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Das Bild auf dem Rathaus in Oberbüggenbach

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08.12.2004
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Das Bild auf dem Rathaus in Oberbüggenbach

Auf dem schönen alten Rathaus in Oberbüggenbach ist ein großes anachronistisches Gemälde angebracht. Es stellt eine blonde bäuerliche Familie dar, und darunter steht in großen schwarzen Frakturlettern: "So ist sie, die ordentliche Deutsche Familie". Und wären es keine Frakturletter sondern übliche Buchstaben hätte man es längst aus Entnazung zugemalt.
So aber ist es das einzige Zeugnis des passiven Widerstands Oberbüggenbachs gegen die Nazis durch die dreisteste Missachtung des Frakturverbots. Die dreisteste Missachtung in der gesammten Gegend und... hiesige Dissidenten wissen das: die absichtlichste und dreisteste im ganzen Land.
Das ganze Land (zumindest der präsentablere Teil dessen), durch die Oberbüggenbacher vertreten, sah furchtbar gerne, stundenlang, in das Wandbild. Es konnte sich darin immer wiedererkennen. Das Bier vor dem Gesicht des wortkargen Familienvaters erweckte immer den Kneipengeschmack auf den Zungen der hiesigen Väter während die hiesigen Mütter ob der ehrlichen Widergabe des alltäglichen Nähens ganz frohsinnig wurden.
Das Immer hatte aber erstaunlicherweise ganz abrupt ein Ende gefunden. Als diese Väter und Mütter zu Großeltern geworden waren, began das Bild aufeinmal alle ganz dreist anzuwidern.
Alle. Ausnahmslos alle. Die Jungen, die Alten, die Neuen. Alle. Bald schon fand sich kaum einer der es willentlich beäugte. Es wurde angekritzelt, angepisst von Säufern. Und niemand hat sich drum geschert. Die ordentlichen Leute verzogen sich, allein schon wenn ihr Blick es streifte, hochindigniert das Gesicht.
Und so drang dieses entartete Nazibildchen in die dörfliche Tagespolitik ein. Dorfradikale wollten es umbedingt weg (sie wollten es gar verbrennen!) und bald waren auch Moderate von diesem Willen befangen und gaben ihn anschließend (entsprechend moderat) im selbigen Rathaus kund.
Der Bürgermeister ordnete mit gebrochenem Herzen die Verlagerung in's Heimatkundemuseum (am Waldesrand) an. Er hat es nicht gewollt, aber ihm bleib ja nichts anders übrig.
Auch das Gewissen des Dorfes (dessen Intellektuelle) wollte es nicht. Aus seiner historischen Perspektive erkannten es nämlich die durch das Bild erst neulich verbüßte phänomenale hypnotische Wirkung und zog sich, ehe es zu spät wurde, zwecks Aufklärung Experten aus der städtischen Universität zurate: Soziologen, Kunsthistoriker, Theologen. Diese kamen nach erhitzen Debatten zu einem einheitlichen Schluss: Das Bild ist ganz objektiv für das Rathaus zu widerlich, und dennoch war der Herr Bürgermeister voreilig gewesen mit seinem Museum. Eine kleine Korrektur hätte ja gereicht, aufdass die offenkundig anachronistische Darstellung nicht mehr ganz so offenkundig ist und aufdass die Oberbüggenbacher von dem eigentlichen, dem antinazistischen, Inhalt nicht mit abalieniert werden.
Das Bier wurde zu Baccardi, anstatt der örtlichen Tracht kam ein Anzug. Die deutsche Mutter musste ihr Kopftuch zugunsten einer schwarzen lesbischen Freundin (samt T-Shirt in PACE-Farben) aufgeben. Die weidende Kuh hinten wird zu einem tankenden Minivan und aus dem erniedrigenden Nähinventar wurde eine stolze phalloide Gurke.
Der letzte Strich kam vom Psychoanalytiker. Er wies die beschäftigen Maler darauf hin, dass das "Deutsche" mit dem großen 'D' unangenehme Assoziationen weckte. Und so, nach dem Rat eines Germanisten, wurde eine 'Bundesfamilie' daraus.

