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Das Fußballturnier

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06.06.2005
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Das Fußballturnier

Nein, ich bin kein Fußballfan, wirklich nicht. In meiner Kindheit und Jugend habe ich andere Sportarten bevorzugt, Tischtennis oder Badminton. Eine Weile war ich sogar Mitglied im örtlichen Ruderclub. Aber Fußball – schon die Vorstellung, verschwitzt hinter einem Ball herzurennen, blaue Knie oder noch schlimmere Blessuren davonzutragen, hielten mich davon ab, mich an den Spielen auf dem Schulhof zu beteiligen. Zugegeben – ich habe einen gewissen Überblick über die Mannschaften der ersten Bundesliga, man muss schließlich mitreden können bei den Kollegen. Aber sonst – Ich war auch nicht sonderlich erfreut, als mein Sohn Tim darauf beharrte, in den Fußballverein zu gehen. Aber, so dachte ich bei mir, Bewegung, vor allem im Freien, ist gut für die Entwicklung des Kindes, Mannschaftsgeist, Förderung der motorischen Fähigkeiten, warum nicht. Ich weiß gar nicht, wie er überhaupt auf die Idee gekommen ist. Wahrscheinlich durch seinen Freund, mit dem er jeden Tag durch den Garten kickt und die Beete ruiniert. Und durch meine Frau. Im Gegensatz zu mir schaut sie sich fast jeden Samstag die Sportschau an und erzählt begeistert davon, wie sie früher als einziges Mädchen mit den Jungen ihrer Klasse Fußball gespielt hat. Jedenfalls macht es ihr nichts aus, unseren Sohn jede Woche zwei Mal zum Training zu fahren, auch wenn sie mit ihrer Arbeit und dem Haushalt eigentlich schon genug zu tun hat. Oft schaut sie beim Training auch noch zu anstatt einkaufen zu gehen oder andere wichtige Dinge in dieser Zeit zu erledigen. Nun gut, es ist wohl eine nette Gelegenheit für sie, unter die Leute zu kommen und mit den anderen Spielereltern zu plaudern.

Als Tim in dieser Mannschaft anfing, war mir nicht bewusst, dass ab jetzt jedes Wochenende mit Turnieren und Spielen belegt sein würde. Wenn ich das geahnt hätte! Da will man am Sonntag seine Ruhe, endlich etwas mit der Familie unternehmen, und schon geht es wieder auf irgendeinen Fußballplatz irgendwo in der Pampas. Zum Glück begleitet meistens meine Frau Tim zu den Spielen, wie gesagt, sie ist bei uns zu Hause der Fußballfan. Ein, zwei Mal war ich natürlich auch mit dabei. Aber schon, wenn ich sah, wie sich die anderen Eltern am Spielfeldrand benahmen – als ob es um Geld geht, so wie bei den Profifußballern, als ob nicht der Spaß an der Bewegung, die Freude am Zusammenspiel alleine zählt. Nein, da wird gebrüllt und geschimpft, da werden die Sprösslinge angetrieben als zähle nur der Sieg. Ich muss zugeben, über die Leistungen meines Sohnes bin ich auch nicht sehr angetan. Er ist wohl eher – also, schlecht ist er nicht, aber auch nicht gerade ein As. Aber mir ist das egal, Hauptsache er hat seine Freude am Spiel, zusammen mit seinen Freunden, und der Trainer scheint ja auch ganz in Ordnung zu sein, obwohl er meiner Meinung nach die besseren Spieler ein wenig zu sehr bevorzugt. Breitensport, sage ich, darauf kommt es doch an. Die Kinder vom Fernseher, von der Straße locken, ihnen Werte und anständiges Verhalten nach Regeln beibringen. Das mit dem Leistungsdruck kommt noch früh genug, das wissen wir doch alle aus Erfahrung.

