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Das klientenbezogene Beratungsgespräch
SUIZID
Das klientenbezogene Beratungsgespräch
Das klientenbezogene Beratungsgespräch
Wissen Sie, manchmal kommt es vor, dass ich ganz plötzlich bei einer sehr ernsten Angelegenheit, in ein lautes Gelächter verfalle. Diese sehr dumme Eigenart hat mir schon manche, sehr unsympathische Meinung über mich eingebracht. Die Leute stehen mit Erstaunen da und schütteln den Kopf und später, auf der Straße, da tuscheln sie darüber.
Sicherlich ist es, das gebe ich zu, sehr unangebracht in einigen Situationen zu lachen.
Wissen Sie, letztens, ach ja, das wissen Sie, mein missglückter Suizidversuch.
Wenn ich so unverschämt fragen darf, es geht mich ja nichts an, aber haben Sie öfters Patienten, die bei dem Versuch, sich zu zitieren, aus dem nichts heraus, die Sache so komisch finden, dass es einfach zu schade wäre so einen speziellen Moment auf so ungenüssliche Weise zu verschwenden? Das hat mich im Nachhinein nämlich sehr traurig gemacht, wissen Sie, ich würde gerne darüber mit Gleichgesinnten sprechen. Verzeihen Sie mir diese Unhöflichkeit, aber ich bezweifle, auch wenn Sie sich die größte Mühe geben, dass Sie mich verstehen werden. Ich kenne solche Leute wie Sie genau, spätestens wenn Sie zur Tür hinausgehen und ich habe Sie schon oft die Tür hinausgehen sehen.
Sie müssen wissen, dass ich … ich schätze Sie sehr, da Sie mir unweigerlich und schweigend zuhören, aber eine Fähigkeit mir zu helfen, nein, über eine solche verfügen Sie nicht.
Dennoch, ihr offenes Ohr für meine Probleme wirkt sehr anregend auf mich, auch wenn ich dieses, zugegeben, schon lange nicht mehr in Anspruch genommen habe. Also passen Sie auf.
Wenn auf einer Beerdingung, meine Tränen dem Lachen wichen, dann tat mir das hinterher sehr leid. An dieser Stelle von gesellschaftlicher Empathie oder Reue zu sprechen, verbitt ich mir jedoch, da ich mir sicher bin, dass es mir mehr um mich leid tat und um die vielen empörten Meinungen, die gewisse Leute nach diesen Begebenheiten gegen mich hegten.
Doch nach diesem ganz speziellen, eigentlich genüsslich geplanten Moment, welcher mir mein Ausscheiden aus dem Leben bescheren sollte, war ich selbst zutiefst erschüttert. Nachdem das Lachen diese genüssliche Empfindung zerstörte, versteht sich.
Infolgedessen war ich dann jedoch zu müde und zu erschöpft, um noch einmal mit der tief ergreifenden und anstrengenden Prozedur fortzufahren. Schließlich war ja alles genau geplant, auch zeitlich. Nicht dass Sie sich ein falsches Bild von mir machen, die Zeit spielt keine so wichtige Rolle für mich persönlich, ich bin ja schließlich auch noch nie pünktlich gewesen. Ich bin eben ein Genussmensch, oder vielmehr ich war einer, bevor das mit dem Lachen kam.
Aber Sie wissen ja, die peinlich genauen Kontrollbesuche meiner Schwester. Es ist ein Leid, aber ich befürchtete, dass sie, wenn sie wieder vor der vereinbarten Zeit gekommen wäre, sie ist meist überpünktlich, meine Pläne noch einmal durchkreuzt hätte.
Stellen Sie sich nur vor, ich wäre im Krankenhaus erwacht. Breit grinsende Linsen von Kameras, die jeden Moment, jeden Schritt und jeden Tritt aufzeichnen. Dahinter die schaurig gütigen Nonnen und Schwestern.
