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Das Spiel

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12.04.2008
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Das Spiel

Das Spiel (Überarbeitung)

Ein Sommerhauch streichelt das Tier am Körper, während es, symmetrischen Mustern folgend, seine Fäden verspinnt. Wie am Stuhl der Arachne, verknüpfen sich auch hier Fasern zu einem prächtigen Gewebe, einem Wunderwerk zeitloser Architektur und Statik. Und Gott sprach: Am Anfang war das Netz. Nur wenig später kam der Ball hinzu.

Wie Hammerschläge pocht es in den Schläfen, als der Mann den Ball entlang der Seitenlinie der Spielfeldbegrenzung vorwärts drückt. Kleine Schlammspritzer, durchsetzt mit Rasenbestandteilen, entfernen sich in konzentrischer Ausbreitung von seinen aufsetzenden Stollen. Im Rhythmus des Laufes fliegt das nasse Haar. Der Regen zieht feine Schleier durch die nasskalte Luft. Die Haut schmerzt rot und eisig. Von den Rängen der Arena schallen die Rufe der Anhänger, ein welliges Beben der Massen, ein Gurgeln der Kehlen, dass sich mit dem zusammenfließenden Speichel im Hals des Mannes vermischt. Als ausufernder Schmerz zieht der Atem durch Lunge und Zwerchfell, wird beim Stürme jedoch fast nebensächlich. Nur vorwärts, vorwärts irgendwie, irgendwie die Verfolger abschütteln und die Kugel in geübtem Bogen nach Innen bringen. Pure Konzentration erfasst den Läufer und den springenden, singenden, surrenden Spielgefährten, der sich mal mehr mal weniger von den Füßen des Laufenden entfernt, sein Temperament wechselt, in Lachen Millisekunden fast verharrt, um dann mit einem neuerlichen Energieschub voranzupreschen und um wenige Grad die Laufbahn zu ändern.
Nun sind es schon drei, vier, fünf Figuren, die sich aus verschiedenen Richtungen dem Rennenden nähern. In einer Art Tanzformation driften Partikel einander zu, streben einem Aufprall, einer Explosion entgegen.
Für einen Augenblick scheint die Zeit stillzustehen, als der Mann den Blick hebt und auf den Winkenden in Strafraumnähe schaut. Schreiende Münder, jubelnde Hände, fliegende Fahnen begleiten die neuerliche Veränderungder Situation, als der bis eben noch rollende Ball seine Eigenschaften als Flugobjekt demonstriert und im Ausrutschen, vom Fallenden mit der notwendigen Energie versorgt, einen leichten Bogen zieht , einen Bogen auf einer Flugbahn, welche unmittelbar vor dem gegnerischen Tor endet. Wassertropfen spritzen von der Glatze des sich zum Kopfball erhebenden Stürmers, die an dessen schon vollgesogener Kleidung, um Aufnahme ins Fasergewebe zu betteln scheinen. Bierbecher platzen in johlende Gesichter, während die Kugel aus Kunststoff und das kugelähnlich Objekt aus Haut, Knochen und Fleisch kurz vor dem Zusammenprall stehen.
Ein feines Netz spannt sich im rechten Winkel des Tores zwischen Pfosten und Latte. Hier hatte am heutigen Vormittag eine Spinne ihre zarten Fäden verknüpft. Jetzt, in der aufgeregten Stimmung des späten Nachmittags, zerreißt der kraftvoll geköpfte Ball das zauberhafte Werk. Ein Raunen erhebt die Menge. Menschen liegen sich weinend in
den Armen. Die Spieler werden sich fassungslos ihrer Tat bewusst und sinken in oranger
Verzweiflung in die Knie. Nein, das haben sie nicht gewollt. Das war so nicht gedacht.
Schwarze Blütenblätter schweben vom Himmel, bedecken den Rasen, die Spieler, die
Kameras, die glasigen Männer, die Frauen, die buntbemalten Kinder. Als ein schwarzes Tuch legt sich abgrundtiefe Traurigkeit auf die gesamte Szenerie. Alles erstarrt in der gespenstischen Trostlosigkeit des Moments.
Ein Knabe stimmt ein Requiem für einen Traum an, verstummt jedoch nach wenigen Noten wieder. Engelhafte Locken zieren das blasse und kalte Gesicht.


Das Spiel

Ein Sommerhauch streichelt das Tier am Körper, während es, symmetrischen Mustern folgend, seine Fäden verspinnt. Wie am Stuhl der Weberin, verknüpfen sich auch hier Fasern zu einem prächtigen Gewebe, einem Wunderwerk moderner Architektur und Statik. Und Gott sprach: Am Anfang war das Netz. Nur wenig später kam der Ball hinzu.

