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Das alte Landhaus

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03.09.2008
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Das alte Landhaus

Er hatte das alte Landhaus in einem Katalog entdeckt. Klein und unscheinbar hatte es dort gestanden zwischen den mächtigen Ferienanlagen, die mit ihren riesigen Terrassen und ausladenden Balkonen an zu groß geratene Hochzeitstorten erinnerten. „Widerlich“ musste er sich damals im Stillen gedacht haben, die überdimensionalen Bettenburgen vor sich, und sein Blick war gleichsam als ob es das Natürlichste auf der Welt wäre an diesem unscheinbaren, englischen Landhaus hängen geblieben, das er noch in derselben Woche besichtigt und wenige Tage nach Unterzeichnung des Kaufvertrages bezogen hatte.

Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen: Das grauschwarze, lang gezogene Schieferdach, die backsteinfarbene Hauswand mit ihren winzigen Fenstern und der gemütliche, kleine Vorgarten mit Veranda – Genau wie er es sich schon immer gewünscht hatte. Der größte Trumpf aber, so hatte er jedenfalls befunden, lag in Ruhe und Abgeschiedenheit, die ihm seine neue Bleibe bescherte. Eine Ruhe, für die er bereit gewesen wäre auf nahezu alles in seinem Leben zu verzichten.

An jenem Spätsommertag im August saß er wie üblich in seinem kleinen Garten und ließ seinen Blick über die Landschaft schweifen. Bäume, so weit sein Auge reichte, tiefe, unendliche Wälder, die am Horizont mit dem Himmel verschmolzen und sich in dünnen, weißen Schlieren verloren – Vorboten des nahenden Gewitters. Den ganzen Tag über schon hatte eine unangenehme Schwüle in der Luft gelegen, das hatte er selbst in seiner Oase hier inmitten des Waldes gespürt und so überraschte es ihn nicht, dass sich zu den Dunststreifen jetzt allmählich auch dicke, weiße Wolken gesellten, die sich nach und nach zu verdunkeln begannen. Langsam und stetig, ohne etwas überhasten zu wollen, schoben sie sich vor die rötlich schimmernde Sonne und begannen mit den langen, durchsichtigen Dunststreifen zu kontrastieren - Ein Licht – und Schattenspiel, an dessen Ende die Dunkelheit siegen würde, dumpf und schwer wie eine Bleikugel.

Es hatte ungewöhnlich wenig geregnet in den letzten Wochen, die Flüsse zeigten mancherorts bereits Austrocknungserscheinungen und so wartete die Natur beinahe schon sehnsüchtig auf das bevorstehende Schauspiel – Immer in der Hoffnung, dass seine Akteure ihre Rollen nicht überzogen.

Ein Windstoß fuhr durch sein Haar. Noch immer saß er fast starr in seinem kleinen Lehnstuhl auf der Veranda, zufrieden, die Hände in seinen Schoss gebettet und den Blick auf das weite Meer in Grün gerichtet, welches vor seinen Augen sanft zu vibrieren begann, den langsamen, gleichmäßigen Bewegungen einer Rauchschwalbe folgend.

Die Zeit zog an ihm vorüber wie ein launiger Vogel. Stunden erschienen ihm wie Minuten, eine Minute füllte in seinem Empfinden gerade einmal den Moment eines Fingerschnippens – Einen jener Augenblicke, die er am Liebsten auf eine Leinwand gebannt hätte, um immer und immer wieder darin eintauchen und mit ihnen verschmelzen zu können, ein Ausdruck der absoluten Glückseligkeit jenseits von Raum und Zeit.

Er schloss die Augen. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er wohl noch den gesamten, restlichen Tag so verbracht – In seinem Lehnstuhl sitzend, vor sich hindösend, den Duft von Tannenreisig in der Nase und die unausgesprochene Gewissheit, mit sich und der Welt im Reinen zu sein. So aber spürte er einen plötzlichen Ruck, einen unangenehm heftigen Stoß gegen den Kopf und im Anschluss daran vernahm er ein lautes Krachen. Der Sonnenschirm war umgekippt und hatte ihn im freien Fall derart unsanft gestreift, dass er mit seiner Hand jetzt ein Taschentuch gegen die linke Stirnseite drückte, um seine Blutung zu stillen. Er fluchte kurz, wartete einen Augenblick, steckte das blutige Taschentuch wieder ein, bückte sich, spannte den Sonnenschirm ab, klemmte ihn unter den Arm und machte sich auf den Weg nach innen. Der Himmel hatte sich inzwischen in ein bedrohliches Schwarz verwandelt, ein weiterer Grund, seine Träumereien allmählich in die warme Stube zu verlegen. Er hörte, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel und gleichzeitig der Wind an den Fensterläden zu rütteln begann.

