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Das Ende und der Neuanfang

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13.11.2025
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Das Ende und der Neuanfang

Ein Blick in seine Augen. So sehr vertraut und liebevoll. Ich selbst hatte schon viele positive und negative Erlebnisse bewältigt, jedoch war er bei vielen von diesen an meiner Seite. Und das war er auch an jenem Tag.

Mit zitterigen Händen und schwammigen Knien stand ich an der Arbeitsplatte der Küche. Leider kein ungewohnter Anblick für meinen Hund. Der Alkohol senkte meinen Blick stetig. Tropfen für Tropfen entsprangen Tränen aus meinen Drüsen und ließen das Glänzen in der Klinge, mit der ich das Dosenfutter noch etwas zerkleinerte, mehr und mehr verzerren.

Selbsthass, Wut, emotionale Ausbrüche in dunkle Abgründe - immer und immer wieder. Alle Gedanken in meinem Kopf präsentierten sich lebensverneinend. Dabei hätte ich doch gerade dann den Drang zum Kämpfen verspüren sollen – dann, wenn mir mein Hund wieder in die Augen blickte und mich an so schöne Tage und Momente erinnerte.

"Es hätte gar nicht so weit kommen müssen. Wäre doch alles ganz anders gelaufen. Was wäre, wenn ..?"

Für eine kurze Zeit machte sich Stille breit in meinem Kopf, der kurz zuvor noch vor Chaos zu kollabieren drohte. Meine Augen fokussierten das Messer, welches ich noch immer fest in meiner rechten Hand hielt. Langsam hob ich den linken Unterarm. Aus der Unschärfe blickte mein Hund hervor. Nun war nur noch ein Gedanke präsent. Vor diesem bekam ich Angst.

Das Klirren des Messers auf dem Fliesenboden ließ meinen Hund zurückschrecken. Ich hingegen, erschrak mich vor mir selbst. Als hätte die restliche Lebensenergie meines Hundes durch seinen traurigen, unschuldigen Blick ein in mir schon längst gestorben geglaubtes Stück Hoffnung wiederbelebt, kontaktierte ich einen für mich besonderen Menschen. Wir haben privat nicht sehr viel miteinander zu tun, waren beruflich allerdings eng verbunden. Wahrscheinlich ahnte ich in meiner hilfsbedürftigen Lage, dass nur er mir helfen würde. Durch das von Tränenflüssigkeit verschmierte Displayglas konnte ich nur erahnen, wie verschwommen das Foto von einem auf dem Boden liegenden Messer geworden ist.

Sofort darauf flüchtete ich wie ferngesteuert aus dem Haus. Meinen Hund ließ ich allein. Warum ich ihn allein ließ, frage ich mich bis heute. Was in meinem Kopf vorging, konnte ich bis zum heutigen Tag nicht genauer rekonstruieren. Ihn allein zu lassen, obwohl er der Grund war das Messer fallen zu lassen, ist alles andere als nachvollziehbar und würde mir noch so einige tränenreiche Gespräche beim Psychologen kosten.

Eine fremde Nummer erschien auf meinem Display. Ich glaubte, es sei mein Freund, dem ich mit einem einzigen Foto die Situation schilderte. Als ich an das Handy ging und die ersten Worte des Anrufers hörte, wurde mir noch schlechter, als mir ohnehin schon war. Ein Mitarbeiter der örtlichen Polizei gab mir zu verstehen, dass sie sich mit mir treffen wollen, um sich zu vergewissern, dass es mir gut ginge. Ich legte sofort auf. Mir fielen wahrscheinlich viele Formulierungen ein, aber „gut“ hätte ich als letztes gewählt, um meine Lebenslage zu umschreiben. Das Auflegen stellte die Beamten ebenfalls nicht zufrieden und sie versuchten es erneut. Das aller erste Mal seit einer sehr langen Zeit akzeptierte ich die Sorge um mich und tippte die grüne Taste für ein Neuanfang. An einer Bushaltestelle, nahe der einzigen Tankstelle im Ort, stieß ich auf die Helfer. Kurz darauf traf ein Rettungswagen ein, dessen Signallichter die Häuserwände in ein blau schimmerndes Meer fluteten.

Nach einem kurzen Gespräch mit den zwei Polizisten und den zwei Sanitätern war klar, ein längerer Aufenthalt im Krankenhaus täte mir gut und würde mein Leben wieder auf die richtige Spur lenken. Ich würde lügen, wenn mich die Worte der Beamten und Sanitäter überzeugt hätten, doch irgendwas drängte mich dazu mit ihnen mitzukommen.

Ich war einverstanden, ich fuhr mit.

Als sich die Schiebetür des Rettungswagens hinter mir schloss, legte sich zeitgleich ein schützender Mantel über mich.
Ob ich zu diesem Zeitpunkt in eine bessere, positive Zukunft blickte, weiß ich nicht mehr. In die Augen meines Hundes hingegen, blickte ich nie wieder.

 

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