Mitglied
- Beitritt
- 08.01.2024
- Beiträge
- 306
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 16
- Anmerkungen zum Text
Der Text entstand inspiriert von Achillus Geschichte Terminus und beinhaltet klar erkennbare Anleihen daraus. Der Autor gab sein Einverständnis hierfür.
Jorinde21, Friedrichhard und ein weiterer Kommentator (komme leider nicht mehr auf den Namen) halfen mir bereits den Text zu überarbeiten. Nochmals danke dafür!
Dann sind ja alle da
Im Westen flirrte noch immer die Hitze des ausklingenden Tages über der Stadt. Colin steckte sich eine Lucky an und warf sie dann sogleich in den Rinnstein. Fest dazu entschlossen, endlich mit dem Rauchen aufzuhören, ärgerte ihn der erneute Rückfall, aber der Anspannung des bevorstehenden Treffens wegen, fiel ihm sein Vorhaben schwer. Der Ire mit den rostroten Haaren fingerte eine angebrochene Packung Nicoretten aus der Gesäßtasche seiner Jeans und steckte sich eines der Kaudragees in den Mund. Er hasste den undefinierbaren Geschmack der zähen Masse bereits, obwohl er die Dinger erst gestern gekauft hatte.
Colin stand vor seinem Wagen und blinzelte in die untergehende Sonne, als die Frau neben ihn trat.
»Siehst müde aus«, sagte sie ohne Begrüßung. Etwas vertraut Mütterliches wohnte ihrer Stimme bei.
Der Rothaarige antwortete nicht, sah sie noch nicht einmal an.
»Gut«, meinte die Frau und lächelte, »dann direkt zu den Details.«
Colin spuckte das Kaubonbon aus und wandte sich dem Auto zu. »Den Namen«, sagte er beiläufig und öffnete die Wagentür, »mehr brauche ich nicht.«
»Eric«, sagte die Frau und der Ire erstarrte mitten in der Bewegung.
Jetzt sah er sie direkt an. Ein großes Fragezeichen prangte auf seiner Stirn.
»Frag nicht«, sagte sie kopfschüttelnd und wandte sich ab.
Colin verweilte ein, zwei Sekunden bei der offenen stehenden Wagentür, dann stieg er kommentarlos ein und fuhr los.
***
Am nächsten Morgen betrat der Ire den Diner, ging an einer Reihe Tische entlang und setzte sich auf einen Platz weit hinten. Er nickte dem Mann hinter dem Tresen zu, der kurz darauf Richtung Küche verschwand. Im Diner war kaum Betrieb. In der Nähe der Tür saßen drei Arbeiter von den Docks, am Tisch neben dem Tresen frühstückten die Kellnerin und die Reinigungskraft.
»Hallo, Colin«, sagte Eric, als er an den Tisch kam. Er stellte ein Tablett mit Kaffee, Speck und Eiern vor Colin ab. »Siehst blass aus.«
Der Rothaarige griff nach der Tasse und nippte von dem Kaffee.
»Hast du zu tun?«, fragte Eric und setzte sich auf den Platz gegenüber.
Colin zog das Tablett zu sich und begann zu essen. »Hab was in Aussicht«, sagte er.
»Gut«, meinte Eric und rieb sich die Stirn, »das ist gut«
Der Ire schob sich eine Gabel mit Rührei in den Mund, kaute und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er, »das ist es ganz und gar nicht.«
»Was meinst du?«, fragte Eric irritiert.
Colin legte die Gabel beiseite, schob den Teller von sich und blickte Eric in die Augen. »Hab sie getroffen und sie hat mir deinen Namen genannt.«
Eric lehnte sich zurück, wirkte wenig überrascht. »Da geht gerade ne Menge Scheiß ab«, sagte er und starrte auf seine Hände, die er nebeneinander auf die Tischplatte gelegt hatte. »Besser, du fragst erst gar nicht!«
»Hatte ich nicht vor«, sagte der Rothaarige und trank von dem Kaffee. »Und jetzt?«, fragte er, sah sein Gegenüber noch immer an.
»Ich könnte dir Geld geben«, sagte Eric.
»Wofür?«
Eric winkte ab, räusperte sich, wies mit dem Kinn auf die Straße hinaus.
»Du könntest abhauen«, sagte er wenig überzeugend, »den ganzen Scheiß einfach hinter dir lassen.«
Der Ire zuckte die Schultern. »Dann wird es ein anderer machen.«
Dann schwiegen die beide Männer.
Als Colin den Diner verließ, begann es zu regnen. Er zog die Kapuze über den Kopf und ging die Straße hinunter bis zur Ecke, wo sich nachts Nutten und Stricher feilboten. Im Augenblick lief Colin allein auf dem Gehsteig, trotzdem konnte er die abgerissenen Figuren der Nacht vor sich sehen, wie sich ihre dunklen Gestalten auf dem feuchten Straßenpflaster widerspiegelten.
Abhauen. Ja, der Gedanke war ihm in letzter Zeit häufiger gekommen. Und was dann?
***
Der Ire eilte die wenigen Stufen zur angelehnten Tür hinunter und ging hinein. Am Billardtisch kreidete ein drahtiger Mann sein Queue, sah kurz zu ihm her. Colin ging an ihm vorüber und lehnte sich in dessen Rücken gegen die Wand. An den Tischen hockten derbe Typen, wortkarg und mürrisch. Ein paar spielten an den Dartautomaten, am Tresen lehnte ein riesiger Kerl, der Colin seit seiner Ankunft keine Sekunde aus den Augen ließ.
»Was willst du hier?«, fragte der Hagere am Billardtisch, legte die Kreide beiseite, beugte sich über den Tisch und machte seinen Stoß.
Der Ire antwortete nicht, versuchte lediglich alle Anwesenden im Blick zu behalten.
Die Kugel schoss über das Grün und versenkte knallend eine andere in einer der Ecktaschen. Der Mann legte das Queue auf den Tisch und drehte sich zu dem Rothaarigen um. »Besser, du hast einen verdammt guten Grund, hier unaufgefordert aufzukreuzen!«
Der Riese am Tresen hatte sich zu voller Größe aufgerichtet und war zwei Schritte näher gekommen. Der Ire fixierte ihn einen Augenblick, ehe er an unbestimmte Adresse sagte: »Klara hat Eric aufgerufen.«
Der Hagere wirkte einen Moment beeindruckt, ehe sich ein Grinsen auf sein kantiges Gesicht schlich und er amüsiert meinte: »Und ausgerechnet du sollst das machen.«
Der Ire stand da und wartete ab.
»Und was willst du nun von mir?«, wollte der Mann am Billardtisch wissen.
»Dein Wort«, antwortete Colin prompt, »dass keiner deiner Leute ihn anrühren wird.«
»Mach deinen Job«, entgegnete der Hagere grinsend, »und es gibt keine Veranlassung dazu.«
»Wir wissen beide, dass das nicht passieren wird.«
»Na dann.«
Der Rothaarige senkte den Blick und nickte schnaubend mit dem Kopf. Er fixierte die dreckigen Steinfliesen und fragte: »Wo ist Richie?«
»Ich bin hier«, kam es von weiter hinten.
»Na dann sind ja alle da«, meinte Colin leise und zog den Splint aus der mitgebrachten Granate.