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Das Lästerschwein
Das Lästerschwein
„Das ist vielleicht ´ne Schlampe…“
„Wieso?“, hakte ich nach.
„Na schau dir doch mal diese enge Hose an. Das Top ist neongrün und die Haare pink, wie neunzehnhundertfünfundachtzig.“
Mein bester Freund und ich saßen also in diesem hübschen, kleinen Café im Wiener Kaffeehausstil und beobachteten die Menschen auf der Straße. Einige warteten auf den Bus, andere schlenderten an den Schaufenstern der hiesigen Geschäfte vorbei.
An der Haltestelle stand ein etwas korpulenter Mann.
„Der treibt´ s bestimmt mit Hunden. Das sieht man dem doch förmlich an. Diese hässliche Hackfresse.“
Beinahe wäre mir ein Stück Zupfkuchen im Hals stecken geblieben.
Das kommt nicht oft vor. Also das und mit meinem besten Freund Kuchen zu essen.
„Jetzt komm mal wieder runter“, entgegnete ich. „Der kann doch nichts dafür, dass er nicht gerade der schönste ist. Deshalb hat er doch nicht zwangsläufig Sex mit Haustieren.“
„Ja schon, aber der ist auch noch so unheimlich fett. Schau dir das doch mal an. Eine Stunde Sport am Tag würde ihn ja nicht umbringen oder was?“
„Na vielleicht darf er gar keinen Sport treiben.“
„Wieso, er treibt´ s doch auch mit seinem Köter.“
Nun hätte ich fast den Kaffee ausgeprustet, so sehr hatte ich mich verschluckt.
„Aber vielleicht hat er ja ´ne Katze“, gab ich zu bedenken.
„Ja, jetzt wo du es sagst. Der macht´ s mit seiner Katze.“
„Könntest du jetzt bitte aufhören? Du solltest nicht einfach ohne Grund über andere Menschen urteilen.“
„Was isn mit dir los, Mr. Moralapostel. Mann, ich dachte immer du wärst cool? Jetzt wächst dir wohl die Weisheit aus dem Arsch, wie?“
„Diese Kraftausdrücke kannst du dir bei mir sparen. Schraub einfach das Lästern etwas runter.“
Für die nächsten zwei Minuten war es still. Doch dann betrat ein verliebtes Pärchen das Café und setzte sich an einen Tisch neben uns. Es dauerte nicht lange und es ging weiter im Programm.
„Hey, schau mal, die befummeln sich.“
„Und? Lass sie doch.“
„Aber die hat doch total die Pickelfresse. Bei der hat doch ‚Austausch von Körperflüssigkeiten’, ´ne ganz andere Bedeutung.“
Und da war es wieder, das Gefühl, irgendetwas zu verschlucken.
„Mein Gott, auf jeden Topf passt eben ein Deckel.“
„Ja, und was für einer.“
„Iß dein Stück Torte.“
„Ha, und die Schuhe von dem Typen. Da gehst du ja echt am Stock. Wer zieht denn so was noch an? Total behindert sag ich dir, total behindert.“
„Solange es keine orthopädischen Schuhe sind, ist da gar nichts behindert dran. Ihm gefallen sie eben.“
„Ja, genau so wie seine Freundin.“
Nur weil er gerade dreißig geworden ist, muss man sich doch nicht so mokieren, oder?
Allerdings hatte ich langsam das Gefühl, die beiden am Nachbartisch bemerkten, dass über sie geredet wurde.
„Entschuldigung, redet ihr über uns?“ Der verliebte junge Mann lehnte sich leicht zu uns herüber.
„Nee Kumpel, alles bestens. Wir hatten nur ´ne Unterhaltung über bestimmte Leute, die ihre Nase in Angelegenheiten stecken, die sie nichts angehen.“
In diesem Moment hatte ich wirklich Angst, es würde zu einer physischen Auseinandersetzung kommen. Ich fasste also allen Mut zusammen und entschärfte die Situation auf meine Weise. Auch die Kellnerin zeigte Zivilcourage und musste wohl ganz dringend Tassen abwaschen.
„Tut mir leid. Mein Freund hat heute einen schlechten Tag gehabt. Zuerst sprang sein Auto nicht an und er musste laufen. Dann hat ihn die Polizei angehalten, weil er bei rot über die Ampel g e l a u f e n ist – das muss man sich mal vorstellen. Zu guter letzt, hat ihn auch noch seine Frau verlassen und jetzt hat er die Gören am Hals.“
Obwohl mein Freund kein Auto besitzt, niemals bei rot eine Ampel überquert und er seine Freundin erstmal kennen lernen muss, um von ihr verlassen zu werden, verstand der junge Mann und widmete sich wieder seiner Freundin.
Erst jetzt bemerkte ich, dass seine weibliche Begleitung wirklich nicht sehr hübsch war.
Um die Wahrheit zu sagen; sie war grauenhaft hässlich. Die Ohren standen ab, das Haar war zerzaust und fettig. Die ausgelatschten Schuhe passten keinesfalls zur Strickjacke. Und überhaupt, wer trägt schon noch Strickjacken? Grundsätzlich habe ich nichts gegen Brillen aber eine Mischung aus Horn und Teleskop verschönert kein Gesicht. Allerdings brachte das ihr Kinn in unnatürlicher Weise zur Geltung, wodurch meine Aufmerksamkeit auf die beachtliche Anzahl der Pickel gelenkt wurde. Im indirekten Licht des Café, sah es fast so aus, als hätte sie einen Damenbart – igitt. Das lässt auch auf unrasierte Beine schließen. Ob die sich regelmäßig wäscht? Ich hatte das unangenehme Gefühl, mit jedem Bissen Kuchen, Schweißgeruch herunterzuschlucken.
Hässliche Menschen sind einfach zum kotzen!