Mir ist heute noch rätselhaft wie Nonnen ein Bündnis mit Gott eingehen können und den ganzen Tag wie ich, schweigend und mit einem scharfen Blick umhergehen. Eigentlich tun sie mir leid und sie hätten allen Grund mich zu beneiden, um meiner Lachattacken wegen. Sie können ja nicht lachen; - seltsamer Gott.
Dennoch sind mir Nonnen lieber als Krankenschwestern, diese verdammten zur Scheinheiligkeit ausgebildeten und nicht einmal bekehrten Schwestern.
Den ganzen Tag ein breites Grinsen im Maul und ihre Stimmen… .
Haben Sie einmal eine Krankenschwester mit einem Patienten sprechen hören und dann später mit einem Kollegen? Ich sage Ihnen, es ist ein fürchterliches Schauspiel, bei dem, wenn Ihr Magen nicht gefüllt ist, es einem die Galle hoch würgt und man Mühe hat sich nicht zu bekotzen. Entschuldigen Sie meine ungezügelten vulgären Formulierungen, aber diese Schwestern, das verstehen Sie doch sicher?
Das Allerschlimmste dabei ist ja, dass man die schwarzen ehrlichen Schäfchen übersieht. Selbst mir fällt es unglaublich schwer, sie zu erkennen, vielleicht liegt es daran, dass sie schon tot sind ...
Um auf mein eigentliches Problem zurückzukommen, ich hoffe Sie können mir noch folgen, wenn nicht, haben Sie eine ungefähre Ahnung wie es mir ergeht bei diesem verfluchten und doch gepriesenen Gehirn. Ich mag meinen Verstand auf eine seltsame Weise. Ein bisschen Narzissmus muss ja sein, Lebenskraft, obwohl ich mich auch immer recht hübsch fand. Besonders mein Gesicht, es hat viele verblendet, vor allem die Scheinheiligen, was mich gelegentlich immer noch stolz macht und mich, wenn mir die Sache mit dem missglückten Suizidversuch nicht noch zu sehr in den Knochen sitzen würde, zu einem künstlichen Lachen animieren könnte.
Es gibt ja zwei verschiedene Lacharten, ich weiß nicht, ob Sie die kennen. Das künstliche Lachen, das tut mir eigentlich sehr gut. Leider ist es im Laufe der Jahre für mich sehr schwierig geworden, es zu praktizieren, da es doch mit einer gewissen Anstrengung verbunden ist. Ja und dann, das seelisch überfallende Lachen, dieses unkontrollierte, in unpassenden Situationen. Kurzweilig sehr befreiend, doch später umso schmerzlicher.
Sie denken sich jetzt sicher für einen Menschen wie mich, von dem Sie nach so vielen Jahren den Eindruck hatten, dass er den Schmerz suche und begehre, sollte es doch ein Geschenk sein, das ist es aber nicht. Meine Ansicht in dieser Angelegenheit hat sich sehr gewandelt und sich ebenfalls zu einer gewissen Zwiespältigkeit ausgeprägt.
Im Grunde kann man nur die unterschiedlichen Arten, meine Ansichten von Schmerz, fühlen, sie zu beschreiben, fehlt es meiner Meinung nach an ausdruckstarken Worten, die diesem Zustand gerecht werden könnten. Um es eventuell nachzuvollziehen, könnten Sie sich den lethargischen Schmerz nach einem Lachanfall vorstellen. Ich hoffe, diese Beschreibung bringt Ihnen meine Verzweiflung näher... .
Vielleicht war mein Beispiel doch ungeschickt gewählt, da ja selbst Lethargie so viele verschiedene Ebenen aufweist.
Ist eigentlich jede Sprache so jämmerlich ausgestattet oder liegt es einfach an meinem zu begrenzten Wissen? Bei so einer armseligen Grundlage sich zu verstehen zu geben, würde man sich am liebsten den Schädel einschlagen, um zu spüren, dass wenigstens noch Echtheit in nonverbalen Gesten liegt. Das wäre sicher auch eine erquickende Freude.
