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Das Leben eines Toten

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11.06.2004
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Das Leben eines Toten

Das Leben eines Toten

Ein schrilles Lärmen durchbrach die friedliche Stille des Morgens. Mein roter, metallener Wecker trommelte im Sekundentakt auf sich herum, um mich aus dem Schlaf zu reißen. Ich hatte keine andere Wahl, ich musste aufstehen. Langsam hiefte ich mich aus meinem Fort aus Kissen und Decken. Es war eine mühsamer Prozess. Mit jedem Zentimeter, den mein Kopf an Höhe gewann, spürte ich mehr Schmerzen. Meine Glieder, mein Schädel, alles tat mir weh. Als hätte ich gestern Abend einen riesigen Felsbrocken auf meinen Schultern getragen, aber es muss wohl zu viel von dem guten Whisky aus Howards Bar gewesen sein. Im Bad angekommen begann ich mich zu waschen und meinen Harndrang zu besänftigen – mit Erfolg. Nun hing ich über dem Waschbecken und mir wurde klar, dass ich leer war: Der Schmerz war verschwunden und mein gerade eben befriedigtes Bedürfnis auf der Toilette hinterließ auch kein warmes, schönes Gefühl – wie sonst immer. „Das muss der Morgenschlaf sein, der mir noch nicht ganz entfleucht ist“, sagte ich mir und schleifte meinen Körper in die Küche, das Klein-Restaurant in meiner Wohnung. Die Kaffeemaschine ließ sich wie immer nur sehr schwer öffnen. Nach ein paar Minuten hatte ich mir ein kleines Frühstück zubereitet. Wie jeden Morgen aß ich einen Marmeladen-Toast und trank dazu zwei Tassen Kaffee ohne Milch und Zucker. Nach diesem mechanischem Vorgang schritt ich zur Wohnungstür, nahm meinen Schlüssel aus der grünen Schale, die auf der Komode steht und ging zur Arbeit.

Acht Stunden vergingen.

Der Schlüssel verhackte sich mal wieder beim Versuch ihn im demolierten Schloss herumzudrehen. Nach einiger Anstrengung bekam ich die Tür zu meinem Reich doch noch auf. Das Resultat war ein verbogener Schlüssel und ein geschwächtes Handgelenk mit aufgeriebenen Handflächen vorne dran. Meine Jacke warf ich auf die Garderobe; ich versucht es jedenfalls. Sie rutschte wie jeden Nachmittag vom Hacken ab und glitt mit sanfter Erscheinung auf den Fußboden herab. Ich seufzte: „Nicht schon wieder“, war mein Gedanke. Ich ging zu ihr und hing sie mit genervten Bewegungen auf den richtigen Hacken, damit ich endlich die Nachrichten schauen konnte. Ein paar Blicke warf ich noch in jeden Raum, um zu prüfen, ob auch alles beim Alten ist und ich mich in Ruhe mit dem Fernsehen beschäftigen kann. Alles war in Ordnung, wie immer. Im Wohnzimmer setzte ich mich dann in meinen alten, ziemlich vermoderten Sessel und taste nach der Fernbedienung für den Fernseher. Diese lag wie fast immer auf dem Sofa - viel zu weit weg, um sie noch im Sitzen zu erreichen. Ich stand also auf, holte sie und begab mich dann wieder in meine bequeme Sitzposition. Das Fernsehgerät machte knisternde Geräusche beim Einschalten. Ich zappte mich durch bis zu den Nachrichten. Die Strahlen der abnehmenden Sonne glitten durch die Fensterscheibe und hinterließen ihre Spuren auf der flimmernden Scheibe. Ich musste meine Augen anstrengend verkrampfen, um etwas zu erkennen. Der Nachrichtensprecher laß streng und schnell die Neuigkeiten von seinem Zetteln ab und zwischendurch wurden immer wieder Bilder eingeblendet. Bilder von Autos, von Tieren, von Häusern, von ganzen Städten, von Menschen, von Toten und von Kriegsmaschinerie. Danach lief ein Werbeblock. Sie wollten mir ein neues Super-Waschmittel andrehen. Ich stand langsam auf, ließ die Geräusche des Fernsehers im Nirwana meiner Wahrnehmung versinken und ging in Richtung Küche – Sie erinnern sich, mein Klein-Restaurant –, um mir ein erfrischendes Glas Leitungswasser einzugießen. Als ich über dem Spülbecken mein Glas hielt, wurde mir langsam schwarz vor Augen. Das schlanke Glas entglitt meiner Hand und erzeugte ein blechernes Geräusch beim Aufprall im klebrigen Becken. Mir wurde klar, dass ich leer bin: „Ach, Schwachsinn! Ich habe heute bestimmt nur zu wenig getrunken. Ja, daran muss es liegen!“, sagte ich leise zu mir. Nachdem ich wieder etwas sah vor Augen, nahm ich ein neues Glas aus dem Schrank, füllte es mit Wasser und genoß jeden Schluck, der auf meine trockene Kehle traf. Etwas später ging ich zu Howard in die Bar. Er hat wunderbaren Whisky. Der brennt richtig im Rachen, wie es sein muss.