An dem besagten Sonntag war wieder ein Turnier angesagt, in Dorfingen, einem kleinen Ort, dessen Existenz mir bis dahin unbekannt war. Eigentlich wollte ich mich an diesem Wochenende endlich um die Lohnsteuererklärung kümmern und unsere Haushaltsausgaben überprüfen. Aber dann bekam meine Frau Migräne, lag wohl am Wetterumschwung. Nach vier regnerischen Wochen gab es endlich wieder Sonnenschein, und wir hätten, wenn das Fußballspiel, die Migräne und die Lohnsteuererklärung nicht gewesen wären, einen Ausflug zum Badesee unternehmen können. Die Aussicht, diesen Tag auf dem Fußballplatz zu verbringen anstatt etwas Sinnvolles zu erledigen, erfreute mich also von vorneherein nicht. So musste ich mich denn um acht Uhr aus dem Bett quälen, während meine Frau stöhnend liegen blieb, mich noch bat, die Vorhänge zuzuziehen, darauf hinwies, dass der Treffpunkt um 9 Uhr auf dem Parkplatz vor der Schule sei und Tims Sporttasche noch gepackt werden musste. Die Zeit reichte gerade noch für einen Kaffee und einen flüchtigen Blick in die Sonntagszeitung. Meine leise Hoffnung, Tim einfach bei jemand anderem mitfahren zu lassen und wieder umkehren zu können, schwand, als wir am Treffpunkt ankamen. Bei dem Vater des Torwarts war die Autobatterie kaputt; die drei italienischen Mitspieler der Mannschaft kamen gänzlich ohne Eltern zu Fuß zur Schule geschlendert; der nächste Vater brauchte das Auto, um die Oma zum Mittagessen abzuholen – mir blieb nichts anderes übrig, als meinen Wagen mit wild plappernden, energiegeladenen Burschen voll zu stopfen (wie kann man am Sonntag morgen nur schon so munter sein!) und mich in die Wagenkolonne gen Dorfingen einzureihen.
Der Tag würde heiß werden. Die Sonne prallte durch die Windschutzscheibe, und trotz der Klimaanlage des Autos geriet ich ins Schwitzen, nicht nur wegen der Schwüle, die sich draußen allmählich ausbreitete, sondern auch aufgrund der wilden Diskussionen über die letzten Spiele, die um mich herum geführt wurden. Dass diese Bengels keinen Augenblick stillsitzen können! Als eine Trinkflasche von der Rückbank geworfen wurde und mich fast an der Schulter traf, hätte ich die ganze Bande am liebsten hinausgeworfen und am Straßenrand stehen lassen. Grimmig biss ich die Zähne zusammen, folgte den Anweisungen meines Navigationsgerätes (die anderen Autos hatte ich schon längst hinter mir gelassen – ein guter Wagen zahlt sich eben aus) und verfluchte meinen Sohn, seine Freunde, den Deutschen Fußballbund und alles was mit diesem Sport zu tun hatte.

Endlich kamen wir an – irgendwo im nirgendwo, auf einem stoppeligen Fußballfeld, umgeben von Äckern und Wäldern. Außer einem Bierzelt und dem Umkleidehäuschen bot sich kein weiterer Blickfang für das verschlafene Auge. Nachdem es mir gelungen war, ganz nahe an dem Umkleidehäuschen einen Parkplatz zu ergattern, purzelten die Jungen aus dem Auto, kickten schon los mit besagter Trinkflasche als Ball und waren schier nicht zu bremsen. Ich hielt Ausschau nach einem Spielplan, denn meine Frau hatte mir nicht sagen können, wie lange dieses Turnier dauern würde. Bei dem Bierzelt lagen ein paar schlechte Kopien des Turnierablaufs aus, und meine Hoffnung, wenigstens noch den Nachmittag in meinem kühlen Arbeitszimmer verbringen zu können, schwand. Das Endspiel war für 17.00 Uhr angesetzt. Bei den üblichen Verzögerungen würde es Abend werden, bis wir wieder nach Hause kämen. Stirnrunzelnd las ich die Mannschaftslisten durch – lauter Dorfvereine, die mir nichts sagten, lauter Bauernhofkicker, denen wohl noch der Kuhmist zwischen den Stollen klebte. Ich bereute es, meinen Laptop nicht mitgenommen zu haben, dann hätte ich mich wenigstens irgendwo zurückziehen können, an einen schattigen Ort – schattiger Ort? Ich sah mich um. Es gab keinen, außer dem Platz vor dem Umkleidehäuschen, der allerdings aufgrund der herumliegenden Zigarettenstummel und Glasscherben nicht gerade zum Verweilen einlud. Ich spielte schon mit dem Gedanken, schnell wieder nach Hause zu fahren, um wenigsten die Sonntagszeitung zu holen, als das nächste Auto unserer Mannschaft eintraf – die Familienkutsche Dr. Meiers, unseres Kinderarztes, der seine Zwillinge zum Spiel begleitete. Seine Anwesenheit versöhnte mich etwas mit meinem Schicksal. Wenigstens würde ein Gesprächspartner da sein, mit dem man sich auch über andere Themen als Fußball unterhalten konnte. „Na, dann wollen mir mal wieder“, grinste er mir entgegen, während die Jungen zu dem gerade eintreffenden Auto des Trainers sprangen, um dann mit ihm in dem Umkleidehäuschen zu verschwinden.

