Mitglied
- Beitritt
- 28.03.2003
- Beiträge
- 3
Das gelbe Grauen
Eigentlich hätte ich mich schon wundern müssen, als ich heute morgen (9:35) leicht verkatert mit Senf am T-Shirt aufwachte. Normalerweise wäre ich spätestens dann stutzig geworden, als ich mein senfverschmiertes Gesicht im Spiegel erblickte. Aber scheinbar hatte die morgendliche Gleichgültigkeit mein Gehirn in eine Art stoische Trance versetzt.
Ohne auch nur einen Gedanken an diese gelben Indizien zu verschwenden, wusch ich mein Gesicht, machte mir einen Kaffee und fand zu meiner Freude auf dem Wohnzimmerfußboden eine Schachtel Camel, in der sich auch tatsächlich noch dieselbige befanden - 4 an der Zahl.
Diese begleiteten mich dann, zusammen mit dem Kaffee und meinem Notebook zur allmorgendlichen körperlichen Entleerung und inneren Säuberung. Als ich dann da so schön saß und auf meine produktive Erleichterung wartete, fiel mir nach dem dritten Lungenzug in der Verbindung mit einem 25 Sekunden andauernden Hustenanfall ein kleiner gelber Freund aus dem Hals und landete mit einem klatschenden Geräusch und enormer Zielsicherheit auf dem Touchpad, um mich grinsend an meine chronische Bronchitis zu erinnern.
Das war vermutlich der Zeitpunkt, an dem ich anfing die Puzzelstücke der letzten Nacht zusammenzufügen - oder es zumindest zu versuchen...
Wo, zum Teufel, kam die Schachtel Camel her? Ich rauche doch normal nur Tabak! Filterzigaretten sind doch was für Lutscher!
Und diese Farbe des kleinen grinsenden Freundes, der sich nur sehr hartnäckig vom Touchpad unter Zuhilfenahme des feuchten Toilettenpapiers entfernen lies - woran erinnert mich diese Farbe?
...da war doch noch was...
SENF!
Mir schwante Fürchterliches - augenblicklich beendete ich mein Geschäft, um den Dingen auf den Grund zu gehen.
Als ich das immer noch dunkle Wohnzimmer mit einem souveränen Druck auf den Lichtschalter erhellte, zeigten sich die Spuren der letzten Nacht mit voller Grausamkeit - SENF!
ÜBERALL!
Auf dem Parkett
auf dem Teppich
an der Tapete
auf meinem Sessel
quer über mein Kifferschränkchen
bis auf's Sofa
Es war eine Schneise aus Senf die sich eigentlich durch's gesamte Zimmer zog. Es glich einem Napalmangriff in Vietnam - nur kleiner.
Und dann sah ich den Ursprung allen Übels: "Böklunder Echte Landbockwürste (Aus dem heißen Buchenrauch)" und es gab noch Überlebende! 3 von 10 hatten die Senfattacke beinahe unbeschadet überstanden. Sofort befreite ich eine von ihnen aus dem provisorisch verschlossenen Glas um sie eingehend zu verhören.
Trotz diverser Androhungen von Folter (einer biß ich den Kopf ab, nachdem ich sie in kochendes Wasser tauchte) wollten sie keine Informationen über die vergangen Nacht preisgeben. Lag vielleicht daran, daß ich wohl fast ihre ganze Familie aufgefressen hatte. Die sind schon hart im Nehmen, die Böklunder!
Schließlich ergab ich mich meinem Schicksal und fing an die Spuren der Verwüstung zu entfernen als ich sie entdeckte:
Die Kopf-Steh-Flasche Kühnesenf - mittelscharf (Pikant-würzig nach altem Hausrezept) - und sie war, entgegen aller Logik, noch nicht leer!
Schon fast hysterisch untersuchte ich diesen gelben Auslöser der Verwüstung nach Indizien, die dieses grausame Desaster hätten erklären können und - ich wurde fündig. In kleinen roten Buchstaben, hervorgehoben durch jeweils einem Strich darüber und darunter auf dem stechenden gelben Hintergrund des Etiketts stand:
--------------------------------------------------------
VOR GEBRAUCH GUT SCHÜTTELN !
--------------------------------------------------------
Und nicht ein einziger Hinweis darüber, daß man die Flasche vielleicht vorher schließen sollte! Wie hätte ich das denn gestern in meinem benebeltem Zustand wissen sollen?
Außerdem stand auf der anderen Seite:
PERFEKT ZU DOSIEREN !
...und das hatte ich wohl in der Tat geschafft!
Ach, da war ja noch die Sache mit der Schachtel Camel - aber das ist eine andere Geschichte...