Das Pochen der Schläfen spürend, drückt der Mann den Ball entlang der Seitenlinie der Spielfeldbegrenzung. Kleine Schlammspritzer, durchsetzt mit Rasenbestandteilen, entfernen sich in konzentrischer Ausbreitung von seinen aufsetzenden Stollen. Im Rhythmus des Laufes fliegt das feuchte Haar. Der Regen zieht feine Schleier durch die nasskalte Luft, die das Spüren freiliegender Hautpartien zu einer Unmöglichkeit werden lässt. Von den Rängen der Arena schallen die Rufe der Anhänger, ein welliges Beben der Massen, ein Gurgeln der Kehlen, das sich mit dem zusammenfließenden Speichel im Hals des Mannes zu vermischen scheint. Der Atem, beim Stürmen fast nebensächlich werdend, zieht als ausufernder Schmerz durch Lunge und Zwerchfell. Nur vorwärts, vorwärts irgendwie, irgendwie die Verfolger abschütteln und die Kugel in geübtem Bogen nach Innen bringen. Pure Konzentration erfasst den Läufer und den springenden, singenden, surrenden Spielgefährten, der sich mal mehr mal weniger von den Füßen des Laufenden entfernt, sein Temperament wechselt, in Lachen Millisekunden fast verharrend, um dann mit einem neuerlichen Energieschub vorpreschend, um wenige Grad die Richtung zu wechseln, näher zum Erfolg. Nun sind es schon drei, vier, fünf Figuren, die sich aus verschiedenen Richtungen dem Laufweg des Rennenden nähern. In einer Art Tanzformation driften Partikel einander zu, einem Aufprall, einer Explosion
entgegenstrebend.
Für einen Augenblick scheint die Zeit stillzustehen, als der Mann den Blick hebend auf den Winkenden in Strafraumnähe schaut.
Schreiende Münder, winkende Hände, fliegende Fahnen begleiten die neuerliche
Veränderung der Situation, als der bis eben noch rollende Ball, seine Eigenschaften als Fluggerät demonstriert und im Ausrutschen, vom Fallenden mit der notwendigen Energie versorgt, einen leichten Bogen ziehend seinen Weg vor das gegnerische Tor nimmt.
Wassertropfen fallen die Glatze des sich zum Kopfball erhebenden Stürmers hinab, die an dessen schon vollgesogener Kleidung, um Aufnahme ins Fasergewebe zu betteln scheinen. Bierbecher platzen in johlende Gesichter, während die Kugel aus Kunststoff und das kugelähnliche Objekt aus Haut, Knochen und Fleisch kurz vor dem Zusammenprall stehen.
Ein feines Netz spannt sich im rechten Winkel des Tores zwischen Pfosten und Latte. Hier hatte am heutigen Vormittag eine Spinne ihre zarten Fäden verknüpft, war auf dem
Altweibersommerwind durch das Stadion geweht und hatte sich eben diesen denkbar
ungünstigen Platz zum Insektenfang erwählt. Jetzt, in der aufgeregten Stimmung des späten Nachmittags, zerreißt der kraftvoll geköpfte Ball das zauberhafte Werk. Ein Raunen erhebt die Menge. Menschen liegen sich weinend in den Armen. Die Spieler werden sich fassungslos ihrer Tat bewusst und sinken in purer Verzweiflung in die Knie. Nein, das haben sie nicht gewollt. Das war so nicht gedacht. Schwarze Blütenblätter schweben vom Himmel, bedecken den Rasen, die Spieler, die Kameras, die glasigen Männer, die Frauen, die buntbemalten Kinder. Als ein schwarzes Tuch legt sich abgrundtiefe Traurigkeit auf die gesamte Szenerie. Alles erstarrt in der gespenstischen Trostlosigkeit des Moments.
Ein Knabe stimmt ein Requiem für einen Traum an, beginnt nach wenigen Noten jedoch
wieder zu schweigen. Engelhafte Locken zieren das blasse und kalte Gesicht.

 

Hallo Woitek,

zunächst einmal ein herzliches Willkommen in diesem Forum und ich ziehe meinen Hut vor deinem Fleiß. Ein fulminanter Einstieg, wenn man deine Kommentierung anderer Geschichten betrachtet, das hat man bei Neulingen hier wirklich selten, dass sie sich gleich so engagiert anderen Werken widmen! Dafür schon mal ein Lob.

Zu deiner Geschichte:

Du hast dir ein eher exotisches Thema gewählt: Fußball. Da gibt es hier eher weniger Stories.

