Das Spiel
DAS SPIEL
Gerd und Rudolph setzten sich an den Tisch und packten die Schachfiguren aus. Die beiden alten Männer spielten jeden Samstagabend miteinander. Gerd loste und Rudolph bekam schwarz.
„Du hast meistens das Glück, den ersten Zug machen zu dürfen“, sagte Rudolph.
„Aber Schach hat doch nichts mit Glück zu tun“, erwiderte Gerd.
Er stellte noch die Figuren auf und begann, indem er einen Bauern vorschob. Die ersten Züge spielten sie fast, ohne zu überlegen. Nachdem Rudolph den ersten Bauern von Gerd geschlagen hatte, schwiegen sie. Kurz darauf war es Rudolphs Bauer, der vom Feld genommen werden musste. Ihm kam es wie ein großer Verlust vor und er beschloss, noch besser zu spielen und sich zu rächen. Als Gerd seinen zweiten Bauern einbüßte, war das Spiel in vollem Gange. Zug um Zug bewegten sich die Figuren auf dem Spielfeld schneller. Sie kämpften immer verbissener und schienen fast Feinde geworden zu sein. Völlig in das Schachspiel versunken saßen sie über das Spielbrett gebeugt. Dann kam es zu einem Austausch der Türme. Die beiden waren nicht mehr sie selbst, sondern es kam ihnen vor, als seien sie die Figuren auf dem Schachbrett. Jeder Verlust schien ein tiefer Schnitt in ihr eigenes Fleisch zu sein.
Das Spiel war zu einem tödlichen Duell geworden. Doch sie konnten nicht mehr aufhören. Sie hatten ihr Leben mit dem Zug des ersten Bauern ins Spiel eingesetzt. Der Verlauf würde über Leben und Tod entscheiden.
Als Gerd seinen zweiten Läufer verlor, schrie er wie verwundet auf. Er wurde von Rudolph immer mehr in die Enge getrieben. Sie waren in einen Rausch verfallen. Jeder von beiden kämpfte um sein Leben.
Gerd setzte Rudolph überraschend ins Schach. In dessen Augen stand die Angst. Seine Hände zitterten, als er seinen König aus dem Schach zog. Als Rudolph sah, was auf ihn zukam, winselte er leise um Gnade.
Triumphierend lachte Gerd auf. Er zog seine Dame und besiegelte das Schachmatt. Das Spiel war beendet. Rudolph war tot.
Gerd starb durch sein nächstes Schachspiel...
Geschrieben von Jadawin und Gilk