Dämon
Es würde gleich gewittern. Es ist diese Zeit die andere als aufgeladen und energiereich beschreiben, die Zeit in der etwas in der Luft liegt. Ich beschreibe dies jedoch als Zeit der größten Entspannung; Die Luft ist kurz davor wieder aufgeladen zu werden. Stille umringt mich. Der stampfende Rythmus aus der Kneipe hinter mir dringt kaum an mein Ohr, sogar der leichte Niesel-Regen ist scheinbar lauter. "Jo, bis denn, Danny", durchbricht die Blockade und ich setzte mich wieder in Bewegung und grummle ein: "Mhhh". Meine "Freunde" gehen einen anderen Weg, ich muss die drei Kilometer bis nach Hause laufen, durch Felder und einen kleinen Wald. Stände mein Auto hier, ich würde auch nach dem Bier und den unzähligen Longdrinks fahren. Da ich mich jedoch kenne, bin ich zu Fuss gekommen. Gefeuert! Ha, gekündigt ist besser ausgedrückt. Aber schon wieder?
Kaum habe ich die Straße überquert und gehe die Felder entlang, erfasst mich eine Stimmung die ich zuletzt vor zwei Jahren empfand. Wie eine Spinne oder ein Insekt kriecht es mir vom Rücken auf die Schulter und flösst mir Angst ein. "Der Dämon, er ist wieder da. Hüte dich vor ihm, denn er ist stärker, weil du schwächer bist." Ich kann mich kaum noch beherrschen. Die Angst, sie ist körperlich. Ich spüre wie sie hinter mir ist. Aber ich kann mich nicht umdrehen, ich würde sie sehen. Stattdessen lass ich meinen Blick über die Felder wandern. In fünfzig Metern Entfernung sehe ich das Feld leuchten, unheimlicher, unheiliger Nebel steigt über ihm auf. Ein schlechtes Ohmen, gruselig wäre es, wenn es ein Schulkind sehen würde, in mir entfachte der Blick nackte Panik, aber meine Beine waren nicht von ihrem langsamen Trott abzubringen. In einem Anfall von Mut drehte ich mich rapide schnell um, und was ich sah, war genauso furchterregend wie ein Tentakel mit tausend Augen, oder Cthulhu selbst. Ich sah nichts.
Er war wieder da: Der Dämon der mich seit Anbegin meiner ersten Gedanken begleitet hatte. Wollte er ernten was er gesäht hatte? Er musste es einfach sein, den ersten Zusammenstoß mit ihm hatte ich vor zwei Jahren überlebt. Sehr knapp nur, ich war wochenlang im Krankenhaus. Irgendwie wusste ich schon damals, das er sich nicht würde abwimmeln lassen wie ein Vertreter, er hatte nur mit mir gespielt. Heute würde ich meinen schwersten Kampf haben: Er oder ich, aber meine Chancen stehen gegen null.
"Du bist es, komm her und hol mich", flüstere ich. Eigentlich wollte ich es rufen, aber meine Lunge, meine Kehle und meine Zunge scheinen es anders zu wollen. Keine Antwort. Aus irgendweinem Grund bewegen sich meine Beine wieder. Ich setzte meinen Weg fort. Die Angst, der Dämon ist wieder hinter mir, ich höre seine Schritte, sein Atmen; Er ist so entsetzlich nah. Mein Atem geht schneller, ich kann diesem Druck kaum noch standhalten. Dieses Schnaufen, unregelmäßig, kein Mensch atmet so, kein Tier und keine Ausgeburt der Phantasie. Wieder reiße ich meinen Kopf herum und springe ein Stück dabei. Eine Bewegung die für andere komisch aussehen würde, sie würden auf mich zeigen und sagen: "Was für ein Spinner." Für mich ist diese Bewegung überlebenswichtig, aber wieder sehe ich nichts hinter mir. Er war wieder schneller. Dort im Schatten ist er, wartet er? Worauf?
Verzweiflung macht sich in mir breit. Kann ich überleben? Ich will nicht sterben. Wieder nehmen meine Beine ihren regelmäßigen Gang auf. Es wird noch dunkler als zuvor um mich herum; der Wald ist tief. Einer meiner Kumpel erzählte, das er als Wicca hier am schlechtesten zurechtkommt, hier kann sich keiner sehr wohl fühlen. Die Magie dieses Waldes ist unbetritten böse, aber die Magie des Dämons ungleich mächtiger. Der Wald bereitet mir Unbehagen, aber der Dämon macht mir Angst. Magie? Pah! Was ist Magie? Ich glaube nicht an Magie, obwohl... welcher "kranken" Kraft kann das Wesen hinter mir entsprungen sein?
