückte meine Peitsche. „Ptschz“ ein gekonnter Schlag an seine Kappe und der Riemen, der die Haube samt Flügeln an seinem Schädel hielt, riss, womit die Höllenbrut in die Tiefe stürzen müsste.
Aber verdammt, es sollte alles anders kommen!
Der Kleine hatte seine Hausaufgaben gemacht: Es gelang ihm noch im letzten Moment die Mütze mit seinen behaarten Händen zu erwischen, ließ die Schrotflinte fallen, gab einmal kräftig Schub mit seinen Raketenrollschuhen, stieg hoch auf, holte Schwung und hechtete mit einem gewaltigen Satz auf meinen Balkon.
Das heilige, unbarmherzige Klingen der Ringglocke ertönte und verhieß uns den Beginn der zweiten, der alles entscheidenden Runde im Kampf Mensch gegen Tier, Konfrontation der eigenen Vergangenheit, phantastische Begegnung mit dem Urtümlichen, unserem Ursprung, unserer Familie, dem ich nun mit der Erbarmungslosigkeit und Wolframschen Härte eines Chuck Norris in die archaischen, dunklen Augen blickte. Ich hatte einfach zu gewinnen! Musste mich selbst besiegen und die pelzige Erinnerung an unsere Gottlosigkeit und das Resultat dieser Überlegung, dass auch die bezauberndsten Frauen kein Rosenöl scheißen, hinab in die Hölle schmettern. (Leider hatte ich schon meine Cowboystiefel ausgezogen)
Wir fixierten einander für Stunden, ich weiß nicht mehr wie lange und die Luft schien förmlich zu vibrieren, unter der Spannung eines Teslas zu stehen. Die Zeit stand still, nun ohne Bedeutung, rollenlos und verlassen um ihre Unendlichkeit des Äthers vor uns auszubreiten wie einen Autobahnstau am Kassler Kreuz.
Doch dann: Ein Zucken! Herab geworfen vom allmächtigen Schöpfer persönlich
(Symbiose aus Jesus, Jehova, Mitras, Zeus, Allah und Galaktus, Weltenzerstörer der Galaxie XY, Besitzer des Sirius und Vertrauter des Wesens, jenes man nur als DER kennt): Nun war die Zeit gekommen! Die Zeit des Übermenschen! Es galt das Hanfseil zu überqueren, diesen gefahrvollen Abschnitt der Evolution ein für allemal hinter sich zu bringen und das Tier „Tier“ und den Übermensch „Übermensch“ sein zu lassen.
Ich verpasste ihm mit der Linken einen Jab auf die Nase und knallte ihm gleich nen rechten Hacken hinterher, er, leicht zurücktaumelnd, schüttelte die Kombi ab, zeigte mir seine Reißer, pumpte Blut in den Schädel und wetzte los:
Die Doppeldeckung stand wie nen I-Männchen, die erste wurde pariert, gekonnt (Beifall, Jubel und anerkennender Zuspruch: Bravo, Bravo! DiCapo!), die zweite auch; er, biss mir in die Nase, rammte mir eine mit seinen Raketenrollschuhen in den Magen, ich stöhnte auf, sackte herab, er beugte sich über mich und „Bäng!“ verpasste ihm nen Ellenbogen.
Es war ein Kampf wie ihn selbst Homer nicht besser hätte schildern können. Eine epische Schlacht um die Vorherrschaft des Himmels und der Erde, ein Kampf, gefochten für alle Menschen auf diesem Erdenrund die nach den Sternen greifen, der Sturz der Titanen und bereit selbst die Zeit herauszufordern; für all die tapferen Astronauten, Lokomotivführer, Wissenschaftler, die Helden der Nation auf dem Rasen, der die Welt bedeutet, den Herrschaften in der Fankurve und den unschuldigen und erwartungsvollen Kinderaugen, den Zauberwesen, die noch zu träumen wagen… (Wolfsgeheul und Hyänengelächter)
