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Das Gespinst aus Tod und Leben
Eins. Ukuka
Der Gestank von tausend Feuern, zehntausend Oraq und unausweichlichem Verderben.
»Dieser Körper widert mich an«, rumpelte die Stimme des Oraq-Kriegers.
Riischa vermied es, etwas zu entgegnen. Auch sie schleppte nicht ihren eigenen Körper durch die Ruinen der alten Stadt Ukuka, sondern den unförmigen Wanst eines Oraq. Tarnung war die einzige Möglichkeit, wenn man eine Stadt durchqueren wollte, deren Bewohner Oraq waren.
Sie kamen an den Grundmauern eines zerstörten Hauses vorbei. Feuerschein, Gegröhle und der Gestank verbrannten Fleisches drangen herüber. Riischa verfluchte die Gruppe Oraq, die einen toten Kameraden über dem Feuer brieten und sich um die besten Stücke stritten.
Der stinkende Nebel dämpfte die Geräusche und durchtränkte die schmutzigen Lumpen, in denen Riischa und Rourkmoch sich ihren Weg durch die vor über hundert Jahren geschleifte Stadt bahnten.
Sie kletterten über einige Trümmer. Schmutz und Staub eines langen Wegs klebten an ihren Sohlen. An der höchsten Stelle stellte Rourkmoch seine Lampe ab, stemmte die Hände in die Seiten und versuchte, in der matschigen Dunkelheit, die Ukuka einhüllte wie ein nasses Leichentuch, ihr Ziel zu erkennen.
»Nichts zu sehen«, meinte Riischa und legte die Rechte auf den Knauf ihres Schwertes. Ihr entging nicht, dass Rourkmoch den Zauberstab der Verwandlung befingerte, den er an seinem Gürtel trug. Riischa versuchte, nicht an die bevorstehende Rückverwandlung zu denken. Wenn es überhaupt soweit kam. Keiner wusste, wieviele magische Ladungen der Stab enthielt. »Mindestens eine ist übrig«, hatte der Zauberer behauptet, nachdem er sie beide zu Oraq gemacht hatte. Er würde sich selbst zuerst wieder zum Menschen machen, davon war Riischa überzeugt. Kein Zauberer ging das Risiko ein, den Rest seiner Tage Ingridenzien magischer Tränke mit den ungelenken Pranken eines Oraq bereiten zu müssen. Von den sonstigen körperlichen Nachteilen ganz abgesehen.
»Was ist das?«, fragte Riischa und zeigte nach vorn. Dort schien ein Teil des Himmels nicht vom Schein und Qualm unzähliger Feuer eingefärbt zu sein.
»Vielleicht hält sich dort kein Oraq auf«, vermutete der Zauberer.
Riischa griff nach seiner Hand, aber die blieb kalt und unbeweglich, erwiderte ihre Berührung nicht. »Der Übergang?«
Rourkmoch zögerte. »Vielleicht«, krächzte er dann. Er löste sich von Riischa und stieg den steinigen Trümmerhügel hinab. »Ich folge dir«, flüsterte Riischa, »wohin auch immer.«
»Keiner weiß, woher die Oraq damals kamen.« Die Stimme des alten Dinsterburg schien aus jenen arkanen Jahrhunderten zu kommen, von denen er erzählte. »Sie tauchten mitten in Ukuka auf, verbreiteten Krankheit und Tod.«
Rourkmoch spielte mit dem Leseband eines tiefblauen Folianten auf Dinsterburgs Studiertisch. »Und dann?«
Der alte Mann beugte sich vor. »Sie schleiften Ukuka, vertrieben die Bewohner und verfolgten sie über die ganze Hochebene. Was damals fruchtbar und lebendig war, ist heute ein Ruinenland, in dem nur noch Oraq leben. Und irgendwo in Ukuka ist der Übergang zur Sphäre des Lebens.«
»Wovon ernähren sich die Oraq?«, fragte Riischa.
