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Das Gleichnis Von Großen Und Kleinen Wagen

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05.02.2006
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Das Gleichnis Von Großen Und Kleinen Wagen

Das Gleichnis von großen und kleinen Wagen

Als ich noch ein kleiner Junge war, bestand meine Hauptbeschäftigung darin, nach den Hausaufgaben durch die stets restlos überfüllten Straßen meiner Heimatstadt zu laufen, um mich an dem Anblick der großen, teuren und schönen Autos zu erfreuen.
Während die Kleinwagen, denen ich keinerlei Aufmerksamkeit schenkte, ständig mit ihren knatternden Motoren durch die Gegend fuhren, standen meine Lieblingsautos den ganzen Tag auf irgendwelchen tollen Parkplätzen herum, um sich von der Sonne bescheinen und von den Menschen bewundern zu lassen. Sie hatten es mit ihrem blitzenden Chrom, ihren breiten Reifen, ihren getönten Scheiben, ihren schwarzen Ledersitzen und ihren geilen Spoilern nicht nötig, sich in den stinkenden, normalen Straßenverkehr einzuordnen.
Stolz und würdevoll standen sie auf ihren Plätzen und sahen den kleinen Autos beim Fahren zu.
Es war für mich immer selbstverständlich gewesen, dass ich mir später auch einmal einen großen, teuren und schönen Wagen kaufen würde. Ich würde mich niemals in eine der knatternden Kisten setzen, ich nicht.

Als ich dann 18 oder 19 war, ich war eigentlich immer noch ein kleiner Junge, erfüllte ich mir meinen großen Traum. Ich hatte jahrelang für diesen Augenblick gespart.

Ich stand stolz auf dem Parkplatz und schaute lächelnd auf die Straßen, auf denen sich wie immer hunderte von Kleinwagen drängelten. Es war komischerweise kein großes, teures und schönes Auto zu sehen.
Dann drehte ich mich um.
Der Kaufvertrag steckte unterschrieben in meiner Tasche. Ich ging langsam um meinen Wagen herum. Es war wunderschön. Breitreifen, Ledersitze, tiefergelegt, Klimaanlage, ein super Radio, eine tolle Lackierung u.s.w..
Ich streichelte das glänzende Blech, setzte mich in die weichen Sitze, genoss den Sound des Radios und spürte die Freiheit des Lebens. Ich legte die neuen Sicherheitsgurte an, überglücklich, nahm den Schlüssel in die Hand, geblendet von der Schönheit des Wagens, und drehte ihn im Zündschloss um...........nichts...Ich versuchte es noch einmal..........nichts... Langsam stieg ich aus, streichelte erneut den glänzenden Chrom, fuhr fast schüchtern über den schwarzen Spoiler und ging glücklich um den Wagen herum. Der Wagen war ja soo schön. Da mich die Sache mit dem Zündschlüssel schon ein wenig beschäftigte, ging ich zur Motorhaube, wie die in der Sonne glänzte, und öffnete sie.
Der Schock beim Anblick des leeren Motorraumes war so gewaltig, dass ich erst einmal die Augen schließen musste. Der große, schöne und teure Wagen hatte keinen Motor. Und ich blickte mich um. Auf dem ganzen Parkplatz standen schöne, große und teure Wagen. Ihre stolzen Besitzer schwänzelten erregt und geil um sie herum, putzten, wuschen, hörten Musik, staunten oder streichelten einfach nur die Motorhauben. Niemand fuhr mit seinem Wagen.
Die Tränen der Verzweiflung schossen mir in die geblendeten Augen. Ich rief einem anderen Autobesitzer etwas zu, doch der zuckte nur mit den Schultern, verdrehte die Augen, weitete seine Nüstern und putzte weiter an seinem nutzlosen Wagen herum, während unten auf der Straße die Motoren der kleinen, hässlichen und billigen Autos knatterten.

ARTSNEUROSIA (Swen Artmann)(12.05.1992)

 

Hallo Artsneurosia,

die Geschichte gefällt mir sehr gut. Sprachlich schlicht, aber sicher und inhaltlich mehr als überzeugend.

