Was ist neu

Das Meer ist zum Sterben schön

Seniors
Beitritt
20.12.2002
Beiträge
924
Zuletzt bearbeitet:

Das Meer ist zum Sterben schön

Jede Nacht sterbe ich, um mit dem Sonnenaufgang zu erwachen…

Mein Leben ist wie ein Herz mit Kammerflimmern. Eine immer kreisende Erregung findet statt, die elektrischen Impulse spielen verrückt. Meine Herzmuskelzellen kontrahieren völlig willkürlich und ungleichmäßig. Das ist mein Leben. Und man kann das nicht lange aushalten. Aber ich lebe dafür. Ich lebe, um zu sterben. Deswegen muss ich meinen Körper so belasten. Um an der Kippe zu stehen. Ich muss mich treiben lassen im Strom der Nacht. Ich fließe in den Kreislauf des Lebens hinein wie eine Blutzelle mit äußerst begrenzter Lebensdauer. Ich trinke, ich rauche, ich lache, ich nehme die Pillen, ich ziehe mir weißes Zeug durch die Nase. Und natürlich macht man sich sorgen. Aber es geht nicht anders. Ich muss sterben. Sonst komme ich nicht voran. Ich will fühlen, sonst ist mir kalt. Wie das Wasser, das hinter mir in der Brandung tobt. Ungefähr so kalt wird es mir. Und ich ertrage diese Kälte nicht mehr. Ich ertrage sie einfach nicht mehr. Deshalb muss ich mich in den Kreislauf des Lebens spritzen lassen. Deshalb muss es weh tun. Sonst bin ich ein schlafender Vulkan, eine unverbrauchte Keimzelle, ein unaktiviertes Gen… Ich bin ein nichts. Ich muss versuchen die kreisende Erregung meines Herzens gelegentlich zu unterbrechen. Die Nacht ist der Defibrillator meines Seins. Die Drogen, der Strom, der Rauch, die Menschen, das Gelächter… Nur dann sehe ich klar. Nur dann sehe ich überhaupt was.

Die Party ist schon lange vorbei, die Meisten sind heim, aber ich sitze noch immer hier und beobachte das Lagerfeuer, das vor im Sand mit dem Tod kämpft. Das Feuer hat uns lange mit seiner Wärme und Licht gedient, doch bald wird es sich den Gesetzten der Chemie beugen müssen. Und trotzdem bewundere ich dieses Feuer. Aber nicht für die hohen hellen Flammen, die er vorhin voller Stolz spielen ließ. Nein, ich bewundere ihn für die Kraft, die jetzt noch in ihm steckt. Es hat doch das Feuer auf Deutsch, oder? Also das ist mir völlig egal, denn dieser Feuer hier ist eindeutig männlich. Das sehe ich ihn an. Und ich bewundere ihn. Auch in diesem Stadium seines Lebens vermag das Feuer mit seinem Glut mir die Hände zu verbrennen, und – dafür bewundere ich ihn am meisten - auch jetzt noch kann er neues Leben in die Welt setzten. Ich stelle mir vor wie kleine Feuersporen von dem Wind davongetragen werden und wie sie weit hinter der Sanddüne in den Feldern ein neues Feuer zum Leben erwecken. Ich sehe wie mein altes Lagerfeuer voller Stolz grinst und seinen ungestümen Sohn beim leichtsinnigen Spiel mit den Flammen beobachtet. Wie er lächelt und sich freut, dass sein Sohn so groß und stark geworden ist, dass er so weit und hell scheint. Und natürlich macht der Sohn Fehler, natürlich kann er seine Kraft nicht richtig einschätzten, natürlich wird der ein oder andere noch seine Finger an ihm verbrennen. Ha Ha! Mein Lagerfeuer grinst fürchterlich bei diesem Gedanken.

