Das Ritual
Ich wartete.
Ich saß am Küchentisch, trommelte mit den Finger meiner rechten Hand den Rhythmus auf die hölzerne Tischplatte, den ich immer zu trommeln pflegte, wenn ich anfing ungeduldig zu werden.
Ich saß hier nun seit langer Zeit, es mag wohl der ganze Tag gewesen sein, und wartete.
Die Stunde würde kommen, das wusste ich, machte mir niemals etwas vor.
Es war klar, dass dieser Tag kommen würde, ich wusste es und sie wussten es.
Schweiß stand mir auf der Stirn, bildete ein dünnes Rinnsal meine Schläfen hinab. Ich fragte mich, wen sie dieses Mal schicken würden, würde er seine Sache gut machen?
Was, wenn etwas schief ging? Das durfte nicht passieren, mein Leben hing davon ab, hatte alles genauestens durchdacht.
Bei dem Gedanken an das bevorstehende Ereignis schwankte mein sonst ruhiges Gemüt, wich mordlüsternen, krankhaften Phantasien. Mir war schon klar, dass dieses Ritual, dass ich auf den Tag genau alle 2 Wochen stattfinden ließ, etwas manisches in mir hervorrief, ich war nicht mehr ich selbst, teuflische Gedanken schossen durch die Zinnen meines Hirnes, wie Schmirgelpapier scheuerte es, als ich voll wollüstiger Vorfreude die Innenseiten meiner Hände aneinanderrieb.
Meistens schickten sie nur einen, selten, wenn wenig zu tun hatten, kamen zwei. Sie kamen von alleine, schon lange brauchten sie keinen Hinweis mehr von mir, mit der Zeit hatten sie ein Gespür für den richtigen Zeitpunkt entwickelt.
Apokalyptische Gedanken schossen durch meinen Kopf. Etwas neues musste her, doch das stand nicht in meiner Macht, hatte ich doch selbst angeordnet, dass sie entscheiden sollten, mit welchem Präparat sie mich zu beglücken gedenken. Ich liebte Überraschungen.
Das Warten machte mich verrückt. Die Stunde der Vergeltung würde kommen, sie war ganz nah.
Längst war eine Automatik in die regelmäßigen Bewegung meiner Finger eingeflossen, längst waren meine Beine in den Rhythmus mit ein gefallen.
An Entspannung war nicht zu denken und obwohl Tage dieser Art einen ungeheuren Stress für mein Hormonsystem bedeuteten, waren sie mir unendlich lieb.
Ich dachte an die Vergangenheit, dachte an die, die ich für dieses Ritual geopfert hatte. Ich wusste, ich würde dafür verdammt sein, im Grunde genommen war ich schon jetzt der König der Verdammten, doch ich brauchte es.
Es war essentiell, die Quelle allen Lebens. Ich habe nie behauptet, dass ich NICHT dafür morden würde.
Ich nannte sie nur die Lieferanten, ich wusste, ich war ihr Lieblingskunde und ich würde ihnen treu sein, solange sie mich belieferten. Wo blieben sie nur? Es brauchte es, jetzt. Sofort.
Der Stundenzeiger meiner Armbanduhr schritt unentwegt fort, seinen Weg im ewigen Kreis.
Mein Blick flog gehetzt zwischen Tür und Telefon hin- und her.
Würden sie kommen? Würden sie an mich denken?
Sie konnten es nicht vergessen haben, sie durften nicht. Heute war der 2. Samstag im Monat, sie wussten, dass ist mein Tag. Deserteure!
Oh, sie wussten ja nicht, wie schmerzvoll die Rache eines enttäuschten Mannes sein konnte.
Ich sehnte sie herbei, wollte nicht länger warten, konnte es nicht. Mein ganzer Körper schrie bereits nach diesem Zeug, ich brauchte es, jetzt sofort!
Ich befand mich im völligen Stillstand, hörte auf zu atmen, konnte so nicht weiterleben, was, wenn es das Ende war?
Ich hatte davon gehört, wollte es jedoch nicht glauben. Leute die an ihrer Sucht gestorben sind, Leute die zuviel davon gehabt haben. Habgier. War das nicht sogar eine der 7 Todsünden?
Der Schweiß der Gier wich dem Angstschweiß, in dem Moment klingelte es an der Tür.
Sie waren da. Ich klammerte mich an der Tischplatte fest, meine Knöchel traten weiß hervor. Sollte ich aufmachen? Wie gewohnt? Das Ritual genießen? Ich war völlig verunsichert.
Wenn ich sterbe, dann so- beschloss ich und ging zu Tür. In meinem Magen kündigte sich ein Gewitter an, ich könnte mich nicht schlechter fühlen, wäre dies mein Gang zum Henker...
Ich öffnete die Tür nur einen Spalt weit. Sie waren es. Kurz unterdrückte ich den jähen Impuls, die Tür einfach wieder zuzuschlagen, ... ich war zwischen der Vorfreude auf das Ritual und der Angst vor dem Erstickungstod wegen Habgier hin und her gerissen..
Ich öffnete die Tür ganz.
„Pizzaservice, guten Tag.“ sagte er während er mein völlig blasses Gesicht taxierte.