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Das ist wohl Schicksal...

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08.03.2005
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Das ist wohl Schicksal...

Das ist wohl Schicksal...

Alles begann mit meiner Freundin Tina, die ich in der Firma kennenlernte.
Damals war ich Anfang zwanzig und wohnte noch mit meinem früheren Freund zusammen. Doch weil wir charakterlich überhaupt nicht zusammenpassten, war das Ende unserer Beziehung eigentlich schon lange vorprogrammiert. Tina war ein paar Jahre älter als ich und hatte ihre Beziehung gerade beendet.

Ich fing an, viel mit Tina zu unternehmen. Sie hatte einen großen Bekanntenkreis, in dem immer irgendetwas los war. Mein krankhaft eifersüchtiger und obendrein kontaktscheuer Freund kam damit immer weniger zurecht. Es kam, wie kommen musste, eines Tages packte ich nach einer seiner unzähligen Eifersuchtsszenen meine Sachen und zog aus. Ich fühlte mich, wie aus dem Gefängnis entlassen.

Noch im selben Sommer machte ich mit Tina und ein paar ihrer Freundinnen meinen Motorradfüherschein. Schon als Kind winkte ich auf der Straße den Motorradfahrern zu und träumte davon, selbst einmal mit einem weißen Lederanzug auf einem weißen Motorrad zu fahren. Diesen Wunsch mußte ich mangels Geld erst mal auf Eis legen, außerdem kannte ich früher keine Motorradfahrer und allein macht es ja auch keinen Spaß. Nun kam die Gelegenheit und ich erfüllte mir meinen Kindheitstraum. Nur auf die Farbe Weiß verzichtete ich dann aus praktischen Gründen doch lieber.

Bei jedem Sonnenstrahl waren wir unterwegs. Bald waren wir eine rießige Fahrgemeinschaft, wir fuhren zusammen in die Berge und machten wunderschöne Ausflüge und Urlaube. Auf der Suche nach unseren Traummännern waren wir schon auch, aber der hatte ziemlich strenge Kriterien zu erfüllen: er sollte gut aussehen, die drei "H´s" besitzen, ein Motorrad natürlich auch, in unseren Bekanntenkreis passen, unternehmungslustig sein und er sollte sich im schicken Anzug in einem guten Lokal ebenso wohlfühlen können wie in der fliegenverschmierten Lederkombi im Straßengraben.
Dies erwies sich als die schwierigste Aufgabe, die nur ganz wenige schafften.

Nach einigen Jahren vergeblicher Suche nach dieser Zusammensetzung beschloss ich irgendwann, solo zu bleiben. Ich hatte die Nase voll von dem, was auf dem freien Markt zu finden war. Mir ging es blendend, ich kam wunderbar alleine zurecht, warum sollte ich mich also durch einen Mann verschlechtern?
Die Sache war für mich erledigt.

Doch ich machte die Rechnung ohne Tina.

Wieder einmal schaltete sie eine Anzeige, in der sie nach alleinstehenden Motorradfahrern suchte. Es antworteten auch einige und sie nahm zu den interessantesten von ihnen Kontakt auf. Prompt verliebte sie sich gleich beim ersten Treffen. Doch was Tun mit den anderen netten Kerlen, die sie nun nicht mehr kennenlernen wollte? Schade drum, so wertvolle Kontakte einfach wegzuwerfen!
Kurzerhand rief sie einen von ihnen an und vermittelte ihn an mich weiter, wovon ich allerdings keine Ahnung hatte. Sie fragte ihn, ob sie seine Telefonnummer eine alleinstehende Freundin weitergeben dürfe, da sie selbst bereits vergeben sei. Er war damit einverstanden, es sei schließlich egal, wen man neu kennenlerne.
Bevor Tina in den Urlaub fuhr, gab sie mir diese Telefonnummer und bat mich, ihn anzurufen, sie hätte es versprochen. Er wäre sehr nett gewesen und sie würden sich mal zu einer Motorradtour treffen.
Natürlich rief ich nicht an.

Zwei Wochen später kam Tina aus dem Urlaub zurück und wir saßen abends bei ihr zusammen. Nachdem sie mir ihre Urlaubserlebnisse erzählt hatte, fragte sie mich irgendwann nach dem netten Motorradfahrer, den sie mir vermittelt hatte. Ich erklärte, dass ich leider weder Zeit noch Lust hatte, ihn anzurufen und jetzt wäre es sowieso schon zu spät. Doch so leicht konnte ich mich nicht aus der Affäre ziehen. Sofort griff Tina zum Telefon und rief ihn an. Zu meinem Leidwesen hörte ich auch noch eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Nach kurzem Geplänkel hin und her drückte Tina mir dann den Hörer in die Hand. Es gab kein Entrinnen, ich musste mich mit ihm unterhalten, wenn ich nicht wie eine völlig verkrustete Kuh dastehen wollte - wir telefonierten sehr lange, verstanden uns richtig gut und verabredeten uns gleich für den nächsten Abend.