Dr. Meier und ich gingen erst einmal einen Kaffee trinken, hin zu dem Zelt, in dem schon zu dieser frühen Zeit mehr Bierflaschen als Tassen auf den Tischen standen und eine Luft herrschte, die uns schnell wieder hinaustrieb. Vor dem Zelt standen ein paar Bänke, und so nahmen wir dort Platz und betrachteten das Treiben um uns herum. Dr. Meier schilderte mir begeistert den Sieg der Mannschaft am letzten Spieltag, von dem ich außer dem Ergebnis nichts mitbekommen hatte. Obwohl ich versuchte, andere, interessantere Themen anzuschneiden wie zum Beispiel die Folgen der aktuellen Gesundheitsreform für seine Praxis, kam er immer wieder auf die taktischen Spielzüge zurück, die letztendlich zum Erfolg geführt hatten und heute unbedingt wiederholt werden müssten, um wenigstens das Viertelfinale zu erreichen. Leider gesellten sich noch andere mitgefahrene Eltern zu uns, die Dr. Meiers Ausführungen lautstark zustimmten oder ihnen widersprachen – der Vater des Stürmers, dessen türkischen Namen ich mir nie merken kann, das Ehepaar Klotz, das seit Jahren vergeblich versucht, ihren Sohn im Spitzenverein unserer Stadt unterzubringen (dieser Verein nimmt sogenannte Sichtungen vor; mir würde nie im Traum einfallen, unserem Sohn einer solchen frustrierenden Begutachtung auszusetzen) sowie die Frau des Trainers, die sofort mit Frau Klotz eine Diskussion darüber anfing, wer wie viele Kuchen für das anstehende Sommerfest der Fußballabteilung zu backen hatte. Gelangweilt schlürfte ich an meinem viel zu starken Kaffee und dachte wehmütig an das beruhigende Surren des Ventilators in meinem Arbeitszimmer, während die Sonne am Himmel unerbittlich höher stieg.

Endlich trudelten die Mannschaften auf dem Spielfeld ein, bunte lärmende Haufen in den jeweiligen Vereinsfarben. Mir fiel ein, dass ich vergessen hatte, die Sonnenmilch einzustecken. Das erste Spiel begann. Unsere Jungen hielten sich wacker gegen eine dieser Dorfmannschaften, die aus lauter Burschen bestand, die einen Kopf größer als die unseren waren. Tim saß auf der Ersatzbank, was mich ein wenig ärgerte – Da quält man sich aus dem Bett und der Junge darf noch nicht einmal mitspielen! Aber es schien ihm nichts auszumachen. Munter kickte er mit einem anderen Jungen am Spielfeldrand herum und schien es gut zu verkraften, nicht zur ersten Aufstellung des Teams zu gehören. Richtig so, dachte ich mir, dabei sein ist alles, und beim Anblick der stämmigen Gegner war ich fast erleichtert, dass mein Sohn nicht Gefahr lief, von einem dieser bulligen Knaben umgerannt zu werden. Aber ich nahm mir vor, dem Trainer meine Meinung zu sagen, sollte Tim auch beim nächsten Spiel nicht eingesetzt werden. Um mich herum brüllten die anderen Eltern. Besonders die Klotzens konnten sich nicht zurückhalten, pöbelten ihren Jungen, pöbelten den Schiedsrichter an. Milde lächelnd, fast mitleidig schüttelte ich den Kopf über ihre Unbeherrschtheit.

