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Damals=Heute

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19.11.2001
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Damals=Heute

Damals=Heute

Ich traf auf den alten Hitler, als ich hungrig durch einen Wald streifte und nach einem Café Ausschau hielt. Er saß auf einer schwarz gestrichenen Bank, hinter einem schwarz gestrichenen Tisch, vor einer schwarz gestrichenen Villa, streichelte mit der linken Hand ein schwarzes Kaninchen und stocherte mit seiner Gabel in einem Stück Apfelkuchen.
„Die Medien“, meinte er entschuldigend in Hinblick auf die eintönige Farbgestaltung, „die wollen das totale Klischee. Und schwarz ist böse. Ich habe sogar eine Zahnbürste mit schwarzen Borsten.“
Er justierte seine graumelierten Seitenscheitel, stand auf und rief mit gewohnter Stärke: „Heil Hitler!“
„Heil Hitler!“ erwiderte ich, als ich mich vergewissert hatte, dass mich keiner beobachtete.
„Ich dachte, sie seien tot.“
Er grinste.
„Das bin ich ja auch.“
Mein fragender Blick verlangte eine Erklärung.
„Nun ja, wie gesagt, Hitler ist zwar gestorben, aber er lebt weiter. Verstehen sie?“
Ich nickte, ohne seine Worte wirklich begriffen zu haben.
„Nun ja, wenn ich sie schon mal treffe: Wie haben sie es eigentlich geschafft ihr eigenes Volk ruhig zu halten, während sie andere folterten und ermorden ließen?“
Er winkte ab.
„Später, später. Wollen sie sich nicht erst einmal setzen und von dem Kuchen probieren.“
„Selbstgebacken“, fügte er verheißungsvoll hinzu. Ich konnte kaum ablehnen. Er reichte mir auf einem Teller ein Stück herüber und schüttete mir Kaffee ein. Als das Kaninchen von seinem Schoß hüpfen wollte, packte er dessen Nacken, zog es zurück und grinste zufrieden.
„Was wollten sie doch gleich wissen?“
„Wie sie es geschafft...“
„Richtig, richtig, wie ich es geschafft habe mein Volk ruhig zu halten, während andere sterben musste.“
„Genau, wie ist ihnen das gelungen?“
„Was denken sie?“
Die Frage verblüffte mich. „Äh, nun ja, ich denke durch ...Unterdrückung. Ja, ich denke, sie haben es ebenfalls unterdrückt.“ Er lächelte müde.
„Das denken die meisten und liegen damit ziemlich falsch. Es stimmt, es hat Verfolgungen gegeben, Abschreckungsmaßnahmen, aber...noch ein Stück Kuchen?“
„Gerne.“
Hitler konnte wirklich vorzüglich backen.
„Also, es hat zwar Repressalien gegeben, das bestreite ich nicht, gegen Juden, Feinde, aber nicht gegen den Großteil des deutschen Volkes. Und wissen sie, was die Menschen wirklich von einem Aufbegehren abgehalten hat.“
Er hielt inne und sog die Luft ein: „Sie waren zufrieden.“
Ich blicke ihn verständnislos an. „Wie, sie waren zufrieden?“
„Nun ja, die Situation war verheerend. Vor mir. Ich traf auf ein wirtschaftlich am Stock gehendes Land mit einer geradezu katastrophal hohen Arbeitslosenquote. Was gab ich ihnen also: Ich gab ihnen Jobs, ich baute Autobahnen, sähte den Samen für ein florierendes Vereinsleben und stillte somit ihre gröbsten Bedürfnisse. Sie waren zufrieden und somit gleichgültig. Blind. Sie bekamen einfach nicht mit, was sich vor ihrer Nase abspielten , da sie nicht weiter gucken konnte, als bis zur Spitze ihrer Nase. Darf ich ihnen Kaffee nachschenken?“
Ich nickte. „So einfach war das damals.“
„Das glaube ich nicht“, wies ich seine These zurück und sah von meinem Teller auf. Und in diesem Moment wies er auf das blutende Kaninchen, das die ganze Zeit auf dem Tisch verharrt hatte. Es befand sich bereits im Todeskampf. „Sehen sie“, meinte er spitzbübisch grinsend, „der Kuchen hat ihnen geschmeckt, oder?“

 

Mahlzeit!

Eine kleine Notiz vorweg ... Adolf hat selbst nie mit den Worten 'Heil Hitler' gegrüßt. Vielleicht morgens, im Spiegel, wenn keiner dabei war. Ansonsten hat er nur den Arm gerade mal eben so in abgewinkelter Position nach oben gekriegt. Bestenfalls ein "Gutten Toaaag!" hat er von sich gegeben.

Naja, ein gutes Thema, von der Sprache her gut gemacht. Ein guter Dialog und durch Kuchen und Kaffee den Vergleich zur Zufriedenheit herzustellen, ist gut gelöst. Wenn es auch durchaus noch ein paar mehr Aspekte gegeben hat. Zum Beispiel schlicht und einfach die Angst. Angst vor Verlust der Existenz, Angst davor, in den Gestapo-Keller zu müssen. Angst vor der Dennunziation. In jedem noch so kleinen Dorf gab es den Parteivorsitzenden, den Blockwart, den Kreisleiter. Und ein ganzes Volk in Zufriedenheit, nene ... da gab es wohl viele Zufriedene, aber mindestens genau so viele Opportunisten und welche die Angst hatten.

Und es gab einen Haufen Überzeugte. Im gesamten Reichsgebiet mit eroberten Ländern existierten von 1933 - 1945 ca. 44.000 Gestapo-Gefängnisse, Kriegsgefangenenlager, Arbeitslager, Erziehungslager, Konzentrationslager etc. Im sogenannten Altreich waren es schon über 8.000.

In vielen Fällen waren diese Terrorstätten mitten oder am Rande von stark bewohnten Gebieten (Saarbrücken, Buchenwald, Neuengamme, Dachau, Mauthausen ...). Oftmals wurden Menschen aus der näheren Umgebung als Wachmannschaften eingesetzt. Die Repressalien waren sogar sehr umfangreich. Insbesondere gegen SPD, KPD und Pfarrer der Bewegung um Bonhoeffer.

Es waren eine Vielzahl von Faktoren dafür verantwortlich, und die Zufriedenheit war nur einer davon.

Heiko

 

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