Er war der letzte, der den Wechsel zwischen Nobellokal und Straßengraben elegant hinbekommen hat. Seit sieben Jahren führen wir eine glückliche Ehe mit Tina als Trauzeugin. Das ist wohl Schicksal...

 

anastasia schrieb über ihre Geschichte:

Hallo,

dies ist eine Erzählung, die Geschichte hat sich tatsächlich so zugetragen.
Ich bin gespannt auf euer Urteil, ich stelle zum ersten Mal etwas ein - ich bitte um Milde, aber trotzdem um Ehrlichkeit! ;) Danke!

 

Hallo anastasia, herzlich willkommen auf kg.de

Bei der Erzählung - wirklich so zugetragen oder nicht sei dahingestellt - gibt es einige Schwachpunkte. Die Grunderzählung finde ich gar nicht schlecht, zum Beispiel die Szene, als die Prot über das weiße Motorrad und den weißen Anzug erzählt, die finde ich richtig gut gelungen. Der Rest des Textes ist leider nicht so gut. Es gibt ein wichtiges schriftstellerisches Grundprinzip: "Show, don't tell". Du beschreibst zu viel. Szenen wie die, als deine Protagonistin das erste Mal mit ihrem späteren Ehemann telefoniert sind das beste Beispiel dafür. Du beschreibst nur das, was beim Leser später ankommen soll. Es wirkt wie die Zusammenfassung einer Geschichte. An diesen Stellen musst du arbeiten. Du musst es schaffen, in dem Leser eine Stimmung zu erzeugen, die er vielleicht später mit "die beiden verstanden sich von Anfang an gut" wiedergeben kann. Deine Aufgabe als Autorin ist es, den Leser die Welt durch die Augen der Protagonistin sehen zu lassen.

ich bin sicher, dass du das kannst, stellenweise hast du es ja auch schon geschafft.

gruß
vita
:bounce:

 

Hallo anastasia,
und herzlich willkommen auf kg.de!
Ganz sachlich gesagt merkt man es deiner Geschichte schon an, dass sie sich wirklich so zugetragen hat. Nicht unbedingt wegen des Plots, sondern wegen des Stils.
Ich glaube, dass du sehr viel verschenkst. Einerseits, weil du so gerafft erzählst, und andererseits, weil du so gerafft erzählst. Die Geschichte wirkt dadurch nämlich größtenteils wie ein Bericht, dabei könnte sie sehr viel lebendiger sein.
Sie enthält da eine Menge Potential. Du könntest uns genau zeigen,
- wie deine Prot Tina kennenlernt
- wie deine Prot sich mit ihrem Freund streitet – vielleicht gerade die Szene, in der sie ihn verlässt; in einer solchen Szene könntest du schön herausarbeiten, dass die beiden eigentlich nicht zusammenpassen, dass es bei ihnen schon länger kriselt usw.
- wie deine Prot sich dem Motorradfahren zuwendet; vielleicht erzählt sie Tina verlegen lachend von ihrem Kindheitstraum und wird dann dazu bewegt, ihn sich doch zu erfüllen
- wie die Fahrgemeinschaft einen Ausflug unternimmt und auf Männerfang geht; vielleicht eine enttäuschende Begegnung, die deine Prot hat
- wie Tina beschließt, eine Kontaktanzeige zu schalten – sie könnte sich mit deiner Prot darüber unterhalten; vielleicht besucht deine Prot Tina gerade, als diese ihre Post sortiert, und erfährt auf diesem Wege von der Anzeige
- wie deine Prot bemerkt, dass Tina jemanden kennen gelernt hat, mit dem sie zusammen sein will / wird / ist
- wie Tina deiner Prot die Telefonnummer des anderen gibt
- wie deine Prot den Zettel mit der Nummer in den Händen dreht und ihn vielleicht wegwirft
- wie Tina sie am Ende zum Anrufen drängt, wie sie das erste Mal die Stimme aus dem Hörer hört usw.
Das sind alles nur Beispiele. Du könntest aus ein paar knappen Sätzen jeweils lebendige, sorgfältig ausgearbeitete Szenen machen, die den Leser in die Handlung hineinziehen und ihn an ihr teilhaben lassen. Natürlich müsstest du an einigen Stellen immer noch raffen, denn deine Geschichte erstreckt sich ja über einen recht langen Zeitraum.
Am Anfang haben mich zum Beispiel diese Stellen gestört:

Doch weil wir charakterlich überhaupt nicht zusammenpassten, war das Ende unserer Beziehung eigentlich schon lange vorprogrammiert.