»Von dem, was die dauernden Gemetzel übrig lassen«, entgegnete Dinsterburg, » vom toten Fleisch ihresgleichen.«
Riischa sah, dass Rourkmochs Rechte in seiner Hosentasche steckte. Sie wusste, was sich dort befand: Ein Ring, gemacht aus magisch gebogenen Knochen, verschmolzen mit der Kraft der Kontrolle über leblose Körper. Sein Träger konnte Toten Befehle erteilen, aber der Preis war hoch, denn jede Anwendung kostete einen Tropfen vom wertvollsten, das ein Mensch hatte – seiner Lebenskraft. Ein grausames Geschenk einer schrecklichen Verehrerin. Ihre Asche hatte sich inzwischen über die halbe Welt verteilt – ein Gedanke, der ihr vermutlich gefallen hätte, dachte Riischa bitter.
Zwei. Das Gespinst
Stille eines Friedhofs, dessen Erde von jenen zerwühlt wird, die tot sind oder noch nicht ganz
Die letzten Oraq-Fressorgien lagen hinter ihnen. In der Mitte von Ukuka gab es nur feuchte Kälte, klebrige Dunkelheit und das, vor dem sie sich fürchteten. Das, wegen dem sie hier waren.
Rourkmoch löschte die Laterne. Riischa starrte nach vorn, um ihre Augen an das fehlende Licht zu gewöhnen.
»Was immer hier ist«, sagte der Zauberer, »wir sollten es überraschen, nicht es uns.«
Riischa nickte. Sie wusste nicht, ob Rourkmoch das sehen konnte. Oder die Angst in ihren Augen.
Dann ging er vorwärts, Riischa folgte.
»Es wird immer feuchter«, sagte sie. Ihre groben Stiefel traten in schmutzige Pfützen, ihre Haare und Lumpen klebten auf der Haut. Einmal glaubte sie, ein grauer Schemen husche durch die Dunkelheit, aber als sie genau hinsah, war da nichts. Nur der Gestank von feuchter Verwesung.
»Was, bei Tantalus, ist das?«, stieß Rourkmoch plötzlich hervor. Riischa blieb stehen und sah jetzt auch den dürren Ast, der neben ihnen aus dem aufgerissenen Pflaster ragte.
»Hier wächst etwas?«, fragte Riischa ungläubig.
Langsam schüttelte Rourkmoch den Kopf, während er die Pflanze abtastete. Er winkte, dann ging er weiter. Riischa rührte den Ast nicht an und folgte eilig.
Nach ein paar Schritten tauchten Umrisse vor ihnen auf.
»Ein Wald? Ein Gestrüpp?«, flüsterte Riischa. Dickere Äste reckten sich durch die Luft, kamen aus dem Boden und reichten höher, als sie sehen konnten. Jetzt berührte auch Riischa eines der armdicken Gebilde. Es fühlte sich kalt an, feucht, aber ... lebendig.
»Nimm dein Schwert«, sagte Rourkmoch. Als Riischa zögerte, nickte er energisch. Sie zog den Stahl und zerschnitt ohne viel Mühe einen der Äste. Dunkle Flüssigkeit strömte hervor und erfüllte die Luft mit dem fauligen Geruch von Blut, das nicht menschlich war.
»Wie Adern ohne Körper«, stieß Riischa hervor.
Der Zauberer reagierte nicht, sondern ging einfach weiter. Das Geäst wurde dichter, die Adern dicker. Sie verzweigten sich und bildeten Knoten, wie Geschwüre, deren Haut an Neugeborene erinnerte.
Zögernd folgte Riischa Rourkmoch. Dann sah sie etwas, das ihr den Magen umgedreht hätte, wäre er nicht das solide Organ eines Oraq gewesen.
»Warte«, hauchte sie, und wiederholte es lauter, denn der Zauberer hatte sie nicht gehört. Er trat neben sie und sah nach unten. Er stieß den Oraq an, der in den Pfützen auf dem Bauch lag. »Tot«, sagte Rourkmoch und betastete die dicken Adern, die mitten durch den dürren Körper wuchsen. Riischa überwand ihren Ekel und ging in die Knie, um den Kadaver zu untersuchen. »Er hat keinen Kopf«, sagte sie, »er wurde ihm abgetrennt.«
»Ich glaube nicht, dass er hier gestorben ist«, meinte Rourkmoch, »und das Gespinst wächst nicht zufällig durch ihn hindurch.«
»Da!«
Diesmal war Riischa sicher. Sie sah einen grauen Schemen, der in einiger Entfernung vorbei ging. Und er trug etwas.
