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Das Gericht

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28.10.2004
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Das Gericht

Das Gericht

In Ulfs Elternhaus herrschte schon eine Weile lang ein vom Teufel beschworener Waffenstillstand. Es gab keine offenen Auseinandersetzungen, kein Streit mit Geschrei oder Handgreiflichkeiten, keine offene Provokation, keine verletzenden Bemerkungen. Die beiden Erwachsenen erkannten nur ihre gegenseitige Existenz nicht an. Kälte wäre ein zu greifbares Wort. Kälte hätte Ulf fühlen können. Gegen Kälte hatte sie etwas tun können. Aber das hier war eine schrecklichere Art zu sterben, als eine der vielen, die Ulf sich schon lange wünschte. Es war nicht nur ein Abschlachten der letzten dahinvegetierenden Trümmer von etwas, das einmal zwei Menschen dazu gebracht hatte zusammenzuleben und ein Kind zu zeugen. Es waren schon lange keine Trümmer mehr da. Nun banden sie jegliche Überreste von Menschlichkeit an ihren Scheiterhaufen der Ignoranz bis sie auch die letzten Ascheflocken auffraßen und für immer verschluckten.
Das einzige Bindeglied, das diesen Sarg von einem Haus zusammenhielt, war Ulf. Und dass sie dazu gezwungen wurde schürte ihre Düsternis. Sie hatte ihre Mutter gebeten, gehen zu dürfen. Sie verlangte noch nicht einmal, dass einer von ihnen ging. Ulf selbst wünschte sich fort, damit die beiden sich voneinander lösen konnten. Ihre Mutter antwortete: „Rede nicht von ihm. Rede einfach nicht von ihm.“
Als Ulf an diesem Tag nach Hause kam erwartete ihr Vater sie schon im Eingangsflur. Er hatte noch dunkleres Haar als seine Tochter und einen Bart in den sich die ersten grauen Linien dahin zogen. Braune ovale Augen dessen Blick, so lange erloschen, sich in diesem Moment zu einem erwartungsvollen Leuchten aufschwang.
Kein Hallo.
„Hast du nicht etwas für mich?“, fragte er hoffnungsvoll. Er rieb sich die Hände. Einen so reifen Mann so kindlich - freudig zu sehen, hätte Ulf bei jedem anderen fröhlich gemacht; bei ihrem eigenen Vater war es ihr höchst unangenehm. Vor allem, weil sie den Grund dafür kannte. Der bittere Beigeschmack der Gier klang in seiner täglichen Frage mit.
„Papa, ich kann das doch nicht in der Schule machen. Du musst dich schon etwas gedulden. Ich mag es nicht, wenn du mich so drängst.“
„Aber…Aber du wirst doch? .... Du…Du weißt, ich brauch es.“
„Ja, Papa. Geduld.“
Er packte sie am Arm. „Ulf, ich brauch es. Begreif das!“
„Fass mich nicht an! Wenn du mir weh´ tust, kann ich es nicht machen!“. Sie riss sich los. Diese Drohung wirkte fast immer, wenn ihr Vater zu gierig wurde.
„Ist alles in Ordnung?“, rief ihr Mutter von der Küche herüber.
Ihr Vater zog sich in sein Arbeitszimmer links von der Eingangstür zurück. Ulf eilte mit einem genuschelten „Hab keinen Hunger“ geradeaus, die Holztreppe mit den grün – braun karierten Teppichen hinauf und in das Zentrum ihres Spinnennetzes, ihr Zimmer, um an dem zu arbeiten, was ihr Vater so dringend verlangte.