Kennen Sie das Hotel in dem man sich ein Zimmer zur Ausführung des Suizids mieten kann, da bekommt man sogar noch Gratismittel. Ich glaube davon gehört zu haben, ein leicht zu reinigendes Zimmer mit Plastikeinrichtung und gekachelten Wänden. Eine Perspektive, die ich bisher noch gar nicht in Betracht gezogen hatte.
Nein, für mich Genussmenschist es, glaube ich, keine geeignete Art aus dem Leben zu treten. Sie wissen ja, dass ich von Kindheit an einen psychischen Drang und eine tiefe Verehrung für Schmerzmittel und tiefe Fleischwunden hege.
Sicher mag dies einem geneigten Betrachter obszön erscheinen, jemand, der von Echtheit als Vollkommenheit redet und sich dann mit Schmerzmitteln betäubt, die Adern aufschneidet. Aber wenn sie es einmal ausprobieren, nein, lassen sie es lieber, es ist eine Sucht, da deren Ekstase länger als jede sexuelle anhält.
Eigentlich ist es schade ein Leben ohne diese Erfahrung zu verschwenden. Andererseits würde diese Erfahrung ihr Leben verkürzen. Man muss halt Prioritäten setzen.
Mein Suizid sollte ganz ähnlich aussehen, bloß das ich, die Ekstase verkürzen wollte, sprich, ich wollte nur kurz noch einmal, Gott vergib mir, vom höchsten Glück kosten und hätte dann ganz anspruchslos auf das Nachspiel verzichtet. Wie gesagt, man muss halt wählen. Aber das Nachspiel, ich habe es noch genau in meiner Erinnerung. Es ist so viele Jahre her und ein Gedanke daran lässt dieses Gefühl wieder vollständig aufblühen. Dieser leicht zunehmende Schmerz, wenn die Betäubung nachlässt. Ein Genuss, sag ich Ihnen.
Sie helfen mir sehr. Wenn ich mich so erinnere. Ich glaube, da war jemand. Irgendwie muss es ja angefangen haben, vor der Ekstase. Ich selbst bin ja nur ein Erzeugnis der Gesellschaft, wie jedes andere Individuum, oder Mensch auch, man mag es nennen wie man will. In welchem Zusammenhang die Person zu mir steht, kann ich jetzt nicht mehr genau sagen. Es fällt mir schwer diese Erinnerungen zu reproduzieren, da sie nur sehr brüchig sind, aber wir haben ja Zeit.
Wissen Sie, ich habe da einen immer wiederkehrenden Traum. Ich habe ihn bisher vor Ihnen verschwiegen, da ich nicht so recht wusste, er mich in gewisser Hinsicht auch verletzte.
Es geht dabei um ein nicht ausgereiftes Profil, nicht unbedingt hübsch, eher auch schmutzig, befleckt mag man sagen. Es ist aber nicht die Schuld des Profils befleckt zu sein, oder doch… nein, ungereiften Profilen steht weiß zu.
Also beharr ich rationell auf dem Standpunkt, dass es nicht des unausgereiften Profils Schuld war. Vielleicht emotional kann man darüber streiten. Meine Zwiespältigkeit, hm, sie könnte darauf hindeuten, dass ich das Profil war, anders kann ich mir dieses Verhalten nicht erklären, das darauf folgende meine ich, dass eigentlich selbst zerstörende.
Ich glaube, mir meinem Problem bewusst zu werden.
Sie sind wirklich gut, ich sollte Sie in meinen Kreisen weiter empfehlen. Sicher hat mein Problem etwas mit den Haupttrieben zu tun und diesem ganzen Psychogequatsche, welches Sie in meiner Abwesenheit mit Gleichgesinnten abhalten. Vielleicht haben Sie ja doch Kompetenz. Ja, ich glaube Sie haben sie. Vielleicht hatte ich mich in Ihnen getäuscht.