"So ist sie, die ordentliche Bundesfamilie"

 
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Hallo General Midi!

Es ist zwar nicht uninteressant, was du uns da über ein Bild der ordentlichen deutschen Familie erzählst, aber wo bitte ist die Geschichte?

Und wären es keine Frakturletter sondern übliche Buchstaben hätte man es längst aus Entnazung zugemalt.
Soweit ich weiß, heißt es Entnazifizierung.

Gruß, Manuela :)

 
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Guten Abend, General Midi!

Das ist ja eine wunderhübsche Geschichte! Ich hab sie sehr gern gelesen und viel dabei gelacht.
Deine Sprache gefällt mir sehr gut, und biestiger Humor wird auch gern gekauft, vor allem am Sonntagabend.
Ich hatte beim Lesen den Eindruck, einem Menschen zuzuhören, der souverän und saukomisch zu erzählen weiß und mit dem man sich auf keinem noch so öden Fest langweilen muß.
Gerade weil mir die Geschichte so gut gefällt, würde ich Dir dringend raten, sie zu überarbeiten, denn vieles ist superschlampig geschrieben (Schreiben ist anstrengender als Sprechen). Manches davon stört mich überhaupt nicht, weil ... anderes hingegen ... lies, Autor, was mich Leser bewegt:

Und wären es keine Frakturlettern, sondern übliche Buchstaben, hätte man es längst aus Entnazung zugemalt.
Manuela Korn hat recht: Entnazung gibt es nicht. Trotzdem liebe ich das Wort. Ein tolles Wort. Vielleicht hast Du es absichtlich verwendet? In dem Fall: Glückwunsch. Ansonsten auch Glückwunsch.
Vielleicht könnte "aus Gründen der Entnazung" oder "Im Rahmen der Entnazung" runder klingen als einfach "aus Entnazung". Ich sehe zwar, daß Du gern schluderst, aber schnörkeln tust Du ja auch gern.
Die dreisteste Missachtung in der gesammten Gegend und... hiesige Dissidenten wissen das: die absichtlichste und dreisteste im ganzen Land.
gesamt mit einem m, unglückliche Interpunktion, der Kleine Deutschlehrer schlägt vor:
"Die dreisteste Missachtung in der gesamten Gegend und, hiesige Dissidenten wissen das, die absichtlichste und dreisteste im ganzen Land."
Das ganze Land (zumindest der präsentablere Teil dessen), durch die Oberbüggenbacher vertreten, sah furchtbar gerne, stundenlang, in das Wandbild. Es konnte sich darin immer wiedererkennen.
Vorschlag 1:
"... sah furchtbar gerne stundenlang in das Wandbild."
Ohne Kommata wäre hier der Rhythmus besser.
Dann die Klammer. Die ist doof, mit dem dessen am Schluß. Und warum ist sie kursiv? So wär's schöner:
Das ganze Land, zumindest dessen präsentablerer Teil, durch die Oberbüggenbacher vertreten,
Im folgenden Satz
Es konnte sich darin immer wiedererkennen.
schreibst Du "es" und beziehst Dich auf das ganze Land. Das ist aber fern, näher liegen hier schon die Oberbüggenbacher, darum wäre es griffiger zu schreiben:
"Sie konnten sich darin immer wiedererkennen."
Das Bier vor dem Gesicht des wortkargen Familienvaters erweckte immer den Kneipengeschmack auf den Zungen der hiesigen Väter, während die hiesigen Mütter ob der ehrlichen Widergabe des alltäglichen Nähens ganz frohsinnig wurden.
Sehr hübscher Satz. Fettes Komma fehlt. "immer" würd ich entweder streichen, da es schon im Satz davor kommt, oder trotzig noch ein "immer" vor ganz frohsinnig machen, weil das Immer im nächsten Satz besonders betont und zum Substantiv erhoben wird. Natürlich kennst nur Du allein hier Deine Immer-Intention.
Als diese Väter und Mütter zu Großeltern geworden waren, begann das Bild auf einmal alle ganz dreist anzuwidern.
Alle. Ausnahmslos alle.
Das Kursiv ist überflüssig. Daß "alle" wichtig ist, kommt klar genug raus. Es steht immerhin viermal geschrieben, so daß es auch unaufmerksame, müde Leser sicher zweimal lesen.
kaum einer, der es willentlich beäugte
Und niemand hat sich drum geschert.
Das ist so ein Satz, der mir gut gefällt, weil er in der falschen Zeit steht und schluderig ist.
Die ordentlichen Leute verzogen sich, allein schon wenn ihr Blick es streifte, hochindigniert das Gesicht.
ein sich zuviel im ersten Satzteil
Dorfradikale wollten es unbedingt weg (sie wollten es gar verbrennen!) und bald waren auch Moderate von diesem Willen befangen und gaben ihn anschließend (entsprechend moderat) im selbigen Rathaus kund.
weg ist zuwenig. Weghaben wäre eine Lösung.