»Näher ran«, flüsterte der Zauberer, und zwängte sich, so gut es sein unförmiger Körper zuließ, durch das Geflecht der Adern, um dem Schemen näher zu kommen.
Dinsterburg verschob die Leiter, erstieg die dritte Sprosse und griff nach einem weiteren Wälzer im Regal. Er pustete, und Staub wallte durch das Arbeitszimmer. Der Zauberer reichte Rourkmoch den Band, der schlug ihn auf.
»Der Übergang führt in die Sphäre des Lebens. Aber das ist nur eine Schlussfolgerung, denn die anderen vier Übergänge führten zu den ebenen der anderen Elemente. Es gibt keinen Beweis. Niemand hat das Tor durchschritten.«
»Vielleicht, weil es keins gibt«, sagte Riischa, die in Dinsterburgs Studiersessel fast verschwand. Sie spielte mit einer magisch dressierten Maus mit lila Fell.
Dinsterburg sah sie von oben herab an, seine Züge zeigten ein warmes Lächeln. »Du bist nur die Beschützerin deines Herrn. Aber er hat nicht nur eine Hand gewählt, die ein Schwert führen kann, sondern auch einen Kopf, der ihn berät.«
Rourkmoch antwortete nicht. Dieses Geheimnis würde sein Meister nie erfahren.
»Er schleppt eine Leiche ins Gespinst«,erkannte Riischa. Rourkmoch brachte sie mit einer Geste zum Schweigen. Beide beobachteten, wie die graue Gestalt einen toten Oraq zu Boden gleiten ließ und dann näher kam, ohne sie zu bemerken.
Riischa wusste, was der Zauberer in diesem Moment dachte. Sie handelte schnell. Stieß sich ab, hangelte sich durch die Adern, schnitt dem Schemen den Weg ab. Sie schlich. Sprang. Begrub ihr Opfer unter ihrem Körper. Der schmale Mann wehrte sich, aber Riischa hielt ihn eisern fest.
Rourkmoch trat ruhig hinzu. Er zwang den Gefangenen, seinen Kopf zu drehen.
»Ein Mensch«, entfuhr es dem Zauberer.
»Lasssss...«, hauchte das dürre Männchen und rang nach Luft.
»Was tust du hier«, fragte Rourkmoch. »Rede!«
»Wassss wir immer tun ...«, ließ sich der Graue vernehmen.
»Warum trägst du tote Oraq hier hinein?«
»Wasss fragssst ... uuuu«, brachte der Gefangene hervor.
»Rede endlich«, verlangte Rourkmoch, ohne Erfolg.
»Denk dran, wir sind Oraq«, flüsterte Riischa, »und die Oraq hier in Ukuka wissen vermutlich, was diese Leute hier tun.«
Rourkmoch nickte. »Wir ... kommen von weit her«, sagte er zu dem Grauen, »wir haben dich mit einem Toten gesehen. Hast du ihn umgebracht?«
»Nnnn ... nein, Herr, er war schon tot, als ich ihn fand«, der Gefangene japste nach Luft, »dann habe ich ihn her gebracht, Nahrung fürssss Gespinssst ...«
»Nahrung?«, entfuhr es Riischa.
»Bei Tantalus«, fluchte Rourkmoch, »das Gespinst ist der Übergang. Denk dran, was der alte Dinsterburg gesagt hat. Lebensenergie. Das Gespinst wird mit Tod gefüttert und gebirt Leben – frische, neue Oraq. Ich glaube, wir haben schon solche ungeborenen Körper gesehen.«
Riischa sah auf, ohne ihr Opfer loszulassen. »Dieses Gespinst ist der Übergang, den wir schließen sollen?«
»Ja«, nickte Rourkmoch matt, »das Gespinst aus Tod und Leben.«
»Können wir es zerstören?«
»Nnnnnn...«, machte der Graue, aber Riischa brachte ihn zum Schweigen.
