Was ist neu

Das Pfandleihhaus

Mitglied
Beitritt
15.10.2005
Beiträge
36
Zuletzt bearbeitet:

Das Pfandleihhaus

10.01.2006​

Ihre Hand umschlang die alte verrostete Türklinke und drückte sie herunter. Die Tür glitt mit einem lauten Knarren auf und entblößte einen kleinen, schwach beleuchteten Raum.

Susan Hofer betrat mit einem Rucksack auf dem Rücken und einem unsicheren Gesichtsausdruck das Pfandleihhaus am Ende der Kästner-Straße, während nicht weit entfernt Autos hupten und Kinder spielten und lachten. Sie war noch recht Jung, keinesfalls älter als fünfundzwanzig Jahre. Ihr brünettes, schulterlanges Haar, das ihr zum Teil die rechte Gesichtshälfte verdeckte, warf durch das schwache Licht des Ladens einen tiefen Schatten auf ihr sonst so hübsches Gesicht und lies es ungewöhnlich finster wirken.

Die Wände in dem Laden waren fast vollständig hinter Regalen und Schränken verborgen, auf denen allerlei Dinge standen. Gegenüber der Tür war eine von einer Rauchschwade umhüllte, kleine Theke.
Susan schritt langsam auf diese zu, während sie das Sammelsurium um sie herum genauestens musterte. Ihre Unsicherheit war von ihrem nun erwartungsvoll wirkendem Gesicht verschwunden.

„Kann ich etwas für dich tun, mein Kind?“
Susan zuckte beim Klang dieser Worte leicht zusammen und sah etwas verwirrt zu der eben noch verlassenen Theke hinüber. Ein älterer Mann mit Halbglatze, unter dessen Shirt ein nicht zu übersehender Bierbauch hervorlugte, war hinter der Theke erschienen und sah Susan jetzt fragend an, während er einen kräftigen Zug von seiner Zigarette nahm.

„Oh, Hallo. Nun ja, ich…“, fing Susan an, doch sie verstummte, als ihr Blick beim vorbeifliegen auf ein breites Regal direkt neben der Theke fiel. Nach einem kurzen Zögern ging sie darauf zu und las einen kleinen Gegenstand davon auf.

Es war eine goldene, reich verzierte Taschenuhr, bei deren Anblick Susan glasige Augen bekam.
„Ja, wahrhaftig, das ist sie…“, murmelte sie leise vor sich hin.

„Wunderschön, nicht war? Und vor allem wertvoller, als man auf dem ersten Blick meinen mag.“
Susan musste wieder zusammenzucken, als die kehlige Stimme des alten Mannes direkt neben ihr erklang. Er war, ohne dass sie es bemerkt hatte, von der Theke weg auf sie zugekommen.

„Oh, tatsächlich?“, fragte sie, da ihr auf die Schnelle nichts Besseres einfiel.
„Oh ja“, meinte der alte Kerl mit einem leicht verächtlichen Ton in der Stimme, wie Susan rauszuhören glaubte.
„Kaum zu glauben, dass ich sie für nur läppische Hundert bekommen hab“, erzählter er weiter, „von so nem’ verrafften Penner. Der hatte natürlich keine Ahnung, dass ich morgen bei der Versteigerung vermutlich das Dreißigfache, wenn nicht noch mehr, dafür bekomme“ Bei den Worten musste der alte kurz auflachen.
Er nahm Susan die Uhr aus der Hand, ohne das wütende Funkeln in ihren Augen zu bemerken, und legte sie wieder auf das Regal.

„Also wieso bist du nun hier, Kleines?“, fragte er mit eindeutig gespielter Freundlichkeit. Susan nahm ihren Rucksack von der Schulter und holte eine alte Kuckucksuhr aus diesem heraus.
„Dann lass mal seh‘n, Süße“
Sie reichte die Uhr dem alten Kerl.
Während er sie sich betrachtete, fiel Susans Blick wieder auf die Taschenuhr auf dem Regal vor ihr.

„Ich kann dir höchstens Hundert dafür geben, und das ist schon ziemlich großzügig von mir“, meinte der alte nach einiger Zeit schließlich.
„Hundert sind in Ordnung“, antwortete Susan abwesend. Sie hatte sich von dem Regal abgewandt und schaute nun auf ihre alte Kuckucksuhr, die fünf Minuten vor zwölf Uhr anzeigte.
„Dann sind wir ja im Geschäft.“ Der alte ging wieder zur Theke und holte dort zwei Fünfziger heraus.

