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16.05.2005
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Ein starker Windstoß ließ das Bild aus seiner Hand gleiten und es schwebte leicht wie eine Feder durch die Lüfte auf den mit goldenen Blättern bedeckten Boden. Sein Blick wendete sich vom Himmel, an dem die Sonne durch die grauen Wolken schimmerte, ab und er schritt, mit seinen kaputten Schuhen und dem langen braunen Mantel, der hin und her schleifte, langsam über den raschelnden Weg. Wie immer drehten sich alle nach ihm um, die Kinder auf der Wiese starrten ihn mit großen Augen an und schienen sich zu fürchten, Mütter rannten zu ihnen und nahmen sie fest an die Hand. Ein Hund stellte sich vor ihn und knurrte, doch er lief immer noch, mit gesenkten Blick, den Park entlang. Er war es gewohnt, dass die Menschen ihn abwertend anschauten. Am Anfang konnte er mit seiner Situation nicht umgehen und er schämte sich zutiefst, aber nun hatte er sich mit seinem Schicksal abgefunden, dies redete er sich zumindest ein. Seine Knochen waren alt und schmerzten, er musste sich setzen und ein wenig verschnaufen. Wie lange hat er kein freundliches Gesicht mehr gesehen, sich in einem warmen Zimmer gewärmt oder mit jemandem geredet. Doch es war ihm egal, da er beinahe nichts mehr um sich herum wahrnahm. Er spürte nichts mehr, Wärme, Kälte, Schmerz, dies war alles fremd für ihn. Er sah älter aus, als er es eigentlich war, doch das Leben hatte ihn mitgenommen. Ein kräftiger Windstoß rauschte wieder durch die Bäume und er saß immer noch wie in Trance auf der alten kleinen Parkbank und vergrub währenddessen sein Gesicht in seine Hände.
In diesem Augenblick lief ein kleines dunkelhaariges Mädchen mit leuchtenden und vor Glück funkelnden Augen an ihm vorbei, sie hatte ein Stück Brot in ihrer Hand, mit dem sie die ganze Zeit über die Raben gefüttert hatte. Doch anstatt einen großen Bogen um ihn zu machen, blieb sie lächelnd und mit geneigtem Köpfchen vor ihm stehen. Er rührte sich nicht und bemerkte dies auch nicht. Sie schaute ihn weiterhin liebenswürdig an und ihre kleinen Finger berührten nach einer Weile behutsam seinen Arm. Ein Stich überkam ihn innerlich, er fühlte sich schwer und unbeschreiblich hilflos und behielt sein Gesicht weiterhin in seinen Händen begraben, denn er wollte aus irgendeiner undefinierbaren Angst nicht aufschauen, doch nachdem die Hand weiterhin auf seinem Arm verharrte, blickte er langsam auf und sah dieses kleine wunderliche engelsgleiche Wesen. Sein faltiges Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, Schmerz wie er ihn schon lange nicht mehr gefühlt hatte bis zu diesem einen Tag, der sein ganzes Leben verändert und qualvoll gemacht hatte. Er schaute in ihre braunen Augen und sah diesen Tag wieder vor sich.
Es war ein Tag wie immer, es herrschte ein totales Chaos im Haus, er lebte im 6. Stock eines verkommenen Hochhauses. An diesem Tag kam er am späten Abend nach Hause getorkelt. Das Ehepaar in der Wohnung nebenan hatte sich wiedereinmal heftig gestritten, so dass es jeder mitbekam und der Flur roch streng. Nach langem Suchen schaffte er es seinen Schlüssel zu finden und die Tür aufzusperren. Mit einem lauten Schlag fiel sie wieder ein und er stand nun im dunklen Zimmer, seiner nicht besonders großen Wohnung, denn mehr konnte er sich einfach nicht leisten. Bevor er den Lichtschalter ertastet hatte, ging das Licht auch schon an. Seine Frau stand mit verschränkten Armen und äußerst böse vor ihm. Sie schwieg erst eine Zeitlang und er versuchte sich am Türrahmen anzulehnen. Doch die Stille hatte ein schnelles Ende gefunden, sie schleuderte mit Worten nur um sich herum und er hatte nicht einmal den Versuch unternommen, sie davon abzuhalten oder ihr etwas zu sagen, sondern stand immer noch da. Sie gerieten immer öfter aneinander, da sie ihn für einen Versager hielt und sie beschwerte sich in solch einem „Drecksloch“ wohnen zu müssen, doch er sagte nie etwas dazu. Er hatte ihr auch jetzt nichts zu sagen, schon gar nicht, dass er heute seine Job verloren hatte. Plötzlich wandte sich sein Blick in eine andere Ecke des Zimmers, ein kleines Mädchen stand im Raum und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Es war seine kleine 5-jährige Tochter, die verwundert umher schaute. Er liebte die Kleine sehr, sie war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten, dieselben braunen Augen und die dunklen Haare. Er schaute sie freundlich an und sie kam in seine Arme gelaufen. Sie war ihm wichtig und mehr brauchte er auch nicht im Leben. Oft ging er mit ihr an den Spielplatz und erfüllte ihr jeden Wunsch. Seine Frau redete währenddessen immer weiter. Er wollte sie zurück ins Bett bringen, denn Morgen wäre ein großer Tag für sie gewesen, ihr Geburtstag und der sollte besonders schön werden.