Das Innere des Landhauses konnte man grob in zwei Stockwerke unterteilen, in dessen Unterem sich der Hauptraum, ein lang gezogenes, großzügig angelegtes Wohn – und Speisezimmer, befand, das an seiner Westflanke in eine kleine Landküche mündete. Auf gleicher Höhe mit der Schwingtür, welche die beiden Räumlichkeiten voneinander trennte, führte in der Südwestecke des Zimmers eine schmale, alte Holztreppe in den ersten Stock, der zwei Schlafräume, seine Werkzeugkammer und ein Badezimmer beherbergte.

In der Mitte des Wohnzimmers thronte eine ca. zwei Meter breite und acht Meter lange Tafel, die ein antiker Kerzenhalter und ein Aschenbecher zierten. Rund herum standen jeweils in einem Abstand von zirka einem halben Meter zirka dreißig altmodische Holzstühle.

Gegenüber der Tafel, links neben der Eingangstüre, befanden sich an der Ostflanke des Raumes ein Glastisch, ein altmodisches Sofa und eine lang gezogene Sitzgruppe, daneben, in Richtung der südlichen Seitenwand, ein landhaustypischer Kaminofen und ein ca. 4 m langes Bücherregal.

Die Wände zeigten sich mit Ausnahme der Stirnwand, die ein paar Jagdbilder zierten, kahl. An der Südfront stand etwa auf gleicher Höhe mit dem Kerzenhalter und in einiger Entfernung vom Bücherregal ein massiver Einbauschrank aus Eichenholz, der ein wenig die Sicht auf die gegenüber liegende Treppe verdeckte. An der rechten Seitenwand gaben zwei schmale Fenster den Blick in den Vorgarten frei, unweit davon sprang die schwere Eichenholztüre ins Auge, an deren rechter Seite wiederum ein Lichtschalter angebracht war, der den von der Decke hängenden, mächtigen Luster bediente.

Genau diesen Lichtschalter betätigte er jetzt auch, bevor er sich an den Glastisch setzte, auf dem ein Becher und eine Flasche Rum standen. Er schenkte sich ein paar großzügige Schlücke davon ein und machte es sich am Sofa gemütlich. Ein Griff an seine Stirn zeigte ihm, dass seine Blutung inzwischen aufgehört hatte und so beschloss er, das Verbandszeug vorerst ruhen zu lassen. Stattdessen griff er zu seinem Lieblingsbuch und schlug die Seite 50 auf. In diesem Thriller, der von einer Studentengruppe erzählte, die sich während eines Gewittersturms in einem Wald verlaufen hatte und Opfer eines blutrünstigen Serienkillers geworden war, ging der Kommissar gerade einer Fährte, die zum Versteck des Mörders führen sollte, nach.

Zufrieden lehnte er sich zurück. Er liebte solche Bücher. Sie gaben ihm die Stärke, die innere Kraft, die er in seiner Abgeschiedenheit brauchte. Und die Gewissheit, nicht allein zu sein…

Er las ein paar Seiten – Bis zu der Stelle, an der der Kommissar das Versteck gefunden hatte – und legte das Buch dann beiseite. So würde ihm noch ein wenig Spannung bleiben.

Ein Blick auf die Uhr. 17.20. Da hatte er noch Zeit. Seine Spaziergänge unternahm er nie vor 18.00, zumindest im Sommer nicht, denn untertags trieben sich zu viele Leute im Wald herum und die konnte er nicht gebrauchen. So viel stand fest.

Er stand auf, ging zum Einbauschrank und entnahm ihm ein Feuerzeug und einen Aschenbecher.

Der Wind draußen hatte inzwischen Sturmstärke erreicht und drückte unentwegt gegen Fenster und Türen. Ein kurzer, flackernder Lichtschein streifte sein Gesicht. Er schüttelte den Kopf. Wenn es so weiterging, würde er heute wohl gar nicht mehr rauskommen. Der Gedanke daran bereitete ihm Kopfzerbrechen.

Fluchend stellte er den Aschenbecher auf den Glastisch, kramte in seiner Hosentasche nach einer Packung „Marlboro“ und zündete sich eine Zigarette an, als er plötzlich ein Knarren vernahm.

Seltsam. Was konnte das sein? Er glaubte, dass das Geräusch von innen kam. Von oben, um genau zu sein. Und oben müsste eigentlich alles ruhig sein, denn er hatte vor dem Hinausgehen sowohl Fenster als auch Türen geschlossen.