Deine Geschichte liest sich wie eine Zeitlupenbetrachtung, du raubst der beschriebenen Fußballszene jegliches Tempo und spreizt die Situation in extreme Momente auf. Das liest sich zunächst einmal ungewöhnlich und nicht gerade einfach. Es liegt sehr wohl ein gewisser Reiz in dieser Form, doch wirkt das relativ schnell überstrapaziert, als würde man von einer Zeitlupe die Zeitlupe sehen/lesen. Für diesen Stil hat die KG dann gerade noch eine erträgliche Länge.

Manche Passagen gewinnen durch deine Beschreibung eine neue und originelle Perspektive, an manchen Stellen dagegen wirken deine Beschreibungen lähmend und schwerfällig.

Mit dem Schluss kann ich nicht allzu viel anfangen. Da wird die Geschichte dann wirklich seltsam, aber das hat mich nicht so gepackt. Du wirst dir dabei etwas gedacht haben, mir ist aber nicht so richtig klar geworden was. Ich denke aber noch mal darüber nach, zum mehrfachen Lesen hat die KG eine gute Länge.

Weiterhin viel Spaß hier beim Lesen, Schreiben und Kommentieren.

Grüße von Rick

 

Hallo Rick,

ich danke dir herzlich fürs Lesen und Kommentieren und freue mich, dass du mich so herzlich begrüßt.

zunächst einmal ein herzliches Willkommen in diesem Forum und ich ziehe meinen Hut vor deinem Fleiß. Ein fulminanter Einstieg, wenn man deine Kommentierung anderer Geschichten betrachtet, das hat man bei Neulingen hier wirklich selten, dass sie sich gleich so engagiert anderen Werken widmen! Dafür schon mal ein Lob.

Mhm, ich weiß nicht was du meinst, ich halte eine Quote von 50 Fremdkommentaren zu 1nem eigenen Text für angemessen. So ähnlich handhabst du das doch auch. Machen das andere hier etwa anders? Würde mich sehr wundern, denn dann würde das Forum ja gar nicht angemessen funktionieren und ich müsste in den Tiefen des Internets weitersuchen.

Magst du mir vielleicht direkte Hinweise geben, wo sich genau der Text einfach las und wo schwieriger, wo die Form reizvoll wirkt und wo überstrapaziert, wo eine originelle Perspektive gewonnen wird und wo es lähmend und schwerfällig wird.

Zum Schluss:

Ich fand die Idee faszinierend, dass mitten in einem Fußballspiel ein zerschossenes Spinnennetz für absolute Volkstrauer sorgt innerhalb einer surrealistischen Szenerie. (Mir kommt bei dieser Vorstellung eine Gänsehaut).

Gruß
Woitek

 

Hallo Woitek!

in Lachen Millisekunden fast verharrend
Ehm ... wie?
das kugelähnliche Objekt aus Haut, Knochen
eine Spinne ihre zarten Fäden verknüpft
Geknüpft fände ich besser.

Ich behaupte nicht, diese Geschichte zu verstehen. Ich kann nur eins mit Sicherheit sagen, nämlich, dass sie von Ironie nur so trieft. Sollte die Geschichte nicht ironisch gemeint sein, dann ist es für mich Klamauk. So übt sie schon einen Reiz aus, ich kann nicht sagen, dass sie mir gefällt, aber interessant ist sie schon.
Das Ende drückt der Geschichte eine nichtvorhandene Dramatik auf, die das Ganze schon fast ins Alberne zieht. Ist wohl auch eine Geschichte, die sich über den Leser ein wenig lustig macht. Das meine ich nicht unbedingt negativ, nur kritisch halt. Eine Interpretation spare ich mir deshalb auch.

Fazit gibts nicht. ;)

Liebe Grüße,
apfelstrudel

 

Hallo Woitek,

und auch von mir ein herzliches Willkommen auf KG.de und in Seltsam.

Ich bin ziemlich unschlüssig mit Deinem Text. Einerseits finde ich Deine SloMo einer Fußballsituation in der vorliegenden Form und Detailtiefe als Setting spannend, weil es - nicht nur für einen Erstlingstext - ungewöhnlich ist. Und weil Du es in einem Kontext mit dem Spinnenkunstwerk und dem Ende stellst, der mit der Situation sowas von bricht, sowas mag ich oft gerne.
Allerdings sind mir manche Deiner Formulierungen _zu_ selbstverliebt, am heftigsten ist dieses Monster hier :

Pure Konzentration erfasst den Läufer und den springenden, singenden, surrenden Spielgefährten, der sich mal mehr mal weniger von den
Füßen des Laufenden entfernt, sein Temperament wechselt, in Lachen Millisekunden fast verharrend, um dann mit einem neuerlichen Energieschub vorpreschend, um wenige Grad die Richtung zu wechseln, näher zum Erfolg.

