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Das Kamel ist durch

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01.07.2001
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Das Kamel ist durch

Seit Ewigkeit versucht ein Kamel sich durch ein Nadelöhr zu zwängen. Im Gegensatz zu Sisyphus‘ ähnlicher Strafe ist das jedoch den meisten Leuten nicht bekannt. In all den Jahren schaffte das Kamel nicht den kleinsten Fortschritt in seiner Aufgabe, trotz den ungeheuren Anstrengungen. Es ist wegen mangelnder Überlieferungen nicht klar, wer dem Kamel diese Strafe auferlegte und weshalb. Es ist nicht einmal klar, ob es überhaupt eine Strafe war.
Diese Begebenheit hat gerade jetzt unvermittelt riesige Brisanz gewonnen: Das Kamel hat es geschafft. Gerade eben ist das Kamel durch das Nadelöhr gegangen.

 

Hallo Pirscher,

zu diesem kurzen in seiner Grundaussage pointierten Text muss ich nun doch etwas sagen. Eine Verknappung und Verkürzung des Stils kann grundsätzlich jeglicher poetischen Äußerung nützlich sein, wenn dadurch die Aussage an Schärfe und Deutlichkeit gewinnt. Wenn aber der Autor dem Leser gegenüber die wesentliche Aussage schuldig bleibt, dann fühlt sich der Leser verschaukelt und ist, ob er es will oder nicht, innerlich verärgert. "Jetzt gerade" hat die Aussage eine "Brisanz" erhalten, "das Kamel hat es geschafft." Wer ist das Kamel, und in welcher Handlung hat dieses Kamel "es" geschafft? Wenn ich mich an die Bibel recht erinnere, ist der Zusatz der: "als dass ein Reicher in das Himmelreich eingeht", oder so ähnlich. Also ist jetzt die von Christus erwähnte irreale Bedingung eingetroffen und alle Reichen kommen in den Himmel. Allgemein gesagt: das soziale Gewissen kann sich beruhigt schlafen legen. Ist das gemeint? Wenn ja, welche Missstände der Gesellschaft sind "jetzt gerade" aufgebrochen, dass in deinem Text diese Aussage möglich wird?
Ich meine schon, dass man als Leser, der ehrlich bemüht ist, einen Text zu verstehen, ein Recht darauf hat, zu erfahren, was gemeint ist. Sich nur tiefsinnig hinter einer pauschalisierenden Anklage zu verstecken, das, meine ich, ist nicht ganz fair. Man muss Ross und Reiter nennen.

Hans Werner

 

@Hans Werner

Deine Kritik ist sehr berechtigt, das sehe ich ein.
Ross und Reiter meiner Geschichte kenne ich selber nicht. Das hängt mit der Entstehung meiner Geschichten zusammen: Ich suche bei meinen Geschichten eigentlich immer erst dann einen Sinn, wenn sie schon fertig sind. Ich erahne ihn natürlich schon vorher, aber so richtig bewusst nehme ich ihn erst nachher war. So gesehen sind meine Geschichten immer Versuche, in diesem Fall vielleicht ein missglückter.
Ich habe dieses Kamel-Motiv zwar der Bibel 'geklaut', es aber in der Geschichte nicht weiter als Anlehnung daran angesehen.
Ich wollte niemanden verschaukeln mit dieser Geschichte.

Auf alle Fälle vielen Dank für deine Kritik, meine Geschichte war ihr wohl nicht gewachsen :).

 

Hmm, ich finde gerade dieses Schleierhafte verleiht Pirschers Minigeschichten ihr Flair. Gerade weil er "Ross und Reiter" nicht nennt, kann der Leser (so er denn will) die Geschichte mit völlig eigener Bedeutung füllen. Ähnlich wie bei einem surrealen Gemälde, nur mit Worten, halt.
Man muss dem Leser den "Sinn" und die Aussage nicht immer ausführlich vorkauen - ja, man braucht eigentlich oft gar keinen "Sinn" (oder eine Katharsis im aristotelischen Sinn, oder was auch immer man jetzt von einer Geschichte erwartet).
Ich fühlte mich jedenfalls keineswegs verschaukelt.

 

Anmerkung d. Mod.:Hier ist übrigens einer der seltenen Fälle in denen die Kritiken länger sind als die Geschichte selbst! :)

 

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Hallo Pirscher,

Wiedereinmal finde ich Deine Geschichte Klasse. Lass Dich nicht entmutigen. Ich glaube doch der liebe Herr Werner kann es nicht lassen auch ausserhalb der Schule manchmal den Lehrer zu spielen. Aber seine Geschichten sind natürlich auch in gewisserweise das direkte Gegenteil von Deinen: lang, und mit einer deutlichen, oft Gesellschaftlichen "Message". Da kommt er natürlich mit einer biblisch/gesellschaftlichen Interpretation bei Dir nicht weiter - obwohl er darin ein Paar gute Fragen aufwirft.
Für mich sind Deine Stories irgendwie Ausdruck etwas viel grösseren/grundlegenderen: (Vielleicht weit hergeholt aber...) die absurdität des menschlichen Daseins. (Ach ja, wo wir beim Absurden wären, fällt mir natürlich auch gleich der Camus mit seinem Sysiphus ein). Ich meine, auf die wichtigsten Fragen unserer Existenz (vom Sinn des Lebens, bis zur Entstehung des Universums, etc., etc.) haben wir ja auch keine Antworten...

 

Also ich muß ganz ehrlich sagen, daß ich mit der Geschichte nichts anfangen kann. <IMG SRC="smilies/cry.gif" border="0">
Ich kenn das Sprichwort zwar, aber ich weiß nicht, was die Geschichte eigentlich aussagen möchte... <IMG SRC="smilies/crying2.gif" border="0">
Ich hab's wohl nicht so ganz gecheckt, was ich eigentlich sehr schade finde... <IMG SRC="smilies/cwm28.gif" border="0">

Griasle
stephy
#
P.S.: Um welche Problematik ging es im übertragenen Sinne eigentlich? Ich mein, wenn man schon interpretieren muß, dann fällt's zumindest mir schwer, die Richtung zu erahnen... :(

 

Ich glaube, ich habe das Problem meiner Geschichte erkannt:
In dieser Geschichte gibt es mehrere Elemente, die einen klaren Interpretationsansatz liefern: das von der Bibel entnommene Kamel und auch Sisyphus, der aus der griechischen Mythologie stammt. Da ich diese Geschichte jedoch nicht auf eine solche Interpretation ausgelegt habe, führen diese Interpretationen ins Nichts.
Das ist wohl der Grund, weshalb sich Hans Werner verständlicherweise verschaukelt fühlt.
Wahrscheinlich tun solche konkrete und anderer Literatur direkt übernommene Elemente meiner Art von Geschichten nicht gut.

 

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