Kopfschüttelnd nahm er einen tiefen Zug aus seiner Zigarette, blies den Rauch aus und neutralisierte den Zigarettengeschmack in seinem Mund mit einem kräftigen Schluck Rum.

Der Sturm draußen wurde von Minute zu Minute stärker, erbarmungslos rüttelte er an Fenster und Türen. Er stand auf und überlegte sich, wie er das Fensterglas schützen könnte, das trotz seiner relativen Dicke angesichts der Naturgewalt jeden Moment zu bersten drohte.

„Die Lexika“, schoss es ihm durch den Kopf. „Ich werde die Lexika auf die beiden Fensterbretter stellen, das wird das Glas ein wenig stabilisieren“ Er wusste selbst, dass dieser Plan nicht besonders durchdacht war, aber etwas Besseres fiel ihm auf die Schnelle nicht ein.

Er steuerte auf das Bücherregal zu, als er erneut das seltsame Knarren hörte. Diesmal war er sich sicher, dass das Geräusch von innen kam. Wie angewurzelt blieb er stehen und blickte auf den Deckenleuchter. Es hatte sich so angehört, als ob jemand auf dem Schlafzimmerfußboden über ihm getreten wäre. Mit einer ausladenden Handbewegung wischte er diesen Gedanken beiseite. Das konnte nicht sein. Seit Jahren war niemand außer ihm im Haus gewesen.

Ein greller Lichtschein spaltete den Himmel, wenige Sekunden darauf folgte ein ohrenbetäubender Knall. Das Gewitter hatte die unmittelbare Umgebung erreicht.

Er hielt den Atem an. Wie auf Zehenspitzen schlich er zum Bücherregal und entnahm ihm zwei achthundertseitige Wälzer, zwei vergilbte, alte Lexika, die ihrem Aussehen nach bestimmt schon ein paar Kriege miterlebt hatten.

Vorsichtig bewegte er sich, die beiden Lexika unter dem Arm, in Richtung der Fenster, als er ein drittes Mal das seltsame Geräusch vernahm.

Schritte. Das Knarren von Schritten.

Schweißperlen traten ihm auf die Stirn. Was, wenn hier tatsächlich jemand eingedrungen war? Er erinnerte sich daran, dass er auf der Veranda zuvor kurz eingedöst war …

Beinahe augenblicklich legte er die Bücher auf den Tisch, drehte sich um und begann, in seiner rechten Hosentasche zu kramen. Auch das noch! Seine Knarre war verschwunden.

Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Es gab sicher eine logische Erklärung für diese Geräusche und auch dafür, dass er plötzlich keine Beretta mehr in seiner Hosentasche spürte.

Während der Orkan draußen einem neuen Höhepunkt entgegen strebte, überlegte er fieberhaft, wo er „seine schwarze Freundin“ hingelegt haben könnte. Es wollte und wollte ihm nicht einfallen.

Der Himmel hatte inzwischen seine Schleusen geöffnet, Wasserfontänen peitschten unaufhörlich gegen Fenster und Türen. Ein Blitz war gerade im Begriff, sich ein neues Opfer zu suchen, als es ihm schoß. Der Kopfpolster, ja natürlich. Warum hatte er nicht gleich daran gedacht? Es war ihm jetzt schon mehrmals passiert, dass er auf seinen abendlichen Steifzügen die Pistole vergessen hatte, deshalb hatte er beschlossen, sie auf den Kopfpolster zu legen. Um auf Nummer sicher zu gehen. Gewohnheitsmäßig wechselte er nämlich, bevor er außer Haus ging, die Kleidung und vergaß die Pistole dann in letzter Zeit öfters in der Schmutzwäsche. Am Kopfpolster, so war zumindest seine Überlegung, würde sie ihm ins Auge springen und nachdem er sie untertags ohnehin nie brauchte, erschien ihm dieser Ort auch sehr praktisch. Bis jetzt zumindest. Im Augenblick erwies er sich als äußerst unpraktisch für ihn, denn wenn es tatsächlich einen Eindringling gab, einen Verrückten oder - schlimmer noch - einen Bullen, dann war sie ihm jetzt wohl in die Hände gefallen.

Der Gedanke daran ließ ihn erschaudern. Was wollte dieser Kerl überhaupt von ihm? Hatte er irgendeinen Fehler gemacht?

Nahezu lautlos erhob er sich und schlich zur Küche. Auf Höhe der Tafel hielt er kurz inne. Kalter Schweiß rann ihm über den Rücken. Da war es wieder! Tap, tap, tap. Schritte, daran bestand kein Zweifel mehr. Jemand musste in sein Haus eingedrungen sein.