Der Vormittag zog sich endlos dahin. Zwischen den Spielen unserer Mannschaft schlenderte ich auf dem Platz herum, angeödet von den Debatten um Strategie, um Punkte, um die vergebenen Torchancen. Ich betrachtete gelangweilt die erhitzten Gemüter am Spielfeldrand, die Trauben mitfiebernder Eltern, schweißüberströmt, wild gestikulierend, mit hochroten Köpfen in der Sommerhitze. Um die Zeit totzuschlagen, gesellte ich mich ab und zu dem Trupp um Dr. Meier hinzu, der unter einem kümmerlichen Kastanienbaum sein Lager aufgeschlagen hatte. Eifrig notierte Frau Klotz, auf einer ausgebreiteten Decke sitzend, die Ergebnisse der Spiele mit, während die Männer die Chancen berechneten, doch noch ins Finale zu kommen.
„Wenn Unterweiler gewinnt, und unsere Jungens wenigstens ein Unentschieden schaffen...“
„Aber doch nicht gegen Merkingen, gegen die haben sie doch noch nie gewonnen.“
„Der Angreifer von denen ist aber zu Kulmbach gewechselt, außerdem fehlt der Torwart, da haben die einen Ersatzmann zwischen den Pfosten...“

Hinter den Wipfeln der in der Ferne schimmernden Wälder zogen Wolken auf, schwollen dicke weißgraue Bälle in den Himmel hinein. Am Bierzelt waberte ein unaufhörlicher Strom durstiger Zuschauer und Spieler, nach Schatten und Flüssigkeiten lechzend. Ab und zu versuchte ich, meinen Sohn einzufangen, um ihn etwas zu trinken einzuflößen, aber kaum hatte er einen hastigen Schluck aus der Wasserflasche genommen, sprintete er schon los, seinen Teamkollegen hinterher, die drückende Hitze ignorierend.

Beim letzten Spiel der Vorrunde durfte Tim von Anfang an mitspielen, und unsere Jungen gewannen überraschend. Nach dem Abpfiff begab ich mich zum Bierzelt, um etwas Essbares für meinen Sohn zu erstehen. Mir selbst war in der Hitze eher nach einer Apfelsaftschorle zumute. Mit einer Leberkässemmel in der Hand reihte ich mich zusammen mit Dr. Meier in die Schlange vor dem Getränkestand ein. Er lachte fröhlich angesichts des Sieges, klopfte mir anerkennend auf die Schulter mit den Worten „Gute Leistung von deinem Jungen. Wir sind weiter. Das muss gefeiert werden.“ Und ehe ich mich versah, drückte er mir eine Bierflasche in die Hand und prostete mir zu. Ich trinke sonst tagsüber so gut wie nie Alkohol. Aber hier konnte ich schlecht ablehnen, nahm durstig einen kräftigen Schluck, und je mehr die Flasche zur Neige ging, desto weniger schlimm erschien mir die Aussicht, noch vier weitere Stunden auf dem brütenden, lärmenden Fußballplatz verbringen zu müssen. Um nicht unhöflich zu erscheinen, lobte ich die hervorragende Leistung des einen Meier-Zwillings im Mittelfeld, die Flanke, die zum siegbringenden Tor geführt hatte und erkundigte mich bei Frau Klotz nach dem Zeitpunkt und dem Gegner unseres nächsten Spiel. Der Spielplan in ihrer Hand war schon reichlich zerknittert und durchweicht von Schweiß, aber sie hielt ihn tapfer seit Turnierbeginn in ihren Händen, um jederzeit Ergebnisse nachtragen, Berechnungen anstellen und Torlisten führen zu können. „In einer Viertelstunde, gegen Hammerdingen“, krächzte sie mir, schon heiser von dem vielen Gebrülle, entgegen. Ich schnaubte verächtlich. „Hammerdingen? Die schlagen wir doch mit links.“ „So einfach wird das nicht“, gab der türkische Vater unseres Superstürmers zu bedenken. „Die haben gegen Erdingen gewonnen, obwohl die in der Liga auf dem ersten Platz sind und neulich gegen Neuhausen sogar ein Unentschieden herausgespielt haben.“ „Aber vorhin, gegen Heustadt“, warf ich ein, „Das war doch nichts. Der Torwart, der konnte doch keinen einzigen Ball halten.“ „Trotzdem, das wird ein hartes Spiel“, sagte der Trainer und kratzte sich am Kopf. „Ich weiß nicht, ob die Jungs noch genug Kraft haben, das durchzustehen.“ „Das wird schon“, lachte Dr. Meier, „Unsere Jungs, die sind nicht ohne.“ Plaudernd platzierten wir uns am Spielfeldrand, während der Trainer loseilte, um sein Team zusammenzusuchen. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich noch immer die für Tim gedachte Leberkäswecke in der Hand hielt. Ich steckte sie für später in meine Tasche und trank mein Bier aus.

