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Das ist Liebe
Ich erwache, weil Alex sich bewegt, und spüre die Muskeln seiner Schulter unter meiner Wange. Wie gut er riecht! Herb nach Schweiß, als hätte er einen Marathon hinter sich. Wenn man so aufwacht, umschlungen, und man nicht mehr sagen kann, wo der eine Körper aufhört und der andere anfängt, dann ist es Liebe.
Darum schlinge ich meinen Arm fester um seine Brust, mein Bein reibt über die Haare auf seinem Bauch und ich spüre seinen Beckenknochen zwischen meinen Schenkeln. Am liebsten würde ich jetzt auf ihn klettern und ihn mit Küssen bedecken, ihn streicheln und das von ihm einfordern, was ich gestern nicht bekommen habe. Aber er schiebt mich grob beiseite, als wäre ich eine Puppe. Er setzt sich auf die Bettkante und ich frage mich, was ich angestellt habe. Dabei hat er sich gestern erst dazu entschlossen, bei mir einzuziehen.
Ich möchte in seiner Nähe sein, will nicht, dass er jetzt schon aufsteht, möchte ihm Nähe geben und seinen Körper spüren, also schiebe ich das Bettlaken beiseite und greife nach seinem Handgelenk, setze mich auf und küsse die Wirbel, die durch die dünne Haut seines Rückens nach außen drücken, möchte meine Arme um ihn schlingen, ihn festhalten und liebkosen. Ganz nah an seinem Ohr frage ich: »Wie hast du geschlafen?«
»Scheiß Hitze hier oben«, antwortet er, drückt meine Arme weg und verschwindet ins Bad, lässt mich mit dem vom Schweiß feuchten Laken alleine.
Sein Hemd hängt noch am Stuhl. Ich kann nicht widerstehen, drücke es an meine Nase, streife es über. Überlege, ob ich nicht zu ihm unter die Dusche gehen und später nach Männerduschgel riechen soll, aber da stellt er das Wasser auch schon wieder ab und kommt raus, tut, als wäre ich nicht da, zieht sich seine Jeans an und geht zur Küchenzeile, stellt eine Tasse unter die Kaffeemaschine und verpasst ihr fluchend einen Schlag, als sie auf Knopfdruck nicht reagiert.
Ich lächle, weil ich weiß, wie sehr ihn meine Kaffeemaschine ärgert. Es ist wie verhext, aber er schafft es nicht, sie zu bedienen, ohne grob zu sein. Dabei muss man nur lange genug auf den Knopf drücken. Mit Gefühl und Geduld. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie zwischen uns steht, indem sie seine Männlichkeit untergräbt. Ein Mann, der eine Maschine nicht bedienen kann.
Alex lehnt lässig an der Balkontüre und raucht. Ich will ihn reizen und sage: »Also ich geh' heute jedenfalls nicht Brötchen holen« und grinse schelmisch. Dann schnappe ihm die Zigarette aus der Hand, setze mich auf den Balkonstuhl, ziehe die Beine an und schlage locker die Flügel seines Hemdes um meine Knie. Von unten her blicke ich keck zu ihm auf, aber er fällt nicht drauf rein, das verrät mir sein Blick.
»Ich muss weg«, sagt er.
»Wie weg?« Jetzt bin ich überrascht.
»Nach Hause. Muss noch was erledigen«, sagt er und guckt schuldbewusst in seine Kaffeetasse, als wäre da etwas ganz Spannendes zu finden. Ich schließe die Hemdflügel und stelle meine Füße auf die kalten Fliesen des Balkons.
»Davon hast du nichts gesagt. Ich dachte, wir hätten den Tag für uns«, sage ich ganz bewusst enttäuscht. Er soll schon merken, dass ich mich auf einen gemeinsamen Tag gefreut habe.
»Das ist mein Hemd«, sagt er, als er an mir vorbei ins Schlafzimmer geht. Dann packt er seine Sachen zusammen und ich tapse ihm barfuß hinterher.
»Und warum ziehst du nicht das Hemd an, das ich dir letztens geschenkt habe? Das hattest du noch nie an!«
Aber er antwortet nicht sondern verschwindet mit seinem Rucksack durch die Wohnungstür und ich habe den Eindruck, dass er flieht. Ich blicke die Tür noch eine Weile an, aber Alex kommt nicht wieder. Stattdessen höre ich seine Schritte im Treppenhaus leiser werden. Auf dem Weg zur Küchenzeile riecht es aus dem Bad nach Duschgel, seine halbvolle Kaffeetasse steht noch auf der Ablage in der Küche.
Mein Blick fällt auf das zerwühlte Bett und ich seufze, dann sehe ich die Kaffeemaschine an und sie scheint unter meinem Blick kleiner zu werden. Ich mag sie wirklich sehr und habe sie schon sehr lange. Wir haben uns aneinander gewöhnt. Aber vielleicht muss man sich von alten Dingen trennen, wenn man Platz für etwas Neues schaffen möchte.
Ich suche nach meiner Jeans und fische mein Handy aus der Tasche. Dann tippe ich eine SMS an Alex: »Kaufen wir gemeinsam eine neue Kaffeemaschine?«
Nach einer Minute kommt die Antwort: »Okay. Danke dir.«
»Was machst du heute Abend?«
»Ich komm zu dir und wir probieren sie gemeinsam aus?«
»Du kommst zu mir?«
»Ich mein, ich komm nach Hause.«
»Ich liebe dich!«
Ich lächle und stecke meine Nase in den Saum seines Hemdes, dann ziehe ich es aus und stelle mich unter die Dusche. Und nehme das blaue Duschgel.