Was mich halt ebenfalls misstrauisch macht ist das Ende, die Spinne und ihr Werk finde ich charmant, doch was dann folgt lässt mich unbefriedigt zurück, da es auch einfach ein Fade Out sein kann, steht es doch ohne Bezug zur vorherigen Szenerie da, die Verbindung ergibt sich über das Medium, die Sprache, nicht über das Bild, den Inhalt.

Insofern würde mich Deine Interpretation interessieren.

Für zukünftige Texte kannst Du übrigens die Zeilenumbrüche ruhig der Forensoftware überlassen, die macht das ganz ordentlich :)

Mhm, ich weiß nicht was du meinst, ich halte eine Quote von 50 Fremdkommentaren zu 1nem eigenen Text für angemessen. So ähnlich handhabst du das doch auch. Machen das andere hier etwa anders? Würde mich sehr wundern, denn dann würde das Forum ja gar nicht angemessen funktionieren und ich müsste in den Tiefen des Internets weitersuchen.
Du würdest nicht fündig werden :D
Das Forum funktioniert auch mit der üblichen gaußschen Verteilung der Aktivität und der Ratio aus Geschichten und Kritiken, und es ist immer schön wenn Autoren hinzukommen und verweilen, die lernen und wachsen wollen. Und das geht tatsächlich am besten über lesen und sich auseinandersetzen mit Geschichten und schreiben, so zumindest meine eigene Erfahrung.

Viel Spaß hier und gute Erfahrungen und Geschichten.

Grüße
C. Seltsem

 

Hallo apfelstrudel,

auch dir meinen lieben Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Eine Lache ist ein Synonym für Pfütze. Ich habe hier "verknüpft" statt "geknüpft gesetzt, da ich in dem Satz die Verbenkette "verknüpft-geweht-erwählt" gesetzt habe und das doppelte Präfix "ge-" wäre mir hier zuviel.

Der Text ist sicher ironisch, wenn du damit den romantischen Ironiebegriff wie ich meinst. Meine Dichtung ist bis in die traurigsten, ernstesten Winkel durch und durch ironisch. Magst du mir vielleicht Gründe nennen, warum die Geschichte dir nicht gefällt.
Stimmt, der Schluss ist wirklich fast schon albern und trieft nur so vor schwarzem Kitsch.
Schade, dass du dir eine Interpretation sparst.
Und ein Fazit bekomme ich auch nicht *heul* *zwinker*

Hallo C. Seltsam,

dankeschön für deine netten Willkommensgrüße.

Stimmt, auf das von dir angesprochene Satzmonstrum bin ich besonders stolz und mit "selbstverliebt" hast du sowas von den kitzligen Punkt getroffen, dass es mir eine schaurige Wonne ist. Mit dem Schluss als fade out hast du insofern recht, dass hier wirklich aus dem Text ausgeblendet werden soll, doch soll der Schluss auch surrealistisch-romantisch verklärt wirken. Ich habe hier aber mit Sicherheit viel zu dick aufgetragen *schmunzel*.

Ich hoffe du bist jetzt nicht entäuscht, dass ich meinen Text nicht interpretieren werde, das mach ich nämlich schon lange nicht mehr. Wenn ich das was ich sagen wollte weniger kunstvoll sagen könnte, welchen Effekt hätte es dann eine lyrische Kurzgeschichte zu schreiben. Damit habe ich es auch auf den Punkt gebracht: Ich bin hauptsächlich Lyriker und das merkt man meiner Prosa auch sehr deutlich an.

Ich sehe jetzt gerade, wie seltsam mein Text zerstückelt ist, wenn ich im Antwortenmodus bin. Wird der Text nicht in die Breite gezogen, wenn ich einen großen Monitor mit hoher Auflösung habe? Ich tippe die Texte ja auch nicht direkt ins Editorfenster, sondern tippe im Textprogramm. *kopfkratz*

*grins* Ja, die 50:1-Forderung ist natürlich ein große Forderung, doch werde ich den Aufruf dazu noch eine Weile in meiner Signatur tragen und natürlich mit guten Beispiel vorangehen. (du tust es ja auch, wie ich mit Blick in dein Profil voller Freude erkennen durfte)

Ich danke dir für deine guten Wünsche und natürlich für das Lesen und Kommentieren dieses Textes.

Gruß
Woitek

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Hi Woitek, ich nochmal. Ich habe nie behauptet, dass mir die Geschichte nicht gefällt. Ist so ein weder-noch, ich kann den Text einfach nicht ernst nehmen, erklären kann ich das aber nicht, sorry. Wäre wahrscheinlich sowieso nichts, das du ändern könntest, das ist einfach nur meine höchst subjektive Meinung. Viel Spaß noch,
apfelstrudel

 

Hallo Woitek !

Ich selbst spiele leidenschaftlich Fußball. Das Ende deiner Geschichte habe ich ganz anders interpretiert, als es wohl eigentlich gemeint ist.
Erst als ich die bisherigen Kommentare gelesen habe ist mir klar geworden, dass diese konzentrierte und angespitzte Situation, die du am Ende darstellst, in sich zusammensackt, weil das Spinnennetz zerstört wird.
Ich habe die KG angefangen zu lesen, in der Erwartung, genau zu wissen wie sie ausgeht.
Es ist dir wunderbar gelungen mich hinters Licht zu führen.
Hat mich sehr unterhalten ! Danke.

Liebe Grüße,
Himbeerchen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Woitek,

doch, den Lyriker merkt man Dir an. Das ist keine Slow-Motion, sondern ein sehr genauer Blick auf Details, erinnert mich fast an den existentialistischen Blick Sartres in Der Ekel: Die Dinge bekommen ein Eigenleben, das Alltägliche wird verfremdet. Dein Stil ist gekonnt literarisch, adjektivgeschwängert, partizipienjonglierend. Allerdings auch nominalgeprägt, was ich nicht sonderlich literarisch finde, weil es nur das Lesen erschwert.

Ich bin nicht sicher, ob der Nominalstil in der Literaturgeschichte jemals als nachahmenswert betrachtet wurde. Vielleicht kennt sich da jemand anders im Forum besser aus. Wenn es aber um die Frage geht, warum Deine Geschichte schwer zu lesen ist: dies ist bestimmt einer der Gründe.

Beim ersten Durchgang habe ich eine Weile gebraucht, bis ich mich entschied, ob Du nun von Fußball oder American Football berichtest. Deine Beschreibungen sind so rau, so explosiv, dass ich lange im "verkehrten Spiel" war. Das scheint jedoch in einer mit Fußball groß gewordenen Nation ein Minderheitenproblem zu sein. Wollte es nur erwähnt haben.

Problematischer scheint mir der Aufbau des Textes. Generell bin ich ein großer Freund von Surrealem. Bei Dir setzt die surreale Ebene allerdings erst mit dem vorletzten Absatz ein, da Du Dich zuvor einer völlig anderen Technik bedienst, um das Spiel zu beschreiben. Dieser Bruch kommt somit völlig unvorbereitet und löst wahrscheinlich deswegen eher Irritation aus und entfernt den Leser von der Geschichte. Du wechselst das Genre wie Tarantino in From Dusk to Dawn. Was bei ihm klappt, weil sich die Handlung trotz allem folgerichtig entwickelt. Zwar führst auch Du schon einen Absatz vor dem Genre-Bruch die Spinne mit ihrem Netz am Torpfosten ein (was mir bei einem Fußballspiel weniger surreal als unglaubwürdig anmutet), trotzdem kommt mir die Trauer zu plötzlich, ist mir die Spinne - angesichts der vorherigen Detailverliebtheit Deiner Prosa - zu nebensächlich, als dass ich ihr Netz nun als zentralen Auslöser einer groß angelegten Totenklage zu verstehen wusste. Erst als ich die späteren Kommentare von Dir las, erhellte sich mir die Situation. Das spricht deutlich dem entgegen, dass ein Werk sich aus sich selbst heraus erklären sollte.

Vielleicht wäre es eine Lösung, die Geschichte elliptischer anzulegen: wenn Du vom Detail zum Allgemeinen, vom Netz zum Spiel gehst, entsteht zumindest eine Ahnung, warum das Ende so ist, wie es ist. Das Spiel aus der Sicht der Spinne zu beginnen, die im Schweiße ihres Angesichts an ihrer Grundernährung bastelt, könnte als surreale Einleitung funktionieren. Das Ende wäre dann kein Stilbruch mehr, außerdem besser zu verstehen, ohne seine Funktion als Pointe zu verlieren.

Herzliche Grüße,
Ennka

 

Beim Lesen Deiner Geschichte entstand ganz schnell ein Bild in meinem Kopf: Aus einem rasanten Fußballspiel löst die Kamera einen Spieler heraus und beobachtet in langsamster Zeitlupe, was ihm und mit ihm auf dem Rasen passiert. Dazu gehören die Schweißtropfen ebenso wie die fliegenden Erdpartikelchen. Genau d i e s e Idee finde ich toll- ein Einzelner mit seinem Kampfgeist, der dann wieder Teil eines Ganzen wird.
Mich stören die Partizipkonstruktionen und des Genitivs Beharrlichkeit, weil ich finde, dass die Grundidee diese Gesteltzheit nicht so gut verträgt. Die Sache mit dem Spinnennetz ist mit gar nicht wichtig, wie gesagt, ich liebe die slow motion unf träume von Luis Figo.
LG,
Jutta

 

Hallo Himbeerchen,

jetzt hätte mich aber doch wirklich sehr interessiert, wie du die Geschichte vor deinem Lesen der anderen Kommentare interpretiert hättest. Es freut mich, dass ich deine Erwartungen bezüglich des Ausganges der Geschichte brechen konnte und dir somit ein spannendes Lesevergnügen bescherte.