Jetzt hieß es schnell handeln. Flink wie ein Wiesel glitt er stumm an der Tafel entlang. Sein Herz hämmerte mit den dicken, schweren Regentropfen um die Wette, begleitet vom dumpfen Heulen des Windes und dem unsteten, grellen Flackern der Blitze, die die Landschaft draußen Sekunde für Sekunde in ein schreiendes Gelb tauchten.

Er versuchte, die Geräusche zu abstrahieren, Außen von Innen für sich zu trennen, doch angesichts der Bedrohung und des dröhnenden Lärms gelang ihm das immer weniger.

Hatte er sich die Schritte am Ende vielleicht nur eingebildet? War er Opfer einer Sinnestäuschung geworden? Mit diesen und ähnlichen Gedanken versuchte er sich zu beruhigen.

Ein oder zwei Meter trennten ihn noch von der Schwingtür zur Küche, als er plötzlich einen ohrenbetäubenden Knall vernahm. Beinahe gleichzeitig ging das Licht aus.

Er blieb stehen und lauschte. Regen und Wind, sonst nichts. „Der Strommast“, fuhr es ihm durch den Kopf. Der Sturm musste den Strommast geknickt haben.

Seine Hände vibrierten. In der Dunkelheit war er ein Nichts, da würde er den Kampf verlieren. Schon als Kind hatte er sich im Keller ohne Licht immer gefürchtet. Sein Orientierungssinn erwies sich schon bei Helligkeit als nicht besonders ausgeprägt, im Dunkeln aber, und das wusste er, würde er ein Spielball seiner Umgebung sein. Einer Umgebung, in der sich jetzt ein bewaffneter Einbrecher befand.

Er fluchte in sich hinein. Mit einem Mal erschien ihm seine sonst so friedvolle Umgebung wie ein zähnefletschendes Ungeheuer, aus dessen Schlund gelbe Feuerstreifen entwichen und dessen einziges Ziel darin bestand, alles zu vernichten, das ihm in die Quere kam.

Zu allem Überdruss schien jetzt auch noch eine Fensterscheibe geborsten zu sein, jedenfalls spürte er, wie Wind und Feuchtigkeit in den Raum drangen.

Sein Puls bewegte sich in schwindelerregenden Höhen , als er vor der Küchenlade stand und beinahe lautlos ein langes, scharfes Messer herauszog.

Trotz des Lärms, der durch das undichte Fenster jetzt noch erbarmungsloser nach innen drang, hörte er die Schritte inzwischen so deutlich, dass es ihm die Kehle zuschnürte. Das Messer dicht an seine Brust gepresst, tastete er sich in Windeseile zur Küchentür zurück, schob sich so leise er konnte hindurch und arbeitete sich wieder in Richtung Ofen vor.

Die Schritte näherten sich der Treppe. Leise, etwas undeutlicher jetzt, denn Sturm und Regen verwischten die Geräusche so sehr, dass man sie kaum noch voneinander unterscheiden konnte und obendrein war auch noch ein stetes Donnerrollen zu hören.

Sein inneres Fluchen verschmolz mit dem Jammergeheul des Windes, als er in der Dunkelheit gegen eine Tischkante stieß. Der Schrei erstarb ihm in der Kehle, sodass nur ein undefinierbarer, abgehackter Laut entwich, ein Fragment jenes Schmerzes, der in diesem Augenblick seinen ganzen Körper durchzuckte.

Die Schritte wurden wieder lauter. Sein Atem gefror zu Eis. Robbend bewegte er sich am Boden entlang zum Einbauschrank.

Der Einbauschrank. Der würde seine einzige Chance darstellen, das hatte er sofort erkannt. Bücherregal und Sofa schienen ihm zu klein, er musste sich hinter dem Einbauschrank verstecken und warten, bis der Angreifer über die Treppe herunter kam. Alles andere wäre zu gefährlich, zumal er mit seiner Waffe klar im Nachteil war und ein gezielter Schuss aus seiner Beretta genügte, um ihn niederzustrecken.

Auf allen Vieren kroch er zum Tisch. Er überlegte kurz, ob er nach dem Feuerzeug greifen sollte, verwarf diese Idee aber rasch wieder, da er nicht das geringste Risiko eingehen durfte. Er musste seinen Eindringling im Dunkeln überraschen und dabei hatte er vielleicht sogar bessere Karten, als es ihm anfänglich schien, denn wenn der Typ das Haus verlassen wollte, das wusste er, würde er durch diesen Raum und wohl auch am Schrank vorbei müssen - Es sei denn, er wagte den Sprung aus einem der Schlafzimmerfenster, was angesichts der Höhe aber nicht ohne gröbere Verletzungen abgehen würde. Oder er nahm den Weg um die Tafel herum. Daran hatte er nicht gedacht. Verdammt! Obwohl, wenn er den Weg um den Tisch herum nahm, begab er sich in die Gefahr, in der Dunkelheit dagegen szu stoßen, ja vielleicht sogar zu stürzen, und jeder Sturz bedeutete einen Zeitvorsprung für seinen Gegner. Dieses Risiko würde der Typ nicht eingehen, da war er sich sicher. Wenn er sich überhaupt so gut auskannte.

