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Das Geständnis eines Schuldlosen
Der Draht fehlte. Er hatte es geahnt, gespürt mit jeder Faser seines altgeschundenen Körpers, hatte es nicht wahrhaben wollen, doch jetzt zeigte ihm das leere Blatt vor ihm deutlich die unerbittliche Wahrheit auf.
Er schüttelte sein schon vor so langer Zeit ergrautes Haar. Wieso hatte er sich nur auf die Sache eingelassen? Wieso hatte er nicht einmal in seinem Leben “Nein!” sagen können?
Er seufzte. Er wusste doch wieso, wusste, wieso er sich diese Last, diese Bürde selbst auferlegt hatte. Seine zittrigen Finger schliffen über das weiße Papier, versuchten den Moment einzufangen, doch sie hatten verlernt wie man zugriff, hatten verlernt, was ihnen früher so einfach gefallen war, was früher sein Leben, seine Arbeit gewesen war...
Tränen rannen über seine Wangen, stürzten sich wie eine Flut auf das Weiß vor ihm, doch dort gab es nichts wegzuspülen, und er wusste nicht, ob es jemals wieder etwas geben würde, was wert sein würde, es fortzuspülen.
Verzweifelt nahm er wieder den Stift in die Hand, versuchte sich zu erinnern, wie das Leben gehen würde, doch es war nichts mehr als Leere da.
Leere, Leere, Leere.
Er wusste, er war nur ein Gefäß gewesen. Ein Gefäß, für etwas, was er in dem Moment seines Verrats ausgeschüttet hatte. Er schluchzte wild. Ja, das war es gewesen, ein Verrat. Ein Verrat an sich selbst.
Er hatte seine Seele verraten, er hatte seine Seele verloren, bald würde die Hölle auf ihn warten. Oder war er nicht schon in der Hölle? In der Hölle, die er sich selbst ausgesucht hatte? Es klopfte an der Tür. Er wusste gleich würde der Beamte reinkommen und sein Geständnis fordern, ein Geständnis, das nicht geben konnte. Er konnte nicht die Schuld eines anderen auf sich nehmen, auch wenn es die seiner Tochter war. Er konnte keinen Mord gestehen, den er nicht begangen hatte, auch wenn es der an seinem Schwiegersohn war.
Sein Leben war verronnen, zerbrochen an dem Leid seiner Seele, der er zu viel zu gemutet hatte. Verzweifelt blickte er sich um, es klopfte wieder.
“Zehn Minuten noch, dann bin ich fertig!”, rief er.
“In Ordnung, Herr Sollmann. Nehmen sie sich so viel Zeit wie sie brauchen.”
Er löste seinen Krawattenknoten, sah das Heizungsrohr an der Decke.
10 Minuten würden reichen.