»Dein Schwert ist schartig, bevor wir ein kleines Stück des Gebildes zerschnitten haben«, schüttelte Rourkmoch den Kopf. »Brennen wird es auch nicht, dazu ist es zu feucht.«
»Die Leichen sind die Nahrung des Gespinsts?«
Der Zauberer sah Riischa lange an. »Und dem Gespinst die Nahrung, also die Leichen nehmen, das wäre eine Lösung.«
Riischa stand auf, denn ihr Gefangener hatte das Bewusstsein verloren. Nur wenige Schritte neben ihnen lag eine der schrumpeligen Oraq-Leichen und diente dem Gespinst als Kraftspender. Drei dicke Adern führten durch den schlaffen Körper und entzogen ihm alles, was ihn von toter Materie unterschied.
Riischa fühlte sich selbst mehr tot als lebendig. Ihr Körper fühlte sich fremd und taub an, wie ein stinkender Mantel, der ihr alle Kräfte entzog. Nicht einmal Tränen konnten sie erleichtern, Oraq weinten nicht. Jetzt saßen sie hier und ihre Mission schien zuende, ihre Macht so klein verglichen mit dem Übergang ... so klein, viel zu klein.
Langsam richtete sie ihre dunklen Augen auf den Zauberer, den sie verehrte, und der ihr Schicksal war. Er selbst schaute nachdenklich ins Gespinst, und Riischa sah, dass er seine Rechte in der Hosentasche versteckte. Als er sie hervor zog, trug er den Ring auf dem kleinen Finger – für die anderen waren die Oraq-Gliedmaßen zu fett.
»Was hast du vor?«, fragte Riischa leise.
»Ich werde den Leichen befehlen, aufzustehen, sich loszureißen und fortzugehen.« Rourkmoch sah nicht die Angst in Riischas Gesicht, denn er blickte immer noch starr geradeaus. »Das wird dem Übergang die Kraft entziehen, und er wird zusammenbrechen. Wir werden dazu einmal um das ganze Gespinst laufen, und ich werde den Ring auf jeden Kadaver richten, den wir finden. Und wir müssen schnell sein, damit die Leichenträger nicht für Ersatz sorgen können.« Langsam hob er die Hand mit dem Ring und sah den toten Oraq neben seinen Füßen an. Dann hob er die Stimme: »Steh auf, zerreiß das Gespinst und verlass die Stadt«, befahl er dem Toten.
Der bäumte sich auf, keuchte. Stemmte sich hoch, aber ein zerschmetterter Arm gab nach. Der Oraq kam trotzdem dem Befehl nach. Griff nach der dunkelroten Ader, die in seine Brust führte, riss sie heraus. Besudelt vom dunklen Blut des Gespinstes, stinkend, schwankend, zerrte er mit seinem einen Arm an der Ader an seinem Unterleib. Riischa wandte sich ab, als der Untote ein Stück seines Körpers mit heraus riss.
Der Zauberer stand einige Schritte entfernt und richtete seinen Ring auf den nächsten Toten. »Du wirst mich später stützen müssen«, krächzte er. Verzweifelt hob Riischa ihr Schwert und durchschlug zwei Adern in ihrer Nähe. Die Wut brauste in ihr, denn sie kannte die Wirkung des Knochenrings. Diesen Übergang zu schließen – wenn der Plan überhaupt gelang – würde den Zauberer all seine Kräfte kosten, und vielleicht das Leben.
Sie eilte zu ihm, vorbei an einer Leiche ohne Beine, die versuchte, aus dem Gespinst heraus zu robben. Mit ein paar Streichen durchtrennte sie weitere Adern, aber sie waren zäh, und ihr Schwert klebte schon von all dem dunklen, stinkenden Saft des Todes.
Sie versuchte, die Leichen zu zählen, die Rourkmoch erweckte, sah seinen zitternden Arm, zerschlug mit zugekniffenem Mund Adern, von denen sich die Untoten nicht allein befreien konnten. Riischa überlegte, wann sich die Oraq draußen in der Stadt über die wandelnden Leichen wundern würden, oder ob sie das wandernde, gut abgehangene Fleisch als Bereicherung ihrer Feierlichkeiten begrüßen würden.
Drei. Tod und Leben
Vergangenes erwacht leblos, Zukunft schreitet unsichtbar, erst nicht greifbar, dann unendlich fern
Spät am Abend schlief Dinsterburg längst. Rourkmoch stützte seinen Kopf über den Büchern, die ihm nicht mehr verrieten, als er ohnehin schon wusste.