Ich bewundere mein Lagerfeuer, aber ich bin nicht so wie er. Denn mein Lagerfeuer ist ein alter Mann, der zurückblicken und lachen kann, der sich noch bis zu seinem Tod an den Flammen seines Sohnes erwärmen wird. Ich bin aber jung. Sehr viel jünger als ich es bin kann fast man gar nicht sein. Ich bin jung wie Eiskrem, und Bikinis, und Fußball. Ich bin jung wie alles, dass einmal war, und nicht wie alles, dass nicht mehr ist. Und trotzdem fühle ich mich alt und verbraucht und abgenützt. So als ob die Welt sich seit Jahren mit mir den Arsch abputzt. Ich fühle mich noch viel älter als das Feuer. Irgendwo in ihm steckt noch diese fürchterliche Hitze. Und in mir? Ich bin kalt.
Die Menschen, der Rausch der Sinne, die Anmachen, die Erotik, die Musik, der Wein… Ich fühle jetzt wie ich diesen Kreislauf verlasse. Die Kälte des Nachts bricht jetzt über mich herein. Ich klammere mich an meiner Bierflasche fest mit all meiner Macht, um den Sturz abzuhalten. Aber ich werde weggezogen, hinein in die Flut, hinein in die wütende Brandung.
Wie jede Nacht.
Ich schmeiße meine Bierflasche weg und renne so schnell ich kann. Ich renne weg von dem Feuer, und den Menschen, und dem Wein. Ich will ans Ende der Welt. Ich bin jetzt nicht mehr im Kreislauf drin. Und nun stehe ich am Meer und merke wie sein salziger Geruch durch meinen Körper strömt. Der Ozean will mich wie eine schöne Frau. Und ich will auch sie. Ich will in ihrer aggressiven Kälte baden, um endlich den Kreislauf für immer verlassen zu können. Ich weiß nicht mehr wie lange ich es aushalte kann, dieses Leben. Sogar wenn ich im Kreislauf drin bin, fühle ich wie sie an mir zerrt. Diese Mittel zum Ausschalten wirken zwar wunder, aber nur für kurze Zeit. Am Ende stehe ich doch immer hier, bei ihr, und lass mich mit von ihrem salzigen Geschmack verführen. Aber noch konnte ich sie widerstehen…
Man fragt sich, wie es dazu kam, dass ich immer hier stehen muss? Welche Umstände wohl dazu geführt haben? Was für Eltern ich hatte, würden die Psychologen wohl fragen. Wie diese Mittel wohl auf mich wirken? Aber das ist alles Quatsch. Das hier ist das, was ich schon immer wollte. Schon seit ich denken kann will ich mich ihr übergeben. In meiner Welt ist das Meer eine Frau und sie ruft schon immer nach mir. Heute Nacht ist sie schwarz und dunkel und böse. Und sie lächelt mir zu wie eine Bestie an ihrem Hochzeitstag. Sie hat lange schwarze Krallen und Riesenfangzähne und ich finde sie wunderschön. Ich will mich von ihr fressen lassen. Ich verlange nach dieser Erlösung, und sie verlangt nach mir. Und ich weiß, dass ich nicht alleine bin. Die Bestie ist die Quelle der Inspiration für alle Romantiker. Sie ist das Ziel von Touristen aus aller Welt. Und sie ist der Ursprung allen Lebens. Alle wollen in sie eindringen. Noch lange bevor es die Liebe gab, gab es diese stürmische Brandung…
Ich weiß genau, hätte ich früher gelebt, oder wäre ich unter andren Umständen aufgewachsen, dann wäre ich ein Seemann geworden, oder ein Pirat, oder zumindest Fischermann. Hauptsache die Nähe zu ihr. Und ich wäre immer weiter raus gefahren, immer tiefer in sie eingedrungen, bis sie mich irgendwann nicht mehr los gelassen hätte. Ja, das war schon immer mein allergrößte gewesen: Bis ans Ende der Welt zu segeln. Ich wäre der erste gewesen, der mit Columbus an Bord gestiegen wäre, und der letzte, der sich gefreut hätte, Land zu sehen…