Er gab sie ihr und sagte, Susan habe zwei Wochen, sie wieder abzuholen. Sie bedankte sich, warf nochmals einen letzten Blick auf ihre alte Kuckucksuhr (ihr großer Zeiger stand jetzt auf kurz vor zwölf) und verließ hastig das Geschäft.

Der alte Mann sah noch einen Moment zu, wie die Türe knarrend zufiel.
Mit einem widerwärtigen Grinsen im Gesicht wandte er sich der Kuckucksuhr zu, um sie auf einem freien Platz irgendwo auf einer der Regale zu verstauen.
Dabei schwebte sein Blick über das Regal neben der Theke, auf der vorhin noch eine wertvolle Taschenuhr gelegen hatte.

„Was zum Teufel..?“ Dann begriff er. „Oh, dieses verdammte Miststück“, zischte der alte.
In diesem Moment schlug die Kuckucksuhr punkt Zwölf.
Susan bog grade, die Hand fest um die alte Taschenuhr ihres toten Bruders umschlungen, mit einem leichten Grinsen auf dem Gesicht um die Ecke am anderen Ende der Kästner-Straße, als eine heftige Explosion in dem kleinen Pfandleihhaus hinter ihr die Geräusche der hupenden Autos und spielenden Kindern in der Nähe verschlang…

 

servus folks
wie sollten fürn deutschunterricht ne story mit dem oberthema 'Pfandleihhaus' schreiben...na ja, und das kam dann halt dabei raus :D
würd mich freuen wenn ihr's lesen und eure komentare dazu abgeben würdet
gruß
A.H.

 

Sir,

ich finde, Ihre Geschichte ist recht gut erzählt. Die doppelte Pointe (dass die "Süße" eine Diebin ist und dass die Kuckucksuhr um 12 Uhr Bumm macht) hat mich jedenfalls überrascht. Ob das Ganze sehr glaubwürdig ist ... naja ... also ich hatte das Gefühl: Das ist ein junges Mädchen. Die Diebin hätt ich dir abgenommen, aber nicht die Bombenbauerin. Das Problem bei Pointengeschichten ist immer: Die Pointe muss überraschend sein (das ist dir gelungen), aber die Pointe muss auch vorbereitet werden - sonst wirkt sie unglaubwürdig.

Bitte bemerken zu dürfen, Mr. Heath, dass Ihre Sprache zuweilen nicht ganz passend scheint. Ein paar Beispiele:
Die Tür glitt mit einem lauten Knarren auf und entblößte einen kleinen, schwach beleuchteten Raum.
Aufgleiten ist für mich etwas Leises: Schlangen gleiten, Seifen gleiten einem aus der Hand etc. Das passt nbicht zu lautem Knarren. Schlimmer ist das Wort entblößen: Das passt nur, wenn es ein Synonym für entkleiden ist. Hier wäre "gab den Blick frei auf..." vielleicht passend.

wie Susan rauszuhören glaubte.
rauszuhören statt herauszuhören: Die Umgangssprache passt nicht zu dem altmodischen, geschraubten Stil deines Erzählers (z.B. "las einen kleinen Gegenstand davon auf").

Im Ganzen fand ich es gut. Auf jeden Fall zeugt dein Umgang mit dem Thema von Fantasie. Und das gehört schließlich zum Wichtigsten beim Schreiben, oder?

Grüße,
Stefan

 

servus leixoletti
danke für dein komentar, hat mich sehr gefreut.
werde meine story anhand deiner vorschläge in punkto sprache und stil mal versuchen zu verbessern
etwas unglaubwürdig...na ja, ich muss sagen, dass meine fantasie vielleicht etwas ausgeschweift ist...kommt vermutlich vom vielen fernsehen :D
ne, jetzt mal ernsthaft.

dass die "Süße" eine Diebin ist..
eigentlich wollte ich bei der "Süßen" auf etwas tiefgründigeres hinaus, als dass sie nur eine diebin ist...aber hab mir schon fast gedacht, dass ich in diesem punkt meine vorstellung nicht gut genug aufs "papier" übertragen hab.
vielleicht überarbeite ich die story auch in diesem punt noch ein wenig.
gruß
A.H.

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom