Das Familienessen
„Hast du einen neuen Haarschnitt, Elli? Du siehst heute so frisch aus.“
„Nein, der Schnitt ist nicht anders, die Haarfarbe ist etwas dunkler.“
„Ah, das sieht ja viiiiel besser aus, als früher.“
„Danke, Hanna. Ich kann es mir leider nicht leisten, mich wöchentlich von Profis stylen zu lassen.“
„Ach, schon klar. Die Kinder, und dann das Pech mit deinem Job. Als, was wars nur schnell….?“
„Putzfrau.“
„Genau, aber nennen wir es doch besser Reinigungsfachfrau. Das klingt doch gleich nach was, nicht wahr?“
„Mir reicht Putzfrau durchaus.“
„Hanna, jetzt lass Elli doch. Sie meistert ihre Sache doch ganz gut. Die zwei Kinder und das Haus. Elli, was ist jetzt eigentlich damit, kannst du es behalten, oder stimmen die Gerüchte über die Versteigerung?“
„Die Gerüchte stimmen nicht. Es ist zwar nicht ganz leicht, aber wir schaffen dass. Auch ohne die Hilfe deines Bruders.“
„Ja, Carlos. Seit jeher ein unverlässlicher Sonnyboy. Wer sich auf ihn einlässt… naja.“
„Wären wir nicht auch um 200 000 Euro reicher, wenn uns dein feiner Herr Bruder damals nicht gelinkt hätte? Mit seiner tollen Geschäftsidee?“
„Warum musst du mir dass bei jeder Gelegenheit vorhalten, Hanna? Es ist passiert. Konnte ich ahnen, dass er auf allen elektrischen Sahneboys sitzen bleibt?“
„Nein, Hermann, natürlich nicht. Jeder braucht einen elektrischen Sahneboy, der im Verbrauchertest mit ungenügend abgeschnitten hat…“
„Du kannst dir deinen Sarkasmus sparen. Wenn dein Lebenswandel nicht derart überzogen wäre, dann…“
„Was dann,? Habt ihr etwa Geldprobleme?“
„Nein, Vater. Es läuft schon“.
„Läuft schon klingt nicht überzeugend.“
„Wir haben nur eine klitzekleine Krise in der Firma, aber das ist nicht der Rede wert.“
„Nicht der Rede wert? Geschuftet haben wir, deine Mutter und ich. Nur damit es dir und Carlos einmal gut geht. Ich wusste immer, dass du es alleine nicht schaffst. Carlos, ja der hätte ein Händchen für die Firma. Aber du wolltest ja immer alleine das Sagen haben.“
„Vater, denk an dein Herz“.
„Ja Hans, beruhige dich.“
„Halt du nur zu deinem Bengel. Hättest du ihm nicht immer alles in den A…. geschoben, wäre er jetzt verantwortungsvoller.“
„Und hättest du ihn nicht immer so unter Druck gesetzt, hätte er mehr Freude am Unternehmen.“
„Freude – das Leben ist keine Freude. Und mit so einer Familie schon gar nicht“.
„Toll gemacht. Jetzt geht er. Und das bevor wir über das Boot gesprochen haben.“
„Hanna, nicht jetzt.“
„Warum nicht jetzt. Schließlich muss irgendwer das Boot bekommen. Er kann nicht mehr, und sonst will keiner. Besser gleich, als der Karren verrostet in Kroatien.“
„Ihr wollt unser Boot“?
„Mutter, dass ist ja nur so ein Gedanke. Wir haben halt überlegt…“
„Also wir verbringen seit Jahren mindestens sechs Wochen im Jahr auf dem Boot und wir wollen das auch nicht so schnell ändern.“
„Ach, das ist ja viel zu belastend“.
„Hanna, woher willst du wissen, was mich belastet. Du interessierst dich doch nicht für uns. Oder rufst du außer an den Geburtstagen der Kinder mal an und erkundigst dich nach uns?“
„Weihnachten und Ostern, ist das nichts? Und die zwei Geburtstage. Sind doch deine Enkel“.
„Ja, wenn ihr auf eine Party wollt, dann darf ich meine Enkel sehen. Sonst kommen sie ja nie.“
„Weil du sie immer mit Schokolade vollstopfst. Willst du dass sie irgendwann so aussehen wie….“
„Wie wer? Wie Hermann meinst du?“
„Das hab ich nicht gesagt.“
„Aber gemeint.“
„Mir reichts, ich gehe jetzt zu Schwiegerpapa, wer weiß, wie es um sein Herz steht.“
„Ja, geh, und hol dir dein Boot.“
„Mutter, warum könnt ihr euch nicht einmal vertragen“?
„Dann hör dir doch mal an wie sie zu mir ist. Sie hasst mich. Sie hat mich immer gehasst.“
„Mutter, jetzt wein doch nicht.“
„Und du, du vernachlässigst uns doch auch. Du bist ihr ja hörig.“ (etwas lauter)
„Das ist jetzt nicht wahr“.
„Ist wahr!“ (schreit)
„Mutter, bitte mach jetzt keinen Aufstand. Die Leute beobachten uns schon.“
„Ach, ich bin dir peinlich, gut dann gehe ich. Ich geh runter zum Fluss, und sei dir nicht sicher, dass ich wiederkehre!“
„Na, das hast du ja super hingekriegt, Elli.“
„Ich, was kann ich jetzt dafür“.
„Musstest du auch mit Hannas Stylingprofis anfangen. Was im Übrigen gar nicht stimmt. Sie macht sich ihre Haare selbst.“
„Es ist mir egal, wer für den Wuschel auf Hannas Kopf verantwortlich ist.“
„Du, beleidige nicht meine Frau. Du gehörst schließlich nur am Rande zu dieser Familie. Zugeheiratet, sonst nichts!“
„Ha, das brauchst du nicht extra zu betonen, dass ich nicht aus Eurem Clan stamme. Das sieht man doch.“
„Aha, du spielst also auch auf meine Figur an.“
„Sei doch nicht albern Hermann. Sieh mal, aus dem Fenster, geht deine Mutter gerade auf Hanna los?“
„Und Vater will sie zurückhalten. Oh mein Gott, ich muss was tun“.
Kellner: „Ich sehe, ihre Familie ist bereits gegangen. Ich darf ihnen die Rechnung übergeben?“