Mein Problem liegt ja klar auf der Hand.
Es liegt nicht an einem zu ausgeprägten Todestrieb, im Gegenteil, die Ursache ist mein Lebenstrieb, dieser naive Lebenstrieb des unausgefeilten Profils, nur dass meine heutigen Entscheidungen immer noch die, eines unausgereiften Profils entsprechen, auch wenn kurze Überlegungen zeitweise andere Entscheidungen in Betracht ziehen. Das habe ich heute erst wieder erlebt, das Resultat bleibt stets das gleiche.
Ja, das alles erklärt jetzt auch meinen Traum.
Ich frage mich nur, warum ich angefangen, habe so etwas zu tun, dieses Verhalten steht doch geradezu in einer Disharmonie mit meinen ursprünglichen charakterlichen Anlagen. Sie müssen sich das praktisch mal auf der Zunge zergehen lassen.
Jemand, der ihr Kind, nein sagen wir besser, Sie umgebracht hat, Ihre Seele, ich glaube ihr eigenes Kind wäre zu speziell oder haben Sie den gleichen Bezug zu Ihrer Seele wie zu Ihrem Kind? Es wäre praktisch so, er bringt Sie um, Ihr Kind, Ihre Seele, Ihr unausgereiftes Profil, alles eins und als Gegenleistung, für diese Tat muss er ja schließlich etwas bekommen, dafür, dass er sie im Suff in Ihrem Kern erstickte, ja, dafür bekommt er Ihr zu tiefstes Mitleid. Er hat Sie ja schließlich nur umgebracht.
Sie müssen sich das genau vorstellen, denn das allein ist ja noch nicht alles.
Stellen Sie sich jetzt noch vor, Sie hätten die Möglichkeit gehabt, Ihrem Schänder das Messer ins Herz zu bohren, Rache zu nehmen, oder wenn auch nur zu verachten oder zu hassen, so was in der Art jedenfalls. Aber Sie, Sie treten zu ihm und lächeln ihn an, reichen ihm die Hand und flehen ihn an, Mut zu schöpfen, da er selbst durch dieses Geschehnis zerfressen erscheint, jedoch nicht dem Geschehnis Ihrer zerbrochenen Seele wegen, sondern wegen seiner, seiner einsamen Seele, schließlich liebte er sie ja.
Was für Sie bleibt, ist diese verfluchte Empathie, die noch den Rest ihres Körpers auffrisst und den letzten Stummel ihrer zerbrochenen Seele ausmacht. Es ist in diesem Fall, ein schlecht übrig gebliebenes verschontes Zentrum.
Da fällt mir auf, dass eigentlich ich über die Leute tuscheln sollte, deren geheucheltes Interesse auf der Beerdigung für eine Stunde andauerte. Ich schließlich habe ihn, den Beerdigten, seitdem er meine Seele zerbrach, bedauert und dann gelacht, weil ich ihn auch liebte. Nein, diese Überlegungen bringen zu viele Schmerzen mit sich.
Ich bin froh, dass ich dieses Ereignis aus so objektiver Sicht sehen kann, denn es erscheint mir auf einer vulgären Weise pervers. Wenn es Ihnen nicht so ergeht, haben Sie mich nicht richtig verstanden oder Sie sind unmenschlich.
Vielleicht kann man das mit überzeugten Nutten machen, aber ein unausgereiftes Profil, abscheulich, und dies zu akzeptieren, noch abscheulicher.
Zum Glück hab ich den nötigen Abstand gewonnen, ja das Lachen, es bietet den nötigen Abstand, wenn man unfähig ist zu hassen. Vielleicht sollte ich meine Gabe, die den Nonnen verweigert ist, preisen und dem Herrn dafür danken.
Auch wenn Sie diese Eigenart psychologisch als Defending bezichtigen, ist es besser als schmerzend unterzugehen. Oder was denken Sie darüber?