Der nächste Morgen.

Der Wecker, dieser kleine Henkersmann, riss mich wieder mal aus meinen Träumen, wenn ich denn welche hatte – ich weiß es nicht mehr genau. Es war das gleiche Trauerspiel wie an jedem Morgen. Mein Schädel dröhnte und meine Glieder wiegten so viel wie ein Heizkörper – glauben Sie mir, ich durfte solche Dinger schon schleppen. Im Bad angekommen setzt ich mich zuerst auf die Toilette, um meine Notdurft zu verrichten. Ich musste wohl ziemlich viel Whisky getrunken haben, denn selbst nach einer Minute schoss die gelbe Flüssigkeit immer noch in Strömen aus mir heraus. Ich nahm einen Waschlappen zur Hand und rieb ihn energisch an meinem, von Howards gutem Whisky stark gezeichneten, Gesicht. Wie jedem Morgen hing ich dann über dem Becken und schaute mich im Spiegel an. Eine blasse Figur gab ich ab. Kaum lebensfähig sah ich aus. Ich fühlte mich leer, alleine – und doch, ich hatte Menschen um mich. Da war natürlich mein Mutter – mein Vater ist nach meiner Geburt abgehauen – und der Rest meiner Verwandtschaft, einige Freunde und Arbeitskollegen. Und trotzdem, ich fühlte mich alleine und völlig leer, ausgesaugt von meinem kurzen Dasein auf diesem Planeten, der Erde. Ich mochte diese Gedanken nicht, verdrängte sie sofort und ging in die Küche, um mir mein alltägliches Frühstück zu machen. Komisch, es schmeckte nicht wie immer. Irgendwie fade und trocken. Trotzdem aß ich es in einem schnellen Rhythmus, damit ich noch rechtzeitig zur Arbeit kommen konnte. Ich verließ meine Wohnung und fuhr los in meinem kleinen Opel, der mehr Lebenserfahrung hat als ich.

Einige Stunden später.

Von der Arbeit zurück, legte ich meinen kleinen Schlüsselbund in die grüne Schale und versuchte meine Jacke auf den Hacken zu werfen und, gar nicht anders erwartet, rutschte sie von diesem elegant ab und fiel zu Boden. Nachdem ich sie ordentlich angehängt hatte, ging ich ins Wohnzimmer und setzte mich in meinen Sessel, suchte die Fernbedienung. Diesmal befand sie sich rechts neben dem Fernseher. Ich musste also wie immer aufstehen, damit ich in den Genuß der Television kommen konnte. Die Nachrichten waren nicht viel anders als gestern. Ein paar Tote, einige Terroristen mit vermummten Gesichtern und ganz Deutschland fragte sich mal wieder, ob unsere Nationalmannschaft es noch drauf hat. Der Werbeblock war auch nicht unbedingt besser: Es ging um ein neues Bügeleisen – als ob ich meine T-Shirts bügeln würde. Ich verspürte das Bedürfnis etwas zu trinken. Also erhob ich mich und schritt mit hängenden Schultern in mein Klein-Restaurant. Leitungswasser erschien mir die beste Möglichkeit zu sein, um meinen Durst schnell zu löschen. Ich nahm ein Glas und hielt es unter dem Strom, der aus der Leitung kam. Die Scherben von gestern lagen immer noch im Becken. Es störte mich nicht. Ich nahm einen ersten Schluck. Es schmeckte nicht so wie immer. Das Wasser schien dreckig zu sein. Ich schaute mir das Glas von oben und unten an – nichts. Keine Verunreinigung war zu sehen. Mir kamen wieder diese Gedanken, die von heute früh, als ich am Becken stand. Ich presste mir eine Träne ab und ließ die Gedanken verschwinden – wo, weiß ich nicht mehr. Am Abend ging ich wieder zu Howard, um mein Verlangen nach seinem besten Getränk, dem brennenden Whisky, zu stillen.

Der nächste Tag.