Hallo Ennka,

Prima, du bescherst mir endlich Material für die Überarbeitung.

Mhm, der Nominalstil ist zumindest in der postmodernen Lyrik dominierend, wahrscheinlich wegen der erhöhten Dichte zum Verbalstil. Ich würde auch bei dieser Prosaskizze den Nominalstil gerne beibehalten, wirkt der Text dadurch, im Gegensatz zum Verbalstil, doch abstrakter, komprimierter, irgendwie unangreifbarer, objektiv und allgemeingültig. Dies ist aber mit Sicherheit ein Grund, dass die Geschichte nicht sehr einfach zu lesen ist.

Am interessantesten finde ich deine Ausführungen zum Inhalt.

die Spinne mit ihrem Netz am Torpfosten ein (was mir bei einem Fußballspiel weniger surreal als unglaubwürdig anmutet)
Für mich ist es weder Surreal noch Unglaubwürdig, war ich doch selbst schon an einem Zielschießen auf ein Spinnennetz in einem Torwinkel beteiligt.

Vielleicht wäre es eine Lösung, die Geschichte elliptischer anzulegen: wenn Du vom Detail zum Allgemeinen, vom Netz zum Spiel gehst, entsteht zumindest eine Ahnung, warum das Ende so ist, wie es ist. Das Spiel aus der Sicht der Spinne zu beginnen, die im Schweiße ihres Angesichts an ihrer Grundernährung bastelt, könnte als surreale Einleitung funktionieren. Das Ende wäre dann kein Stilbruch mehr, außerdem besser zu verstehen, ohne seine Funktion als Pointe zu verlieren.

Diese, deine Anmerkungen habe ich jetzt eine Weile reflektiert und begonnen die Geschichte zu überarbeiten. Dabei bin ich soweit gekommen, dass ich das Spinnenthema schon vor der eigentlichen Geschichte einleiten werde, so dass am Ende statt der totalen Überraschung der Wiedererkennungs- und Ahaeffekt dominiert.

Ich danke dir herzlich für deine Tipps.

Hallo Jutta Ouwens,

ähnliche Gedanken wie du sie mir hier schreibst gingen mir auch beim Malen der kleinen Bildserie durch den Kopf. Ja, ich weiß, der Genitiv ist nicht mehr up to date und jede Rettungsversuche von dem selben *lach* sind bloße Zeitverschwendung. Ich habe mich hier im Spiel mit den Möglichkeiten der Sprache einfach zu sehr verleiten lassen.

Ich danke euch für eure für mich wertvollen Tipps und Anregungen.

Gruß
Woitek

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Woitek,

ich habe Deine Geschichte jetzt einmal vor und einmal nach der Ueberarbeitung gelesen. Mich hatte das ploetzliche Auftauchen der Spinne nicht gestoert, allerdings dachte ich auch, dass das Netzkunstwerk etwas zu kurz gekommen ist. Die eliptische Loesung erscheint mir daher als eine von vielen moeglichen, diesen Mangel zu beheben. Der Anfang fetzt jetzt eindeutig mehr.
Ich finde aber, dass Du jetzt auch die zweite Spinnen-Stelle anpassen solltest. Die ist mir jetzt etwas redundant und zu explizit. Du bist doch Lyriker.

Ich rege folgende Kuerzung/Verdichtung an:

Ein feines Netz spannt sich im rechten Winkel des Tores zwischen Pfosten und Latte. Jetzt, in der aufgeregten Stimmung des späten Nachmittags, zerreißt der kraftvoll geköpfte Ball das zauberhafte Werk.

Wenn der Leser sich jetzt schon nicht mehr an die Spinne erinnert, selbst schuld. Und falls der Altweibersommerwind Dir wichtig ist, wuerde ich den noch in die Anfangssequenz hineinnehmen.

Noch eine Kleinigkeit:

Ein Knabe stimmt ein Requiem für einen Traum an, beginnt nach wenigen Noten jedoch wieder zu schweigen.
"verstummen" ist vielleicht etwas weniger umstaendlich als "zu Schweigen beginnen"

Das Thema fand ich schon beim ersten Lesen super. Die Zeitlupenbeschreibung haut auch hin.:thumbsup:

Weil ich weiss, dass Du es vertragen kannst, muss ich aber trotzdem schimpfen: Selbstverliebter Stil ist nicht gut, sondern unsouveraen :thdown:. Da Du sie bisher uebergangen hast, moechte ich hier noch einmal Juttas Meckerei an den Partizipialkonstruktionen unterstuetzen. Das wirkt sehr gewollt und hindert mich daran, den Stil als gekonnt zu bezeichnen. Ich finde, dass weder Du noch die Geschichte solche eitlen Spielereien noetig haben, denn das lenkt nur von den vielen muehelosen und unverkrampften Formulierungen ab (siehe fetziger Anfang, trotzt einer Partizipialkonstruktion).

Mein Rat, falls man sich mal in die eigenen Formulierungen verliebt: Den Text mal nen Monat weglegen, dann laut vorlesen und gucken, ob sie immer noch so huebsch sind, wie am ersten Tag (funktioniert auch in anderen Lebenslagen).

So, jetzt wuensche ich mir ganz fest, dass mein Kommentar erhoert wird, weil es mir echt wehtut, wenn so ein eigentlich feiner Text durch stilistische Muskelspielchen verunstaltet wird.

Also, auf bald

feirefiz

PS: Es sind eigentlich nur drei Saetze, die mich stoeren. Abgesehen vom Letzten auch nur aufgrund der Haeufung.

Das Pochen der Schläfen spürend, drückt der Mann den Ball entlang der Seitenlinie der Spielfeldbegrenzung.
Der Atem, beim Stürmen fast nebensächlich werdend, zieht als ausufernder Schmerz durch Lunge und Zwerchfell.
Pure Konzentration erfasst den Läufer und den springenden, singenden, surrenden Spielgefährten, der sich mal mehr mal weniger von den Füßen des Laufenden entfernt, sein Temperament wechselt, in Lachen Millisekunden fast verharrend, um dann mit einem neuerlichen Energieschub vorpreschend, um wenige Grad die Richtung zu wechseln, näher zum Erfolg.

 

Hallo feirefiz,

danke für deine Hilfe. Ich habe jetzt weiter überarbeitet und bin für weitere Tipps dankbar.

Gruß
Woitek

 

Hallo Woitek,

ich bin nochmal gaaanz ordentlich durch den Text gegangen (zum dritten Mal insgesamt) und habe noch ein paar Feinheiten gefunden. Wahrscheinlich bereitet mir das Spiel so viel Freude, weil ich selbst mal versucht habe, ein Kickerspiel zu beschreiben und es dann auf wiederholten Wunsch mehrerer Kritiker zusammengestrichen habe.

Also los:

Wie am Stuhl der Weberin, verknüpfen sich auch hier Fasern zu einem prächtigen Gewebe, einem Wunderwerk moderner Architektur und Statik.
Zum einen kam mir hier die Idee, dass es viell. huebsch waere, statt vom Stuhl der Weberin allgemein, vom Stuhl der Arachne zu sprechen und so Spinne und Weberin noch enger zu verknuepfen. Nur so ein Gedanke.
Zum zweiten verstehe ich nicht, warum es ein Wunderwerk "moderner" Architektur ist, denn Spinnennetze sind ja eher zeitlos als modern.

Und Gott sprach: Am Anfang war das Netz. Nur wenig später kam der Ball hinzu.
Wollte ich nur noch mal lobend hervorheben.

ein Gurgeln der Kehlen, dass sich mit dem zusammenfließenden Speichel im Hals des Mannes zu vermischen scheint.
Scheinen finde ich hier problematisch, weil man nicht weiss, welchem Subjekt es zugeordnet ist.

Pure Konzentration erfasst den Läufer und den
springenden, singenden, surrenden Spielgefährten, der sich mal mehr mal weniger von den
Füßen des Laufenden entfernt, sein Temperament wechselt, in Lachen Millisekunden fast
verharrt, um dann mit einem neuerlichen Energieschub voranzupreschen, dann wenige Grad die Richtung zu wechseln, näher zum Erfolg.
Hier finde ich das Kollektiv von Ball und Spieler etwas schwierig. Zum Beispiel, dass der Ball von Konzentration erfasst wird. Dass er quasi eingenmaechtig voranprescht, okay, aber der Erfolg des Spielers ist doch nicht der des Balls. Der wird doch von beiden Mannschaften gespielt.

die sich aus verschiedenen Richtungen dem Laufweg des Rennenden nähern.
"Laufweg" kling mir etwas ungelenkt, aber mir faellt auch grad nix besseres ein.

Für einen Augenblick scheint die Zeit stillzustehen, als der Mann den Blick hebt und auf den Winkenden in Strafraumnähe schaut.

als der bis eben noch rollende Ball, seine Eigenschaften als Fluggerät demonstriert
ein Fluggeraet ist fuer mich eher ein Flugvehikel. Eine Biene wuerde ich zum Beispiel nicht als Fluggeraet bezeichnen, weil sie niemanden transportiert. Daher wuerde ich auch den Ball eher "Flugobjekt" nennen.

