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Das alte Haus

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07.10.2001
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Das alte Haus

Es war alt. Sehr alt. Irgendwann um 1730 erbaut worden. Es war bekannt in der Gegend, und es wurde gemieden. Es lag einsam in einem Waldgebiet. Die Leute in den umliegenden Dörfern erzählten sich unheimliche Geschichten, die mit diesem Haus zusammenhingen. Man erzählt sich, das der Erbauer des Hauses mit dem Teufel einen Packt geschlossen habe, denn er wurde sehr alt. Außerdem verschwanden immer wieder Menschen aus der Gegend, die das Haus besucht hatten. Man vermutete damals, das Sir Reginalt, der Besitzer des Hauses, sie für seine Zwecke geopfert hätte. Es hatte noch einige Nachbesitzer gegeben, doch kurz nach ihrem einziehen in das Haus, wurden sie nie mehr gesehen. So stand das Haus nun die letzten hundert Jahre leer. Niemand würde dort einziehen, denn man sagte, das Haus der Toten würde sich seine Opfer holen. Es war Freitag und kurz vor 23 Uhr. Ein kleiner roter Fiat fuhr die alte Landstraße hinunter. In seinem inneren befanden sich vier Personen. Benni, der Fahrer des Wagens, sein Kumpel Steve, Michael und seine Freundin Linda. Sie wollten eigentlich in eine Disco fahren, die ein Paar Dörfer weiter lag. Doch tags zuvor war ein Baum auf die alte Scheune gefallen, und somit fiel die Disco erst einmal für ein paar Wochen aus. Die Stimmung in dem Wagen war dementsprechend. Es gab nicht allzu viele Alternativen hier auf dem Land. Die Straße wand sich durch die Täler und Berge, die Wälder auf der einen, die Täler auf der anderen Seite. Plötzlich sahen sie Reginalt Hall. Nur die Spitzen des Daches erhoben sich aus den Kronen der Bäume. Schon so oft hatte Linda dieses Bild gesehen, doch jedes mal bekam sie eine Gänsehaut. Da hatte Steve eine Idee. "Mutprobe"?, fragte der, als er sich auf dem Beifahrersitz umdrehte und auf Michael und Linda schaute. Noch bevor jemand antworten konnte schob er schnell hinterher: "Wir konnten uns doch einmal Reginalt Hall genauer ansehen. Ich meine, wir haben ja sowieso nichts vor, und bei Vollmond ist es noch einmal so schaurig". Benni fuhr langsamer und stoppte den Wagen am Straßenrand. "Spinnst du"?, fragte Linda. "In dieses Geisterhaus willst du hinein"?


*


"Wieso eigentlich nicht", unterstützte ihn Benni und wendete den Waagen, denn sie hatten den Weg der zum Haus führt vor ein paar Minuten hinter sich gelassen. Michael sagte nichts und wurde von seiner Freundin schon komisch angeschaut. "Ich... nun ja ich weiß nicht ob es eine gute Idee ist", sagte er schließlich und wurde mit einem Lächeln von Linda belohnt. Er wusste wie sie über das Haus dachte. "Da hat ja einer Angst", provozierte Steve. "Ruhe jetzt", sagte Benni. "Ich muss mich auf diesen scheiß Feldweg konzentrieren". Sie hatten schon den Weg eingeschlagen und würden noch ein paar Minuten bis zum Anwesen brauchen. Der Weg war alles andere als eben. Die Federn des Fiat knarrten bei jeder Bodenwelle. Die vier jungen Leute wurden stark durchgeschüttelt. Der Wald war auf beiden Seiten sehr dicht, so das alle das Gefühl hatten durch eine dunkle Schlucht zu fahren. Benni schaltete das Fernlicht ein. Die scharfen Lichtfinger stachen in die Dunkelheit und ließen die Bäume noch unheimlicher aussehen. Hier war der Wald noch gesund. Anders als die Wälder in der nähe der Großstädte. Plötzlich änderte sich das Bild, die saftig grünen Laub - und Nadelbäume wurden vor kranken, knochigen, hässlich aussehenden Bäumen abgelöst. Auch die Sträucher und Grasbüschel sahen irgendwie vertrocknet und verdorrt aus. Der Boden hatte sich ebenfalls verändert, er wirkte irgendwie tot, als ob man ihm sämtliche Lebenskraft geraubt hätte. Er war staubig und ließ nichts aus sich gedeihen. Nach einer weiteren Kurve sahen sie Reginalt Hall. Benni wurde automatisch langsamer und stoppte den Wagen vor einer Reihe Bäumen. "So da währen wir", sagte er. Linda fühlte sich irgendwie beobachtet. Steve und Benni drehten sich zu den Beiden um und Steve meinte: "Was ist jetzt, kommt ihr mit"? "Auf gar keinen Fall betrete ich dieses Haus", sagte Linda mit fester Stimme, und schaute Michael dabei herausfordernd an. "Na schön, und was ist mit dir Michael, kommst du mit oder hast du Schiss? Wir steigen schon mal aus", meinte Benni. Die beiden Türen des Fiat schwangen auf und zwei Gestalten schoben sich aus dem Wagen, schlugen die Türen zu und gingen ein paar Meter weiter, um an der Baumreihe stehen zu bleiben.