Ich hörte meinen Wecker nicht, ich schlief. Ein Toter lag in meinem Bett. Er sah blass und mager aus. Viele Sanitäter waren in meinem Schlafzimmer und Polizisten in meiner Küche. Sie betrachteten alles ganz genau und fertigten Notizen an. Die Wohnungstür stand offen und immer wieder gingen Menschen hinaus und schritten welche ein. Es war ein reges Kommen und Gehen an diesem Morgen.

 
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Es ist dies nun der vierte Text von dir, in dessen zweifelhaften Lesegenuss ich gekommen bin, der - zu meiner großen Überaschung - diesmal doch keine """Parabel""" zu sein scheint. Du hast dich auch sichtlich bemüht, die Interpretationsmöglichkeiten für den Leser ein wenig einzuschränken. Dieser Text gefällt mir etwas besser, als die anderen, die du hier gepostet hast, obwohl er in einem Stil geschrieben ist, der mich unweigerlich an die Aufsätze meines kleinen Bruders erinnert, die ich hin und wieder für ihn korrigiere.
Ich muss leider sagen, dass ich etwa beim zwanzigsten groben grammatikalischen - stilistischen oder sonstwie gearteten Fehler zu zählen aufgehört habe.
Ich werde wohl Unmengen von Whisky benötigen, um die Erinnerung an diese Geschichte aus meinem Gedächtnis zu tilgen :D.
Liege ich mit folgender "Interpretation" etwa richtig?
Der Protagonist - oder DU (wie auch immer) - wird zu einem Schatten seiner selbst, in einer konsumorientierten, geistesfeindlichen Gesellschaft, in der Wille und Geist eines jeden einzelnen sterben, zerfällt allmählich seine Persönlichkeit. Da er sich dieses langsamen aber sicheren Todes bewusst ist, versucht er seinen Verstand jeden Abend mittels "Howards gutem Whisky" [Ich hasse dieses Wort] zu betäuben und seinem Tod zu entfliehen, obwohl er genau weiß, dass dies absolut sinnlos ist. Am Ende stirbt er doch, was ja von Anfang an abzusehen war. Der Tod eines weiteren letzten [oder allerletzten Menschen ("Weiterentwicklung" *g*)]
Das kommt mir alles so VEDAMMT BEKANNT vor... :D
Trotz der lobenswerten Einsicht, die womöglich hinter diesem Text steht, finde ich, dass er eine Katastrophe ist. Eine solche Anhäufung grober "Schnitzer" ist wirklich nicht nötig.

 
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TheShadow schrieb:
[...] obwohl er in einem Stil geschrieben ist, der mich unweigerlich an die Aufsätze meines kleinen Bruders erinnert, die ich hin und wieder für ihn korrigiere. [...] Trotz der lobenswerten Einsicht, die womöglich hinter diesem Text steht, finde ich, dass er eine Katastrophe ist. Eine solche Anhäufung grober "Schnitzer" ist wirklich nicht nötig
Dem Datum der Word-Datei nach zu urteilen, habe ich den Text mit 12 geschrieben. Was verlangst du von einem Zwölfjährigen?! :( Aber du hast Recht, ich hätte wenigstens die grammatikalischen Fehler korrigieren können.

TheShadow schrieb:
Das kommt mir alles so VEDAMMT BEKANNT vor...
Bitte klär mich auf. Ich verstehe diese Anspielung nämlich nicht... :shy:

PS.: Ich bin nicht der Protagonist. ;) Soweit kommt's noch. :D

Edit: Was hat dir stilistisch nicht gefallen? Welche Formulierungen gefallen dir absolut nicht? (Verbesserungsvorschläge wären nett und lieb. :) )

 

Sofern meine Interpretation richtig war, solltest du meine Anspielung verstehen, wenn du meinen Text liest - den bislang einzigen, den ich hier veröffentlicht habe. Ich habe mich aus einem persönlichen Bedürfnis heraus - so glaube ich - mit demselben Thema befasst, das ich in meiner letzten Antwort angesprochen habe (wie schon Hunderte vor mir). Allerdings ist mein Text wesentlich knapper und bildreicher gefasst, vielleicht auch nicht unbedingt leicht zugänglich (ich halte ihn jedenfalls für verständlich) - ich weiß es nicht, denn ich habe diesbezüglich noch keine Antwort erhalten.
Zu deinen Fehlern: Ich werde dir eine Liste zusammenstellen, wenn ich wieder genug Zeit und genug Schlaf finde (Ich habe seit 36 Stunden nicht geschlafen - eigentlich die ideale mentale Verfassung, um - ganz nach dem Vorbild des großen Kafkas - eine Kurzgeschichte zu verfassen, wenn ich denn die Zeit dazu hätte... :D)

 

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