Ha! Plötzlich fühlte er sich wieder stark. Er blieb eben doch der Hausherr in seinem kleinen Schloß.

Die Schritte kamen jetzt die Treppe herab, langsam und bedächtig näherten sie sich ihrem Opfer. Er spürte, dass der Eindringling geradeaus gehen würde.

Jetzt nur nichts verraten. Der kleinste Hinweis konnte über Leben und Tod entscheiden. Der Angreifer konnte nicht wissen, wo er war. Er würde es vielleicht erahnen, aber was bedeutete das schon in der vollkommenen Dunkelheit, in der selbst ein Holzsessel noch ausreichenden Sichtschutz bot.

Seine Haut fühlte sich wie eine leere Hülle an, unter der ein brodelnder Vulkan schlummerte. Dunkelheit und Nässe rissen Löcher in den Raum, die nur das unstete, grelle Flackern der Blitze gelegentlich zu füllen vermochte.

Die Schritte hallten durch das Treppenhaus, als wollten sie es mit dem Donner aufnehmen. Auf einmal, urplötzlich und zum ersten Mal in seinem Leben, begann er die Dunkelheit zu lieben. Dieselbe Dunkelheit, die ihm eine solche Furcht eingejagt hatte als Kind. Die Dunkelheit, die ihm jetzt rettend zur Seite stehen würde. Die Dunkelheit, mithilfe der er jetzt seinen Eindringling bezwang..

Er hielt das Messer fest umklammert. Sein ganzer Körper schien auf Kampf programmiert, jeder Muskel verriet Angriffssignale. Angst und Schweiß lagen in der Luft. Die Spannung - nahezu unerträglich.

Genau zwei Meter trennten ihn noch von seinem Angreifer. Er konnte seinen Atem förmlich riechen, als er, das Messer noch immer fest umklammernd, in einer ausholenden Bewegung seine rechte Hand über den Kopf hob.

Er sah seinen Eindringling im Geiste bereits taumeln und zu Boden gehen, als es ihm urplötzlich schoss. Sein Atem.

Noch bevor er den Gedanken zu Ende führen konnte, spürte er einen Windhauch. Ein gellender Schrei und ein Schuss. Und dann…


… ging das Licht an.

Eine dumpfe Männerstimme ertönte . „Nein, nein, nein!!!“ Tiefes Aus – und Einatmen.

„Das ist jetzt das dritte Mal, dass wir diese Szene drehen und Sie verlieren schon wieder die Nerven! Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie müssen den SCHUSS abwarten.“

Entnervt fuhr sich der Regisseur durch sein Haar und gab den Blick auf sein Kamerateam frei, das hinter der sorgsam aufgebauten Kulisse zum Vorschein trat.

Wind – und Lichtmaschine verstummten, die Gießkanne fieberte ihrer Verschnaufpause entgegen. „Jetzt haben wir uns solche Mühe gegeben, die ganze Sequenz in einem durchgedreht und Sie kippen in der letzten Sekunde! Ein bisschen bessere Nerrrrrven, mein Herrr“

Der Regisseur rollte das „rrr“, als wollte er sich seine Zunge beschädigen. „
„Ein Hauch hätte noch gefehlt und Sie wären tot gewesen, Herr Fuchsberger. Hin, kaputt. Verstehen Sie. Das, was Sie den ganzen Nachmittag lang schon wollen.“

Er stieß einen Seufzer aus. Die Lichtmaschine blinkte, als wollte sie Herrn Fuchsbergers entnervten Blick durchbohren und ihm zu verstehen geben, dass er sich augenblicklich wieder in den Lehnstuhl auf der Veranda setzen wird müssen.

„Eine kurze Pause, das hält ja sonst keiner aus“, wimmerte der Regisseur vor sich hin, nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Amarettoflasche und begann die Szenerie zu begutachten. Das letzte Mal für heute, das schwor er sich, denn das nächste Mal würde Herr Fuchsberger sterben – So oder so, wenn es sein musste.

