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Das Herz des Drachen
Meine Ankunft in Niam lag bereits drei Tage zurück, von denen ich die meiste Zeit hindurch gewandert war. Immer der Handelsstrasse entlang in Richtung Myn führte meine Weg und meine Füße trugen schon mehr Blasen als die Haut eines Orks Warzen. Ich begann bereits daran zu zweifeln, dass der Gewinn, welchen ich mir durch meine Reise erhoffte, den Aufwand nicht wert war. Selbst die Schönheit des Kyhopwaldes konnte mich nicht von der sengenden Hitze der sommerlichen Mittagssonne ablenken. Ab und an zogen schwerbeladene Kutschen an mir vorbei, deren Eigentümer jedoch nicht bereit waren, einen Wanderer, von dem sie nicht das geringste wussten, von der Straße aufzulesen. Die Sturheit dieser Fuhrmänner trug nicht zur Steigerung meiner Laune bei und ich war kurz davor, meinen Federkiel ins Gras zu werfen und mich wieder auf die Heimreise zu machen die, verglichen mit der Strecke, welche mich noch von der Hauptstadt Niams trennte, ein Spaziergang war. An einer Kreuzung machte ich Rast, um mir meiner gegenwärtigen Situation bewusst zu werden. Ich holte aus meinem Gepäck mein Notizbuch und blätterte durch die beinahe leeren Seiten. Zwei Geschichten, ich hatte bisher nur zwei Geschichten aufgezeichnet. Das war so gut wie nichts. Um als Geschichtenerzähler erfolgreich zu bleiben, konnte ich nicht mit nur zwei neuen Geschichten nach Dracken zurückkehren. Ich ging einige Seiten zurück und überflog, um meine Stimmung etwas zu heben, die zuletzt eingefügte Geschichte. Ein niamianischer Händler hatte sie mir erzählt und ich hatte ohnehin noch keine Zeit, sie zu überarbeiten.
Alles hatte damit begonnen, dass Ishmael, der Dieb des legendären Heldentrios von Niam (welches ich suchte & mich dabei in diese Gegend verschlagen hatte), losgeschickt wurde, um das „Herz des Drachens“ an sich zu bringen. Ohne diesen wertvollen Rubin sollten im Dorf der Tauren alle Quellen versiegen, das Vieh würde verenden und der Himmel ihnen auf den Kopf fallen. Michael und der Magier der Gruppe mussten den Dorfbewohnern helfen, die jetzigen Auswirkungen des Elends einzudämmen. So musste Ishmael alleine zu den Etneibma-Ruinen aufbrechen. Die Geschichte ist diese......
Langsam und vorsichtig ließ Ishmael das Seil in den Keller der Ruine hinab gleiten. Vier Fackeln, die an den Wänden des Gewölbes befestigt waren, verrieten dem Helden, dass er an dieser Stätte nicht alleine war. Unter ihm befand sich der sagenhafte Rubin „Herz des Drachens“, der mit seinem rötlichen Licht den ganzen Raum dominierte. Statuen, die bis zur Decke reichten, bewachten den Edelstein mit kalter Miene. Hinter der vergitterten Tür, die den eigentlichen Eingang zum Keller darstellte, war es dunkel und so nahm Ishmael an, sich unbeobachtet bewegen zu können. Er ließ einen Stein auf den Boden fallen, um mögliche Reaktion zu beobachten. Auf diese Weise konnte man vielen Fallen entgehen. Der Stein landete mit leichtem Pochen, bewirkte aber keine Veränderungen. Scheinbar war der Boden sicher. Vorsichtig brachte der Dieb seine Füße wieder auf festen Boden und blickte sich um. Es blieb still, außer des Diebes Atem war kein Geräusch zu vernehmen. Ishmael wandte sich zu dem Podest um, auf welchem das „Herz des Drachen“ thronte und suchte nach versteckten Fallen. Da diese Stätte von Zwergen gebaut war, konnte man von gut verborgenen Feuer- oder Steinschlagfallen ausgehen, die einem Dieb das Stehlen von den einen auf den anderen Augenblick für immer abgewöhnen konnten.* Mit einer ums eigene Leben bangenden Ruhe schob Ishmael einen dünnen Metallstab in einen bestimmten Spalt im Sockel des Podestes und zwang ihn mit kleinen kreisenden Bewegungen ins hohle Innere. Ein kaum hörbares Klicken erklang und der Dieb atmete auf. Er ließ sein Werkzeug bewusst im Sockel stecken und ergriff den Rubin.
„Hatschi!“
Ein kräftiges Niesen ertönte von einer der Statuen, welche das Antlitz des mächtigen Geirk, einer der Prinzen des Universums, trug.
„Gesundheit!“, wünschte Ishmael. Der Dieb hob den Edelstein auf, als ihm plötzlich ein kalter Schauer über den Rücken lief und sich eine Erkenntnis in seinem Kopf regte. Er ließ seine Beute einfach Beute sein und ergriff statt dessen sein Schwert.