Ich spüre wie mir immer kälter wird. Der Wind zerrt an meiner Jacke und zersaust meine langen Haare. Meine Füße sind aufgeweicht und tief im Sand versunken. Ich muss nur ein paar Schritte nach vorne wagen. Nur ein paar lockere Schritte nach vorne und mein Wunsch wird erfüllt. Dann bin ich für immer mit ihr vereint… aber noch tue ich es nicht.
Denn jetzt kommt meine Rettung und ich weiß, dass ich zumindest noch ein Tag auf dieser Erde aushaaren muss. Die Sonne erhebt sich über dem Horizont. Die Dunkelheit verschwimmt über das Wasser zu einem blassen Blau. Und mir kommen die Tränen. Es ist noch zu früh. Noch viel zu früh. Die Bestie wird auf mich warten müssen, denn jetzt ist die Sonne da, und die Sonne ist mein Freund. Keine Vaterfigur, keine Autorität, kein Objekt der Begierde…
Einfach nur ein Freund. Jemand, der mich begeleitet, der nicht immer Zeit für mich hat, aber doch oft. Jemand, der es weiß, mir ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern. Der Ozean kann warten. Und er wird warten.
Bis ich nicht mehr kann.

 

Hey Juju

Jede Nacht sterbe ich, um mit dem Sonnenaufgang zu erwachen…
Da steckt soviel Pathos drin, da wollte ich schon aufhören. Aber dann habe ich es doch gelesen, und meine Befürchtungen haben sich leider bewahrheitet.
Back to nature? Nicht mein Fall.
Das ist jetzt peinlich, welche Epoche war das, in der die Gefühle des Prots. sich in der Natur widerspiegelten? (Naturalismus??? :-/ ) Ich hab keine Ahnung, aber ich hoffe, du weißt, was ich meine.
Das ist aber nicht das Einzige, was mich an deiner Geschichte gestört hat. Denn die Geschichte besteht aus Reflexionen, Be-und Umschreibungen. Das kann manchmal sehr interessant sein, hier sind es leider Gedanken, die ich schon paar mal so oder so ähnlich gelesen habe.
Noch etwas ist, dass ich die Gedanken nicht nachvollziehen konnte, weil sie mir zu allgemein geblieben sind. Das waren machmal wie Schlagworte.
Ein paar Beispiele:
Ich fließe in den Kreislauf des Lebens
Feuer hat uns lange mit seiner Wärme und Licht gedient,
Wie das Wasser, das hinter mir in der Brandung tobt.
Es hat doch das Feuer auf Deutsch, oder?
Fragen versuche ich immer bei Geschichte zu vermeiden, weil ich das nicht mag, ist also Geschmacksache. Hier passt es mMn nicht. Und es ist vermeidbar. "Es heißt zwar das Feuer, aber dieses Feuer hier ist männlich." So ungefähr. ; )

Dann die Vergleiche mit alter Mann, junger Mann, Kind. Da bin ich durcheinander gekommen, das hat sich irgendwie unnötig in die Länge gezogen. Das waren vielleicht Andeutungen auf ein Familienproblem. Er muss ja einen Grund dafür haben, wieso er immer wieder sterben will, wieso er einsam ist, sich der Natur hingibt. Ich glaub, du hast dir einfach zuviel vorgenommen.
Das ist ein wildes Kuddelmuddel und ich wusste nicht recht, was nu DAS Thema ist.
Es ist also nicht ganz klar. Klar ist, dass die Figur das Leben so sehr liebt, dass sie es immer wieder neu leben möchte. Sterben, um neu zu leben. Und es hat nichts mit Wiedergeburt zu tun. So paradox es auch klingt, irgendwie meine ich, das zu kapieren. ;) So wie ich es verstanden habe, macht sie das, um so etwas wie Adrenalin zu spüren. Ist eigentlich wie mit den Drogenjunkies - sie erhöhen ja auch immer wieder die Menge an Drogen, vermischen sie, um ihre Höhepunkte zu übertreffen.

Man könnte die Geschichte wirklich radikal kürzen und sie so mMn nur noch verbessern. Das ist mir alles zu breiig, ich komme nicht dahinter, was nun wirklich los ist, und irgendwie ist es dann doch klar. Eins steht fest, es sind zuviele Themen, du musst dich auf jeden Fall auf eins konzentrieren und dabei bleiben. Ein paar Ausschweifungen sind ja okay, aber du darfst nie soweit gehen und sie zu einem Nebenthema machen. Wie zB. die angedeuteten Psychostörungen, Familienprobleme etc.

Die Idee ist da, das Fundament eigentlich auch, du musst jetzt nur noch viel schleifen, kürzen, glätten, und was noch so gemacht wird. Die Stimmung ist auch da, die ist nur leider unter der Last der leeren Phrasen-Flut erstickt.