Früher war ihr Vater eine vom Alltag abgestumpfte Kreatur gewesen. Gewohnheit tötet Beziehungen. Unter den Gewohnheiten ihres Vaters erstickte jede Art von Freude, Trauer, Erregung, Zorn und Zärtlichkeit. Sie breiteten sich nicht wie ein farbloser Mantel über ihm aus, nein, er war dieser Mantel, er war nichts anderes mehr als Müdigkeit und die Abwesenheit von Leben.
Eine feste Abfolge von Handlungen beim Aufstehen und zur Arbeit gehen. Eine feste Abfolge der Handlungen im Büro, beim Mittagessen, beim Arbeiten zu Hause, beim Schlafen gehen. Ordnung. Jeden Tag. Und noch nicht einmal der Versuch auszubrechen.
Er hatte irgendwo auf dem Weg zu der Erfüllung seiner Träume vergessen, dass er Träume hatte und dass es einen Weg gab. Abulie. Krankhafte Willenlosigkeit. Er verlangte nicht mehr nach Aufmerksamkeit oder Liebe oder Neuigkeiten, nur Respekt. Ein wenig. Besonders idealistisch war er nie gewesen. Ein paar Ziele, ja. Ein paar ganz genaue Vorstellungen darüber, wie sein Haus aussehen sollte, seine Frau, sein Garten, wie er begrüßt werden und was er tragen sollte. Er hatte sich gewöhnt an die Welt. Wie Schlafmohn war sie.
Jetzt, da seine Zukunftsvorstellungen zu seinem Leben gehörten, waren sie ihm fremd und er wusste nicht mehr, warum ihm einmal wichtig gewesen war, dass immer frische Blumen auf dem Esszimmertisch standen.

So existierte er und existierte doch nicht. Nicht wach, nicht schlafend. Nicht fühlend. Nicht denkend. Ohne Höhepunkt.
Bis er irgendwann ein Blatt in die Finger bekam. Ein Blatt mit Wörtern, die es vermochten zu seinen greisen Träumen vorzudringen. Ein paar Wörter, fast nur ein Notizzettel, ein Plan für die eigentliche Geschichte, ein Gerippe für ein Werk seiner Tochter.
In dem Augenblick als er es sah und las wurde sein ganzes Ich mitgezerrt. Alles. Mitgezerrt – und für diesen Moment flutete Farbe in seine Augen und er bemerkte wieder, dass es Luft gab, die man Atmen konnte.
Dann verfiel er wieder in geistige Taubheit. Es half auch nicht die Wörter noch einmal zu lesen. Schon konnte er sich nicht mehr an ihren Inhalt erinnern. Es blieb die Erinnerung an das Gefühl auf der anderen Seite des Nebels.
Das war etwa ein Jahr her. Ulf hatte sich über das plötzliche Interesse ihres Vaters gefreut. Bisher hatte sie sich allein in die Welt ihrer Worte zurückgezogen. Sie schrieb, auf seine Bitte hin. Ein paar Zeilen. Schrieb einfach. Ohne es selbst zu lesen. Er war zufrieden. Ulf empfand es nicht als Lob. Sie wurde neugierig darauf, was sie bewirken könnte, wenn sie wirklich, bewusst, gezielt- lebendig schrieb.
Eine Woche später fragte ihr Vater erneut. Sie schrieb. Kaum war er Zuhause sog er es in sich hinein. Das Wort schmeckte kräftig und ungewohnt. Er nahm noch einen Schluck. Dann noch einen.
Dies war eine Wundermedizin. Dennoch: Man wusste ja nie. Und so fanden in der vierten Woche zwei Zettelchen den Weg in sein Schlafmohnfeld – und das wehrte sich nicht. Ulf protestierte auch nicht. Es war keine Mühe ihrem Vater ein paar Knochen vorzuwerfen, wenn es ihn so glücklich machte, solange er nicht nach mehr verlangte. Doch das tat er. Nach zwei Monaten genügten die Zettel nicht mehr, auch nicht zwei oder drei in der Woche.
Manchmal las er es nicht direkt, wollte es sich bis zum Abend aufbewahren. Oder es in den Morgenstunden benutzen, um den Gedanken an den zu bestehenden Tag ertragen zu können. Doch schon während er die Kostbarkeit irgendwo zu verwahren versuchte, nahm er sie heraus, um an seinem Inhalt zu riechen.
Als er die erste komplett beschriebene Seite von Ulf in Empfang nahm, zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück wie in ein Rattenloch, zog seine beste Jacke an, zu ehren dieses Augenblicks. Denn wenn dieses Wort konsumiert war, würde die Müdigkeit wieder zurückkehren. Er saugte es aus. Die Erinnerung an das Fühlen machte jeden anderen Gemütszustand unerträglich.
Für diese Kreatur begann ein neues Leben.
Mittlerweile war es ihm zunehmend unangenehm seine Tochter aufzufordern, ein Bitten war es schon nicht mehr. Er forderte. Verlangte. Begehrte. Gelüstete. Es war lebensnotwenig, denn er war nicht fähig, diese Emotionen so zu speichern, dass er zu einem späteren Zeitpunkt davon zehren konnte. Die Welt war genauso unfähig, weil nichts anderes in ihr diese abyssische Macht hatte. Nichts. Nichts konnte eine ähnliche Detonation von Leben verursachen. Kein Extrem.
Vier Monate nach der ersten Dosis schob Ulf das Wort nur noch unter der Tür seines Arbeitszimmers hindurch, nachdem er ihr eingeschärft hatte, wie sehr er es brauchte. Dort wartete ihr Vater schon mit der Unruhe eines Verliebten. Begierde in den Adern.
Das Geheimnis des Wortes hatte er für sich behalten. Und so gingen die Tage dahin. Seine heimliche Liebe bewahrte er den ganzen Sommer hindurch. Als das Blut des Herbstes von den Laubbäumen vor dem Haus tropfte, war seine tägliche Ration auf zwei volle Seiten am Tag gestiegen. Es blieb nicht unbemerkt.
Mit dem Gericht, vor das seine Frau ihn stellte, kam der Augenblick der Wahrheit mit allem Schmerz und aller Erniedrigung, die ein solcher Augenblick mit sich bringt. Nicht ohne Gegenwehr.


Das Gericht starrte ihn von der anderen Seite des Küchentisches an.
Der süße Geruch von frisch geschnittenen Äpfeln verfremdete die ernste Stimmung im Raum. Sie hatte noch kleinste Apfelstücke an ihrer Hand kleben, auf ihrem Zeigefinger tanzte ein Apfelkorn.
Sie war ganz konkret. Sie war immer konkret gewesen. Er wusste, was sie fordern würde. Es hatte Anzeichen gegeben. Kleine Bemerkungen, ablehnende Gesten, unzufriedene Blicke. Bis zu diesem Augenblick hatte sie sich zurück gehalten. Jetzt war ihre Schmerzgrenze erreicht. Sie konnte nicht mehr zusehen. Sie konnte nicht mehr dulden, dass ihre Missbilligung ignoriert wurde. Er hatte in seinem Kopf bereits ein genaues Konstrukt der Unterhaltung. Er kannte seine Antworten. Er kannte das Spiel. Er kannte auch ihre unausgesprochenen Vorwürfe. Diese ganze Fas machte ihn wütend und ungeduldig. Der Hass auf ihre Neugierde, ihr arrogantes Einmischen, ihre Kälte und die Angst vor ihrer Macht, vor ihren Wahrheiten, vor ihrer Konsequenz keimten äußerst fruchtbar auf dem Boden, den das Wort mit größter Sorgfalt angelegt hatte.
„Du wirst sie zu nichts mehr zwingen.“ Sie atmete bestimmt durch. „Sie wird nicht mehr für dich schreiben, wenn sie es nicht will.“
„Ich glaube, du schätzt diese Situation falsch ein…“, begann er langsam und beruhigend. Sein Widerwillen klang kontrolliert, aber sehr deutlich durch seine Worte hindurch.
„Ich glaube“, fiel sie ihm energisch ins Wort, „dass du unsere Tochter benutzt, um deine seltsame Lust zu befriedigen.“
Er spielte Unwissenheit und lachte auf, als wäre er derjenige, der seine Frau zur Bekennung all ihrer Absurditäten zwang.
„Welche Lust? Von was sprichst du?“
„Von was ich spreche?“ Sie bewegte sich keinen Zentimeter, trotzdem hatte er das Gefühl, dass sie ihm in diesem Moment näher kam. Er wurde unruhig. „Ich zeige dir, von was ich spreche. All deine Morgen sind wie dein Gestern. Und dein Übermorgen wird ebenfalls sein wie der gestrige Tag. Dein Leben geht dahin wie eine Ansammlung fruchtloser Stunden.“
Sie schien geradewegs in ihn hinein zu sehen. Etwas in ihm wehrte sich. Noch starrte sein Äußeres tatenlos zurück. Präzise wie ein Chirurg zerschnitt sie sein Profil. Eine Ohrfeige nach der anderen rief Wellen der Wut hervor.
„Du hast keine neuen Gedanken mehr und die wenigen, die dich einmal ergriffen hatten, wirst du wahrscheinlich wieder vergessen. Du hast keine Ziele. Du lebst einfach mit.“
Einen anderen Teil von ihm konnte der Schmerz erreichen. Doch die Sucht in ihm erstickte die keimende Erkenntnis. Seine Wut taute auf. Es schlichen sich Gedanken ein, die er bisher noch nie gedacht hatte. Bilder, die er noch nicht von sich kannte. Das Wort erwachte aus seinem Winterschlaf. Es war ganz kurz davor. Langsam zwangen seine Beine ihn auf. Das Geräusch der kratzenden Stuhlbeine auf dem Küchenboden rieb die Stille zwischen dem Plädoyer des hohen Gerichtes auf.
„Wenn du stirbst, werden Fremde dich begraben und man wird dich vergessen. Alles, was du einmal geschaffen oder zerstört hast, ist nutzlos. Von all deinen guten oder schlechten Taten wird nichts übrig bleiben.“
Das Wort wucherte. Es nahm ihn ein. Das Wort wehrte sich. Er ging um den Küchentisch herum und trat hinter sie. Ihre grünen Augen folgten ihm nicht. Ihre Haltung durchströmte die Ehre so rein, dass sie über jeder externen Bewegung stand.
„Wofür du gelebt hast ist sowieso hin. Ich bin nicht der Meinung, dass du versagt hast. Ulf ist das einzig Gute, was wir jemals hervorgebracht haben. Zerstöre das nicht auch noch. Mach sie nicht kaputt.“
Seltsamerweise konnte er jede Bewegung seines Körpers spüren. Was er nicht mehr spüren konnte, war die Erniedrigung. Die Bilder in ihm wurden stärker, als er ihren ungeschützten Nacken sah. Die wohl bekannten Nackenhärchen, die Halsschlagader in der ihr verruchtes Blut pulsierte. Es transportierte die Kraft für ihre Worte. Es beförderte den Schmerz. Es konspirierte mit der Gefahr. Jetzt spielte das Wort.
„Jetzt denkst du, dein Leben sei absolut überflüssig. Und was Ulf dir schreibt, soll dich erlösen. Was auch immer auf diesen Seiten steht, es ist eine Droge und du ziehst euch beide in diesen Rausch hinein. So willig.“
In ihrem letzten Satz erst klang ihre Verachtung mit.
Sie schien jetzt sehr nah.
Immer noch duldete sie seine Anwesenheit hinter ihr. Sie spürte die Gefahr nicht. Sie nahm nicht wahr, dass das Wort bereits so gegenwärtig war. Was sie war nahm, war die adrenalingeballte Erregung ihres Mannes. Plötzlich wurde sie sich bewusst darüber, wo sich das Messer befand, mit dem sie die Äpfel geschnitten hatte.
„Willst du gar nichts dazu sagen?“, fragte sie.
Ein Bild sprang ihn an. Kräftig schlug er das Metall in ihren Hals. Ihre farbige Wärme berührte ihn. Als hätte sie es erwartet, zuckte sie nur leicht. Ihr Körper wurde kalt, doch der Stolz wich nicht aus ihrer Haltung.
„Ich hatte … ich hatte mehr erwartet“, sagte sie.
Das Bild sprang fort. Erschreckt ließ er das Messer fallen. Sie zuckte zusammen, als es auf die Fliesen schepperte. Jetzt wusste sie, was in dem Moment der Stille in ihm vorgegangen war. Keiner von ihnen wusste, was als nächsten getan oder gesagt werden sollte. Beklemmt dehnte sich ihr Empfinden ins Zeitlose. Erst langsam, dann immer schneller, wurde ihm klar, was sein Wunsch bedeutete.
Ihr Patient, ihr Angeklagter, der winzige Teil seiner inneren Opposition wurde von der vollkommenen Bedeutung dieser Situation zurückgeworfen. Es war nicht sein Wunsch gewesen. Es war etwas Fremdes, das im Begriff war, ihm die Giftspritze zu setzen.
Das Wort war erkannt.
Sie saß immer noch still auf ihrem Stuhl. Überließ ihm alles. Auf einmal schien der süße Geruch von ihr auszugehen. Auf einmal war sie das Beste, was ihm je passiert war.
Sein Bewusstsein taumelte. Sein Ich zitterte bei dem Gedanken daran, was er gerade im Stande gewesen war zu tun. Es hatte ihn gepackt. Es hatte ihn mitgezerrt. Er fühlte sich vergewaltigt. Jetzt kroch der Ekel in ihm hoch. Der Ekel über seine Willenlosigkeit. Über seine Bereitschaft sich besitzen zu lassen. Er hatte seine Seele im Dreck umher geschliffen. Der winzigste Teil in dieser abgestumpften Kreatur begann nun sich vor sich selbst zu fürchten. Für einen, für nur einen einzigen Moment übernahm er die Kontrolle, hob das Messer auf und verschwand schweren Schrittes im Arbeitszimmer. Dieser eine Moment machte dem Drang des Wortes einen enormen Strich durch die Rechnung.

Wie ein in die Enge getriebenes Tier bewegte er sich von der einen zur anderen Seite des Raumes. Die zuletzt gelesenen Seiten des nun unbrauchbaren Wortes lagen noch auf seinem Schreibtisch, den ein schummriges Licht bestrahlte. Die Vorhänge waren schon seit einer Ewigkeit nicht mehr geöffnet worden. Er schaltete das Licht nicht ein. Das Zimmer war so dunkel wie sein Selbst in diesem Moment.
Soviel Emotion, das war er nicht gewohnt. Er fühlte und der Druck dieser Tatsache riss ihm die Beine weg. Denn es war wahr.
Die Scham zerfraß ihn bis auf die Knochen. Sie ging so tief, dass seine ganzen bisherigen Charakterzüge wie Gaststrukturen von etwas Fremden, etwas Denkenden, etwas Intelligenten erschienen. Dass das keine Illusion war, diese Erkenntnis traf ihn mit einer untragbaren Wucht. Die ganze Schwere dieser Existenz, der Existenz des Wortes in ihm, konnte er nicht ertragen. Sein Gewissen, so lange von stärkeren Bedürfnissen mundtot gemacht, regte sich nicht nur, es schlug auf ihn ein. Er hatte sich hingegeben. Ein Teil von ihm fühlte sich betragen. Dieses etwas hatte ihn benutzt und er spürte, dass er sich das alles nicht bloß einbildete. Es nistete in ihm. Er selbst hatte diesem parasitärem Bewusstsein die Tür geöffnet.
Während er seine Schuld hin und her webte, machte das Wort ihm sehr deutlich, dass es anwesend war. Denn es stand viel auf dem Spiel. So schickte es ihm Bilder. Alpträume, die es als eigene Wünsche tarnte. Es spannte ihn ein. Immer wieder sah er sie. Verstummt. Endlich verstummt. Und immer sah er blitzlichtartig neue frische und unverbrauchte Fragmente des Wortes. Dieser süßen Kreation der unfleischlichen Intelligenz, die damit die Existierenden lockte.
Die Bilder und der Ekel, sie drohten ihn zu zerfetzen. Zwei Bewusstsein trugen in ihm einen uralten Krieg aus, der nur auf eine Weise enden durfte. In das Schwächere von ihnen bohrte sich menschliche Trauer bis auf die egoistischsten Träume, bis hin zu dem geistigen Gebein, den Überresten seines Selbst und führte ihm alle anderen besseren moralischeren Alternativen seines Lebens vor. Vor seinen Augen spielte sich ab, was er alles hätte besser machen können. Viel Vergessenes brachte der Ekel wieder zum Vorderschein. Was als nächsten geschah, sollte für immer Geheimnis dieses Raumes bleiben.
Während das Wort kräftig an dem Bewusstsein des Mannes zerrte, hob sich die Scham von der Vergangenheit über das bestialische Jetzt in die blutdurstige Zukunft. Erniedrigend ehrlich war dieser Ausblick, der ihm mit aller Endgültigkeit klar machte, dass keinen weiteren dieser Momente geben würde. Dass er das Wort niemals besiegen würde. Dass von diesem Moment an, er vielleicht nur noch als Seelenteil ohne Mitbestimmungsrecht in einem alten Körper dahin vegetieren würde, ohne jemals Kontrolle über die Perversität des fremden Ichs in ihm zu haben. Dass er von dieser Niederlage an, nur noch hilfloser Beobachter sein würde.
Das Wort musste mit ansehen, wie sein Weg zur Existenz, sich seinem Einfluss entzog. Doch weder Locken noch Drohen konnten den an der Scham erstarkten Gegners von seinem Entschluss abbringen.
Er schnitt sich die Sklaverei aus dem Körper.