Rechts neben uns sammelten sich die Hammerdinger Eltern, siegesbewusst, Fahnen schwenkend und grölend. Allen war klar, es ging um alles oder nichts. Dann betraten die Mannschaften das Spielfeld. Obwohl sich dunkle Wolkenberge vor die Sonne schoben und aufkommenden Windböen über den Platz jagten, drückte die Schwüle unerträglich auf uns alle nieder. Das Spiel begann. Heftig gestikulierend kommentierten die Väter der gegnerischen Mannschaft jeden Ballbesitz, jede Flanke ihrer Sprösslinge, hielten sich kaum am Rand des Spielfeldes, übertraten die Begrenzungslinie und schimpften über jeden Ballverlust. Mir schwirrte der Kopf von dem Bier, von dem Lärm, von der Hitze. Ich starrte gebannt auf die flinken Beine der Jungen, die über das Spielfeld jagten, die rotweißen und blauen Trikots, die sich zu Haufen zusammenballten, hin- und herwogten, dem Ball hinterher, der hier gestoßen, dort getreten wurde. Da – ein Schuss – die weiße Kugel flog auf unser Tor zu, unter hoffnungsvollem und dann enttäuschtem Aufjaulen der Hammerdinger prallte der Ball an Paolo, unserem Libero, ab und ging ins Aus. „Das war Hand!“, brüllte ein bierflaschenschwenkenden Väter der gegnerischen Mannschaft, ein bulliger Kerl mit Bierbauch und riesigen Schweißflecken auf dem roten T-Shirt. „Scheißschiri, Elfmeter!“ Im nächsten Moment stoppte mein Sohn einen Stürmer des Gegnerteams mit einem mutigen Hechtsprung, der Stürmer purzelte über den Rasen, blieb einen Augenblick verdutzt liegen und rappelte sich mühsam auf. „Foul, Schiri, haste keine Augen im Kopf!“ Wieder dieses unqualifizierte Gebrüll. Allmählich ging mir der Kerl auf die Nerven. Unsere Mannschaft setzte zum Gegenangriff an, mit einem schnellen Spurt dribbelte Hamid – ich hatte seinen Vater in der Zwischenzeit nach den Namen seines talentierten Sohnes gefragt – dem gegnerischen Tor entgegen, wurde aber an der Straflinie in die Zange genommen, und der Ball pulsierte eine Weile entscheidungslos im Mittelfeld herum. Kein Grund, für die angetrunkenen Fans der Hammerdinger mit dem Gegröle aufzuhören, unsere Jungens zu beschimpfen und dem Schiedsrichter als Pfeife zu bezeichnen.