Mit einem Male hörte er plötzlich etwas auf den Boden fallen, es waren Koffer, die seine Frau auf den Boden warf. Sie sagte nur, dass sie jetzt gehen würden. Dass sie gehen würde, hatte er nun klar begriffen und es war ihm eigentlich egal, denn sie lebten seit Jahren nur nebeneinander her und konnten sich nicht mal ausstehen. Sie würde es nicht wagen ihm das schönste in seinem Leben zu nehmen. Doch genau das tat sie, sie packte die Kleine am Arm und wollte gehen, aber er hielt sie fest. Er konnte bis jetzt alles hinnehmen, aber dies war zuviel, er schrie sie an und sie zerrten beide an dem Mädchen. Diese fing daraufhin an zu weinen, es war einfach furchtbar mit anzusehen. Es gab einen riesigen Krach und Glasscherben waren zu hören. Sie hatte ihm eine Flasche gegen den Kopf geschlagen. Daraufhin taumelte er benommen durch das Zimmer. Sie packte sich Kind und Koffer und rannte den Flur hinunter. Das Geheule und Geschrei der Kleinen war bis in den 10. Stock zu hören und sie wehrte sich mit Händen und Füßen. Der Mutter war es egal, sie setzte sie unsanft auf den Rücksitz und stieg ins Auto, draußen regnete es in Strömen und die Fahrbahn war glatt. Er kam inzwischen wieder zu sich und rannte die Treppen im Tempo hinunter auf die Straße. Er sah nur noch, dass sie schnell davon fuhr und brach auf der Straße zusammen.
Tränen rannen ihm über die Wange, die sich mit dem Regen vermischten. Er lag wie benommen auf dem Fahrweg und ein heranfahrendes Auto musste hupen, damit es ihn nicht überfahren hätte. Er ging nach einer Zeit wieder ins Haus und setzte sich auf die Treppen , alles in ihm war wie abgestorben. Sein Leben war nie perfekt gewesen, aber die Tage mit seiner Tochter oder ein einziges Lächeln von ihr machten sein Leben lebenswert. Aber nun, ohne Job und Familie, stand er wirklich vor dem Aus, es dauerte nicht mehr lange, dass er sich nicht mehr aus dem Haus bewegte, er von Woche zu Woche mitgenommener aussah und sich in den Schlaf weinte. Er hatte zwar die Zeit über alles versucht, um seine Kleine Tochter zu finden, doch vergeblich und dies zerfraß ihn. Zu allem Übel konnte er sich nichts mehr leisten: keine Wohnung, kein Essen einfach gar nichts.
So kam es, dass er auf der Straße schlafen musste, im Winter war es vor allem schlimm, die Obdachlosenheime waren überfüllt und er hatte versucht sich ein wenig in Kaufhäusern aufzuwärmen, jedoch wurde er schnell wieder hinaus befördert, da er die Kunden verscheuchen würde.
Sein neues Heim war der Park geworden, wenn die Polizei ihn nicht gerade aufforderte zu gehen. Überall, wo er hinkam, war er unerwünscht, die Leute tuschelten, ja sie ekelten sich sogar vor ihm. Er musste jeden Tag aufs neue zusehen, ob er etwas zu essen bekommen konnte. Oft saß er nur da und gab sich die Schuld an allem und schon einige Male stand er stundenlang an der Brücke und schaute auf die vorbeifahrenden Wagen und viele Gedanken spukten ihm im Kopf umher, dies jedoch umzusetzen hatte er sich nie getraut. Nun war es wieder Ende Herbst und die harte Zeit würde wiederkommen und nach so vielen Jahren der Verachtung gegenüber sich selbst und der Menschen, stand nun dieses kleine Mädchen vor ihm und sie hatte ein wundervolle Lächeln. Sie lachte, daraufhin erwachte er aus seiner Trance und fand sich wie er sie ganz fest in seinen Armen hielt. Er ließ sie daraufhin los. Sie schaute ihn nur an und holte etwas hinter ihrem Rücken hervor. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange, legte etwas in seine Hand und rannte ohne ein Wort zu sagen davon. Er drehte dieses Papier oder was es war um und bemerkte, dass es sein Foto von seiner Tochter war, das der Wind vorhin weg geweht hatte. Er schaute es an und nach all den Jahren des Kummers und Schmerzes sah man wie sich seine Mundwinkel ein wenig hochzogen und eine Träne über seine Wange kullerte. Er schaute dem Mädchen noch einmal hinterher und hörte nur noch ein leises, weit entferntes Lachen. Er blieb auf der Bank sitzen bis es dunkel wurde und dachte nach. Alles war ganz anders als vorher, als hätte ihn die Kleine aus einem tiefen Schlaf erweckt. Es wurde kälter und er nahm sich einige alte Zeitungen, die dalagen und deckte sich damit zu. Vor Erschöpfung legte er sich mit einem lauten Atemhauch auf die Bank, das Bild fest an seine Brust gedrückt. Er schaute in den Sternenhimmel und schlief mit dem letzten Gedanken an seine Tochter friedlich ein, denn diese Nacht war die erste, aber auch die letzte Nacht, in der er befreit einschlief.