Von einem Willen ist man nicht befangen, sondern beseelt oder erfüllt.

Die zweite Klammer könntest Du überhaupt weglassen. Und das Kursiv sowieso.
Die erste Klammer steht vielleicht nur da, weil Du das Ausrufezeichen haben wolltest. Aber das geht auch ohne Klammer prima, Satzendzeichen vor Komma, herrlich, wie bei E.T.A. Hoffmann:
"...weghaben, sie wollten es gar verbrennen!, und bald waren auch Moderate ..."
Ein tiefer Seufzer für die verlorene alte Rechtschreibung.

die Verlagerung ins Heimatkundemuseum (am Waldesrand) an. Er hat es nicht gewollt, aber ihm blieb ja
Hier übrigens auch: Falsche Zeit, aber klingt charmant.
Und das Kursiv in der Klammer, hatte ich das schon erwähnt? Da war doch was.
Auch das Gewissen des Dorfes (dessen Intellektuelle) wollte es nicht. Aus seiner historischen Perspektive erkannten es nämlich die durch das Bild erst neulich verbüßte phänomenale hypnotische Wirkung und zog sich, ehe es zu spät wurde, zwecks Aufklärung Experten aus der städtischen Universität zurate
Diese Passage ist kaputt. Völlig verwurstet. Das mußt Du ganz anders schreiben, damit es irgendwie stimmt.
So z.B. würde halbwegs ein Schuh draus, vorausgesetzt, ich habe verstanden, was Du eigentlich sagen wolltest:

"Auch die Intellektuellen, das Gewissen des Dorfes, wollten es nicht. Aus einer historischen Perspektive heraus erkannten sie nämlich die unlängst verbürgte phänomenale hypnotische Wirkung des Bildes und zogen, ehe es zu spät wurde, zwecks Aufklärung Experten aus der städtischen Universität zu Rate ..."