 

hi Artsneurosia,

du beschreibst einen Jungen, dessen Hauptbeschäftigung nach der Schule darin besteht, teure und große Auto anzuschauen, die auf Parplätzen stehen. Allerdings betonst du, dass er den Kleinwagen keine Beachtung schenkt, da sie nicht schön, zu gewöhnlich aussehen und vorallem einen "knatternden Motor" besitzen. Später als er "18 oder 19" ist, kauft er sich auch ein teures und großes Auto, nachdem er jahrelang dafür gespart hatte. Als er mit seinem neuen Wagen losfahren wollte, bemerkt er das dieser gar keinen Motor besitzt und schließlich schossen ihm "Tränen der Verweiflung" aus den "geblendeten Augen".


Gut, das war nur eine Hilfestellung für mich. Nun zur Interpretation.

Ein kleiner Junge ist unreif, naiv und hat so gut wie keine Erfahrung. Die großen Autos sind nutzlos, da sie ihre Fähigkeit zu fahren, ihren eigentlichen Sinn ohne Motor verlieren. Aber sind sie "schön", "teuer" und bequem. Ihr Sinn besteht also nur noch darin, auf andere Personen zu wirken, indem sie Wohlstand, vielleicht auch Individualität repräsentieren. Das wiederum kann man auf de Konsumgesellschaft beziehen, die mir ihren Gedankengut, sich selbst entleert (kein Motor; kein Herz), ja sich selbst reduziert und nur noch auf ihr Äußeres achtet. Dies wird in der Geschichte als unreif dargestellt, da der Junge als er sich das Auto kauft, immernoch als kleines Kind fühlt, Er weiß allerdings noch nicht, dass es nicht fahren kann. Er ist also verblendet und wird gegen Ende der Geschichte aufgeklärt, er blickt sozusagen hinter die Fassade. Er macht eine Entwicklung durch, im Gegensatz zu den Männern, die "erregt" und "geil" ihr Auto putzen.
Er lebt also sein Leben bis zu diesem Moment in der Konsumgesellschaft ohne diese wirklich zu Hinterfragen, sieht also noch nicht die Leere dieses materialistischen Denkens, begeht selbst den Fehler aus Unreife so sinnlos zu konsumieren, ist allerdings den anderen Männern, die ihr Auto waschen voraus, oder schlauer, da er die Sinnlosigkeit letztendlich doch erkennt.
Die Freiheit, die du ansprichst ("Freiheit des Lebens"), gilt für diese Konsummenschen nicht, da sie nicht mit ihrem Auto in die Ferne fahren können, also nicht frei sind. Während die Besitzer der kleinen Autos, die das System scheinbar durschaut haben, die Freiheit erlangt haben, da sie sich auf den Straßen tümmeln. Trotzdem sind die Motoren der kleinen Autos knatternd, das bedeutet wohl, dass die Freiheit eingeschränkt bzw. diese nicht zu erlangen ist. Wenn man den Motor als ein Herz, eine Seele sieht, ist selbst diese befleckt (es wird negativ dargestellt), da sich die Menschen letztendlich nicht vor dem Konsum, dem materialistischen Denken schützen können, es vielleicht sogar ihr Schicksal ist.

Ich weiß nicht, ob ich mit der Interpretation richtig liege, aber ich denke in diese Richtung wird es gehen.


Der Text liest sich gut, und das Thema hat mich angesprochen, sodass ich mich damit auseinandersetzen musste.

Als ich dann 18 oder 19 war, ich war eigentlich immer noch ein kleiner Junge, erfüllte ich mir meinen großen Traum.

Nur das hatte mir nicht ganz so gut gefallen, da ich den Hinweis ("ich war eigentlich immer noch ein kleiner Junge") als zu offensichtlich empfand. Er wird dem Leser regelrecht eingeprügelt.


mfg panel 1

 

Hallo Artsneurosia,

soll der Protagonist sich beim Kauf nicht für den Motor interessiert haben? Schließlich hasst er die kleinen Knatterer…
Ein extremer Fall von Äußerlichkeitenverehrung - entsprechend groß ist dann auch die Enttäuschung. Erinnert an diese `Witze´ bei denen sich das Handy als Attrappe herausstellt.
Am gut beschrieben finde ich die Stelle, an der Enttäuschung beschrieben wird und die anderen Autobesitzer mit dem alleinigen Polieren ganz und gar zufrieden sind.

„Als ich dann 18 oder 19 war“

- achtzehn …

Und bei der Überschrift habe ich an Astronomie gedacht...

L G,

tschüß… Woltochinon

 

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