 

Hallo loom,

im ersten Drittel deiner Geschichte verlierst du dich in Beschreibungen des Hauses/Schauplatzes, was mir hier viel zu ausführlich ist. Gerade als Einstieg in die Geschichte halte ich das für wenig geeignet. Es passiert einfach nichts, da ist nichts, was neugierig auf die Geschichte macht, und somit kommt auch keine Spannung auf. Um Atmosphäre zu erzeugen, fehlt es an den speziellen, aussagekräftigen Details. Du beschreibst zwar ausführlich, bleibst insgesamt aber zu allgemein. Hier kannst du kräftig kürzen. Deinen Protagonisten charakterisierst du so gut wie gar nicht. Hier fehlt mir auch ein wenig der Hintergrund. Ich erfahre nur, dass er zurückgezogen in dem Haus lebt, normalerweise ständig eine Waffe trägt (warum auch immer) und seine Spaziergänge immer erst nach 18.00 Uhr macht. Ich erfahre nicht, wer da durchs Haus schleicht, es könnte ein x-beliebiger Einbrecher sein. Hier könntest du die Geschichte weiter ausbauen, mehr auf die Figuren eingehen, zumal sich die Handlung im Grunde auf eine Szene beschränkt. Sorry, aber für eine Geschichte ist mir das zuwenig. Auch das Ende nicht neu, ich meine, hier schon eine Geschichte mit genau dieser Pointe gelesen zu haben.

Gruß, Stefan

 

Hallo loom!

Das Grundsätzliche, was ich zu deiner Geschichte sagen möchte, zitiere ich aus deinem Text: „Nein, nein, nein!!!"
Diese "Pointe" ist ungefähr genauso schlimm, als wenn da gekommen wäre: Es war alles nur ein Traum. Scheußlich unbefriedigend, sorry. (Ich fühle mich bei sowas immer fürchterlich verarscht, was mich nicht gerade dazu anregt, weitere Texte vom Autor zu lesen.)
Ansonsten schließe ich mich Stefan an.

Warum machst du nicht aus der Andeutung, die der allerletzte Satz deines Textes bietet, eine Geschichte?

Grüße
Chris

 

Hallo!

Zunächst einmal sorry für die späte Reaktion. Bin die letzten zwei Wochen mehr oder weniger außer Gefecht gewesen.

@Stefan: Hab' dir in einer PM geantwortet.

@Chris: Das war mir schon klar, dass dir der Schluss nicht gefallen würde. Ich musste ihn aber wählen aus dem einfachen Grund, dass es hier um die Beschreibung einer Szene geht und nicht um eine komplexe, in sich abgeschlossene Geschichte.

Das muss man vielleicht wissen, bevor man den Text liest, insofern kann ich eure Kritik durchaus nachvollziehen.

Worum es mir hier ging, waren das Experimentieren mit der Sprache, das Erzeugen von Stimmungen und der Spannungsaufbau. Ich habe hier bewusst keine Geschichte im eigentlichen Sinn erzählt, sondern mehr einen Ausschnitt, eine Szene. Deshalb musste ich auch diese "Pointe" wählen.

Ansonsten: Schade, dass euch das Atmosphärische/Sprachliche nicht gefallen hat.Was diese Aspekte betrifft, habe ich mir nämlich sehr viel Mühe gegeben und auch sehr viel Zeit dafür verwendet, aber es ist wie es ist.

loom

P:S: Deine Anregung, Chris, werde ich allerdings eventuell aufgreifen.

 

Hallo loom,

mir haben die Beschreibungen vom Haus und der Umgebung sehr gut gefallen. Eine tolle Spannung hast du aufgebaut (jetzt sitze ich in meinem alten Haus und lausche auf jedes Geräusch!) und weil es so flüssig und spannend geschrieben war, kann ich dir sogar das Ende verzeihen. ;o)) Wäre er aufgewacht und du hättest das alte "alles nur ein Traum Ende" benutzt wäre ich echt deprimiert gewesen. Dieses ist besser, aber eben immer noch ein Ende das den Leser ein wenig verkohlt zurück läßt.

Also mir hat es gut gefallen und ich fühle mich sehr gut unterhalten!

Schöne Grüße
MrsMurphy

 

Hallo loom,

ich habe sie mal gezählt: die ersten 7 ! Absätze könnten geraffter sein, kürzer, prägnanter, denn erst ab der Hausinnenbeschreibung baut sich Spannung in deiner Geschichte auf.
Und dann ging es mir im Grunde wie MrsMurphy: den Schluss verzeih ich dir. :D

Weil bis dahin jede Menge knisternde Spannung erzeugt wird und die Geschichte mich immer fahriger machte, ich immer schneller das Ziel, nämlich die Entladung der Spannung erreichen wollte. Wenn deine sog. Schreibübung sein sollte, dass du Spannung erzeugst, halte ich das Übungsziel für erreicht.

