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- Anmerkungen zum Text
Ich habe den Text auf einer Kleinkunstbühne vorgetragen. Die roten Zeilen habe ich als eine Art "Gollum" gelesen, die blauen geflüstert.
Das Haus ist still geworden, der Hocker und der Kater.
Hocker liegt seitlich
Der Kater schleicht mir um die Beine, spricht in seiner lauten Quaksprache zu mir und ich bin nur eine kleine Erleuchtung entfernt davon, ihn wirklich zu verstehen. Er ist unvermeidlich, seit wir zu zweit sind.
Ich frage mich, ob er mich manipuliert, es wäre ihm zuzutrauen. Er ist über 20 Jahre alt und mit den Jahren wächst die psychische Kraft von Katzen.
Jetzt scheint er gebrechlich, aber ich habe es gesehen, wie er in dunkelster Nacht auf einen Balkon katapultierte, in einer flüssigen Bewegung, alle diese Katzensprungfedern entladen und dann mit einem Tatzenblitz die Fledermaus aus der Luft holte und auf den Balkonboden drosch. Dann landete er geschmeidig neben seinem Opfer, als wäre Physik nur ein Vorschlag für ihn.
Jetzt ist er alt, aber er ist eine Kraft, die man nicht unterschätzen sollte. Im Moment ist er unsichtbar. Er lauert irgendwo, denke ich. Wie sie alle nur lauern. Ich darf kein Opfer sein, ich muss selbst auf die Jagd gehen.
Ich ducke mich und schleiche ins Badezimmer, immer bereit, und da steht dieser Hocker, als gäbe es kein Grauen mehr in dieser Welt. Und seine Sitzfläche fehlt, als wäre noch weniger Funktion irgendeine Hilfe für mich. Liegt ganz schlampig daneben. Unordentlich.
Er ist einfach nur da, völlig selbstbewusst in seiner schwarzen, hölzernen Gewissheit. Keine Spur von Zorn oder Zweifel. Ohne Platte, oben drauf, nackt. Einfach nur ein Holzteil ohne Plan. Es ist zum fremdschämen.
Ich muss mich um diesen Hocker kümmern. Eine finale Lösung finden.
Denn es ist Zeit, zu handeln, man kann eine Realitätsverweigerung nur eine gewisse Zeit genießen.
Das Haus ist still geworden, seit meine Frau und mein Kind nicht da sind, darum höre ich das Knirschen in diesem Hocker und kann es sogar fühlen. Nachschmerzen kann ich es, es war schlampige Arbeit, schlampige Arbeit von mir, und deshalb ist es so, deshalb knirscht und stöhnt mein Hocker.
Ich nähere mich langsam und lautlos, auf der Hut, jederzeit bereit zuzuschlagen. Langsam ist präzise und präzise ist schnell. Ich denke ich bin gut vor dem Wind und mein Opfer wittert mich nicht. Die Jagd beginnt.
Ich erstarre und fixiere mein Ziel. Das ist eine leichte Beute, sie ist offensichtlich krank oder verletzt.
Dieser Hocker verlor seine Platte, alles was einen Hocker ausmacht, war fort. Ein armseliges Arrangement aus Holz, ohne jeden Sinn, war übriggeblieben.
Als hätte er es absichtlich gemacht, aus reiner Bosheit, um andere zu beschämen und die Straßenseite zu wechseln.
Hocker aufstellen
Ich tat, was ich immer tat in solchen Momenten, ich suchte mir dicke, qualitativ hochwertige Edelstahlschrauben, nahm meinen 45 Newtonmeter starken Akkuschrauber und fixierte diese edlen Werkzeuge in das schwache, willfährige Holz der Sitzfläche, penibel ausgemessen, in die hilflosen Ecken des Hockergestells. Ich musste es tun, sonst wäre aus dem Wrack niemals mehr ein Hocker geworden, nur eine grässliche, unvollkommene Karikatur eines Hockers. Ein Ding ohne die Vorstellung eines Zwecks. Was konnte es Schlimmeres geben?
Ich bemerkte schon nach den ersten Millimetern, dass das Bohren nicht ohne Verluste von statten gehen würde. Es wehrte sich. Aber ich machte einfach weiter. Das widerborstige Holz splitterte nicht völlig, es spaltete sich ein wenig, die Edelstahlstifte bohrten sich mit Gewalt in ihre vorgebohrten Bestimmungen und schlussendlich hielt die Sitzplatte wieder.
Sieg!
Als wäre Sicherheit alles, das zählt, in dieser Welt!
Aber das Holz der Platte war geborsten, da gab es keinen Zweifel, bei Brief und Siegel. Schwarz lackiert war diese Holzplatte, aber durch das Eindringen der Schrauben sah man in ihr helles, schutzloses Herz.
Warum kam da kein Blut?
Sie hielt, diese Platte, so wie ich auch halte, bombenfest und das
Erstarren
Alles steht so eingefroren.
Der Kater ist gestorben, ich habe ihn in schon seit Tagen nicht mehr im Hirn gehabt, seine lästigen, krächzenden, quakenden Forderungen. Der Hocker war so laut.
Seit ich das Holzluder fixiert und geschändet habe, ist nun das echte Schweigen des Hockers.
Und nun höre ich die Stille und suche.
Ich finde ihn steif und struppig und nun ist die Lautlosigkeit körperlich, wie ein Beil, das fällt.
Er wurde 22 Jahre alt und sein Name war Quentin Paulson. Sein Name war Quentin Pawson. Denn nach dem Tod bekommen wir unsere Namen im Projekt Chaos.
Auf den Hocker steigen
Mein Kater, mein Kater, deine lange Reis´ ist aus
Du warst der weise Geist im Haus
Oh, mein Kater, mein Kater, die Glocken tönen,
Sie schlagen nur für dich
Sie führen dich in ein neues Land
Nur gemacht für dich
Ihr Freunde lacht, die Musik dröhnt – Doch ich, in leiser Not,
geh nochmal hin, wo mein Kater liegt, nun still und tot.
Auch das ist gestohlen, wie jedes Gefühl. Und das Haus ist still. Der Geist ist fort.
Sein Name war Quentin Pawson. Sein Name war Quentin Pawson. Sein Name war Quentin Pawson.
- Quellenangaben
- "Sein Name ist Quentin Pawson" ist eine Anspielung auf "Fightclub": "Sein Name war Robert Paulson", genauso wie: "Erst nach dem Tod bekommen wir unsere Namen im Projekt Chaos".
Das Gedicht ist eine Abänderung von "Mein Käptn, mein Käptn", von Walt Whitman.