Wassertropfen fallen die Glatze des sich zum Kopfball erhebenden Stürmers hinab, die an dessen schon vollgesogener Kleidung, um Aufnahme ins Fasergewebe zu betteln scheinen.
"fallen von der Glatze hinab" oder "rollen die Glatze hinab"
ausserdem wieder dieses "scheinen" ohne wahrnehmendes Subjekt.

Als ein schwarzes Tuch legt sich abgrundtiefe Traurigkeit auf die gesamte Szenerie.
"Abgrundtiefe Trauer legt sich ueber die Szenerie" reicht eigentlich. Die Bluetenblaetter sind ja gewissermassen schon das schwarze Tuch, wenn Sie verstehen, was ich meine.

Engelhafte Locken zieren das blasse und kalte Gesicht.
Guter Schluss.

Gute Nacht,
feirefiz

 

Hallo feirefiz, hallo geronemo,

ich habe mit eurer Hilfe den Text jetzt noch weiter bearbeitet.
Aber im Einzelnen:

Die Idee mit Arachne ist natürlich super und ich habe sie sofort umgesetzt, "modern" habe ich durch "zeitlos" ersetzt.

"scheinen" ist nicht problematisch, da es hier als Hilfsverb fungiert und sich so sehr deutlich einem Subjekt zuordnen lässt. Es ist ein Riesenunterschied, ob etwas nur scheint zu sein, oder tatsächlich ist. Ich habe mal eine Geschichte geschrieben wo alles nur schien und nicht war. Im ersten Beispiel habe ich es aber gestrichen, doch beim Fasergeweben ist es mir zu wichtig.

Die Sache des Kollektivs von Ball und Spieler habe ich jetzt neutraler formuliert.

Den "Laufweg" habe ich nun gestrichen und woanders eingesetzt.

"Fluggerät" wurde "Flugobjekt".

Die Wassertropfen spritzen jetzt von der Glatze, "rollen" hatte ich schon mal in einer früheren Version, doch das passt nicht zu Energie der Bewegung.

Das schwarze Tuch bleibt.

Durch den Schluss wird den Detailbeschreibungen und Beobachtungen viel von ihrer Wirkung genommen. Die Erklärung, aha, hier gehts in himmlische Sphären der holden Knaben und Gesänge, mag vielleicht die gleichsam religiöse Beziehung der wahrhaftigen Fans zu dem Spiel verdeutlichen, aber die regten sich dann nicht über ein zerstörtes Spinnennetz auf, denen reicht es, wenn der Ball ins Netz gerät, wie auch immer.
Mhm, das ist deine Interpretation, hier wird lediglich montiert, da kann jede Interpretation gelten. Sicher, würden sich realen Fußballfans in einem realen Stadion nicht über ein zerstörtes Spinnennetz aufregen. Allein daran merkt man schon, dass es sich hier nicht um einen realistischen Text handeln kann. Hier wird mit Widersprüchen gearbeitet und es geht um die Wirkung der Widersprüche.

Das Umkippen von Szenen mit hohem Anteil an Menschenmassen, wie beim Fußball, ins Religiöse, erinnert mich eher ungut an die Bilddramaturgie Leni Rieffenstahls. Da wären mir die simpler gestrickten Fans lieber.
Hier hast du vollkommen recht. Ich halte Leni Rieffenstahl für eine großartige Künstlerin und habe beim Schreiben des Textes an die Art ihrer Arbeiten gedacht.

Einfaches Geschehen ästhetisch/poetisch aufzuladen mindert den realitstische Bezug - wenn es dann noch ins Mystisch/Religiöse hin abdriftet wird's leicht sehr nebulös.
Auch absolut richtig. Es handelt sich hier um keinen realistischen Text. Es ist romantisch nebulös (womit du auch eins der romantischen Topois erwähnst). Von der Machart her wir im Text mit Montagetechniken gearbeitet. Er ist ironisch, was heißt selbstrefentiell. Er ist postmodern und poststrukturalistisch.

Deine Vorschläge bei der Textgestaltung habe ich mir zu Herzen genommen und entsprechend Änderungen vorgenommen.

Beim Erzählen einer Geschichte sollte man sich nicht zu weit von üblichen Sprachgebrach entfernen Richtung Poesie

Das sehe ich anders und einige Andere sicher auch. Du legst hier lediglich eine Differenzierungsmerkmal zwischen hoher und niederer Literatur dar.

Ich danke euch sehr herzlich für eure Arbeit mit mir am Text. Mir sind solcherlei Auseinandersetzungen sehr wertvoll.

Gruß
Woitek

 

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