Für eine wirklich in jeder Hinsicht gelungene Geschichte hätte aber der Anfang straffer sein müssen, denn hier werden viele Dinge beschrieben, die eigentlich nur vom Beginn der Kerngeschichte abhalten und das Ende hätte auch ein gutes Krimiende sein müssen.

Fazit: trotz der Mängel eine gut lesbare Story.

Lieben Gruß
lakita

 

Re

Hallo noch einmal

und ein fettes "Danke" für eure Kritiken. Freut mich, dass es doch Leute gibt, die der Geschichte auch etwas Positives abgewinnen können.

Dennoch: Da sich immer noch zwei Aspekte finden, zu denen noch niemand etwas geschrieben hat, vielleicht noch einmal kurz meine Gedanken als Autor:

Wie schon erwähnt, lag mein Hauptaugenmerk beim Schreiben auf der Schilderung von Atmosphäre, am Spannungsaufbau und auch ein wenig auf dem Spiel mit der Sprache.

Wer sich einen komplexen Plot oder gar einen Rätselkrimi von der Geschichte erwartet, der ist nach der Lektüre wahrscheinlich - zurecht - enttäuscht. Darum ging es mir hier nicht, darum werde ich mich voraussichtlich in meiner nächsten Geschichte kümmern:-)

Im Grunde genommen gibt es in der Geschichte (Und ab einem bestimmten Zeitpunkt ist das, denke ich, auch klar) ja auch nur eine Fragestellung: Nämlich: Schafft es der Ich - Erzähler den Einbrecher zu erledigen oder nicht? Eine dritte Lösungsvariante läßt die Szene ab einem gewissen Zeitpunkt ja kaum noch zu, es sei denn, es würden plötzlich neue Figuren auftauchen. Dann wäre der Leser aber vermutlich verwirrt gewesen bzw. hätte man die Geschichte weiterführen müssen.

In Bezug auf die oben genannte Fragestellung weist der Text aber imho durchaus ein Krimiende auf. Ein Simples zwar, aber ich finde, es ist eines. Deshalb wundert es mich, dass niemand etwas dazu geschrieben hat bzw. sich alle auf die anschließende Auflösung der Szene stürzen, die der "Geschichte" ja eigentlich nur einen Rahmen gibt.

Mittlerweile überlege ich sogar, ob ich sie weg lassen soll - Es müsste theoretisch sogar funktionieren. Fakt ist ja, dass der Protagonist in der Szene erschossen wird.

Und hier kommt meine Frage: Habt ihr bei Lektüre des Textes als Leser damit gerechnet, d.h. das Problem des Protagonisten erkannt, das ihm letztlich zum Verhängnis wird oder habe ich das nicht deutlich genug herausgebracht? Anders gefragt: War dieser Schluss für euch logisch oder eher unerwartet? Was sagt ihr dazu?

Noch einmal: Ich meine hier den Abschluss der Szene, nicht die anschließende Auflösung.

Ein weiterer Punkt, zu dem noch keiner was geschrieben hat, wäre der sprachliche Aspekt. Meine Absicht im ersten Teil war es, das Bild einer ländlichen Idylle zu erzeugen, welche dann sukzessive in 3 Schritten (zuerst harmlos - umstürzender Sonnenschirm, dann Unwetter und dann Eindringling) durchbrochen werden soll. Da gebe ich euch auch Recht, da gibt es zu Beginn einige Längen, da ich den Teil zum Üben von Landschaftsbeschreibungen "mißbraucht" hab';-)

Aber trotzdem: Vielleicht mag noch wer was zur Sprache (Bildmethaphern etc)schreiben. Ihr dürft mich dabei ruhig verreißen:-)

So. Ansonsten trotzdem "Danke" an alle Kritiker. So lange schreibe ich ja jetzt auch noch nicht und da ist jeder Feedback natürlich hilfreich.

Schönes Wochenende!

loom

 

Hallo loom,

ich hab jetzt deine Geschichte noch mal gelesen und bin schon beim ersten Absatz hängen geblieben. Irgendwas stimmt da nicht. Was macht denn das Landhaus (bzw. ein Foto davon) in einem Katalog mit Ferienanlagen? Es scheint sich da ja um einen Urlaubskatalog zu handeln, was noch nachzuvollziehen wäre, wenn es sich bei dem Landhaus um ein Ferienhaus handeln würde. Als solches würde es aber wohl kaum in einem Urlaubskatalog zum Verkauf angeboten werden. Vielleicht meinst du es ja anders, aber dann fände ich es unklar formuliert. Die Ferienanlagen finde ich auch insofern problematisch, weil der Eindruck entstehen kann, dass sie sich auch örtlich in der Nähe des Landhauses befinden – mit der ländlichen Idylle wäre es dann vorbei.

