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Das Spiel
Das Spiel (Überarbeitung)
Ein Sommerhauch streichelt das Tier am Körper, während es, symmetrischen Mustern folgend, seine Fäden verspinnt. Wie am Stuhl der Arachne, verknüpfen sich auch hier Fasern zu einem prächtigen Gewebe, einem Wunderwerk zeitloser Architektur und Statik. Und Gott sprach: Am Anfang war das Netz. Nur wenig später kam der Ball hinzu.
Wie Hammerschläge pocht es in den Schläfen, als der Mann den Ball entlang der Seitenlinie der Spielfeldbegrenzung vorwärts drückt. Kleine Schlammspritzer, durchsetzt mit Rasenbestandteilen, entfernen sich in konzentrischer Ausbreitung von seinen aufsetzenden Stollen. Im Rhythmus des Laufes fliegt das nasse Haar. Der Regen zieht feine Schleier durch die nasskalte Luft. Die Haut schmerzt rot und eisig. Von den Rängen der Arena schallen die Rufe der Anhänger, ein welliges Beben der Massen, ein Gurgeln der Kehlen, dass sich mit dem zusammenfließenden Speichel im Hals des Mannes vermischt. Als ausufernder Schmerz zieht der Atem durch Lunge und Zwerchfell, wird beim Stürme jedoch fast nebensächlich. Nur vorwärts, vorwärts irgendwie, irgendwie die Verfolger abschütteln und die Kugel in geübtem Bogen nach Innen bringen. Pure Konzentration erfasst den Läufer und den springenden, singenden, surrenden Spielgefährten, der sich mal mehr mal weniger von den Füßen des Laufenden entfernt, sein Temperament wechselt, in Lachen Millisekunden fast verharrt, um dann mit einem neuerlichen Energieschub voranzupreschen und um wenige Grad die Laufbahn zu ändern.
Nun sind es schon drei, vier, fünf Figuren, die sich aus verschiedenen Richtungen dem Rennenden nähern. In einer Art Tanzformation driften Partikel einander zu, streben einem Aufprall, einer Explosion entgegen.
Für einen Augenblick scheint die Zeit stillzustehen, als der Mann den Blick hebt und auf den Winkenden in Strafraumnähe schaut. Schreiende Münder, jubelnde Hände, fliegende Fahnen begleiten die neuerliche Veränderungder Situation, als der bis eben noch rollende Ball seine Eigenschaften als Flugobjekt demonstriert und im Ausrutschen, vom Fallenden mit der notwendigen Energie versorgt, einen leichten Bogen zieht , einen Bogen auf einer Flugbahn, welche unmittelbar vor dem gegnerischen Tor endet. Wassertropfen spritzen von der Glatze des sich zum Kopfball erhebenden Stürmers, die an dessen schon vollgesogener Kleidung, um Aufnahme ins Fasergewebe zu betteln scheinen. Bierbecher platzen in johlende Gesichter, während die Kugel aus Kunststoff und das kugelähnlich Objekt aus Haut, Knochen und Fleisch kurz vor dem Zusammenprall stehen.
Ein feines Netz spannt sich im rechten Winkel des Tores zwischen Pfosten und Latte. Hier hatte am heutigen Vormittag eine Spinne ihre zarten Fäden verknüpft. Jetzt, in der aufgeregten Stimmung des späten Nachmittags, zerreißt der kraftvoll geköpfte Ball das zauberhafte Werk. Ein Raunen erhebt die Menge. Menschen liegen sich weinend in
den Armen. Die Spieler werden sich fassungslos ihrer Tat bewusst und sinken in oranger
Verzweiflung in die Knie. Nein, das haben sie nicht gewollt. Das war so nicht gedacht.
Schwarze Blütenblätter schweben vom Himmel, bedecken den Rasen, die Spieler, die
Kameras, die glasigen Männer, die Frauen, die buntbemalten Kinder. Als ein schwarzes Tuch legt sich abgrundtiefe Traurigkeit auf die gesamte Szenerie. Alles erstarrt in der gespenstischen Trostlosigkeit des Moments.
Ein Knabe stimmt ein Requiem für einen Traum an, verstummt jedoch nach wenigen Noten wieder. Engelhafte Locken zieren das blasse und kalte Gesicht.