Fazit: Unsaubere Geschichte, in der durchaus Potential steckt.

JoBlack

 

Liebe Jo,

mal wieder ganz ganz vielen Dank für das ausführliche Feedback.

lg,

JuJu

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo JuJu,

JoBlack schreibt:

...Unsaubere Geschichte, in der durchaus Potential steckt .
Das sehe ich ähnlich.

Hier einige Beispiele:

Jede Nacht sterbe ich, um mit dem Sonnenaufgang zu erwachen…
An sich ein netter Satz, aber ... so richtig gestorben und bei Sonnenaufgang erwacht ist der Protagonist in Deiner Geschichte ja nicht.

Die dann folgenden Abschnitte wirken etwas "breitgetreten" nach dem Motto "das muß auch noch rein, ist wichtig".

Und natürlich macht man sich sorgen. Aber es geht nicht anders. Ich muss sterben.
Wer ist >man< ?
Die Drogen, der Strom, der Rauch, die Menschen, das Gelächter…
Was für ein >Strom< ? ...elektrischer ... Wasser ... Gedanken ... ?
Nur dann sehe ich überhaupt was.
vielleicht besser ... >etwas< ... hört sich etwas besser an.
...mein Lagerfeuer ist ein alter Mann...
Das gehörte an den Anfang der "leicht" zu lang geratenen "Feuer-Erläuterung". Dann wäre der Sprung von
Das Feuer hat ... doch bald wird >es< ... die >er< vorhin ...
nicht so schmerzhaft für meine Augen gewesen.

Ich klammere mich an meiner Bierflasche fest mit all meiner Macht, um den Sturz abzuhalten. Aber ich werde weggezogen, hinein in die Flut, hinein in die wütende Brandung.
Wie jede Nacht.
Ich schmeiße meine Bierflasche weg und renne ... weg von dem Feuer, und den Menschen, und dem Wein. Ich will ans Ende der Welt. Ich bin jetzt nicht mehr im Kreislauf drin.
Ist er jetzt drin ... in den Fluten, gestorben ... oder dachte er nur ... er könnte, sollte,wäre vielleicht, eventuell, drin ... und ist in Wirklichkeit weggelaufen ... oder hat alles nur geträumt ... weil, er muß ja allmorgentlich aus dem "Tot" erwachen?

Wobei der Satz an sich schon "ähh ( ?)" ist.

...weggezogen, hinein in die Flut, hinein in die wütende Brandung.
Wer zieht denn da und wohin? Flut, Brandung ist auflaufendes Wasser. Das kann Dich an Land spülen, Du kannst in den Fluten untergehen, die Brandung kann Dich gegen Klippen schlagen lassen ... aber wegziehen ... ?

Der Ozean will mich wie eine schöne Frau. Und ich will auch sie.
... es könnte bedeuten ... es kann aber auch ... Die deutsche Sprache lebt von der Sprachmelodie. Beim Lesen hat man mit solchen Sätzen schon mal ein Problem. Vor allen wenn am Schluß der Geschichte
Der Ozean kann warten. Und er wird warten.
"sie" dann wieder männlich wird.

Mir ist auch noch nicht klar geworden warum dieses tägliche Sterben stattfindet. Probleme mit Drogen, der Psyche, der Familie... oder einfach weil der 16.06.2008 ein Montag war?

Gruß, Keinstein

 

Hallo JuJu,

für mich ist die Story ganz einfach die Geschichte eines Junkies, der erkennt, dass er einsam ist und sich fragt, wie das alles weitergehen soll, mit Drogen/Selbstmord oder ohne... Es gibt einige Rechschreib- und Grammatikfehler und inkonsequent durchgezogene "Artikel-Umbenennungen" ("Der,die, das Feuer/Ozean"...), und breitgetretene Metaphern (passiert mir auch immer wieder) aber auch sehr gute Ansätze, die sich schön lesen lassen, finde ich. Auf jeden Fall weiter machen!

lg, catlucy

 

hallo catlucy, keinstein, auch an euch vielen dank für das feedback! man kann hier echt was lernen auf kg.de.

lg,

JuJu

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom