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Danach
Unter dem Apfelbaum, im Schatten, liegt sie seitlich auf einer Matte, das dunkle Haar umspielt den Hals und ihre Schultern, das längliche Kissen hält sie im Arm. Ein Stich von Eifersucht durchzuckt mich. Mich soll sie umarmen, nicht das Kissen! Aber das tut sie natürlich nicht. Nicht jetzt.
Ich kann nur froh sein, dass sie nicht abgehauen ist, geflüchtet zu einer ihrer unzähligen Freundinnen oder Aktivitäten. Bestimmt ist es die Hitze. Die macht träge. Ein leises „Chrrr“ entweicht ihrem Mund. Sie ist doch tatsächlich eingeschlafen. Ich gehe auf sie zu.
Manchmal bin ich auch völlig erschöpft nach einem Streit. Ich sitze dann nur heiser im Sessel und kann nichts tun, keinen Finger rühren. Das sind die Momente, wo ich den versprochenen Anruf bei meinem alten Vater vergesse, eine Verabredung verschiebe, ohne Bescheid zu sagen, wo ich nur sitze und nichts weiter tu. Als wenn sie mich mit ihren schrillen Worten oder dem feindseligen Ton mit einem Zauber überschüttet hat, oder einer Last bedeckt, und mein Körper tonnenschwer nicht mehr zu bewegen ist. Oft habe ich dann schon vergessen, welche Kleinigkeit denn diesmal der Streitpunkt war, nur mein Körper scheint alles zu speichern.
Jetzt hat sie also losgelassen, liegt auf der Matte entspannt wie ein Kätzchen, und das Handtuch, das sie als einziges Kleidungsstück bedeckt, ist über ihren Bauch hochgerutscht und gibt ihre Schenkel frei. „Du widerlicher Kerl“, ihre Antwort auf mein „Arschloch“, klingt mir noch in den Ohren, trotzdem zieht mich ihr Anblick magisch an. Dies ist die einzige Möse, die ich in den letzten achtzehn Jahren aus der Nähe betrachtet habe, deren Duft ich kenne, die ich immer wieder schmecke, und nichts hat sie von ihrer Magie verloren. Ihr damals mädchenhafter Körper hat sich verändert, ist weicher und runder geworden mit den Jahren, doch immer noch eine Quelle meiner Lust. Als junger Mann hätte ich mir das nie vorstellen können. Ich habe mit Langeweile gerechnet und Abstumpfung, und doch rührt mich ihr Anblick noch ein jedes Mal.
Ein „Süß“ entfährt mir unwillkürlich, wenn sie achtlos vor mir ihr T-Shirt wechselt und ihre nackten Brüste meinen Blicken freigibt. Sie pendeln jetzt ein wenig voller und schwerer als am Anfang unserer Beziehung, und ich möchte sie umfassen. Ich kann mich der Wirkung ihres Anblicks nicht entziehen, reagiere unwillkürlich und wünsche mir doch so sehnlich, mit derselben Aufmerksamkeit betrachtet zu werden. Manchmal fange ich einen bewundernden Blick auf meinen Oberarm auf, oder sie tätschelt meinen Hintern liebevoll, wenn sie an mir vorbeigeht. Doch oft meine ich Geringschätzung oder Überdruss wahrzunehmen, wenn sie das baumelnde Etwas zwischen meinen Beinen mit einem Blick streift. Dann fühle ich mich genauso klein und zurückgezogen.
Jetzt starre ich auf ihre bloße Vulva, und die Wörter, die zwischen uns stehen, verhallen im Nirgendwo. Ich möchte mich versenken, mit ihr verschmelzen, und alle Kränkungen dieser Welt zwischen uns auslöschen. Kurz überlege ich, ob ich mich neben sie lege. Nicht der Gedanke an das kalte Gras und die kleinen Fall-Äpfel, die hier überall verstreut sind und sich in meinen Körper bohren würden, halten mich ab. Wirklich Angst habe ich eher vor ihrer Reaktion: „Bist du denn verrückt geworden?“, könnte sie mich anfauchen. Oder ein hämisches: “Na, willst du deine Nummer durchziehen, egal, wie es mit uns steht?“
„Nummer.“ Damit schafft sie es, mein Bedürfnis nach Sex als etwas Abscheuliches niederzumachen, dass ich mir schon bei dem Gedanken daran als Vergewaltiger vorkomme. „Hast du denn nichts anderes im Kopf?“ , schreit sie mich dann an, und ich vergrabe mich in Schuld und Scham. Oder ich schlage zurück, habe ja schließlich die lautere Stimme, treffe sie mit einem „Du bist doch nicht normal!“ Soll ich der einzige sein, der sich in Frage stellt?