Ich weiß nicht mehr wie lange wir auf diesem Balkon, in dieser Julinacht unter diesem unvergessenen Sternenfirmament, an dem jede Sonne wie ein Fugazi glitzerte und unsere Erde durch das gequälte Gequake der geilen Kröten in einen grandiosen Gasgiganten gargantulaischer Größe generierte, gekämpft, gekratzt, gebissen, geschlagen und getreten haben. Aber es wohl der größte Kampf den ein Mensch jemals gefochten haben mag, zumindest habe ich bis jetzt von keinem besseren gehört, vergesst Ali, vergesst Sugar Ray und Cassius, vergesst Bukowski gegen Hemmingway, das hier war größer. Der Kampf der Kämpfe und wie es sich bei einem solchen eben auch geziemt, war ein Gewinner nicht zu bestimmen. Wir standen uns nach wie vor gegenüber wie zwei türkische Ölringer, teilten aus, parierten, kassierten, kaum mehr genügend Kraft im Leibe um auf den Beinen zu bleiben, als ich mich plötzlich fragte: „Warum eigentlich dieser ganze Scheiß? Ich blute, habe die ein oder andere Rippenfraktur, der Mandrill hat mir mit seinen Raketenrollschuhdüsen die Haare versengt, mich gebissen, ich habe Hunger und all das nur, weil mir der Acrylträger hier zweimal nen Schuh auf meinen Balkon geworfen hat.“
Mein Gegenüber schien wohl ähnliche Gedanken zu haben, war ebenfalls schweren Atems, aber dennoch nicht bereit auch nur einen Zentimeter zu weichen, sollte ich ihm nicht Anlass dazu geben.
Ich gab ihm also zu verstehen, dass ich keine Lust mehr hätte, die ganze Situation sei festgefahren, einen Gewinner zu ermitteln unmöglich und man solle sich doch lieber über diese großartige körperliche Leistung beider Teilnehmer erfreuen. Der Fight des Jahrhunderts, etc. etc.
Maximoff, wie er mir in unserem späteren Gespräch verriet, nickte zu meiner Überraschung freudig aus, machte Späße mit seinem Mund, hoppelte guter Dinge herüber und hüpfte auf meinen Arm. Er hatte tatsächlich alles verstanden, pflichtete diesem sogar bei und sagte mir in fließendem Hochdeutsch: „Uhhhh, Uh, Uh, Uha“, pätschelte mir dabei mit der flachen Hand auf den Kopf und verlangte eine Schüssel frischen Rucolasalat mit französischem Dressing sowie mittelhart gekochten Wachteleiern aus der Region de’Faberges´.
Da mir diese voller Bestürzung und peinlicher Erregung letzterer Tage allerdings ausgegangen waren mussten eben die gemeinen, aus dem gewöhnlichen Delikatessengeschäft, genügen und hoffte ihn dadurch nicht zu kompromittieren. Der Man(n) hatte Geschmack.
Unsere anschließende Diskussion war ebenso aufschlussreich und ausgeglichen wie der zuvorige Boxkampf auf dem Balkon. Der Salat schmeckte ihm ausgezeichnet, empfahl allerdings für das Dressing ein wenig mehr Essig, belobigte jedoch mein kaltgepresstes Olivenöl und erkundigte sich nach Preis und Herkunftsort.
Maximoffs Geschichte war wie die eines jeden Affen, anfänglich stammte er aus dem Kongo, lebte unbefangen sein Affenleben dahin, tollte herum u.s.w., bis eines Tages böse Männer kamen, die Alten seines Rudels töteten um ihre Körperteile als Aphrodisiaka, Suppenfleisch und magische Glücksbringer zu verkaufen, die Kleinen wurden jedoch gefangen und entweder an junge weiße Damen mit Hut und Sonnenschirm oder an diverse Schausteller und Zirkusse verkauft. Bei letzterem verbrachte denn auch er einen Großteil seines Lebens, brachte sich heimlich die Sprache der Menschen bei, die er im Übrigen als ausgesprochen beschränkt und ausdrucksarm empfand, sprach fließend Arabisch, Englisch, Deutsch und Französisch, hatte die Schriften Augustins studiert und zitierte Baudelaire mit perfektem Dandy-Akzent. Im laufe des Abends trug Maximoff ausgesprochen emotionale Pamphlete über La Rochefoucauld vor und karikierte seine Maximen und Reflexionen mit dem Ausspruch: „Beim niederen Geschäft ist der Mensch wie ein gemeiner Hund: er schämt sich.“, lachte anschließend selbstverliebt über seinen Wortwitz und entkorkte dabei mit seinem Reißzahn eine weitere Flasche Rioja: dieser Typ war wirklich einmalig.
Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile, stritten über die Brüder Karamasoff und die Schuldfrage Iwans, diskutierten belebt über die sprachliche Verklärung der Kritik der reinen Vernunft und Schopenhauers Menschenverachtung.
Aber plötzlich, es war bereits am Morgengrauen und die Sonne schickte feurig rot und herrlich ihre warmen Liebkosungen auf unsere Wangen, wurde Maximoff nachdenklicher und nachdenklicher und vergrub sich langsam in ein tiefes und grabesstilles Schweigen. Dann, nach einiger Zeit des Sinnens, sah er mich an und sagte mit fester Stimme: „Du kennst doch die Stelle Schopenhauers, an der er die Meinung vertritt, desto geselliger ein Mensch umso dümmer ist er auch und schließt anschließend seine Betrachtungen mit den Worten: „Der geselligste aller Menschen ist der Neger.“
Er hatte keinen Skrupel solch tollkühne Behauptungen zu verfassen, auch wenn diese teilweise dem damaligen Zeitgeist entstammen, sieht aber „seine Philosophie, innerhalb der Schranken der menschlichen Erkenntnis überhaupt, als die wirkliche Lösung des Rätsels der Welt.“ Und man kann sie, „in diesem Sinne eine Offenbarung heißen. Die vom Geiste der Wahrheit inspiriert ist.“
Nehmen wir einmal an, er habe mit seiner Geselligkeitstheorie recht und sie sei tatsächlich von seinem so hoch geschätzten „Geist der Wahrheit inspiriert“ und es schickt sich eben genau so, desto geselliger, umso dümmer. Schau mal“, sagte er „ich bin ein Affe, eine einfache Meerkatze der ihr den Namen Mandrill gegeben habt. Für euch und eure Arroganz sind wir eine vollkommen gläserne, niedere Art der Vielfalt des Lebens. Ihr steckt uns in einen Zoo, einen Käfig, gebt uns ein 200qm Areal, packt zwei große Felsen und einen abgestorbenen Baum hinein und hofft, es möge irgendwie artgerecht und afrikanisch wirken. Wir leben normalerweise in Rudeln zu 50 bis 100 Kommilitonen, kratzen uns gegenseitig, bumsen, spielen und frönen der hohen Kunst der Politik, ähnlich wie ihr es tut. Im Zoo sind wir nicht mal halb so viele. Macht uns das etwa klüger, macht es einen Menschen klüger ihn in einen Käfig zu sperren und aus seiner Herde rauszureißen? Ich weiß sehr wohl, wie das 125. Heer Schopenhauers dies meinte, ein intelligenter Mensch kann sich vielleicht durchaus besser alleine beschäftigen und vermeidet die Zerstreuung, die Gemeinschaft durchaus mit sich führen kann. Dennoch ist doch klar, dass auch aus der Gemeinschaft, dem Kontakt mit dem Gegenüber große schöpferische Kraft entstehen kann, die Wahrheit durch den Dialog quasi, da Wahrheit doch nichts mehr als das ist, was wir Wahrheit nennen wollen und als solche sehen (Als ob das Symposion mehr gewesen wäre, als die Knüpfung von Freundschaften und Verträgen, die Bestärkung der bestehenden Bindungen und all dies unter der lockernden Wirkung verdünnten Weins.)
Für mich zum Beispiel ist es durchaus wahr und ich rede keine Lüge vor meinem gottgegeben Gericht, meiner individualistischen Moral und Ethik (Zähneknirschen), wenn ich traktiere, dass ihr Menschen einen lausigen Geschmack an den Tag legt, sei es Musik, Kunst oder simple Nahrung, mir wie seltsam entstellte Kreaturen anmutet und durch und durch primitives, geselliges und schlichtweg dummes Verhalten an den Tag legt. So ist es doch auch wahr, wenn ich sage, das geselligste aller Tiere ist der Mensch.“
Ich hörte ihm die ganze Zeit still und aufmerksam zu, betrachtete seine Züge, seinen Blick und bemerkte eine fast schon fiebrige Erregung an ihm.
Als er seine Rede geschlossen hatte schaute ich ihn an, kratze mir am Arsch, nickte nur leicht, nahm ein weitere Flasche Wein, entkorkte sie und schenkte nach. Den Schuh hatte ich vollkommen vergessen…