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"Ich will nicht, dass du in dieses Haus gehst. Du kennst doch die Geschichten, oder?, meint Linda. "Ich muss aber gehen, sonst halten sie mich für einen Feigling, und ich habe keine Lust, dass es das ganze Dorf erfährt". Linda schaute Michael aus ängstlichen Augen an. Er nahm sie in seine Arme und hörte sie mit weinerlicher Stimme sagen: "Lieber feige als Tot! Bitte bleibe bei mir, ich habe solche Angst." Er streichelte ihren Rücken und flüsterte Ihr ins Ohr: "Tut mir leid". Dann drückte er sie von sich weg und stieg aus. Allein im Wagen blieb eine ängstliche Linda, die ahnte, das ihren Michael etwas schlimmes passieren würde. Michael war zu den beiden Anderen gegangen und wurde von Steve mit den Worten "Na hast du deiner Tusse endlich mal gezeigt wer der Boss ist?" begrüßt. Michael schaute ihn grimmig an. "Na gut, na gut, tut mir leid", sagte Steve, der schon damit rechnete eine verpasst zu kriegen. "Gehen wir" ! Die Drei entfernten sich von dem Wagen an dem immer noch das Fernlicht eingeschaltet war. Seine hellen Lichtkegel schnitten sich in die Dunkelheit und strahlten noch schwach das düstere Anwesen an. Irgendwie schien das Gebäude das Licht zu verschlucken. Linda sah, das sie sich immer weiter vom Wagen entfernten und näher auf dieses schreckliche Haus zu gingen. Ihre Bewegungen waren nicht mehr so wie früher irgendwie sahen sie hölzern aus. Im Auto hielt es Linda nicht mehr aus. Sie stieg aus und zündete sich eine Zigarette an. Sie wollte eigentlich damit aufhören, Michael zuliebe, aber jetzt brauchte sie einfach eine um sich zu beruhigen. Schnell stieß sie den Rauch aus und sah dabei immer die drei jungen Männer weitergehen. Sie hatten das Haus fast erreicht. Vier oder fünf Meter noch dann würden sie die Veranda betreten. Lindas Herz schlug schneller. Sie sah wie Benni die Tür aufzog und in das Haus hinein ging. Sie wollte nach Michael rufen, und ihn bitten zurück zu kommen, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Jetzt waren auch die beiden Anderen im Haus verschwunden. Die Tür schloss sich hinter ihnen. Linda hatte aber nicht sehen können, das einer von ihnen sie geschlossen hätte. Die Tür war wie von Geisterhand ins Schloss gedrückt worden. Stille! Das war alles was Linda wahrnahm, sie starrte gebannt auf das Haus, als sie plötzlich eine Stimme hörte: "Komm, komm, komm her. Wir warten auf dich. Komm ins Haus". Die Stimme war weder von Benni noch von Steve oder Michael.


