das Flurgespräch
Das Flurgespräch
Der Flur war fast leer. Das stroboskopische Licht beleuchtete nur zwei Personen. Eine Frau und einen Mann. Sie redeten. Diskutierten. Sie fuchtelte von Zeit zu Zeit, wie wild geworden mit ihren Armen in der Luft herum. Er lächelte manchmal. Nicht wirklich, unecht. Die Stimmen wurden lauter. „Warum wolltest du mich wirklich sprechen, Nigel?“, fragte sie ihn. Er hatte sie belogen, ihr den wahren Grund vorenthalten und sie unter einem Vorwand zu sich gelockt. Wie ein kleines Mädchen, dem man einen Lutscher reicht, war sie darauf hereingefallen. War auf alles hereingefallen. Auf das Süße in seinen Worten. Sein falsches Lächeln, seine falsche Stimme. Alles. Sie konnte sich selbst nicht mehr belügen. Er war nicht falsch. Sie war es. Zu sich selbst.
„Du hasst mich!“, stellte er in den Raum. Schweigen. Die Worte hingen, wie Bleigewichte an einem dünnen Nähfaden in der Luft. Der Faden drohte zu reißen.
Sie dachte nach. Nigel bohrte seine grünblauen Augen in ihre rechte Schulter. Wartend, dass sie den Kopf hob und ihn ansah. Lauernd. „Ich hasse dich nicht.“, fing sie zögernd an. Sie suchte sorgfältig nach den richtigen Worten. „Ich verachte dich!“ Endlich sah sie ihn an, doch sie vermied den direkten Blick in seine Augen. Wenn sie das Tat, in seine Augen sehen, war sie für immer verloren. Ertrunken in den blauen Fluten und erstickt an dem saftigen grasgrün.
„Aber warum, alle anderen ....“ „Ich bin nicht alle anderen!“, erwiderte sie heftig.
Erneutes Schweigen. „Magst du mich wirklich nicht?“, fragte er verwirrt. Sie schnaubte verächtlich. „Was dann?“ Er machte einen Schritt auf sie zu. Sie wich zwei Schritte zurück. Die Wand in ihrem Rücken. Kalt. Hart. Böse.
Nigel tat noch zwei Schritte auf sie zu. Sie war verloren. Gefangen. Er stützte sich mit beiden Händen, jeweils rechts und links ihres Kopfes, an der Wand ab. Sie zitterte, wusste was er tun wollte. Er spürte die Hitze ihres Körpers ganz nah an seinem. „Du bist ein Arschloch!“, flüsterte sie und bereute es. Dann ertrank sie. Und erstickte. Erst das Blau, strahlend wie der Himmel, dann das Gras wie seine Augenfarbe.
Sein Kopf näherte sich langsam dem ihren. Plötzlich zuckte sie zurück, wand sich nach links ausweichend unter seinen Armen hindurch und wollte die Flucht ergreifen. Aber er war schneller, hielt im gehen ihren rechten Arm fest. So standen sie. Rücken an Rücken. Der Arm war die einzige Verbindung zwischen ihnen. Er starrte die Wand an. Sie den Boden. „Was denkst du wirklich über mich?“, fragte er noch einmal. „Du bist ein Moment in meinem Leben. Einer der vorüber geht. Wie alles andere auch. Mehr nicht.“ „Warum?“ „Weil du vergänglich bist. Du. Ich. Alles. Du bist ein Moment, wie ein Foto. Es zeigt einen bestimmten Moment, der einzigartig ist und nie wieder kommen wird.“ „Also magst du mich doch!“ Er triumphierte. Freude rührte sein Herz.
Sie drehte sich um. Sah seinen Rücken an. „Ja und Nein. Du bist nicht real!“ Er drehte sich heftig um. „Aber ich stehe doch hier. Ich berühre dich!“ Nigel war empört, dass sie ihn verleugnete. Sie machte sich los und sah ihn an. „Ich versteh dich nicht. Warum verachtest du mich, obwohl du mich magst? Warum kann ich nur ein Foto für dich sein?“ „Weil du so wundervoll bist. Es tut weh, dich anzusehen. Du hast dieses umwerfende Lächeln, diese strahlenden Augen und du bist einfach .....“ Sie stockte, ihre Stimme wurde brüchig, „ du bist wie alles. Jeder. Eine Momentaufnahme. Nicht für ewig. Ein Foto.“ „Chyna, warum lebst du immer noch in der Vergangenheit? Ich bin nicht, Maxwell. Genieße den Moment. Lebe!“ Er trat wieder einen Schritt auf sie zu. Dieses mal wich sie nicht vor ihm zurück. Maxwell? Maxwell! Er ist Tod! Er war nicht mehr hier. Sein Moment war vorüber. Das Foto verschwunden. Verbrannt. Für immer verloren.
Vorsichtig, als würde er ein scheues Reh berühren wollen, näherte er sich ihr. Chyna’ s Augen hatten einen merkwürdigen nassen Glanz bekommen. Seine rechte Hand berührte ihre linke Schulter. Feuer schoss durch ihren Körper. Ihr wurde heiß und kalt. Sie verbrannte innerlich. Sie ertrank, als sie auf sah. Eine Träne bahnte sich ihren Weg über ihr Gesicht. Nigel küsste sie von ihrer Wange. Seine Lippen waren wie ein Brandeisen. Chyna glaubte ein Brandmal auf ihrer Wange zu bekommen. Dann brannte er sich auf ihrer Nasenspitze ein. Seine lodernden Hände hielten ihren Kopf fest. Chyna spürte, wie ihr schwindelig wurde. Sie konnte ihre Gefühle nicht mehr verstecken. Sie nicht leugnen. Nigel hatte sie gefunden.
Er berührte sanft ihren Mund, tastete sich langsam über ihre Lippen. Verbrannte ihr gesamtes Gesicht. Löschte die Zweifel mit seinem Feuer. Chyna drehte sich der Kopf. Sie suchte halt und legte ihre Hände auf seine harte Brust. Sie gab sich ihm hin. Wie früher schon einmal einem anderen Mann. Maxwell, verzeih mir, aber du bist Tod. Dein Moment ist vorbei. Sie weinte.