Déjàvu
Der Himmel war dunkel und es regnete ununterbrochen. Müde und abgekämpft betraten die beiden Frauen das kleine Restaurant des Autohofes. Sie hatte lange und schwierige Verhandlungen hinter sich und die beiden Konkurrenten mussten sich letztendlich doch dem Willen des Kunden beugen. So wurde aus ihnen Partner mit fest eingeteilten Bereichen, die Eine konnte der Anderen nichts mehr anhaben. Nun wollten die beiden Frauen einfach nur in Ruhe einen Kaffee trinken bevor sie die anstrengende Rückreise antreten wollten. Sie fingen an sich zu unterhalten, fanden Gemeinsamkeiten und Sympathien. Der Kaffee wurde bestellt und gebracht. Eine wohltuende Stille trat ein in der jede ihren eigenen Gedanken nachgehen konnte. Neugierig ließ eine der Beiden ihren Blick durch den Raum wandern und zuckte auf einmal kaum merklich zusammen. Konnte das sein? Nein, eigentlich nicht und doch blieb ihr Blick an der Gestalt in der anderen Ecke des Raumes hängen. Sie kannte diesen Mann, sie war sich 100%ig sicher. Nie könnte sie dieses markant geschnittene Gesicht vergessen. Er sah auf, schaute sie direkt an und sie, ihres Blickes ertappt, versuchte sich wieder auf die Frau ihr gegenüber zu konzentrieren. Sie konnte der Unterhaltung doch nicht mehr folgen. Sie spürte wie die Erinnerung an die Zeit mit ihm zurück kamen.
Sie hatte ihn vor einigen Jahren durch Zufall über das Internet kennen gelernt. Sie hatten sich getroffen und einen schönen Abend verbracht. Er hatte sie vom ersten Augenblick an fasziniert. Er war galant, gutaussehend und eigentlich nicht so ganz ihre Liga und doch fanden auch diese Beiden Gemeinsamkeiten und aus der Nacht die folgte wurde mehr. Nie zuvor hatte sie bei einem Menschen solch intensive Gefühle entwickelt. Durch die Aufmerksamkeit die er ihr schenkte blühte sie regelrecht auf. Sie lernte nach so vielen dunklen Jahren wieder zu leben. Er zeigte ihr das sie sich fallen lassen konnte, dass man anderen vertrauen durfte. Nie hatte sie sich so lebendig gefühlt und doch blieb er die ganze Zeit doch irgendwie ein Fremder. Doch die Zeit des Glücks wehrte nicht lange und als es zu ende ging zerbrach sie fast. Sie wusste, dass sie es nicht ändern konnte und das sie ihn vergessen musste, doch sie schaffte es nicht. Erst sehr viel später wurde ihr klar, dass diese Zeit etwas ganz besonderes War. Er war der "eine" Mensch gewesen der ihr Herz so berührt hatte das er dort auch für immer einen kleinen Platz behalten würde. Es war die eine Begegnung die sie nie vergessen würde, auch wenn es für sie beide keine Zukunft gab. Diese Zeit hatte sie geprägt, sie hatte ihr gezeigt was es heißt zu leben. Selbst nach all den Jahren dachte sie immer noch zwischendurch an ihn und im Stillen dankte sie ihm für diese wunderschöne Zeit.
All diese Erinnerungen und Gedanken umspülten Sie genau in jenem Moment. Er war da, es war genau dieser Augenblick den sie insgeheim immer befürchtet hatte. Sie wollte ihn nicht wieder sehen, denn sie wusste das nur eine einzige Berührung, ein einziges Wort von ihm reichen würde um ihre Gefühle wieder in Aufruhr zu versetzen. Vorsichtig sah sie auf und schaute zu ihm herüber. Sein Blick ruhte immer noch auf ihr und es schien fast so als würde er innerlich einen Kampf ausfechten. Doch nach einem kurzen Augenblick schüttelte er langsam den Kopf und legte einen Finger über seine Lippen. Ihre Augen weiteten sich erschrocken, hatte er sie erkannt? Was sollte das bedeuten? Was wollte er ihr damit nur sagen? Die Frau ihr gegenüber fragte sie etwas und zwang sie dadurch wieder sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren. Nach einer Weile glitt ihr Blick wieder in die andere Ecke des Raumes, doch der Platz war leer! Nichts erinnerte daran wer dort gesessen hatte. War er wirklich dort gewesen oder war es vielleicht doch nur eine Einbildung gewesen, ein Déjàvu? Wie kam er dort hin, weit weg von zu Hause? Er war wieder fort, sie spürte noch einmal kurz einen kleinen Stich in ihrem Herzen.
Als die beiden Frauen kurze Zeit später das Restaurant wieder verließen schien die Sonne. Sie verabschiedeten sich freundschaftlich voneinander, wissend das sie wieder voneinander hören würden. Sie waren keine Konkurrentinnen mehr, sie waren Freunde geworden. Mit einem Lächeln stieg sie ins Auto. Sie hatte eine alte Liebe gesehen und eine neue Freundin gewonnen, so hatte ein harter und anstrengender Tag doch noch eine schöne Seite gehabt. Ob es nun ein Déjàvu war oder nicht!