Ein weiteres Problem sehe ich darin, dass die ersten beiden Absätze Rückblenden sind. Diese hast du zwar grammatikalisch richtig in die Vorvergangenheit gesetzt, aber genau da beginnt das Problem: Durch die vielen „hatte“ versaust du dir den Stil (in den Rückblenden) schon im Ansatz. Rückblenden finde ich immer problematisch, man sollte sie wann immer es geht vermeiden oder, wenn das nicht geht, als Szene aufbauen.
Hier würde ich die ersten beiden Absätze ganz rausschubsen. Die Informationen, soweit sie notwendig sind, kannst du auch anders vermitteln.

Du verwendest auch im weiteren Text häufig kleine Rückblenden. Solange sie nicht länger als ein Satz sind, finde ich sie nicht sooo störend, aber es sind auffallend viele. Ein Satz ist mir allerdings ins Auge gesprungen:

Es war ihm jetzt schon mehrmals passiert, dass er auf seinen abendlichen Steifzügen die Pistole vergessen hatte, deshalb hatte er beschlossen, sie auf den Kopfpolster zu legen.
Sicherlich meinst du Streifzüge, aber worum es mir geht, sind die beiden „hatte“. Das zweite „hatte“ kannst du eliminieren, indem du den Satz aufteilst: ..., dass er auf seinen abendlichen Streifzügen die Pistole vergessen hatte. Deshalb lag sie jetzt auf dem Kopfpolster.
Zähl mal die „hatte“ (einfach im Word mit „Bearbeiten“ und „suchen“, dann farbig markieren). So viele wie möglich eliminieren.

Vom Stil her lässt sich deine Geschichte flüssig lesen, allerdings ist er für meinen Geschmack zu adjektivlastig. Ich nenne nur mal ein Beispiel:

Das grauschwarze, lang gezogene Schieferdach, die backsteinfarbene Hauswand mit ihren winzigen Fenstern und der gemütliche, kleine Vorgarten mit Veranda – Genau wie er es sich schon immer gewünscht hatte.
... der gemütliche, kleine Vorgarten ...
Was macht den Garten gemütlich? Gemütlich kann vieles sein. Das ist viel zu allgemein. Besser wäre ein Ausdruck, der den Garten präziser beschreibt. Nur ein Beispiel, du müsstest dir im Grunde den Text ausdrucken und jedes Adjektiv markieren. Dann frag dich bei jedem, ob es wirklich nötig ist und ob es nicht ein präziseres gibt. Ansonsten ist der Text schön fehlerfrei, die wenigen, die drin sind, sind Flüchtigkeitsfehler.

Atmosphäre erzeugst du mit deinen Beschreibungen schon, allerdings finde ich, dass es für eine Geschichte oder auch Szene einfach zu viel ist. Als Schreibübung finde ich es ganz okay, aber die ganzen Beschreibungen bremsen auch. So genau will ich das gar nicht wissen, vor allem, weil du auch Dinge beschreibst, die für die Handlung gar nicht wichtig sind.

Dazu noch ein Zitat von Stephen King:

Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass es sowieso nicht um den Schauplatz geht, sondern um die Story – es geht immer um die Story. Es ist nicht in meinem Interesse, - und in Ihrem auch nicht -, sich im Dickicht der Beschreibungen zu verlieren, nur weil sich das anbietet. Wir haben noch andere Eisen im Feuer.
Quelle: Das Leben und das Schreiben

Wie gesagt, als Schreibübung finde ich es ganz okay.

Gruß, Stefan

 

Sorry

dass ich diese alte Geschichte/Szene jetzt noch einmal hervorkram'. In manchen Punkten hab' ich sie überarbeitet.

Nachdem hier viele sich am Schluss (Filmsetting) gestoßen haben: Meint ihr, es wäre besser, diesen zu skippen und die Szene mit dem Tod des Lanshausbesitzers enden zu lassen?

Der viel kritisierte Schluss ist ja nur Mittel zum Zweck, nämlich die Szene als Szene kenntlich zu machen. Die eigentliche Spannung im Text ergibt sich ja aus der Frage: Was passiert zwischen dem Eindringling und dem Landhausbesitzer?

Bitte noch einmal um kurzes Feedback:-) Morgen gibt's übrigens was Neues.

loom

 

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