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Aber sie schien ihr bekannt vorzukommen. Sie war so verlockend. Linda merkte gar nicht, das sie während der letzten paar Sekunden dabei war, auf das Haus zu zugehen. Sie hörte nur diese Stimme. Je näher sie kam um so intensiver wurde das Rufen. Dann blieb sie mit der Schuhspitze an einer Wurzel hängen und fiel hin. Das riss sie wieder in die Realität. Linda hörte zwar noch die Stimme, war aber schon dabei wieder zurück zu laufen. Sie fiel auf die Motorhaube des Wagens und blieb erst einmal liegen. Die Stimme war verschwunden. Nach ein paar Minuten kam sie wieder auf die Füße und starrte erneut auf das Haus. Oh ja, sie hatte verfluchte Angst. Angst vor dem Haus. Sie sah kein Licht hinter den Fenstern, des düsteren unheimlichen Gebäudes. Plötzlich wurde die Stille zerfetzt. Das Mädchen hörte ihre Freunde schreien, es waren Schreie, wie sie sie noch nie zuvor gehört hatte, Schreie in Todesangst. Ihr wurde heiß und kalt. So schrie nur ein Mensch, der etwas furchtbares gesehen hatte, und die ganze Angst vor seinem nahen Tode herausschrie. Jetzt schrie auch das Mädchen. Sie schrie in die Nacht hinaus. Dann war es wieder still. Totenstill. Mit weit geöffneten angsterfüllten Augen stand Linda da, wie zur Salzsäule erstarrt. Dann öffnete sich knarrend die Haustür. Niemand war zu sehen, niemand verließ das Haus. Ein Lachen drang ihr entgegen, und dann wieder die lockende Stimme: "Komm, wir haben deine Freunde bei uns aufgenommen. Komm du fehlst ihnen". Plötzlich sah Linda wieder klar. Sie sprang in den Wagen, startete den Motor und jagte den Rückwärtsgang in das Getriebe. Sie wusste jetzt, das ihre Freunde Tot waren. Doch sie konnte es noch nicht begreifen. Mit Vollgas fuhr sie den Holprigen Weg zurück. Der Fiat ächzte und stöhnte. Auf der Landstraße angekommen drehte sie den Wagen in Richtung Heimatdorf und gab Stoff. Sie registrierte überhaupt nicht, das sie auf dem besten Wege war sich umzubringen. Erst als sie die Ortsschilder sah, fuhr sie langsamer und hielt schließlich vor ihrem Haus.


*


Oben im Schlafzimmer warf sie sich auf ihr Bett und weinte. Irgendwann schlief sie weinend ein. Am nächsten Morgen rannte sie zur Kirche. Denn der Pfarrer, der dort auch wohnte, war nach dem Tod ihrer Eltern immer wie ein Vater zu ihr gewesen. Onkel Henry nannte sie den fast 60 Jährigen Mann. Sie klingelte an seiner Tür und nach einigen Augenblicken wurde ihr auch geöffnet. Sie fiel dem Pfarrer weinend in die Arme. "Was ist denn Kind"; versuchte er sie zu beruhigen, während er sie in sein Wohnzimmer brachte. Er setzte sie auf das schon etwas in die Jahre gekommene Sofa. Sie erzählte mit knappen Worten, was sich am vorherigen Abend ereignet hatte. Der alte Mann wurde bleich, und erinnerte sich an seine Jugend, in der er auch in der nähe des Hauses gewesen war. "Jetzt hör mir gut zu", sagte er. "Als ich ein junger Priester war wurde ich zu diesem Haus gerufen, um es von seinem neuen Besitzer segnen zu lassen. Ich wollte das Haus zuerst gar nicht betreten, denn es wirkte so düster und unheimlich, das ich mich fragte, wer es wohl darin aushalten würde. Aber plötzlich wollte ich nur noch in dieses Haus hinein, ich konnte meine Gedanken nicht mehr ordnen. Erst als ich vor der Eingangstür stand, wurde ich wieder klar im Kopf, denn das Kreuz, das ich immer um den Hals trug fing auf meiner Haut an zu brennen. Nur durch diesen Schmerz wurde mir bewusst, was hier geschehen währe, wenn ich nicht ein Mann der Kirche gewesen währe. Ich war seit diesem Zwischenfall nicht mehr in der nähe des Hauses." Linda sah ihn aus großen Augen an. Der Alte knöpfte sein Hemd auf und zeigte Linda seine nackte Brust, auf der zwei Narben in Form eines Kreuzes waren. "Mein Kreuz ist damals völlig verglüht und hat mir dieses Zeichen als ewige Erinnerung hinterlassen", sagte er während er sich das Hemd wieder zuknöpfte. "Du solltest schnell mit der Polizei reden, Kind". Er geleitete Linda zu Tür und sagte: " Wenn ich nur zehn Jahre jünger währe würde ich dich jetzt unterstützen, aber es geht nicht, tut mir leid" Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und der alte Mann wurde leicht rot. "Aber was sollen denn die Leute denken", meinte er und schloss die Tür. Linda stieg in den Fiat und fuhr in die nächste Stadt, denn dort war auch die Polizeistation. Hier im Dorf gab es keine. Während der Fahrt ließ sie den vergangenen Abend noch einmal Revue passieren. Sie kam sich so verdammt klein vor. Als sie die Stadt erreicht hatte, liefen ihr ein paar Tränen die Wangen herunter. Sie stellte den Wagen auf dem Parkplatz einer Gaststätte ab und überquerte die wenig befahrene Straße. Als sie vor dem Eingang zum Polizeigebäude stand, wollte sie weglaufen, doch ihr fiel der Pfarrer ein, er würde enttäuscht sein. Sie ging die Stufen zum Eingang hinauf und öffnete die Tür. Ein freundlicher Beamter fragte sie was sie wolle und sie erzählte ihm die ganze Geschichte. Er ließ sich von ihr genaue Beschreibungen der Drei geben und versprach ihr sich noch heute um diesen Fall zu kümmern und zum Haus zu fahren. Aber das wollte Linda nicht, sie schrie den Mann an.