 

Hi,

würde mich sehr interessieren was ihr von meiner Geschichte haltet. Also mir selbst ist aufgefallen, das sie zu langatmig und klischeehaft ist und man fast dabei einschläft. Wollte sehen, ob ich da Recht habe.

Gruß,

Soleil

 
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Hi Soleil,

also:
1. die Geschichte ist nicht vollständig. Der Text bricht irgendwann einfach ab. Kontrollier' das doch nochmal - ich würde gerne wissen, wie die Geschichte ausgeht.

2. Mit der Langatmigkeit Deiner Geschichte hast Du m.E. leider Recht. Der Grund dafür liegt in der Länge der Sätze. Du machst sehr lange und z.T. verschachtelte Sätze, die mal hier, mal dort durch Kommata getrennt sind. Das finde ich eher ungünstig. Dabei steige ich relativ schnell aus. Mach' doch einfach aus 2 langen 4 kurze, prägnante Sätze. Fällt viel leichter zu Lesen.

3. Du beschreibst am Anfang sehr viele Details. Ich würde an deiner Stelle mal überprüfen, ob diese Details wirklich für die Dramaturgie notwendig sind.

4. Eine Kleinigkeit: Du schreibst über einen "raschelnden Weg". Meinst Du nicht ehr, dass das Laub, das auf dem Weg liegt, raschelt?

5. Ich glaube, dass daraus eine sehr schöne, mitreißende Geschichte werden kann, wenn Du ein wenig mehr Akzente setzt. ;o)

Gruß,
M.

 

Hi,

danke, das ist ja positiver als ich gedacht habe. Das mit den Details muss ich mir merken, denn ich bin ziemlich Detailversessen. Am Schluss hat nur ein Wort gefehlt. Das mit den kurzen Sätzen ist ein guter Vorschlag. Ich benutze nur lange setzte, weil mir dauernd gesagt wird, dass ein hypotaktischer Satzbau mehr Stil hätte und kurze Sätze zu einfach wären. Da sieht man wieder mal was man in der Schule lernt und was die Leute so einem erzählen wollen. Dank dir :-)

Gruß,

Soleil

 

Hallo Soleil!

Deine Geschichte hat mir ganz gut gefallen. Eine gewisse Dramatik ist auch vorhanden.
Die langen Sätze solltest du allerdings verkürzen. Da gebe ich Der Weg recht. Ein paar Kommas raus und aus vier Sätzen zwei machen.
Auch die Szene mit dem Streit zwischen dem Protagonisten und seiner Frau könnte du wesentlich verkürzen, indem du statt der langen Beschreibungen einfach wörtliche Rede einsetzt. Meistens kommen die Gefühle der Akteure dann auch viel besser und prägnanter rüber. Man spart sich längere Erklärungen. Abgesehen davon liest es sich dann flüssiger.

Weiter so! :)

Gruß,
Theo

 

Hallo Soleil,

mir hat die Geschichte nicht sonderlich gefallen: Sie ist mir etwas zu langatmig und zu klischeehaft. ;)

Für einen der ersten Gehversuche in Sachen Kurzgeschichten ist sie nicht übel. Dass zu viele Klischees drin sind, ist dir ja selbst aufgefallen.

Der Tip mit den langen Sätzen, den du bekommen hast, ist wirklich mit Vorsicht zu genießen. Ganz falsch war er wohl nicht: Sicher soll man keine Bandwurmsätze bilden, aber genauso falsch ist es, lauter Hauptsätze aneinenderzureihen, die womöglich noch alle gleich aufgebaut sind ("Es war eine kalte Nacht. Er saß auf einer Bank. Der Wind wehte stark. ...").