 

Von seltsam nach Alltag verschoben...soso ;)
Finde es beklemmend und muss darüber nachdenken. Es spricht mich an.

 

Hallo Anna-Fee,
mein Gott, was hast du da geschrieben?
Ich gebe frei zu: Ich bin zu doof für deine Geschichte.
Aber!: Ich habe sie gelesen... Ganz! Nicht in einem durch, vier Durchgänge brauchte ich.
Ich habe eine Vermutung: Du wolltest die Weltmeisterschaft der Metaphern gewinnen.
Läuft sie noch? Sie gehört dir. :thumbsup: :D
Ich habe mich gefragt. Welches Wort das sein soll. „Aufhören“ zog wiederholt durch mein erbsengroßes, graues Inneres. Dann dachte ich: Vielleicht ist nicht ein bestimmtes Wort gemeint, sondern das Wort an sich, welches auch immer! „Ende“ „Genug“ „Verstehen“. Egal, ich hab’s nicht begriffen, was dich nicht betrüben sollte.
Ich gehöre auch zu denen, die davon überzeugt sind, daß Boys die Leute verarscht hat.
Ich erkenne keine Kunst. :schiel:

Ich versuche mal eine Deutung:
Ein Mann wird Schizophren, weil Wörter in seinem Kopf beginnen ein Eigenleben zu führen.
Seine Tochter muß ihn ständig mit immer neuer Wörtern füttern. Warum geraden sie und nicht irgendein Buch sei zu erklären.
Fast hätte er seine Frau umgebracht. In Erkenntnis dessen meuchelt er sich dann selbst.

Zum technischen Kleinkram:
Ein Mädchen Ulf zu nennen hat mich völlig verwirrt.

.............
Es war nicht nur ein Abschlachten der letzten dahinvegetierenden Trümmer von etwas, das einmal zwei Menschen dazu gebracht hatte zusammenzuleben und ein Kind zu zeugen. Es waren schon lange keine Trümmer mehr da.
............
Genau, denn es waren ja keine Trümmer mehr da, die man abschlachten konnte.

............
Er hatte noch dunkleres Haar als seine Tochter und einen Bart in den sich die ersten grauen Linien dahin zogen.
...........
Wenn sich Linien dahin zogen, waren sie in Bewegung. Er hat aber doch nur eine Strähne?
Und er ist noch nicht so alt.
...........
Ein Blatt mit Wörtern, die es vermochten zu seinen greisen Träumen vorzudringen.
...........
Jetzt ist er doch alt?

............
die Holztreppe mit den grün – braun karierten Teppichen hinauf
..........
So bekommt man in einem Buch die Seiten voll.

.............
in das Zentrum ihres Spinnennetzes, ihr Zimmer, um an dem zu arbeiten, was ihr Vater so dringend verlangte.
.............
Ein Spinnennetz ist doch etwas, wo was hineingelockt wird. Da verstehe ich die Verbindung nicht.

Ausgedruckt sind es viereinhalb Seiten.
Ich muß zugeben, daß ich da schon mal einen Absatz gelesen habe, ohne den Inhalt zu erfassen.
Ich meine, die Geschichte ist für diesen Inhalt einfach zu lang.
Ein Schwall von Gefühlen und man wartet, daß mal was passiert.