Riischa trug ihr verziertes Nachthemd, voller Blüten, weiß und rot. Ihre Haare waren offen und fielen über ihre Schultern, verdeckten die Narbe neben ihrem rechten Ohr.
Ihre Hand lag im Nacken des Zauberers, wanderte durch seine Haare und seinen gebeugten Rücken hinab.
Er schien nichts davon zu bemerken. Auch nicht ihren Kuss.
Lange nachdem Riischa schlafen gegangen war, schloss er die Augen. Was er dann sah, war sein Ende. Aber er konnte den Blick nicht abwenden, und seine Lider waren ja schon zu.
Irgendwann musste Riischa den Zauberer stützen. Er hatte den Ring auf die andere Hand gesteckt, denn sein rechter Arm hing nur noch nutzlos herab. Als ein Oraq ohne Kopf vorbei torkelte, ein anderer eine Ader aus seinem Hals riss und irgendetwas gurgelte, brach Rourkmoch zum ersten Mal zusammen. Sie hatten das Gespinst vielleicht zur Hälfte umrundet, und es schien schon schwächer zu werden, Stabilität zu verlieren, in sich zusammen zu sinken. Umso schwerer kamen sie voran, weil die zähen Adern ihnen den Weg versperrten. »Vielleicht ist der Übergang zerstört«, zischte Riischa, »bevor du es bist.«
Aber der Zauberer hörte sie nicht mehr. Kraftlos hielt er sich an Riischas Oraqköper fest und versuchte, seine Hand zu heben.
»Du hast es fast geschafft«, sagte Riischa.
»Nein«, keuchte Rourkmoch, »wir haben es geschafft.« Dann hustete er. Erbrach sich.
Riischa strich mit der flachen Hand über seine Schulter. Es fühlte sich nicht so an, wie es sollte. Es war nicht die zärtliche Berührung zwischen einer Frau und einem Mann, die die Macht einer besonderen Magie hatte, die niemand erklären oder gar erlernen konnte. Es war die rauhe Hornhaut einer Oraqfaust, die über eine spröde Schmutzschichte kratzte.
Schließlich konnte Rourkmoch mit Riischas Hilfe wieder aufstehen. Mit dem Knochenring an der Linken erweckte der Zauberer weitere Oraq. Endlich kam die Gegend in Sicht, wo die ersten erweckten Leichen Lücken im Gespinst hinterlassen hatten. »Schau dir das an«, sagte Riischa, und zum ersten Mal erschien die Andeutung eines Lächelns in ihren Zügen. Rourkmoch hatte Mühe, den Kopf so weit zu heben, dass er den Grund dafür erkennen konnte: Das Gespinst war ineinander gesunken. Die Adern reckten sich nicht mehr kräftig durch die Luft, sondern bildeten schlüpfrige Schlangenhaufen auf dem Boden.
Der Zauberer kniete nieder. Spuckte braunen Oraq-Schleim.
»Riischa«, keuchte Rourkmoch und hielt plötzlich den Zauberstab der Verwandlung in der Hand.
Die Frau in Oraqgestalt ließ sich neben den Zauberer in die Pfützen sinken. Sein Atem stockte, als er den Stab auf Riischa richtete. Wieviele Ladungen enthielt der Stab noch? Riischa hob abwehrend die Hand.
»Du zuerst«, sagte sie.
Der Zauberer schüttelte langsam den Kopf. Richtete die Spitze des silbergrauen Stabs auf die Stelle, wo Riischa in menschlicher Gestalt ihre Brust hatte. Flüsterte das Wort der Macht.
Und sah in Riischas menschliches Gesicht. Dann sank er zurück, und während der Übergang aufhörte, Tod in Leben zu verwandeln, verließ ihn seine Seele.
Riischa kniete neben ihm. Hielt seinen Kopf auf ihrem Schoß, streichelte ihn.
Als es langsam heller wurde, hob sie den Blick und begann zu singen:
Licht des Tags
Treib hinweg
Die kalte Nacht ...
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für alle, die nicht tot sind
3.4.05-12.4.05