„Wer ist da?“, fragte Ishmael selbstbewusst und zum Kampf bereit.
„ICH BIN DER WÄCHTER DIESER STÄTTE, DER GEHEILIGTE HÜTER DES.....“.
Die donnernde Stimme der Statue unterbrach sich und hustete hingebungsvoll. „Entschuldigung, hab’ mich verschluckt“, brachte sie mühevoll heraus.
Ishmael wusste nicht, wie ihm geschah und er blieb wie angewurzelt stehen. Nachdem sich die Statue ausgehustet hatte, begann sie noch einmal von vorne.
„Also... ICH BIN DER WÄCHTER DIESER STÄTTE. DER GEHEILIGTE HÜTER DES HERZENS ALLER DRACHEN! WEICHE VON DIESEM ORT ODER ES WIRD DIR SCHLECHT BEKOMMEN!“
„Mein Name ist Ishmael und ich werde nicht weichen“, beharrte der Dieb mit weichen Knien.
„ICH WARNE DICH EIN LETZTES MAL! WEICHE, ODER ES WIRD DIR SCHLECHT BEKOMMEN!“, wiederholte die Statue, übertrieben krächzend.
„Ich muss mich des Steins bemächtigen, meine Freunde zählen auf mich“, meinte Ishmael mehr zu sich selbst und ergriff erneut den Rubin.
„Finger weg, hab´ ich gesagt!“, rief die Statue. „Müsst ihr Helden immer euren Willen durchsetzen? Ich kann doch nicht jedem dahergelaufenen Möchtegern-Schwertschwinger das „Herz des Drachen“ überlassen! Du musst mir erst drei Fragen beantworten.“
„Fragen? Du willst mich also nicht zerquetschen?“, wunderte sich Ishmael. „Was ist aus dem guten alten Kampf bis zum Tode geworden? Ich dachte in solchen Situationen wäre das so üblich?“
„Normalerweise schon und glaube mir, wenn ich nicht diese Rheumabeschwerden hätte, würde ich dich ungespitzt in den Boden rammen. Aber in meinem Alter versucht man halbwegs Kämpfen aus dem Weg zu gehen! Alt sollte man eben nicht werden!“
„Na schön, wie lauten diese Fragen?“, erkundigte sich Ishmael.
„Also... HÖRE NUN DIE DREI FRAGEN DIE ZU STELLEN.....“
„Die zu stellen Du verpflichtet bist!“, unterbrach Ishmael die Statue. „Hab ich recht?“
„Ähm... JA!“, bestätigte die Statue, aus dem Konzept gebracht.
„Ausgezeichnet, gut. So jetzt stelle die nächste Frage!“, verlangte der Dieb.
„Nein! Moment mal, ich...he ähem... ICH MUSS DIR DIE FRAGEN DOCH ERST STELLEN!“
„Drei Fragen!“, verbesserte Ishmael.
„Ja genau! DREI FRAGEN!“
„Ja, wieder eine richtig!“, triumphierte Ishmael hingebungsvoll in Wort und Gestik. „Gut, jetzt zur letzten Frage.“
„Nein, nein! Ich muss doch......“, stammelte die Statue.
„Was ist denn das Große dort hinter dir?“, fragte Ishmael unschuldig.
„Was meinst Du?“, fragte die Statue und drehte sich mühselig um. Ein Donnern und Dröhnen erfüllte den Raum.
„WAS IST DEN DORT HINTEN?“
„Dein Schatten ...“, beantwortete Ishmael selbstbewusst. „Na, bin ich gut oder bin ich ... SPITZE?“
„Was, wie, WER?“, stammelte die Statue und wandte sich wieder dem Dieb zu, der bereits mit dem Rubin in der Tasche sein Seil empor krabbelte.
„Moment!...DU HAST MICH REINGELEGT!“, dröhnte die Statue.
„Obwohl ich nicht verpflichtet bin, auf eine vierte Frage einzugehen, lautet die Antwort JA!“, rief Ishmael, während er sich wieder durch die Dachöffnung zwängte.
Die Statue überlegte kurz stirnrunzelnd, zog langsam eine schmollende Miene und meinte schließlich weinerlich: „Ich komme mir so benutzt vor...“
Letztendlich wurden das Dorf gerettet und die Drei hatten wieder einmal auf ihre ganz eigene Art und Weise alle Gefahren gemeistert. Ich nahm mein Gepäck wieder auf und setzte meinen Weg nach Myn fort. Es waren solche Geschichten, die mir wieder neuen Mut gaben und mich einem Treffen mit dem Chaostrio entgegen fiebern ließen. Ich war mir wieder sicher, dass sich der Aufwand lohnen würde...
Fußnote:
* Damit ist gemeint, das solche Fallen meist tödlicher Natur sind und es allgemein bekannt ist, dass es in der Hölle nicht mehr viel zu stehlen gibt. Es sei denn, man ist Zahnarzt oder gehört einer Berufsparte an, die ebensoviel Gefallen an Folterwerkzeugen findet.