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Er reagierte erst einmal nicht darauf und beruhigte sie wieder und versprach vorsichtig zu sein. Er holte einen Kollegen, der Linda nach Hause fuhr. Den Wagen wollte die Polizei vorerst behalten. Als Linda zu Hause war stellte sie sich erst einmal unter die Dusche und legte sich dann ins Bett. Sie schlief sehr schnell ein. Erst als das Telefon klingelte wurde sie aufgeschreckt. Sie hatte fast Acht Stunden geschlafen. Am Telefon war die Polizei, die ihr berichtete, das die Eltern der Vermissten die Jungen noch heute Morgen in dem Dorf gesehen hätten. Deshalb würde nichts weiter unternommen. Außerdem habe ein Beamter die Drei auf dem Weg in die Stadt auf der Landstraße getroffen. Sie wollten nach Hause gehen. Linda wollte und konnte es nicht fassen, bedankte sich aber trotzdem und wählte sofort die Nummer ihres Freundes. Die Mutter von Michael ging an den Apparat. Linda verlangte Michael zu sprechen und wunderte sich das seine Mutter mit einem freundlichen "Kleinen Moment, ich hole ihn" antwortete, als ob nichts geschehen sei. Michael klang etwas verschlafen und fragte wo sie letzte Nacht gewesen sei, nachdem sie das Haus verlassen hatten. "Ich hörte euch schreien und dachte ihr währt Tot", verteidigte sich Linda. "Ach was, wir sollen geschrieen haben, das hast du dir eingebildet", sagte er mit einem gewissen Unterton in der Stimme. Linda wollte sofort zu ihm, er aber sagte: "Wir wollen uns sowieso alle um Neun Uhr auf der kleinen Lichtung außerhalb des Dorfes treffen. Sei pünktlich da". Er legte auf. Linda schaute den Hörer erstaunt an. Hatte sie sich wirklich geirrt? Ja, so muss es sein. Als sie auf die Uhr schaute stellte sie fest, das es schon halb Neun waren. Wenn sie pünktlich sein wollte musste sie sich beeilen. Sie zog sich an, und fuhr mit dem Fahrrad, begleitet von den letzten Sonnenstrahlen, aus dem Dorf, Richtung Wald. Diesen weg war sie schon viele male gefahren, und doch kam er ihr heute heller vor als sonst. Vielleicht war es auch die Freude, das ihre Freunde noch lebten. Sie stellte das Rad an einem Baum in der nähe der Lichtung ab und ging die letzten paar Meter zu fuß.


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Die Lichtung war leer. Keine Spur von ihren Freunden. Als sie auf die Uhr schaute, stellte sie fest, das es schon fünf nach Neun war. Sie beschloss zu warten. Nach zirka zehn weiteren Minuten, die Sonne war jetzt schon vollständig verschwunden, hörte sie ein rascheln im Gebüsch hinter ihr. Sie drehte sich um und sah ihre Freunde auf die Lichtung zugehen. Sie bewegten sich immer noch hölzern, wie gestern Abend. Sie erklärte sich dies mit dem unebenen Boden. "Na das seid ihr ja endlich. Das hat man gern, einem erzählen sei bloß pünktlich, und dann selber zu spät kommen", sagte sie und versuchte ein Lächeln über ihre Lippen zu bringen. Sie merkte selber das es ihr nicht gelang. Dann lachten die Drei und Steve sagte: "Wir sind doch pünktlich, pünktlich zum Sonnenuntergang". Ihre Stimmen kamen ihr so fremd vor, und dann wusste sie auch warum. Die Drei hatten sich um sie gestellt und Lächelten kalt. Jetzt fiel ihr auch auf, das sie sehr bleich waren, wie Tote! Dann öffneten die drei Freunde wie auf ein Stichwort ihre Mäuler und bei jedem schoben sich zwei gewaltige Eckzähne aus ihren Gebissen. Mein Gott, sie sind ja Vampire! Das waren ihre letzten Gedanken bevor sich die Blutsauger auf sie stürzten....


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