Ich sehe ihr Gesicht, das sich im Streit hässlich verzerrt, ein Spiegel meiner eigenen Mimik und denke an die angeekelt ausgespuckten Worte. Ich kenne auch den von Verzweiflung gebrochenen Blick, ihr leidvolles Winseln und tiefes Schluchzen. Jetzt scheint alles von ihr abgefallen zu sein, glatt und friedlich ruht ihr Gesicht, und nur noch die Rötung der Augen verrät, was geschehen ist.
Wenn ich wieder klar denken kann, sehe ich den Teufelskreis, in dem wir uns nach einem Streit so oft verfangen. Dann kann ich ihre Worte glauben: „Ich muss erst spüren, dass du mir wohlgesonnen bist, brauche erst Nähe, bevor ich mich dir öffnen kann.“ Und dann halte ich sie wie ein verschrecktes kleines Kätzchen, und kraule sie beruhigend, bis die Spannung in ihrem Körper nachlässt und sie sich an mich schmiegt. Wenn ...
Manchmal, da gibt sie meinem Drängen nach, als Gefallen, der lieben Ruhe wegen. Ich will nicht wahrhaben, dass sie noch nicht bereit ist, ich lass den Teil in mir verstummen. Ganz zärtlich liebkose ich sie und deute jeden Laut als Zeichen ihrer Lust, obwohl sie sich Zunge und Fingern entzieht und mir den Körper wie ein Stück Fleisch entgegenhält. Sie ist gar nicht da, das weiß ein Teil von mir, doch mein Stöhnen übertönt seine Rufe. Danach nur klebrige Reue.
Ein Windhauch streicht über uns hinweg, lässt die Blätter rascheln, und sie rekelt sich ein wenig und zieht sich das Handtuch über die Schulter. Ich sehne mich so nach ihr. Ich möchte jetzt, gerade jetzt, ihr Lachen hören, oder ihre Stimme, egal was sie erzählt, will eine Verbindung zwischen uns. Ich möchte ihr in die Augen sehen, dass sie, trotz allem, meine Liebe erkennen kann.
Wenn es gut läuft im Bett, wenn sich unsere Körper und Blicke verschränken, dann können wir uns in die Seele sehen. Manchmal reicht auch eine Kleinigkeit, um abzuheben. So wie gestern, als sie neben mir hockte und meinen Schwanz mit langen, gleitenden Bewegungen wachsen ließ. Sie hielt kurz inne, sah mich herausfordernd an und setzte sich dann auf meinen Schenkel, ihre klitschnasse Möse auf mein Fleisch gepresst. Blut schoss ein, und sie setzte sich auf meinen Schwanz, um mir den Rest zu geben.
Himmel und Hölle, beides mit ihr. Warum wir uns immer wieder festbeißen an all den banalen Sachen, um die sich das Kämpfen nie wirklich lohnt? Ich schüttele den Kopf über uns, und eine Träne fällt mir aus dem Auge. Direkt auf ihren Arm, und ich erschrecke. Sie blinzelt mich an, muss sich wohl erst orientieren, dann legt sich ein Schatten der Erinnerung auf ihr Gesicht, dann der erstaunte Blick auf ihren feuchten Arm.
„Ich verstehe“, sagt sie die Zauberworte.
„Ich auch“, flüstere ich.
Sie setzt sich auf und breitet die Arme aus, doch bevor ich die Matte erreiche, fällt ein Äpfelchen auf das Handtuch in ihrem Schoß.
„Heureka!“ sagen wir beide gleichzeitig und lachen.