Das Spiel
Ein Sommerhauch streichelt das Tier am Körper, während es, symmetrischen Mustern folgend, seine Fäden verspinnt. Wie am Stuhl der Weberin, verknüpfen sich auch hier Fasern zu einem prächtigen Gewebe, einem Wunderwerk moderner Architektur und Statik. Und Gott sprach: Am Anfang war das Netz. Nur wenig später kam der Ball hinzu.
Das Pochen der Schläfen spürend, drückt der Mann den Ball entlang der Seitenlinie der Spielfeldbegrenzung. Kleine Schlammspritzer, durchsetzt mit Rasenbestandteilen, entfernen sich in konzentrischer Ausbreitung von seinen aufsetzenden Stollen. Im Rhythmus des Laufes fliegt das feuchte Haar. Der Regen zieht feine Schleier durch die nasskalte Luft, die das Spüren freiliegender Hautpartien zu einer Unmöglichkeit werden lässt. Von den Rängen der Arena schallen die Rufe der Anhänger, ein welliges Beben der Massen, ein Gurgeln der Kehlen, das sich mit dem zusammenfließenden Speichel im Hals des Mannes zu vermischen scheint. Der Atem, beim Stürmen fast nebensächlich werdend, zieht als ausufernder Schmerz durch Lunge und Zwerchfell. Nur vorwärts, vorwärts irgendwie, irgendwie die Verfolger abschütteln und die Kugel in geübtem Bogen nach Innen bringen. Pure Konzentration erfasst den Läufer und den springenden, singenden, surrenden Spielgefährten, der sich mal mehr mal weniger von den Füßen des Laufenden entfernt, sein Temperament wechselt, in Lachen Millisekunden fast verharrend, um dann mit einem neuerlichen Energieschub vorpreschend, um wenige Grad die Richtung zu wechseln, näher zum Erfolg. Nun sind es schon drei, vier, fünf Figuren, die sich aus verschiedenen Richtungen dem Laufweg des Rennenden nähern. In einer Art Tanzformation driften Partikel einander zu, einem Aufprall, einer Explosion
entgegenstrebend.
Für einen Augenblick scheint die Zeit stillzustehen, als der Mann den Blick hebend auf den Winkenden in Strafraumnähe schaut.
Schreiende Münder, winkende Hände, fliegende Fahnen begleiten die neuerliche
Veränderung der Situation, als der bis eben noch rollende Ball, seine Eigenschaften als Fluggerät demonstriert und im Ausrutschen, vom Fallenden mit der notwendigen Energie versorgt, einen leichten Bogen ziehend seinen Weg vor das gegnerische Tor nimmt.
Wassertropfen fallen die Glatze des sich zum Kopfball erhebenden Stürmers hinab, die an dessen schon vollgesogener Kleidung, um Aufnahme ins Fasergewebe zu betteln scheinen. Bierbecher platzen in johlende Gesichter, während die Kugel aus Kunststoff und das kugelähnliche Objekt aus Haut, Knochen und Fleisch kurz vor dem Zusammenprall stehen.
Ein feines Netz spannt sich im rechten Winkel des Tores zwischen Pfosten und Latte. Hier hatte am heutigen Vormittag eine Spinne ihre zarten Fäden verknüpft, war auf dem
Altweibersommerwind durch das Stadion geweht und hatte sich eben diesen denkbar
ungünstigen Platz zum Insektenfang erwählt. Jetzt, in der aufgeregten Stimmung des späten Nachmittags, zerreißt der kraftvoll geköpfte Ball das zauberhafte Werk. Ein Raunen erhebt die Menge. Menschen liegen sich weinend in den Armen. Die Spieler werden sich fassungslos ihrer Tat bewusst und sinken in purer Verzweiflung in die Knie. Nein, das haben sie nicht gewollt. Das war so nicht gedacht. Schwarze Blütenblätter schweben vom Himmel, bedecken den Rasen, die Spieler, die Kameras, die glasigen Männer, die Frauen, die buntbemalten Kinder. Als ein schwarzes Tuch legt sich abgrundtiefe Traurigkeit auf die gesamte Szenerie. Alles erstarrt in der gespenstischen Trostlosigkeit des Moments.
Ein Knabe stimmt ein Requiem für einen Traum an, beginnt nach wenigen Noten jedoch
wieder zu schweigen. Engelhafte Locken zieren das blasse und kalte Gesicht.