Es kam, wie kommen musste

Ich denke nämlich nicht, dass du extra zweimal darauf hinweisen musst, dass die Beziehung zum Scheitern verurteilt ist. Zeig es uns einfach.
Du erzählst die Geschichte aus Sicht deiner Prot, aber aus der Rückblende. Deswegen deutest du oft an, was im Nachhinein passiert ist. Das kann man so machen, aber es schafft eine enorme Distanz zur Geschichte und lässt sie so an Wirkung verlieren. Ein Beispiel dafür ist, dass du uns erzählst, dass Tina ihrer Freundin den Kontakt vermitteln wird, noch bevor sie das tut, bzw. du erzählst uns etwas, was deine Prot nicht miterlebt hat und erst im Nachhinein erfahren kann. In Wahrheit muss es doch einen Moment gegeben haben, in der Tina ihrer Freundin die Telefonnummer in die Hand drückte und ihr kurz resümierte, was es damit auf sich hat. In diesem Moment müsste deine Prot doch irgendwie überrascht gewesen sein. Warum lässt du uns nicht an dieser Überraschung teilhaben?
Deine Geschichte wird in dieser Form vielleicht eine Wirkung erzielen, wenn du sie als Anekdote im Freundeskreis erzählst. Wenn du einen Text daraus machen willst, der den Leser in seinen Bann zieht, musst du noch einiges tun. Aber ich würde dir wärmstens empfehlen, dich an den Ausbau des Textes zu wagen – du schaffst das. Versuche, Informationen in der Handlung und in den Dialogen zu verpacken und nicht alles durch die Erzählerin erklären zu lassen. Baue Stimmungen auf, zieh den Leser in deine Prot rein.
Es wird sicher nicht leicht sein – ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es ziemlich schwierig ist, Geschichten zu schreiben, die auf realen Erlebnissen fußen. Aber ich denke, der Versuch lohnt sich auf jeden Fall und ich würde mich freuen, deine Geschichte noch mal in überarbeiteter Form zu lesen.
Ein bisschen Textkram habe ich noch:

Ich fühlte mich, wie aus dem Gefängnis entlassen.
Hier kein Komma

Motorradfüherschein.
Da fehlt ein r :)

Schon als Kind winkte ich
Da sie zum Zeitpunkt, als sie das sagt, erwachsen ist, würde ich hier evtl. vorschlagen: „Schon als Kind hatte ich …. gewinkt"

Nur auf die Farbe Weiß verzichtete ich dann aus praktischen Gründen doch lieber.
:lol: Sätze wie dieser gefallen mir.

eine rießige Fahrgemeinschaft
riesige

die drei "H´s"
eher die drei „H’s“. Noch richtiger wäre Hs, da wir ja im Deutschen keine Pluralbildung mit ’ haben, aber das sieht komisch aus. Und mir persönlich ist auch nicht klar, was die drei Hs bedeuten. Bildungslücke. Hilfst du mir?

die nur ganz wenige schafften.
„bestanden“ würde vielleicht besser klingen.

Doch was Tun mit den anderen netten Kerlen, die sie nun nicht mehr kennenlernen wollte?
Doch was tun …?

Ich hoffe, du lässt dich nicht entmutigen. Der Plot an sich ist doch schon ganz solide – egal, ob real oder nicht, das darf bei einer Geschichte im Endeffekt keine Rolle mehr spielen -, und ich denke doch, dass du daraus noch eine „richtige“ Geschichte machst.
Wünsche dir auf jeden Fall noch eine schöne und lange Zeit auf dieser Seite,
liebe Grüße
ciao
Malinche

 

Hallo Malinche, Crazy Janey und Vita,

vielen Dank für euren Willkommensgruß und eure wirklich sehr detaillierten Kritiken!

Ich musste mich bei diesem Text auf eine bestimmte Länge beschränken, das erklärt vielleicht die Knappheit meiner Schilderungen. Aber mir haben eure Verbesserungsvorschläge sehr geholfen, ich werde mich bemühen, mehr auszuschmücken. Ich sehe die Erzählung jetzt mit ganz anderen Augen. Wenn eine überarbeitete Version tatsächlich angefordert wird, dann mache ich das. Ziemlich unsicher bin ich mir, wie lang so eine Erzählung überhaupt geraten soll, ab wann wird es zu `langatmig`. Im wirklichen Leben möchte niemand eine Begebenheit so genau erzählt bekommen...ich habe mir dadurch angewöhnt, in kurzen Sätzen zu erzählen.

liebe Grüße an Euch,
anastasia

An Malinche:
Die drei Hs bedeuten Herz, Hirn, Humor ! Wie Crazy Janey richtig vermutet hat.

 

Hey anastasia,

die Geschichte soll so lang sein, wie sie eben sein muss, um all das zu transportieren, was sie sagen muss. Nicht länger und nicht kürzer. Du kannst zur Not immer noch Sätze oder ganze Szenen wieder streichen - versuch, das Gleichgewicht zu finden.

gruß
vita
:bounce:

 

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