Über den Wipfeln der Wälder wurde der Himmel immer dunkler, in der Ferne grollte es, aber wen interessierte das schon. Ich sah auf die Uhr. Noch fünf Minuten zu spielen. „Vorwärts Jungens!“ Ich erkannte meine eigene Stimme nicht mehr, die heiser geworden, von den aufmunternden Zurufen über den Platz hallte im Chor mit dem Zurufen der anderen Zuschauer. Jonni, einer der Meier-Zwillinge, nahm gerade einem Gegner den Ball ab, stolperte vorwärts, kein anderer bot sich an, also schoss er den Ball einfach nach vorne, was für ein Glück, direkt Hamid vor die Füße. „Abseits!“, brüllte der bierbäuchige Kerl mit dem roten T-Shirt empört, aber seine Stimme verhallte ungehört. Hamid schoss und der Ball beulte das Netz des gegnerischen Tores aus, der Griff des Torwarts, eines kraushaarigen Jungen eindeutig afrikanischen Ursprungs, ging ins Leere. Wir lagen uns in den Armen, Dr. Meier und ich, jubelten und schrieen, tanzten voller Freude am Spielfeldrand. „Das war Abseits! Der Schiri hat keine Augen im Kopf!“ donnerte der Bierbauch unter dem zustimmenden Gemurmel seiner Mitgenossen los, und warf uns finstere Blicke zu, während wir, Dr. Meier und ich, ein hämisches Grinsen nicht unterdrücken konnten. „Von wegen Abseits!“, schrie Dr. Meier in Richtung der Hammerdinger Fans, „Ein Supertor war das!“ „Da zeigt sich, wer der Bessere ist“, fügte ich noch hinzu, stolz auf die Leistung unserer Jungs und im Hochgefühl des nahen Sieges. Der Bierbauch schmiss seine Flasche hinter sich und kam auf uns zu. Er stemmte seine Hände in die Taille und fixierte uns mit finsteren, glasigen Augen. „Wollt ihr Ärger oder was!“ brüllte er. „Das war Abseits, Eure Luschen kriegen doch nichts zustande, wenn der Schiedsrichter nicht für sie pfeift.“ „Also hören Sie mal.“, empörte ich mich. „Das sieht doch ein Blinder, dass das kein Abseits war, der Dicke da vorne stand eindeutig zwischen Tor und unserem Stürmer!“ „Der Dicke ist mein Sohn“, sagte Bierbauch, und seine Stimme bekam einen gefährlichen Unterton. „Und er stand eindeutig hinter Eurem dreckigen Türken.“ Er spuckte auf den Rasen und mir blieb die Spucke weg. Hamids Vater stürmte auf den Bierbauch los. „Was hast Du gesagt, du Schwein!“ fauchte er ihn an und hielt ihm die Faust unter die Nase. Der Bierbrauch grinste höhnisch. „Dreckiger Türke! Schlag doch zu, wenn Du Dich traust!“ „Moment mal!“ Ich wollte dazwischengehen, denn das ging mir jetzt doch zu weit; aber ehe ich mich versah, spürte ich einen heftigen Schlag auf meiner Stirn, taumelte zurück, während sich vor mir ein Knäuel an brüllenden und um sich schlagenden Männern bildete. Irgendwo sah ich Dr. Meier, mitten in dem Trubel, die Faust geballt und mit einem Schwarzen rangelnd (wohl der Vater des Torwarts). Ich wollte ihm zu Hilfe kommen, aber ein heftiger Hieb in die Seite stoppt mich. Ich schlug zurück, traf einen nach Schnaps und Schweiß riechenden Kerl in den Bauch, woraufhin er sich japsend zusammenklappte und beiseite taumelte. Voller Wut stürzte ich mich hinein in das Gewoge, Hiebe nach links und rechts austeilend, bereit, die Ehre unserer Jungen zu verteidigen. Niemand sah mehr dem Spiel zu, dass in die letzte Minute ging. Um mich herum ein Getümmel, in dem es galt, mit kräftigen Arm- und Beineinsatz Platz zu gewinnen, sich zu verteidigen und auszuteilen, trotz des ein oder anderen schmerzhaften Hiebes auf Schultern, Kopf und Arme. Alles keuchte, von Staub und Gras verdreckt, rollte auf dem Boden, brüllend, kämpfend wie die Stiere.

Plötzlich ein greller Blitz, ein Donnerschlag, der in die Ohren knallte, ein Sturzbach aus den Wolken, der innerhalb von Sekunden alles durchnässte. Wie betäubt hielten alle inne, starrten auf den wütenden Himmel über uns, flüchteten, rasten über das Spielfeld, den Jungen hinterher, den kreischenden Frauen und humpelnden Omas und Opas, zwängten uns in das Bierzelt, die Unkleidekabinen, in die Autos. Schwer atmend ließ ich mich auf den Sitz meines Wagens fallen und schlug die Tür hinter mir zu. Tim, so hatte ich noch sehen können, war mit seinen Team in dem Umkleidehäuschen verschwunden. Der Regen prasselte auf das Auto nieder. Es donnerte und blitzte, als wäre der jüngste Tag gekommen. Allmählich kam ich wieder zu mir, außer Atem und mit schmerzendem Schädel. Mein linker Arm fühlte sich taub an. Ich schloss die Augen und versuchte, wieder Luft zu bekommen.