Diese kamen nach erhitzen Debatten zu einem einheitlichen Schluss:
einem würd ich ersetzen mit folgendem. Dann werden die Tempusfehler im nächsten Satz eher verziehen. Außerdem täte vor dem Schluß ein Absatz gut. Das gilt übrigens für die gesamte Geschichte: Ein paar mehr Absätze wären nicht schlecht für den Lesefluß.
Eine kleine Korrektur hätte ja gereicht, auf dass die offenkundig anachronistische Darstellung nicht mehr ganz so offenkundig sei und auf dass die Oberbüggenbacher von dem eigentlichen, dem antinazistischen, Inhalt nicht mit abalieniert werden.
Das Komma vor Inhalt muß weg. Kompliment für das Ganz Abgedrehte Fremdwort, das mit davor würd ich aber streichen. Oder Du schreibst es rotzfrech zusammen: "... nicht mitabalieniert werden." Aber nachher nicht auf mich berufen, falls Du das machst.
Das Bier wurde zu Bacardi, statt der örtlichen Tracht kam ein Anzug. Die deutsche Mutter musste ihr Kopftuch zugunsten einer schwarzen lesbischen Freundin (samt T-Shirt in PACE-Farben) aufgeben. Die weidende Kuh hinten wurde zu einem tankenden Minivan und aus dem erniedrigenden Nähinventar wurde eine stolze phalloide Gurke.
Der letzte Streich kam vom Psychoanalytiker. Er wies die beschäftigten Maler darauf hin, dass das "Deutsche" mit dem großen 'D' unangenehme Assoziationen wecke. Und so, nach dem Rat eines Germanisten, wurde eine 'Bundesfamilie' daraus.
Was sind PACE-FArben? Meinst Du Peace-Farben? Rastafarben? Herr Krause assoziiert.
"kam ein Anzug" ist arg verwaschen. Vielleicht wären "aus der örtlichen Tracht wurde ein Anzug" oder "statt der örtlichen Tracht trug man Anzug" Alternativen.
Und: Hast Du mit "nach dem Rat" vielleicht "auf anraten" gemeint?

Jetzt bin ich tatsächlich durch und mußte nochmal lachen.

Uff.
Also ehrlich, lieber Autor, Deine nächste Geschichte mußt Du besser korrekturlesen, nein, lies sie Dir laut vor, oder nein, laß sie Dir vorlesen. Ich könnte schwören, daß das alles Sachen sind, die Du ohne weiteres selber gemerkt hättest. Vielleicht warst Du ja einfach zu faul!
In dem Fall könntest Du ein wenig erröten.
Da ich diese Geschichte klasse finde, werde ich auch deine nächste lesen. *droh*
Freundliche Grüße!
Makita.

P.S. Angelockt hat mich Dein Name. Hübscher Name. Jetzt leg Dir Deinen Text in die Loop und misch ihn neu ab, für mich, für Gott und die Nachwelt.

 

Guten Tag,

nun, mir hat die Geschichte - ja doch, es ist eine Geschichte - ebenfalls gut gefallen; natürlich kann man das Ende für etwas übertrieben halten, aber was soll´s. Da es spät am Abend ist und ich nichts gescheites mehr zum Inhalt produzieren kann, hier noch einige sprachliche / kontextbezogene Anmerkungen:

Die dreisteste Missachtung in der gesammten Gegend und...

gesamten?
Als diese Väter und Mütter zu Großeltern geworden waren, began das Bild aufeinmal alle ganz dreist anzuwidern.

begann, auf einmal

Auf dem schönen alten Rathaus in Oberbüggenbach ist ein großes anachronistisches Gemälde angebracht. [...] Es wurde angekritzelt, angepisst von Säufern. [...] Dorfradikale wollten es umbedingt weg (sie wollten es gar verbrennen!)

unbedingt, etwas wegwollen? Und, da bin ich verwirrt: ist es ein Wandgemälde (da auf dem Rathaus, Möglichkeit zum anpinkeln)? Aber wie lässt es sich dann verbrennen?

Alle. Ausnahmslos alle. [...] Er hat es nicht gewollt, aber ihm bleib ja nichts anders übrig.

Also doch nicht alle?

Aus seiner historischen Perspektive erkannten es nämlich die durch das Bild erst neulich verbüßte phänomenale hypnotische Wirkung und zog sich, ehe es zu spät wurde, zwecks Aufklärung Experten aus der städtischen Universität zurate: Soziologen, Kunsthistoriker, Theologen.

Bezug: alle... zog sich?

Eine kleine Korrektur hätte ja gereicht, aufdass die offenkundig anachronistische Darstellung nicht mehr ganz so offenkundig ist

sei

(samt T-Shirt in PACE-Farben)
Peace-Farben?

...para

 

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