"Dämon", mit diesen Wort sacke ich zusammen und falle auf die Knie. Die Angst hat mich in einem Würgegriff, Tränen vor Angst, Zweifel und Ohnmächtiger Wut laufen meine Wangen herunter. Ich warte. Minnuten vergehen, meine Knie schmerzen, aber es hat keine Bedeutung. Warum tötet mich der Dämon nicht sofort? "Mach schon! Nimm mich mit. BITTE", das letzte Wort erflehte ich mit kraftvoller Stimme. Aber er hört nicht auf mich. Plötzlich lässt die Angst los und ich erkenne meine letzte Chance, die er mir gibt und renne los. Gleichzeitig mit meinem Aufsprung fuhr ein Blitz vom Himmel und der Nieselregen verstärkte sich ins Unermäßliche. Als ob die Götter mir ein Zeichen geben wollen, ja Gott persönlich ist auf meiner Seite. Nach den ersten Schritten war ich durchnäßt bis auf die Knochen, aber die plötzliche Energie der Nacht und des Himmels nahm ich gierig in mich auf. Ich rannte schneller und schneller. Der Dämon hinter mir schien auch schneller zu werden, aber ich wollte ihn nicht gewinnen lassen. Ich würde Satan meine Seele verkaufen, nur um ihn einen Schritt nach hinten fallen zu lassen. Er darf nicht gewinnen. Kälte umfasst mich, es war nur eine weitere Last die ich zu tragen hatte. Vor mir schälte sich ein unheimliches Leuchten aus dem Regen. Meine Wohnung!!! Nur noch hundert Meter. Er kommt näher. Achtzig. Sechzig. Die Tränen, diesmal nur aus Freude und Anstrengung vergossen werden vom Regen weggetragen. Fünfzig. "Ich kriege dich." Vierzig. Dreißig . "Gib auf". Zwanzig. Zehn. Ich reiße meinen Schlüssel aus meine Hosentasche. Fünf. Vier. Drei. "Laß mich in Ruhe.", brülle ich. Zwei. Eins. Die Tür, sie will nicht aufgehen. Wie irrsinnig rüttele ich dran, reiße am Schlüssel. Drehe und stoße ohne Rücksicht auf das Material. "Endlich habe ich dich.", erschallt es in meinem Kopf. Seine Arme wollen mich greifen, aber ich falle ins Haus und schlage die Tür zu.
Es ist Still, das Gewitter zieht weiter, der Regen verstummt. Unter mir fühlen sich die kalte Fliesen lebendig und warm an. Ich liebe dieses Gefühl: Lebendigkeit. Die Stunden vergehen und endlich kann ich mich wieder bewegen. Ich stehe auf und gehe in die Küche. Ein warmer Kakao und eine Schnitte werden mir gut tun, nachdem ich meinen Mageninhalt in die Diele entlehrt habe. Ist etwas hier? Eine Blöde Frage! Nur ich bin hier, in meiner Wohnung. Der Kakao ist schnell gemacht. Hinter mir ist etwas; Ich wirbele herum. ER ist da! Ich fange an zu lachen: Es war alles umsonst, er steht direkt vor mir. Mein Gelächter überschlägt sich beinahe als er näher kommt, ich sacke zusammen und betrachte ihn mir von unten. "Ich will nicht sterben... Ich habe Angst", sagte ich und es verwunderte mich nicht ihn mit meiner Stimme sagen zu hören: "Das brauchst du nicht, nie wieder." Er lächelte mich an, und ich verstand und musste zurücklächeln.
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Ausschnitt aus der "Von Haus zu Haus" 21.06.2001:
EIN GRAUSIGER SELBSTMORD, geschah in der Nacht vom Freitag, dem 18.06 auf dem Samstag dem 19.06. Daniel S. Der von seinen Freunden als ruhiger, netter und immer hilfbereiter Mensch beschrieben wurde, erstach sich selber im Alkoholrausch und vermutlich als Folge seiner Entlassung in seiner Wohnung mit drei Stichen in die Brust. Nach unseren Informationen hatte Daniel S. schon einen Selbsmordversuch hinter sich, sowie eine einjährige psychologische Betreuung. Lesen sie Seite 32 im Spezial über "Selbsmord bei Jugendlichen" über Einzelheiten, und auf Seite 33 den Ratgeber "Ist mein Kind selbsmordgefärdet?"