So schnell, wie es gekommen war, verzog sich das Gewitter. Auf dem Platz herrschte Stille. Nur ein paar Vögel sangen friedlich in den Büschen. Langsam kamen sie alle wieder herausgekrochen, die Eltern, die Jungen, schlurften durch Pfützen, durch Matsch und durchweichten Rasen in die frische kühle Luft hinein. Erst, als ich aus dem Auto stieg, bemerkte ich, dass mein Hemd am Arm zerrissen war. Grasflecken und Erdklumpen zierten meine Hose. Ich tastete vorsichtig an meine angeschwollene, schmerzende Stirn und fühlte eine Flüssigkeit, die weder Regen noch Schweiß war.

Das Turnier wurde wegen Unbespielbarkeit des Platzes abgebrochen. Als Tim und die anderen Jungen frisch geduscht zu mir ins Auto stiegen, sah mich mein Sohn erstaunt an. „Was ist denn mir Dir passiert? Da wird Mama aber schimpfen, wenn Du so dreckig, nach Hause kommst.“ „Steig ein, mein Junge“, sagte ich erschöpft. „Lass uns einfach nach Hause fahren“. Tim kuschelte sich müde und zufrieden auf den Beifahrersitz. „Hauptsache, wir haben gewonnen.“, sagte er noch und lächelte, zufrieden mit sich selbst und der Welt.

 

Hallo beateq,

habe deine Geschichte gerade gelesen. Sprachlich und orthographisch habe ich daran nichts zu bekritteln. Aber die Handlung finde ich - verzeih' mir die offenen Worte - in der Rubrik Humor einfach fehlplatziert. Die Geschichte ist in meinen Augen überhaupt nicht witzig. Aber vielleicht ist es auch nur einfach nicht mein Humor. Andere Leser mögen mir gerne widersprechen.

Gruß,
Karendric

 

Hallo beateq und Willkommen auf KG.de!

Also beateq, tut mir wirklich leid. Aber ich habe es nicht geschafft, diese Geschichte bis zum Ende zu lesen. Ist mir zwar noch nie passiert aber hat einen bestimmten Grund.
Für Gesellschaft oder Alltag wäre diese KG prima geeignet. Ich schließe mich Karendric an, dass es sprachlich in Ordnung ist und kann ihn gleichzeitig beruhigen, dass wir es hier nicht mit der Geschmackssache zu tun haben. Denn diese Geschichte ist hier einfach fehl am Platze. Alleine der erste Absatz strotzt nur so vor Langeweile (für Humor!). Die restlichen Abschnitte machen es dem ersten nach.
Die Geschichte an sich, zieht sich streckenweise wie Kaugummi, da könntest du an einigen Stellen straffen.
Beispiel:

Eigentlich wollte ich mich an diesem Wochenende endlich um die Lohnsteuererklärung kümmern und unsere Haushaltsausgaben überprüfen. Aber dann bekam meine Frau Migräne, lag wohl am Wetterumschwung.
Wer will das wissen?
Sorry, für Humor hat es mir überhaupt nicht gefallen.

Wenn du die Geschichte in eine andere, passendere Rubrik verschieben möchtest, bitte einen Moderator (gnoebel, Alisha Devils) per PN darum.

Gruß

 

moin beateq,

Erstmal Willkommen auf KG.de

Was deine Geschichte angeht, da schließe ich mich meinen Vorrednern an. Die Rubrik Humor ist schon die richtige Rubrik, aber auch ich konnte an keiner Stelle der Geschichte lachen. Ich mag zwar ruhigen Humor der hintergründigen Art, aber hier ars mir etwas zu ruhig ehrlich gesagt. Zu Beginn dümpelt das Ding meiner Meinung nach wirklich ziemlich träge dahin, verliert sich in Details und braucht eine halbe Ewigkeit, bis es endlich in Schwung kommt.
Als es dann soweit ist (wenn das Turnier anfängt) nimmt die Geschichte endlich Fahrt auf und es wird besser. Das Gespräch der Eltern, gegen wen man gewinnen müsse, um noch eine Chance zu haben, fand ich nicht schlecht.
Insgesamt hat mir deine Geschichte unter dem Humoraspekt leider nicht gefallen.

 

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