 

Ok, eine weitere meiner wenigen Schriftstücke für die Öffentlichkeit, gebt mir Kommentare, Kritik und Anmerkungen!!

 

Tja Subart,

du hast Glück mit mir an eine disziplinierte Leserin geraten zu sein, die auch selbst zu eher langen Geschichten tendiert. Was du hier abgeliefert hast ist keine leichte Kost.

Als erstes würde ich dir eine Umformatierung im Kopfbereich nahelagen. Als zweites fällt auf, dass das Werk gut korrekturgelesen ist.

Tja aber der Inhalt ... schräg, reichlich schräg. Ich will jetzt mal nicht über mangelnde Spannung im Anfangsteil oder gegen Ende quengeln, das überlasse ich anderen. Auch die wirre Idee mit dem fliegenden, boxenden und philosophierenden Affen lassen wir mal beiseite, ebenso die infernalische Länge mancher Beschreibungen, die anfängliche direkte Ansprache des Lesers, welche sich im Laufe des Textes wieder im Nichts auflöst ...

Dann ist da erst mal die Sprache des Protagonisten, reichlich blasiert und mit erkennbaren handwerklichen Fähigkeiten so konzipiert, sicherlich nicht jedermanns Geschmack aber dennoch wenigstens besonders. Diesen Stil hältst du aber nicht durch, auch nicht die Selbstironie des Anfangs statt dessen gleitest du ab in eine Beschreibung der Auseinandersetzung mit dem Vieh. Die Qualität dieser Beschreibungen erinnerte mich arg an die Schmiedegesänge des Siegfried (Richard Wagner, Siegfried). Falls du entsprechendes Opus nicht kennst, hast du nicht wirklich viel verpasst ...

Naja und dann kann der Affe auf einmal sprechen, philosophieren und redet über Schopenhauer, während der Protagonist als sehnlich erwartete Pointe schließlich zum Affen mutiert ... ohweiowei ...

Die Auseinandersetzung mit dem Gedankengut Schopenhauers möchte ich an dieser Stelle nicht weiter kommentieren, aber die Tatsache, dass du versuchst es in eine Geschichte zu integrieren: Damit machst du das nächste Fass auf, gibst der Geschichte einen Dreh in Richtung Philosophie, nachdem wir schon Slapstick und Satire leicht angerissen hatten.

Insgesamt ist das meiner Meinung nach das Hauptmanko deines Werkes. Zuviel angerissen, zuviele Ansatzpunkte, zuviele Stilrichtungen kurz angegangen, jede Menge getippt, aber doch im Verhältnis wenig gesagt.

LG,

N

 

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