Diesen Fehler hast du wirksam vermieden; deine Sätze beginnen nicht alle gleich und sind unterschiedlich lang, das ist im Grunde positiv. Ein paar Sätze sind dir dabei etwas zu lang geraten. Ein paar Wiederholungen oder falsche Bezüge kommen auch vor. Das bügelt man am ehesten aus, wenn man sich seinen Text laut vorliest.
Manchmal setzt du ein Komma, wo ein neuer Gedankengang beginnt, z.B. hier:

In diesem Augenblick lief ein kleines dunkelhaariges Mädchen mit leuchtenden und vor Glück funkelnden Augen an ihm vorbei, sie hatte ein Stück Brot in ihrer Hand, mit dem sie die ganze Zeit über die Raben gefüttert hatte

Nach "vorbei" beginnt eine neue Information. Entweder du grenzt das Nachfolgende mit Strichpunkt ab, oder du setzt einen Punkt.

Was auch mit Vorsicht zu genießen ist: Adjektive. Sie machen einen Text lebendig, aber ganz schnell ist er damit überladen. Das wirkt dann beim Lesen entweder klischeehaft oder künstlich. Bei dir tummeln sich manchal auch zu viele davon im Text.

Ein starker Windstoß ließ das Bild aus seiner Hand gleiten und es schwebte leicht wie eine Feder durch die Lüfte auf den mit goldenen Blättern bedeckten Boden.

So wie hier: Ein Adjektiv reicht.

Ein Stich überkam ihn innerlich, er fühlte sich schwer und unbeschreiblich hilflos und behielt sein Gesicht weiterhin in seinen Händen begraben, denn er wollte aus irgendeiner undefinierbaren Angst nicht aufschauen, doch nachdem die Hand weiterhin auf seinem Arm verharrte, blickte er langsam auf und sah dieses kleine wunderliche engelsgleiche Wesen.

Dieser Satz ist eindeutig zu lang, enthält eine Wiederholung ("weiterhin") und ein bisschen zu viele Adjektive. Inhaltlich gefiel er mir, sehr feinfühlig.

Klischeehaft ist die Geschichte vor allem aus zwei Gründen:

1. Manches ist zu eindimensional (Schwarz-Weiß-Zeichnung):

In erster Linie: Die bitterböse Ehefrau. Sie ist nur schlecht, auch gemein zu dem armen, verschreckten Kind. Keine Nunacen: Wo hat dein Held Fehler gemacht, was ging dieser Szene voraus?

2. Manchmal ist es unrealistisch:

Wieder die Ehefrau: Welche Frau ist so dumm und verlässt mit dem Kind die gemeinsame Wohnung, wenn der Mann zusieht? Normalerweise mutet man das weder sich noch dem Kind zu und geht, wenn der Mann in der Arbeit ist.

Und

Er musste jeden Tag aufs neue zusehen, ob er etwas zu essen bekommen konnte.

Ein bisschen dick aufgetragen, schließlich gibt es Sozialämter. Oder vertrinkt er sein ganzes Geld? Dann müsstest du das noch schildern.

Deine Story ist eigentlich sehr schön, nur eben etwas eindimensional. Netter Held, zu dem alle gemein sind, böse Gegenspielerin, entzückendes Kind. Die Geschichte könnte zu etwas Einmaligem werden, wenn du vom gängigem Schema abweichst. Verpasse deinem Held neben seinem liebevollen Herzen auch menschliche Schwächen (naheliegend wäre Antriebslosigkeit), verpasse der Ehe eine Vorgeschichte, der Frau ein menschliches Gesicht.

Der Schluss gefiel mir im Prinzip. Allerdings ist eine Wiederholung ("einschlafen") drin. Und ein wenig undirekter wäre es besser. Am eindringlichsten ist es immer, wenn man den Leser von selber drauf kommen lässt, was passieren wird. Bsp.:

"Er schaute in den Sternenhimmel und schlief mit dem letzten Gedanken an seine Tochter friedlich ein. Ein leiser Wind kam auf und trieb die Zeitungsblätter fort. Er brachte den Eishauch des Winters mit.
Es wurde eine sehr kalte Nacht."

Da fällt dann schon der Groschen ... :shy:

Viele Grüße
Pischa

 

Hallo pischa,

werde die Geschichte vielleicht nochmals, wenn ich Zeit habe, überarbeiten. Werde mir deine Idee und Verbesserungsvorschläge zu Herzen nehmen und versuchen es bald besser zu machen. Dabke!

Gruß,

Soleil

 

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