Sorry und lieben Gruß :confused:
Manfred

 

Dreimeier schrieb:
Läuft sie noch? Sie gehört dir. :thumbsup: :D
Ich habe mich gefragt. Welches Wort das sein soll. „Aufhören“ zog wiederholt durch mein erbsengroßes, graues Inneres. Dann dachte ich: Vielleicht ist nicht ein bestimmtes Wort gemeint, sondern das Wort an sich, welches auch immer! „Ende“ „Genug“ „Verstehen“. Egal, ich hab’s nicht begriffen, was dich nicht betrüben sollte.
Ich gehöre auch zu denen, die davon überzeugt sind, daß Boys die Leute verarscht hat.
Ich erkenne keine Kunst. :schiel:

Ich versuche mal eine Deutung:
Ein Mann wird Schizophren, weil Wörter in seinem Kopf beginnen ein Eigenleben zu führen.
Seine Tochter muß ihn ständig mit immer neuer Wörtern füttern. Warum geraden sie und nicht irgendein Buch sei zu erklären.
Fast hätte er seine Frau umgebracht. In Erkenntnis dessen meuchelt er sich dann selbst.


Hallo Manfred. Toll, dass du durchgehalten hast. Es ist das erste Mal, dass ich was längeres rein gestellt habe. Das nächste Mal quäle ich euch nicht so lange.

Im Gegenzug habe ich einen deiner Sätze nicht kapiert: "Ich gehöre auch zu denen, die davon überzeugt sind, daß Boys die Leute verarscht hat." :confused:

Zur Eklärung (falls es noch interessiert): Ein Mann liest die Werke seiner Tochter, die es schaffen, ihn aus seinem Alltagtrott und seiner Abgestumpftheit zu holen. Er wird süchtig. Diese Sucht in ihm oder auch das Geschrieben (Interpratationssache) ist das Wort und es versucht, als Bewusstsein sein Überleben zu sichern. Die Frau des Mannes steht dem Wort im Weg, denn sie will verhindern, dass der Mann weiterhin liest, d.h. seine Sucht befriedigen kann. Die Sucht, das Wort in ihm, will diese Gefahrenquelle beseitigen. Es ensteht ein mentaler Kampf zwischen zwei Bewusstsein, bei dem das Wort der Stärkere ist. Doch der Mann macht Begrauch von einer kleinen Minute, in dem er seinen eigenen Willen hat, und entscheidet sich für den Tor, damit das Wort in nicht länger beherrschen kann.

Jetzt, kannst du mir mal meine Metapher erklären. Ich bin gespannt, was du so interpretiert hast und auf welche Themenbereiche man diesen text beziehen könnte. Das ist ernst gemeint, nicht ironisch.

Lieben gruß (In Hoffnun auf Antwort)

by.

Fee

 

Danke dir, für deine Kritik. Meine bildhafte Sprache gefällt mir eigentlich ganz gut. Aber du hattest recht, die Jacken habe ich raus genommen.

Gruß Fee

 

Hallo Anna-Fee,

Also, ich war ja schon nah dran. Das es um Geschichten geht dachte ich aber nicht.

.............
Jetzt, kannst du mir mal meine Metapher erklären.
.............
Ich meine ja nicht die Bedeutung der Metaphern sondern nur, daß du da so enorm viele hast.

............
ein vom Teufel beschworener Waffenstillstand.
.............
Kälte
............
ein Abschlachten der letzten dahinvegetierenden Trümmer
............
Nun banden sie jegliche Überreste von Menschlichkeit an ihren Scheiterhaufen der Ignoranz bis sie auch die letzten Ascheflocken auffraßen und für immer verschluckten.
............
u.s.w.

Ich hab ja nichts gegen Metaphern und deine finde ich sogar richtig gut, es sind nur zu viele. Und der Text ist überladen mit Gefühlsbeschreibungen.
Aber, deine Kreativität und Mühe, die wohl deutlich erkennbar ist bewundere ich.

Gruß
Manfred

 

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